Dass Piso den Mann so dermaßen verwunderte, war voraussehbar gewesen – es wäre nicht das erste Mal gewesen. Er erwiderte den Blick des Mannes, den er wohl bemerkte, mit einem ermüdeten Gesichtsausdruck. Ja, er war ein Patrizier. War das so ungewöhnlich? Konnte das jemanden so aus der Fassung bringen? Piso seufzte, ein wenig theatralisch wohl, aber wenigstens leise, was wohl die spezielle Melancholie und auch Ängstlichkeit ausdrückte, die er an diesem Abend mit sich herumtrug.
Der Iulier schien erstaunt zu sein von Pisos Expertise, und da hatte er wohl Recht, zumindest, wenn es nach dem Flavier ging – dieser hielt sich nämlich ohne die geringsten Selbstzweifel für den größten Weinkenner Roms. Schließlich war auch die Weinverkostung eine Kunst, und der Geschmack des Weines war von seiner Natur her mit Ästhetik verbunden – was lag also näher, sich dem Wein intensivst auseinanderzusetzen?
„Sardischer Wein! Es gibt sehr guten sardischen Wein, aber die Spezialisierung der Apicia ist das durchaus nicht, Iulius.“ Er zuckte die Schultern. „Ich gebe dir Recht, bestellen wir einen... aber Wein ist doch eigentlich zu Schade, um ihn stehen zu lassen. Ich denke, wir sollten erst unseren leeren. Denn – schlecht ist er auch wieder nicht. Nur, wenn wir den Wein, den wir vor uns stehen haben, vollständig geleert haben, können wir uns ein echtes Urteil erlauben!“, behauptete er.
Ja, Centho war wahrhaftig ein ziemlich umtriebiger Kerl. „Ich habe ihn bei einem Rennen kennen gelernt. Wir haben den selben Verein angefeuert, die Veneta. Ich selber bin ja kein Mitglied, aber irgendwie gefallen sie mir.“ Er räusperte sich. „Und wir werden in ein paar Tagen Kollegen – er ist, wie ich zum Vigintiviren gewählt worden.“ Ein zufriedenes Lächeln zog sich über seine Lippen. Auf diese Leistung war er enorm stolz, und er wähnte sich schon bald im Senat.
Beiträge von Aulus Flavius Piso
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Wenn Acanthus richtig gut kaute, oder kauen würde, konnte er noch immer den Geschmack vom Rindsfleisch in seinem Mund spüren. Hmm, das war gut gewesen – die Quelle seiner heute ganz verträglichen Laune.
Er erwiderte: „Ich vergesse niemanden.“ Bridhe sprach das aus, was er schon vermutet hatte – es war also wirklich ihr Sohn. Und der hatte sich damals reingeschlichen. Wie knapp er damals einem riesigen Ärger entgangen war, das wusste er noch heute. Mit dem würde er noch ein Hühnchen zu rupfen haben, das signalisierte eindeutig sein eisiger Blick hinunter auf den Kleinen. „Caius...“, meinte er trocken, bevor er sich die Frage der ehemaligen Sklavin anhörte.
„Da bist du an der falschen Adresse. Aquilius ist in Tarraco, und Aristides weilt in Baiae.“ Er machte ein Gesicht, als ob er nachdenken würde. „Dienen könnte ich mit Herrn Gracchus, Herrn Furianus, und Herrn Piso. Wobei, letzteren kennst du gar nicht.“ Und er spielte auch nicht die erste, nicht einmal die zweite Geige hier. "Willst du einen von denen sprechen?" Wenn nicht, lass mich in Frieden, schien sein Gesichtsausdruck zu besagen. -
Piso blickte konfus hoch, als der Mann sich vorstellte. Iulius. Da kannte er doch jemanden, von denen. „Aulus Flavius Piso. Freut mich sehr.“ Die Gestik, die der Mann draufhatte, machte ihn aber irgendwie sympathisch. Trotzdem war Piso noch immer nicht ganz erpicht darauf, jetzt lang und breit loszulabern. Auf seine Frage, ob er oft hier war, entgegnete er nur ungewohnt wortkarg „Nein“. Was aber den Iulier nicht davon abhielt, unverdrossen weiterzuquasseln. Der Kerl hatte wohl schon einiges intus. Piso hielt sich selber davon ab, zu Seufzen, und schaffte es sogar, ob der leicht naiv-heiteren Art des anderen zu lächeln. Der Anstand gebot es, etwas zu erwidern.
„Da muss ich mich dir anschließen. Was für einen Wein hast du denn? Ich habe da einen...“ Wie hieß das Gesöff nochmals? „Irgendwas aus...“ Er grübelte und beugte sich über seinen Becher, als könnte dieser eine Antwort auf seine Fragen liefern. „Etrurien. Ein Roter aus Etrurien. An und für sich keine schlechte Weinregion, aber es fehlt ein bisschen am Pfiff. Ich glaube, die Apicia ist einfach für kampanische Weine am Besten. Wer sardische Weine mag, der ist wohl am Besten in diversen Lokalen am Tiberufer aufgehoben. Etrurische Weine hingegen sollte man lieber am Forum Romanum trinken. Ich weiß auch nicht, wieso das so ist.“ Er zuckte die Achseln.
„Sag, bist du eigentlich mit Iulius Centho verwandt?“ Der hatte es ja auch geschafft, Vigintivir zu werden. Also, gewählt zu werden, sein taten es die beiden ja noch nicht, da fehlten noch ein paar Tage. -
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Acanthus hatte eigentlich einen guten Tag heute. Er hatte ausnahmsweise zum Frühstück ein wenig Fleisch bekommen, und nicht nur immer dieselbe Pampe, die so gefürchtet und allgemein abgelehnt wurde von der flavischen Sklavenschaft. Und so setzte er sich jetzt mit ein bisschen weniger Gram auf, und schaffte es sogar, ein Lächeln aufzusetzen, bevor er die Tür aufmachte.
Dieses schwand jedoch, als er die Tür aufgemacht hatte und die beiden davor erblickte. „Bridhe?“, fragte er erstaunt, und verlor ein wenig von seiner Farbe, als er den Kleinen unten sah. Sein Blick sprach Bände. Wenn du irgendetwas erzählst von dem, was passiert ist, bist du dran, Genosse, schien dieser Blick zu sagen, bevor er wieder zur hibernischen Sklavin blickte und es schaffte, zu lächeln, wenn auch ein wenig argwöhnisch. „Salve, Bridhe. Was führt dich denn wieder zu uns?“ -
Piso wartete noch ein bisschen, bis der Soldat wieder Zeit hatte. „Das freut mich sehr! Und danke! Die alte Leier mit dem Durchsuchen kommt jetzt sicher wieder, oder?“ Er lachte leise und breitete theatralisch die Arme aus. „Also, mir geht es gut, danke. Ich bin zum Vigintivir gewählt worden, und in ein paar Tagen ist mein Amtsantritt. Ich habe mich auch schon gut in mein Amt als Septemvir eingearbeitet... und der Familie geht es auch gut!“, redete er.
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Irgendwann schlief er ein. Er wusste nicht, wann. Er wusste nicht, wie. Er wusste nur, dass er irgendwann einschlief und wieder aufwachte. Tief in seinem Inneren hatte er eine eher laue Hoffnung in sich getragen. Vielleicht war alles nur ein Traum gewesen, ein irrer Traum, realitätsfern und symptomatisch wohl für die Künstlerseele. Geradezu hoffnungsvoll hatte er deshalb dreingeschaut, als er aufwachte.
Vielleicht würde er in seinem Cubiculum aufwachen. Jetzt würde gleich einmal Phrima hineinplatzen, ihm fröhlich einen „guata Morga“ wünschen, die Gardinen aufreißen und ihm sein Frühstück ans Bett bringen. Vielleicht hatte er vorher noch das Glück, ein wenig im Bett bleiben zu können uns zu sinnieren.
Doch als er seine Augen ganz öffnete, verblasste diese eitle Hoffnung. Rund um sich erblickte er die Wände des Zimmers in einer Herberge. Auf der Decke sah er einen Riss, der sicher in seinem Zimmer niemals einen Platz gehabt hätte.
Und neben sich erblickte er Axilla. Noch schlafend. Zumindest schlafen scheinend. Sie war nackt, wie er selber, wie er jetzt feststellte. Es war geschehen, es hatte es nicht nur geträumt, es war wirklich geschehen, und wieder wuchs das Gefühl in Piso herauf, das man als Panik kannte. Je mehr er die Sitauation überdachte, um so mehr schoss ihm die Röte des panischen Gemütszustands ins Gesicht. Er kniff die Augen zu. Vielleicht würde dies Abhilfe verschaffen?
Ihm kam ein altes Sprichwort in den Sinn. Vater werden ist nciht schwer, Vater sein, hingegen sehr. Piso unterdrückte ein Gurgeln und den Impuls, sein Gesicht tief in Kissen zu vergraben, es um sein Haupt zu klemmen und loszubrüllen vor Entsetzen. Stattdessen lag er nur regungslos im Bett, wieder mit aufgerissenen Augen, mit verwirbelten Haaren, an die Decke starrend. Was nun, sprach Zeus?
Er drehte sich auf die Seite, von Axilla weg, und dachte nach. Wenn er nun Axilla geschwängert hatte, was dann? Er könnte einen kleinen Unfall inszenieren... ach, was war er für ein Arsch! Er hätte sich für diesen Gedanken am Liebsten geohrfeigt, aber das tat er dann doch nicht, da der Laut Axilla aufwecken könnte.
Vielleicht würde er sich jetzt einfach wegschleichen. Genau, das war eine gute Lösung. Er würde sich leise anziehen und sich wegschleichen. Vielleicht würde er eine Notiz hinterlassen. „Es war schön mit dir, aber ich musste gehen. Liebe Grüße...“ Und was für ein Name dann? Vielleicht sollte er nicht unbedingt den seines Calators benutzen. Wie hieß der Knilch, der einmal versucht hatte, ihm bei einem Holzhandel über das Ohr zu ziehen? Genau, Curtius Longus. Er würde diesen Namen auf den Zettel schreiben und...
...er schlief wieder ein, wider Willen.
Er wachte erst wieder auf, als er eine Berührung spürte. Es waren die Hände von Axilla, die ihn hier umschleichelten. Er heute ein leises Danke. Danke wofür, dachte sich Piso. Danke, dass du mich besoffen gemacht hast und dich dann durch meinen Zustand an mir schadlos gehalten hast? Danke, dass du mich zur Mama gemacht hat? Danke, dass du Pläne schmiedest, mich fallen zu lassen wie einen verfaulten Apfel? Doch ihr Danke schien ehrlich zu sein.
Mit einem Schnauben drehte er sich zu Axilla hin. Theoretisch wäre er wieder bereit, noch einmal die selbe Vorstellung zu geben. Doch es wäre ein wenig unpassend.
So lächelte er sie nur leicht unsicher an. Was würde nun kommen?
„Ähm...“ Was sagte man in einer solchen Situation? Archias hätte sich gewusst, was nun zu tun war. Götter, steht mir bei, dachte er sich. „Joa... guten Morgen.“ -
Ein Mann stellt sich seinen Ängsten. Ein Mann stellt sich seinen Ängsten. Wie eine Litanei, gebetsmühlenartig, hatte Piso diesen frommen Gedanken in seinem Kopf Revue passieren lassen. Er hatte, und das musste er sich selber eingestehen, eine Phobie vor der Taberna Apicia. Einmal hatte er die halbe Einrichtung zertrümmert, stockbesoffen selbstredend, und seither hatte er sich nicht mehr hierher getraut.
Bis heute. Er wusste auch nicht genau, wieso er den Entschluss gefasst hatte, hierher zu kommen, doch es musste sein. Geduckt hatte er sich auf einen Platz geduckt, hatte der Kellnerin, einer thrakischen Sklavin mit ausdrucksvollen, verächtlich auf die Römer herabschauenden Augen, eine Bestellung entgegen genuschelt und hatte schicksalsergeben gewartet, bis sie kam. Es war irgendein Wein, man sollte Piso nicht fragen, was es für einer war. Angespannt trank er draus.
Er war alleine gekommen, und dies war wohl auch gut so. So konnte er der Welt nachsinnen – er versuchte es zumindest. Doch er schaffte es nicht. Immer wieder musste er sich umschauen. Kam der Wirt? Bis jetzt war der Gasthausbesitzer, der dazumal ihn rausgeworfen hatte, noch nicht erschienen. Vielleicht hatte er heute frei?
Piso spürte die Lebensgeister in ihm ansteigen – als er plötzlich, ganz unverhofft angesprochen wurde. Sein erster Gedanke: Der Wirt, der gekommen war, um ihn jetzt mit einem schartigen Küchenmesser abzumurksen. Doch dies war der Mann nicht – viel eher ein freundlich, vielleicht ein wenig verzagt dreinschauender Plebejer, der wohl nach einem Sitzplatz suchte.
„Öh... sicher, sicher, nimm nur Platz...“ Piso war wohl die Erleichterung, dass es nicht der Wirt war, anzuhören. Es war vielleicht nicht optimal, dass er in seinen Kreisen gestört worden war – doch vielleicht waren zwei Männer an einem Tisch unauffälliger. Vielleicht würde der Wirt ihn so weniger schnell erkennen. -
„Sicherlich. Das Triclinium. Du hast recht.“ Es war ja kalt draußen. Noch waren die erlösenden Temperaturen, die den Beginn des Frühjahrs anzeigten, nicht gekommen. Zudem konnte es sein, dass den Instrumenten die kalten Temperaturen nicht gut bekommen würden. Zudem hatte das Triclinium noch einen Vorteil – es war weniger wahrscheinlich, dass ein Flavius Furianus des Weges kommen könnte und den Spaß verderben könnte, indem er mieselsüchtig auf das Ende der Katzenmusik (denn eine solche musste sich unweigerlich aus einem gracchisch-pisonischen Ensemble ergeben) beharrte und vielleicht noch eine Strafe für Piso in petto hatte, wie für einen kleinen Jungen, der unartig war. Ja, Piso fürchtete die cholerischen Anfälle des Furianus von Herzen – ein Haufen von blutlüsternen Germanen würden ihm nicht so ängstigen wie sein Vetter dann und wann.
So waren wohl beide damit zufrieden, dass die musikalische Zusammenkunft im Triclinium stattfinden würde. Sie waren sich darin einig, doch eines musste Piso noch wissen. „Wann denn? Am Abend nach der cena, wenn alle Familienmitglieder sich zurückgezogen haben? Dann wären wir alleine, wir hätten unsere Ruhe.“ Seine Augen funkelten voller Begeisterung über diesen, wie er dachte, einmaligen Plan, und seine imminente Erfüllung. „Ich denke, das wäre die beste Zeit – am Abend ist die Muße am größten, und die Musen am gewogensten. Zumindest denke ich dies.“ Musik! Bald würde sie wieder die Villa Flavia erfüllen. Die Sklaven würden sich fürchten! -
Er küsste und streichelte? Tat er das? Vermutlich ja. Er konnte sich nicht hundertprozentig erinnern, hatte ihm doch der Rausch der besinnungslosen Lust den Verstand geraubt. Ohne den geringsten Widerstand zu finden, nur die vollste Bereitwilligkeit, hatte er mit ihr einige der schönsten... Minuten? Stunden? Er wusste es nicht, konnte es nicht wissen.
Irgendwann einmal war es vorbei, und Pisos Gedanken klärten sich auf. Er starrte an die Decke, und sie schien zurückzustarren. Was hatte er getan. Was zum Holler hatte er getan! Er hatte sich komplett von seiner Lust einnehmen lassen, hatte komplett sein Hirn abgeschalten, hatte nur an die Befriedigung seiner Triebe gedacht. Jetzt, im ausgenüchterten Zustand, begann er zu sehen, was das für Implikationen hatte.
Erstens, er hatte mit einer Wildfremden geschlafen. Ohne sie wirklich zu kennen. Nicht nur das, er hatte sich an ihr vergriffen, als sie sturzbetrunken war, zu keiner rechten Handlung fähig. Er hatte nicht rechtens gehandelt. Dass er zudem mit einer Frau Geschlechtsverkehr getrieben hatte, die nicht Decima Serrana hieß, war dabei noch vernachlässigbar. Verdammt! Jetzt hatte er sich potentiell in eine gewaltige Scheiße hineingeritten.
Ein unbändiger Fluchttrieb erwuchs in ihm. Er wollte auf, seine Sachen hastig ergreifen, und weg, nichts wie kopfüber weg aus dieser Katastrophe. Und ihr vorher nch einreden, er wäre eigentlich Appius Lollius Tubulus, und mit den Flaviern weder verwandt noch verschwägert, oder so was in der Art.
Wieso konnte er sein bestes Stück bloß nicht unter seiner Tunika behalten? Es war zum Haare ausreißen!
Er spürte ihren Körper, wie er sich an ihn kuschelte, und die leise Bitte. Er holte tief Luft, als wollte er etwas sagen, ließ es dann aber doch sein. Er würde jetzt brav das machen, was sie sagte... er fühlte sich eh schon so schlecht. Wegrennen würde gar nichts bringen. So hatte er vielleicht noch eine Chance, sich aus dem Dilemma zu bringen... die Sache weiter durchziehen und zu einem Ende bringen. Er ging noch einmal im Kopf seine Gedanken durch.
Er würde bei ihr bleiben, so lange sie wollte, und dann ganz normal weitermachen, als wäre nicht passiert. Wenn sich rausstellt, dass sie von ihm schwanger war, leugnen, leugnen, leugnen. Wozu strebte er in die Politik? Schließlich würde man doch einem Patrizier des ordo senatorius mehr Glauben schenken als einem leichten plebejischen Mädchen.
„Ich bleibe...“ Sicher könnte sich der verdammte Kellner erinnern an ihn. Na ja, wozu war man Flavier? Man müsste den Kerl einfach mit Bedrohungen und Schmiergeldern das Maul stopfen, sollte es wirklich hart auf hart kommen.
Er legte also seine Arme um Axilla und seufzte leicht, versuchte, seine Panik nicht allzu offen zu zeigen. Was, wenn er wirklich alles abstreiten würde? Silanus würde ihn umbringen, der Kerl machte immer einen so aggressiven und stufen Eindruck auf ihn. Der würde sicher keine Sekunde zaudern. Und Archi? Der würde nie wieder mit ihm reden. Und Imperiosus doch auch! Verdammt! Was hatte er bloß für einen elenden Salat gebaut? -
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Ein Anknüpfungspunkt, das war immer gut. Blumen – das Thema würde gar nicht aufkommen, er würde es wohl vertrödeln, danach zu fragen. Schließlich musste man ja dem Vormund nicht alles erzählen, was man mit seinem Mündel so getrieben hat. Auch Piso würde schließlich nur die halbe Wahrheit von ihrem denkwürdigen und eigentlich ziemlich unwahrscheinlichen Zusammenstoß erzählen – wohlweislich. „Dann hat er sicher einen guten Geschmack.“ Sicherlich aber watete Corvinus nicht beim Anpflanzen im Dreck herum, um die Blumen anzusäen. So etwas wäre zutiefst unästhetisch. Nein, einfach nur dasitzen und den Garten anschauen, das bereitete ihm Freude. Blumen zu lieben, das mochte ziemlich effiminiert sich anhören, doch Piso mochte seine Blümelchen.
„Oh, danke!“, freute er sich. Vielleicht stieß man wirklich in der Villa Aurelia zusammen. Wenn nicht, fände er schon noch eine andere Ausrede, mit ihr irgendwie zusammen zu kommen. Möglicherweise bräuchte er nicht einmal eine Ausrede. Mal sehen. Wer weiß. Er senkte kurz seinen Blick und schaute ihr dann wieder in die Augen. Blaue Augen hatte sie, so unähnlich den braunen der Decima Serrana. Er verkniff sich ein melancholisches Seufzen und horchte auf, als sie von Germanien sprach.
„Oh ja... ich war auch schon einmal dort. Schreckliches Land.“, stimmte er ihr bei. „Ich war selber schon dort... grässlich!“ Mit ausladenden Gesten kolorierte er sein Entsetzen vor diesem Land. Es war nicht einmal gespielt – er hatte Germanien wirklich nicht gemocht. Im Gegenteil, man hatte ihn ausgenommen wie eine Gans zu den Saturnalien. Nein, es war nicht unbedingt ein Land, in das er zurückkehren mochte.
Er nickte nur verständnisvoll, als sie ihre Mutter erwähnte. Unwillkürlich musste er an die Seine denken... und musste feststellen, dass er noch immer nichts von den Gedächtnislücken, die er hatte, wenn er an sie dachte, auffüllen hatte können in der Zwischenzeit. Wie die Jahre zuvor ebenfalls nicht. Prisca schloss ihre Germanienbeschimpfung damit ab, dass sie meinte, Parthien würde ihr eher gefallen. „Da stimme ich dir bei. Parthien muss wundervoll sein.“ Wieso hatten sich diese Unseligen noch nicht dem römischen Reich unterworfen? Es war doch seltsam, dass es Leute gab, die nicht unter der glorreichen pax romana leben wollten. Unverständlich, dass diese Leute bereit waren, ihr Leben zu geben, um nicht in diesen Vorzug zu gelangen.
Es erleichterte ihn doch, dass Prisca bereit war, ihm ohne Umstände zu folgen. Schließlich hatte er auch schon irgendwie damit gerechnet, dass sie Widerstand leisten würde gegen diesen Wunsch, den er so begeistert geäußert, oder zumindest mit Befremden reagiert. Doch sie ließ sich von seinem Enthusiasmus mitreißen, was ihn seinerseits begeisterte. Diese Frau war spitze, dachte er sich vergnügt, und war danach versucht, in einer vertraulichen Geste nach ihrer Hand zu greifen. Doch er tat es dann doch nicht. Es we nicht richtig gewesen, nicht in dieser Situation.
Des Parthers Laden kam bald außer Sichtweite, als die beiden Patrizier dem Buchladen zustrebten, und Piso hörte Fragen aus Priscas Mund.
„Was für Bücher? Öhm...“ Er dachte kurz nach, als sie ihm aufzählte, was sie mochte. „Ich mag auch sehr gerne Gedichte. Und Prosaschriften. Und nicht zuletzt philosophische Schriften. Und welche Autoren? Hmm... ich mag Ovid. Aber vor allen Dingen Vergil. Vergil ist wunderbar.“ Er lächelte. „Die Aenaeis ist ein unerreichtes Meisterwerk... hmm, Aesop?“ Der berühmte Fabelschreiber? Piso dachte kurz nach, was kannte er von ihm? Die eine oder andere amüsante Geschichte von ihm hatte er schon gehört. „Oh ja! Aesop! Ich bewundere seine Geschichten, sie haben Witz und gleichzeitig so unglaublich viel Tiefgang! Was denkst du von Hesiod? Viele von seinen Geschichten sind im selben Geiste geschrieben wie die von Aesop.“ Er dachte kurz nach. „Aber, für Astronomie interessierst du dich? Das ist... interessant. Ich weiß leider nicht allzuviel davon, aber mathematisches Wissen habe ich mir schon angeeignet bei meinem Studium der Architektur.“ Er schaute sie neugierig an, vielleicht war sie ja bereit, ihm etwas von der Astronomie zu sagen?
„Das hat er auch! Und wie weit es ist? Nun!“ Er grinste und machte ein geheimnistuerisches Gesicht. „Zwei Fuß, zu meiner rechten.“ Er hielt an und streckte die Hand nach rechts aus, sodass er ein herunterhängendes Tuch beiseite schob und den Blick frei gab auf eine unterdachte Bude voll mit Büchern, deren Haupteingang sich auf der anderen Seite zu befinden schien. Schriftrollen verstellten zur Gänze die mannigfachen Regale, und einige Sklaven waren dabei, mit flinken Handbewegungen Kopien von Büchern anzufertigen. Einige Kunden durchstreiften die mit Schriftrollen vollgestellten Räumlichkeiten. Der Besitzer, ein dicklicher Grieche, bemerkte die beiden Besucher nicht, er war in einer Debatte mit einem Kunden involviert.
Piso liess selbstredend als Mann mit Manieren Prisca den Vortritt beim Hineingehen, er selber wartete auf seinem Platz, bis die bezaubernde Aurelierin an ihm vorbeigegangen war. -
Piso war ein Opfer der Wollust geworden. Er war schon immer ein Mann gewesen, der nicht unbedingt lange auf der Moral und auf überholten Vorstellungen herumsaß, auch wenn seine Einstellung, verglichen mit vielen seiner Freunden, doch etwas konservativ war – man kam eben aus der Haut eines Patriziers nicht heraus. Gleichwohl gefiel er sich selber als Liberaler. Was er aber nun mit Axilla machte, in aller Öffentlichkeit, das war durchaus etwas, was selbst den aufgeschlossensten Geistern missfallen würde. Doch Piso war in den Studel, den Abyss gefallen, der die reine Lust darstellte – ungarniert von Sentimentalitäten. Er spürte ihre Last auf seinen edelsten Teilen, und es affektierte ihn zu solch einem Ausmaß, dass er fast nicht an sich halten konnte...
Welch Wunder, dass der Kellner einschritt. Widerwillig wurschtelte Piso seine Zunge aus Axillas Mund heraus und parkte sie wieder in seinem Gaumen, bevor er sich an den Störenfried wandte. „Ähm, na gut. Zimmer für zwei. Ist eh schon spät. Wein bitte aufbewahren.“ Seine Kehle fühlte sich rau und ausgetrocknet an, als er sprach. Der Kellner nickte und deutete diskret, wie er war, im Gegensatz zu seinen beiden Gästen, zur Stiege nach oben. Piso dachte kurz nach, wie er sich erheben könnte – und erpackte dann Axilla, die in ihrem Zustand sowieso nicht mehr gehen könnte, und hob sie hoch. Widerstand würde sie in ihrem Zustand wohl nicht mehr leisten.
Sie also so quasi abschleppend, trug er sie zur Treppe, wäre dabei fast mit einer Säule zusammengestoßen, und eilte hinauf, dem Kellner hinterher, der eine Türe hastig aufhielt, Piso mit Axilla auf seinen Armen hineinrumpeln ließ, und die Türe hinter sich zumachte.
Als die Türe zu war, wischte sich der Kellner den Schweiß von seiner Stirn und schritt wieder hinunter. Er verstaute den Wein für seine Gäste, und nahm es mit Erleichterung zur Kenntnis, dass sich seine übrigen Gäste wieder scheinends beruhigt hatten.
Das Zimmer derweil war in einem angenehmen Halbdunkel eingetaucht. Piso stieß mit seinem Schienbein an das Bett, das er nicht gesehen hatte, an, knirschte einen leisen Fluch hervor, ließ Axilla darauf nieder. Mit schelmisch glänzenden Augen blickte er auf die nieder, bevor er sich auf sie stürzte. -
Pisos Grinsen wurde nun doch ein bisschen weiter. „Jetzt hast du etwas, mit denen du ihnen drohen kannst! Die werden dir gehorchen, aber fluggs!“
Imperiosus fragte ihn noch, was er nun war. „Nun, ich bin Septemvir. Das bedeute, im Grunde, Verwaltungs- und Organisationskram für den Cultus Deorum. Also auch nicht so viel anders als die Kanzlei, denke ich mal.“, interpretierte Piso die Befugnisse der Septemviri liberal. "Mit ein paar kultischen Dingen... Götterspeisungen und solchen Scherzen. Sollte ganz spassig sein." Er zuckte die Schultern. -
Zitat
Original von Decimus Annaeus Varus
Zugegeben hatte Piso ganz andere Ambitionen, als in der Kanzlei zu versauern, deswegen war ich zwar anfangs nicht ganz damit einverstanden und konnte den Jungen ganz gut verstehen und außerdem, was blieb mir anderes übrig.
"Dann bleibt mir nur noch dir viel Erfolg auf deinem weiteren Weg zu üwnschen und da du mich als Freund siehst und ich dich in so kurzer Zeit zu schätzen gelernt habe, wird dir diese Tür immer offen stehen."
Antwortete ich und zeigte auf die Tür, die mein Officium von dem Flur trennte."Gut, dann werde ich mir mal Gaius Numerius Urbicus heranzitieren und ihn in meine Pläne einweihen."
Ich machte mir eine kleine Notiz und legte den Griffel beiseite.Piso nickte ernst. „Ich danke dir. Es bleibt mir nun nichts übrig, als dir ebensoviel Erfolg zu wünschen.“ Dabei war Varus schon dort angekommen, wovon viele nur träumen konnten. Dennoch, er war noch jung, und würde es wohl noch zu höheren Posten schaffen – vielleicht einmal nach Aegyptus. „Und es freut mich, dass deine Tür mir offen stehen wird – ebenso wie die Porta der Villa Flavia, wenn du mich einmal besuchen möchtest. Nun, ich hoffe, das war nicht das letzte Mal, das wir uns gesehen haben.“ Er nickte abermals, zufrieden, als er den Annaeer eine Notiz machen sah. „Vielen Dank.“ Er seufzte. „Nun dann... in diesem Sinne... vale. Mach es gut.“ Er drehte sich weg und verließ das Zimmer.
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Zum ersten mal, seit er seinen Dienst quittiert hatte an der Kanzlei, lenkte er seine Schritte wieder zum Palatin. Die Angelegenheit, um die es ging, hatte ihm schon lange keine Ruhe gelassen. Er hatte sich immer wieder eingeredet, es sein zu lassen, nicht nachzuforschen, einfach die Sache auf sich beruhen zu lassen. Doch er wollte es doch noch machen. Nichtwegen sich selber, sondern weil er sich der betreffenden Person doch noch verbunden fühlte – wenn er diesem mann auch nichts schuldete, im Gegenteil.
Den Soldaten, der vorm Tor stand, den kannte er. Was kein Wunder war, schließlich war der oft zur Bewachung des Palatins eingeteilt. „Salve, Miles Naevius! Ich hoffe, dir geht es gut? Kannst du dich noch am mich erinnern? Flavius Piso, einst Primicerius, jetzt Septemvir. Ich möchte zu Aelius Quarto, es geht um einen seiner Klienten.“ -
„Oh, sehr gut! Ich danke.“ Als Piso, der Corvinus gar nicht gesagt hatte, in welcher Position er zuküftige Operprüfungen zu übernehmen gedachte, diese Worte erwiderte, lächelte er freundlich, und behielt dieses Lächeln bei, als er den Durmier kennen lernte. „Es freut mich sehr, Durmius.“ Bona Dea, war das ein Greis. Dass man solchen alten Leuten noch erlaubte, einem Beruf nachzugehen? Nun, Erfahrung hatte der Alte sicherlich. So schloss Piso seine Begrüßung mit einem Nicken ab und blickte wieder nach vorne, wo Aoide bereits auf sie wartete. Piso blickte in ihre Augen und sah die Erkenntnis. Ja, sie hatte nicht vergessen, wer er war. Er bemerkte wohl, dass die Germanica seinem Blick auswich, und schenkte ihr ein leicht gekünsteltes Lächeln, als Corvinus sie ihm und umgekehrt vorstellte. Jetzt würde sie wohl wissen, wer er war, was er erreicht hatte, dass er sich nicht auf seinen Lorbeeren ausgeruht hatte. „Ich hoffe, das macht dir nichts aus.“, setzte Piso hinzu und grinste leicht süffisant.
Dieses Grinsen verging ihm aber, als Corvinus ihm sagte, er wäre gegen so ein Gespräch. Mist! Er hätte eher erscheinen sollen, dann hätte er sich gegenüber einem Pontifex nun nicht zu rechtfertigen brauchen. Er verzog ganz leicht die Lippen, bevor er wieder dünn lächelte, und blickte kurz zu Aoide hinüber. Ein stählerner Blick, aus der ziemlicher Zorn sprach, traf sie, bevor er wieder breiter lächelte und zu Corvinus schaute. „Nun gut. Wie du denkst. Wir wollen ja Vertumnus nicht um sein Opfer bringen.“ Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, dem Opfer zuerst zuzusehen. Sein Blick glitt wieder kurz zu ihr, sie musternd. Der Holzdelphin fiel ihm auf, sein Blick verharrte kurz auf ihm, bevor er zurücktrat und sie, wohl ein bisschen falsch, anlächelte. „Dann wünsche ich dir viel Erfolg... Germanica.“ Er überbetonte das Nomen Gentile wohlweislich, und verschränkte hinter dem Rücken seine Arme. -
Auch Piso hatte sich auf diese Gegebenheit gefreut, wenn auch aus einem komplett anderem Grund als Corvinus. In der Villa Flavia hatte er sich schon zurecht gemacht, nichts vom kompletten Habitus eines tadellosen Priesters auslassend – weiße Bekleidung, eine wallende Toga, Schuhe mit dem Halbmond auf Hochglanz poliert. So konnte er sich sehen lassen. Der Tempel des Vertumnus, der war es, zu dem es ihn hinzog. Mit einem undefinierbaren Gesichtszug schritt er zum Tempel hin.
Er musste kurz vor einer vorbeitrampelnden Zenturie von denen der CU halt machen, bevor er sich durch die Gassen Roms weiterdrängeln konnte. Geben die Götter, dass er sich nicht verspätete. Es war schließlich schon der frühe Nachmittag, die 7. Stunde war angebrochen, zumindest ließ der Sonnenstand darauf schließen. Schlussendlich, nach einer nicht gerade angenehmen Wanderung durch die Straßen Roms, erreichte er aber doch noch den Tempelvorplatz des Tempels des Vertumnus.
Das erste, was er sah, war Corvinus, der, zufällig, zeitgleich mit ihm den Tempelvorhof betrat. Zusammen mit einem Greis, den Piso weder kannte noch wichtig fand. Mit einem weit ausladenden Seitenschritt nach rechts gesellte Piso sich zu ihm, tauchte somit sozusagen direkt neben ihm auf. „Ah, salve, Pontifex Aurelius! Salve, Aedituus. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen. Ich wollte aber einmal in meiner Position als Septemvir bei einer Opferprüfung dabei sein. Es kommt mir nur aufs Zusehen an, mehr nicht, denn in Zukunft kann es wohl sein, dass auch ich Opferprüfungen abnehmen werde müssen. Darauf will ich vorbereitet sein.“ Nach seiner kleinen Erklärung, wieso er hier war, wanderte sein Blick unauffällig nach vorne. Sein Augenmerk konzentrierte sich auf die junge Frau, die ihre Prüfung ablegen wollte.
Sie war es. Es war ganz unverkennbar. Es war die vom Markt. Die Sängerin. Aoide, die Muse, wie sie sich in ihrer Arroganz und ihrem größenwahn genannt hatte.
Schnell blickte er wieder zu Corvinus. „Ich hoffe, ich darf die discipula vor dem Opfer noch zu einem kurzen konspirativen Gespräch bitten? Es wird nur ganz kurz dauern!“, bat er. „Es geht darum, dass ich mich auch in den Prüfling vor der Prüfung hineinversetzen kann, ich empfinde dies als wichtig.“ Das war so nicht richtig, aber er hoffte, als Erklärung reichte dies aus. -
„Salve, Septemvir! Die Opferprüfungen dieser Woche.“ Dieselben präsentierte Tubulus mit einem schwülstigen Grinsen dem Flavier, der vor einem Dokument grübelte. Piso nickte kurz und warf einen Blick darauf.
Als Septemvir gingen viele Dokumente jeden Tag durch seine Hände, was ihm auch gefiel, war die administrative Tätigkeit im Cultus Deorum doch sehr vergleichbar mit seiner bisherigen in der Kanzlei. Auch hier hatte er die eine oder andere Anfrage zu erledigen. Und die anstehenden Opferprüfungen sah er sich auch immer genau an. So auch diese Liste.
„Nun, nun. Aha... oho... soso...“, murmelte er, als er durch die Liste ging. Bei Fuficia Silana blickte er auf. „Lollius, es ist schon komisch. So viele Frauen gibt es. Die Frauen drohen den Cultus Deorum regelrecht zu überschwemmen. Kaum sieht man Männer die Prüfungen abzunehmen.“ Er schüttelte den Kopf. „Die gehen wohl alle lieber ins Militär, als sich bei Aktivitäten einzubringen, wo man Hirn besitzen muss. Pah.“ Seine Hand ergriff einen Weinbecher, der neben ihm stand, und trank daraus, als sein Blick wieder auf die Liste und auf den Namen, der unter der Fuficierin mit schnörkeligen Buchstaben hingekrakelt war, wanderte.
Und es war genau beim Schlucken, als er diesen Namen sah. Der Wein kam ihm in die falsche Kehle, er prustete ihn wieder aus, auf den Tisch hin und begann zu husten wie ein Weltmeister, während sein Blick noch immer ungläubig an diesem Namen hing. Er hatte gehofft, ihn nie wieder sehen zu müssen, doch hier war er, eindeutig und unverkennbar.
„Septemvir?“, hörte er Tubulus besorgt fragen. Piso winkte ab. „Es ist... *hust*... nichts. Gar nichts. Ich... ähm...“ Er blickte wieder auf das Dokument und begann zu grinsen. „Ich werde, so denke ich, bei einem der Opferhändel vorbeischauen. Schließlich will ich ja auch etwas Erfahrung in der Hinsicht gewinnen.“ Sein bislang ungläubiger Gesichtsausdruck wandte sich zu einem fast diabolischen. Er würde morgen wohl jemandem einen ziemlichen Schrecken einjagen, wenn er aufkreuzen würde... hehe. Er platzierte die Rolle auf seinem Tisch, neben den See von ausgespucktem Wein hin, und verließ sein Arbeitszimmer, sich die Hände reibend. Ha! -
Hätte Piso des Gracchus Gedanken lesen können, er hätte ihm zugestimmt – wenn auch nur zögerlich, denn frank und frei, ohne Zögerlichkeit, mit der Wahrheit daherzukommen, das war nicht sein Stil. Macht, ja, nicht nur im geistlichen, metaphysischen Sinne, sondern auch greifbar. Nicht unmittelbar in diesem Sinne, aber in dem selben Ausmaß Macht, in dem ein Sprungbrett dies darstellt. Denn tief im Inneren betrachtete Piso den Cultus Deorum als die Basis, auf die er sich seine Macht aufbauen könnte. Das Kapital, die Erfahrung, die Reputation, die Beziehungen, und nicht zuletzt die guten Kontakte zum einen oder anderen Gott, die einhergehen mit der Ausübung einer Position in einem Collegium – all dies würde ihm unzweifelhaft helfen beim Cursus Honorum. Weltliche Macht durch geistliche Macht – zwei Fliegen würden mit einem Schlag geklatscht. Bevor er aber an solches denken konnte, müsste er zuerst schauen, dass er seine Aufgaben als Septemvir, sodenn er diesen Platz bekommen würde, tadellos ausüben würde.
Gracchus konnte sich scheinends ein Kommentar zu seinem Vater nicht verkneifen. Piso, bestrebt darauf, vom Thema wegzukommen, zuckte gehaltslos mit den Achseln. Am Liebsten wäre er aufgebraust. Aetius, ihm seine Karriere blockieren! Das wäre ja noch schöner gewesen! Gracchus konnte sich kaum vorstellen, was Pisos Vater ihm verbaut hätte. Er hatte ihm seine Mutter verbaut. Seine Kindheit hatte er ihm verbaut. Väterliche Liebe, wie sehr hätte sie sich Piso gewunschen, wie wenig davon hatte er abbekommen! Das meiste davon war auf die Favoriten seines Vaters abgetröpfelt. Wie Leontia. Er biss mit seinen Zähnen aufeinander, sodass seitlich an den Kiefern die Gelenksknorpel leicht hervortraten. Sosehr Leontia hier in Rom wohl geschätzt war, so viele Sachen könnte Piso über sie erzählen, was das holde Bild um einiges qualifizieren würde. Doch er tat es nicht. Über die Toten spricht man nicht schlecht. Ebensowenig über den eigenen Vater, auch wenn die Flammen der Verachtung tief in ihm gegen Aetius brodelten. Dieser Mann hatte seine Mutter umgebracht, und das würde er nie verzeihen können. Nicht einmal Vera hatte er davon erzählt – er wollte nicht, dass sie die selben inneren Qualen durchleiden würde wie er.
Welche er jedoch verdrängen konnte, wenn er nur an das ihm liebe Konzept der Ästhetik dachte, welche sich in ihrer pursten Form in Musik manifestierte. Und so war es ziemlich natürlich gewesen, dass er zu den singenden Arvalbrüdern gegangen war. Gut aber, dass er wieder nichts davon mitbekam, dass Gracchus ein Gaukler werden hatte wollen – er hatte sehr schlechte Erfahrungen mit fahrendem Volk gehabt. Das einzige, was Piso sah, war ein etwas wehmütiger Gesichtsausdruck im Antlitz seines Vetters, welches jedoch einem zuversichtlicheren wich.
Piso lächelte breit, als Gracchus sich endgültig entschloss. Es freute ihn sehr, dass er die Möglichkeit erhalten würde, mit ihm ein wenig Musik zu machen – mochte sie auch ob der fehlenden Talente des Piso und der Ausgelaugtheit des Gracchus als die größte Katzenmusik bisheriger Zeiten sich entpuppen.
„Das ist wunderbar. Wo sollen wir dies machen? Im Peristylium, würde ich vorschlagen. Oder doch leiber im Triclinium?“, brach Piso das Schweigen, welches zwischen den beiden ausgebreitet hatte. Impulsiv und energetisch, konnte er es gar nicht abwarten. -
So, wie Axilla sich nun an ihn herandrückte, wurde es ihm unmöglich, weiterzutrinken. Und er war eigentlich gar nicht sauer darüber. Der Grund für sein Trinken war jedoch nicht etwa gewesen, dass er unempfänglich wäre für die Reize der Iunierin, sondern, weil er die Entscheidung, die er nun unweigerlich fällen musste, sich leichter machen wollte. Doch der große Alkoholrausch, den er sich erwartete, und von dem er erhoffte, dass jener seine Aktionen leichter machen würde, trat nicht ein.
Die Entscheidungshilfe, die er sich vom Wein erhofft hatte, trat aber nun doch ein – doch war diese nicht vom Wein initiiert, sondern vielmehr vom Objekt der Begierde. Axilla sagte etwas... sie war gerne bei ihm. Für den glückseligen Piso war dies Antwort genug. Und sie schwang ihm nichts, dir nichts ihre Beine auf die seinen hinauf und beugte verheißungsvoll ihr Gesicht zu dem seinen hin, sodass ihre Lippen fast trafen.
Eine hitzige Welle der Erregung erfasste Piso, eine Welle, die alle anderen Gedanken hinwegfegte. Hier wird dir der Himmel auf dem Serviertablett serviert – jetzt zurückzurudern und die Sache abzublasen wäre, wie ein Geschenk von den Göttern zurückzuweisen. Und wäre eine solche Aktion nicht, als ob man einem Schenkenden eine Ohrfeige ins Gesicht verpassen würde?
Seine rechte Hand umschlang den zarten Körper Axillas, und er brachte seinen Mund zu ihrem hin. Rot wie Kirschen waren ihre Lippen... jetzt wusste er es! Nicht nach Pflaumen oder Blumen hatte dieser vermaldedeite Wein geschmeckt, sondern nach Kirschen! Er hatte Kirschengeschmack! Kirschengeschmack!
Ihre Lippen berührten sich, und Piso drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Und wieder. Er drehte seinen Kopf leicht nach links. Seine Zunge suchte sich, als er Axilla näher an sich hinandrückte, ihren Weg in ihren Gaumen hinein... zum Tartarus mit den ganzen verkniffenen Prüderichen, die jetzt starren würden, er war Arvalbruder, und was er sagte, war Moral!