Das erste, was Piso auffiel, als er das Atrium betrat, war skurillerweise, dass Nigrina sich eine äußerst schicke Trauerkleidung gekauft hatte. Sie sah richtig niedlich darin aus. Wenn er nicht ihr Bruder wäre... Gedanken bezüglich Nigrinas Trauerkleidung schwanden dem Flavier, welcher untypisch für ihn nicht in geradezu fürstliche Gewänder gehüllt war, sondern nur in eine schlichte Trauertoga, dieselbe wie bei Veras erstem Aufbahrungstag, mit einem Gesicht, welches von Bartstoppeln geziert war. Denn er blickte hoch zu seinem Vater.
Sein Vater. Der Mann, der seine Mutter getötet hatte. Er hatte sie im Wald erdrosseln lassen und dann über die Klippen geschmissen, als Fischfutter. Einfach so. Weil er ihrer überdrüssig war. Seine Mutter, an deren Gesicht er sich nicht mehr erinnern konnte... nur noch an ihr Lächeln. Wie gerne er eine Mutter gehabt hätte, nicht nur ein Kindermädchen, das ihm die ganze Zeit Notlügen aufgetischt hatte. Eine Mutter, die ihn verstanden hätte, nicht ein Vater, der sich nie um seinen verweichlichten Sohn scherte.
Piso hatte Nachforschungen angestellt über Calpurnia Fausta, aber kaum etwas herausgefunden. Denn ihre Verwandten in Mediolanum hatte er nie zu fragen getraut. Sie war eine Plebejerin gewesen, aber eine aus der Nobilitas – außerhalb von Rom nahm man es nicht genau mit standesgemäßen Heiraten. Aetius hatte es wohl nie groß gestört, dass seine Frau keine Patrizierin war, schließlich hatte er gewusst, er würde sie nur ein paar Jahre behalten. Und so war Piso ein halber Plebejer, eine Tatsache, die er jedem gegenüber zu verschleiern suchte, sogar seiner Gens gegenüber, denn wer hatte ihn jemals nach seiner Mutter gefragt? Alle hatten sich immer nur für seinen Vater interessiert, von dem er den Gentilnamen hatte. Obwohl sein Cognomen eindeutig darauf hinwies, dass seine Mutter den Namen für ihn ausgesucht hatte.
Und da war nun ihr Mörder. Der sein Vater war.
Piso ertappte sich dabei, dass er noch immer starrte, und räusperte sich. “Salve, Vater“, begann er ungeschickt. “Ähm. Wie war die Reise?“ Nicht, dass es ihn interessieren würde, im Gegenteil, je rumpeliger und unangenehmer, desto besser. Wie hätte er Vater verflucht, ihn sogar denunziert... wenn er nicht sein Vater gewesen wäre. Er stand sogar noch unter dessen Patria Potestas. Mist. Das musste er auch noch bereden. Für einen Senator, der unter der Patria Potestas eines Nichtsenatoren stand, gab es nur ein Wort – panne.