Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Sim-Off:

    Das ging ja zackig. :D


    Die Tür ging auf, und Piso bot sich der Anblick eines nicht sehr interessanten Ianitors. „Salve.“, grüßte er zurück. „Das stimmt. Ich bin Aulus Flavius Piso. Erwartet mich der Magister Septemvirorum bereits?“ Hoffentlich tat er das, denn alles andere wäre mehr als nur ein Affront. Obwohl, wenn der Ianitor wusste, wer erwartet wurde, standen die Chancen gut, dass sein Termin nicht vergessen worden war. Piso versuchte, über die Schulter des Sklaven hinweg einen Einblick in die Casa Opimia zu erhaschen, doch er konnte nichts erkennen. Er konnte nur etwas hören... klang das nicht wie... das Gezwitscher von Amseln? Waren das schon Hirngespinste, die er vor lauter Angespanntheit zusammensponn?

    Noch einmal an der Toga gezupft. Saß sie richtig? Nein, der Part am linken Arm war ein wenig verrutscht. Etwas höher mit dem Arm... so... genau so. Das war perfekt. Genau so konnte er sich sehen lassen.
    Als Piso noch seine Toga aussortierte, stand er schon vorm Eintrittstor zur Casa Opimia. Sie stand ganz günstig eigentlich. Er musste nicht so elend lange von der Villa Flavia dorthin hatschen wie zum Palatin, und, joa, damit konnte er leben.
    Hände gerieben. Diskret zog er irgendwo ein Taschentuch heraus und schnäuzte sich. Mit einer gewissen Satisfaktion blickte er auf die mitnichten ungewaltigen Rotzschlänzer im Taschentuch und steckte es wieder ein. Einmal durchgeatmet, noch einmal an die Stelle getastet, wo er seinen Brief verstaut hatte – er war noch immer da - Hand erhoben, und... geklopft. Wie üblich mit Kraft und dreimal, sodass man es innen auch hören würde.

    Aufgestanden, sich von Phrima verwöhnen lassen, Katzenwäsche gemacht, Zähne geschwemmt, Ohrenschmalz ausgepult, fertig war Piso für den Morgen. Bevor er aber in die Kanzlei aufbrach, setzte er sich noch an seinen Arbeitstisch in seinem Cubiculum und schaute sich noch einmal sein halb fertiges Gedicht durch. Hmm, was könnte er jetzt noch schreiben? Er fummelte unschlüssig an seiner Feder herum, als es klopfte. „Herein!“, rief er, nach hinten gebeugt, und sah seinen Privatsekretät Antiochos eintreten.
    „Ah, Antiochos. Morgen. Gibt’s Neues?“ Der mittelalte Kreter – mit seinem Waschbärenbauch sicherlich nicht mit diversen kretischen Stieren vergleichbar – nickte. „Sehr wohl, Herr. Ein Brief ist angekommen von einem Collegium. Ein Collegium Seppel... Sepple... Seppi...“ „Septemvirorum?“ „Genau, Herr! Verzeih, man kann sehen, dass Latein nicht meine Muttersprache...“ „Gib einfach her.“
    Antiochos tat dies, und Piso brach das Siegel auf. Er studierte den Brief genauestens und riss seine Augen auf. „Bei Iuppiter! Aurelius Corvinus hat sein Versprechen eingehalten! Hurra darauf!“ Er begann, seine Fäuste jubilierend herumzuschwingen, wobei er Antiochos fast getroffen hätte. Der Keter duckte sich, um nicht einer Watsche zum Opfer zu fallen. „Dann gehe ich dorthin. Wie sitzt meine Toga?“ Antiochos runzelte seine Stirn. „Mit Verlaub, Herr, du hast keine an.“ Piso sah an sich runter und fuhr sich mit der rechten Hand durch die verstrubbelten Haare. „Bäh, so ein Schmäh. Wo ist sie denn?“ Antiochos zeigte auf den neu installierten Haken an der Wand. Piso zog seine linke Augenbraue hinauf. Seitdem er sein Zimmer hatte aufräumen lassen, war kein Stein mehr auf dem anderen geblieben.
    „In jenem Falle...“ Er schritt zur Toga hin, ergriff sie und ließ Antiochos einen Sklaven hereinwinken, der ihm die Toga überwarf. Sie saß gut. „In diesem Fall, wünscht mir Glück. Valete.“, meinte er zu den Sklaven hin, als er zur Tür herausschritt.

    Piso wusste jetzt nicht, wieso Ursus lachte, aber er lachte trotzdem gepflegt-kontrolliert mit und brachte diesen Heiterkeitsausbruch mit einem Schluck aus seinem Wein zu einem kultivierten Ende. „Gallien, und die Mädchen dort, sind unbeschreiblich. Die Frauen dort haben es echt drauf.“, gestand er. „Lugdunum... ach, wundervoll. Seither weiß ich, wieso man sagt, man lebt wie Iuppiter in Gallien. Denn Essen haben sie auch nicht schlechtes. Nur etwas seltsames. Stell dir vor, Froschschenkel. Ohne Zweifel ein Gericht aus den Tagen, als Caesar versuchte, die Bevölkerung von Alesia auszuhungern.“, meinte er. „Deine Sklavin ist auch Gallierin? Hmm... ist die auch so... du weißt schon... erwähnenswert?“ Er grinste Ursus fröhlich zu.
    „Hispania ist schon was anderes. Sehr trocken, wie die Weine, die aus dem Land kommen. Ich war aber nur im Norden, in Tarraco, im Ebrotal und im Baskenland. Sehr schön. In Flaviobriga hatte ich ein etwas unschönes Erlebnis... meine Fremdenführerin hat sich in unserer Herberge in der Nacht aufgehängt. Seltsames Mädchen, hatte noch ihr ganzes Leben vor sich...“ Er schüttelte den Kopf.
    „Kreta ist wundervoll. Die Ruinen von Knossos und die von Phaistos sind unbedingt einen Besuch wert. Und erst die Höhlen! Auf Kreta gibt es viele schöne Höhlen, die man besichtigen kann... wie auch weite Schluchten. Wundervolle Landschaften, sage ich dir. Gortyn ist obendrein eine nette Stadt.“, erklärte er.
    Er lachte lauthals, als Ursus meinte, er wäre heilfroh, sich in Achaia ausgetobt zu haben. „Nun, das ist auch schön. Ich habe auch noch zu meiner Anfangszeit hier in Rom den einen oder anderen Spaß getrieben. Aber ich bin jetzt auch ruhiger geworden.“, meinte er zu Ursus. Und das war auch gut so. Obwohl, Piso würde im Herzen immer ein Kindskopf bleiben.
    „Doch, doch, ich habe einen.“, strafte er wohl den Gedanken des Ursus Lügen. „Purgitius Macer.“ Sicher würde Ursus den kennen. „Wer ist denn dein Patron?“, fragte er.

    Sim-Off:

    Wie schon gesagt: Tschuldigung...


    Piso hatte wieder etwas getan, was typisch für ihn war. Von einem himmelhoch jauchzenden Zustand war er in ein verdammt tiefes Loch gefallen, welches den Flavier fast physisch darniederdrückte. Der arme, arme Piso, sein Herz schien bersten zu wollen! Seine Emotionen wollten schier aus ihm herausströmen, in der Form eines Schreis, oder eines sonstigen Lautes, den zu beschreiben die Leserschaft entsetzen würde. Im stets oszellierenden Gemütsverlauf des Flaviers befand er sich so weit unten, dass auch die tröstenden Worte von Axilla ihn nicht wirklich hervorzerren konnte. Immerhgin versuchte sie es aber, und Piso lächelte sie dankbar an (zumindest versuchte er es, was rauskam, dürfte eher eine fast schmerzverzerrte Grimasse sein).
    „Denkst du das? Nun, vielleicht hast du recht. Doch fast glaube ich, ich werde noch an meinem Lebensende da sitzen und mir denken, was ist mir da bloß durch die Lappen gegangen...“ Er schnaubte, irgendwie amüsiert schon, und schüttelte den Kopf. „Aber trotzdem. Danke, Axilla. Danke.“ Er hatte sie beim Cognomen genannt, ohne dass es ihm aufgefallen war. Aber nun war, so suggerierte wohl sein Unterbewusstsein, eine Vertrauensbasis zwischen der Plebejerin und ihm geschaffen worden, die Namenskonventionen einfach übersprang.
    Es erschien ihm aber erstaunlich, als sie plötzlich wieder fröhlich auf das alte Thema zurückkam. Piso wäre nicht Piso gewesen, wenn er nicht sofort – er war ein sehr guter Verdränger – in die selbe Kerbe geschlagen hätte. War sie wohl so flatterhaft wie er? Allgemein wurde dies nicht als positive Charaktereigenschaft gesehen, doch Piso fand, sie machte einen Menschen nur interessanter.
    „Ach, die Musen, von denen habe ich genug, um ehrlich zu sein.“, meinte er. „Alte Geschichte.“ Er winkte ab, das Thema war einfach ein wenig zu bitter für ihn. „Und so was wie ich will Priester werden.“, lachte er. Sein Entschluss, Septemvir zu werden, stand schon fest, doch hatte er, jetzt, am zweiten Tag der Faunalien, noch wenig in die Wege geleitet.
    Apropos Faunalien. Auch er hörte das Klatschen udn Gejohle, das von hinten kam. Piso runzelte die Stirne. Prozessionen waren schon dubios. Ästhetisch und dann hie und da doch wieder vulgär. Es kam darauf an, wo man sich befand. Ob die Faunalien am Viehmarkt wirklich so wundervoll wären?
    „Ja, es sind die Faunalien. Der zweite Tag.“, bestätigte er, der wie jeden Morgen von der treuen raetischen Sklavin Phrima das Frühstück und Informationen zum neuen Tag in diesem entzückenden Akzent bekam. Beim Gedanken daran musste er schmunzeln. „Ja, ich würde gerne sehen, was die dort treiben. Kommst du mit? Oder willst du noch Pferde schauen?“ Die von seiner Dichtkunst noch immer komplett verstörten Pferde hatten natürlich schon längst das Weite gesucht und wurden am anderen Ende der Koppel mittlerweile durch Passanten mit Möhren verköstigt.

    Zitat

    Original von Aedituus


    Der alte Priester schaute sehr zufrieden drein, und Piso atmete auf. Er nickte zu Cassivellaunus hin, der sich bereit halten sollte.
    Er streckte seinen Rücken durch, drückte seinen Schulterblätter zusammen, um eine würdige Haltung einzunehmen, und streckte dann beide Hände nach vorne aus, mit den Handinnenflächen nach oben gerichtet. Die Vorgebete würden nicht lange sein, und nur eine Bitte an die Götter, die Gaben anzunehmen. Die eigentliche Bitte würde beim blutigen Opfer erfolgen
    „Iuppiter Optimus Maximus, oh Größter, oh Bester, dich rufe ich an durch mein Gebet, damit du geehrt wirst. Nimm an den Wein, das Roggenbrot, die Äpfel, die Birnen und die Datteln, die ich dir darbringe. Sollen sie dir zu Ehren gereichen.“
    Piso wandte sich nach rechts, und sein Sklave eilte nach vorne, um die Gaben auf dem Altar zu platzieren.
    Der Flavier schritt nun zum anderen Altar hin, dem der Iuno.
    Er begab sich in Betposition, und begann ebenfalls zu beten.
    „Mutter Iuno, Oberste aller Göttinnen, dich rufe ich an durch mein Gebet, damit du mir geehrt wirst. Nimm an den Wein, das Roggenbrot, die Äpfel, die Birnen und die Datteln, die ich dir darbringe. Sollen sie dir zu Ehren gereichen.“
    Eine Drehung nach rechts vollzog er wieder, was Cassivellaunus das Signal gab, die betreffenden Gaben auf den Altar zu legen.
    Schlussendlich schritt er zum Altar der Minerva, vor welchem er sich wieder in der typischen betstellung aufstellte.
    „Minerva, oh Weise, oh Keusche, oh Mächtige, dich rufe rufe ich an durch mein Gebet, damit du geehrt wirst. Nimm an den Wein, das Roggenbrot, die Äpfel, die Birnen und die Datteln, die ich dir darbringe. Sollen sie dir zu Ehren gereichen.“
    Wieder wandte sich Piso nach rechts. Sein Sklave platzierte abermals die Opfergaben auf dem Altar, und Piso verzog sich von den Altären, wieder zu Iuvenalis hin, auf den er langsam zuschritt.
    „Nun zum blutigen Opfer.“, meinte er, langsam und leise, als ob zu lautes Sprechen das Ritual unermesslich stören könnte.

    „Gut möglich, nochmals danke. Ich werde mir deine Ratschläge auf jeden Fall merken.“ Gleich zu Hause aufkritzeln. Erfahrungen aus erster Hand waren nicht leicht immer zu erhalten.
    Er lächelte, als Ursus ein wenig erstaunt schien ob der tatsache, dass er nur so gereist war. „Einfach so.“, bestätigte er und ließ ein anderes Kässtückchen seinen ihm vorbestimmten Weg via Mund in seinen Magen finden. Er lachte, als Ursus einen Erfahrungsaustausch vorschlug. „Sicherlich! Wovon willst du hören? Von Kreta? Ich kenne mich dort recht gut aus. Oder aber von Gallien oder Hispania?“, bot er ihm an. „Von Achaia würde ich wirklich gerne etwas hören. Warst du denn beim Orakel von Delphi? Und auf der Akropolis in Athen? Oder in Olympia?“, fragte er neugierig. Es gab so viel in Achaia zu sehen, und jeder war schon da gewesen... außer ihm. Irgendwie sollte er dereinst dies ändern. Irgendwann einmal.
    „Aquilius habe ich nie persönlich kennen gelernt.“, gab er zu. „Er ist aus der hispanischen Linie, und er war in Rom, als ich in Hispania war, und jetzt, wo ich in Rom bin, ist er wieder in Hispania. Schon ironisch, oder?“, lächelte er. „Ich hoffe nur, dass es ihm gut ergeht.“ Denn bei den Flaviern war es in letzter Zeit häufiger geworden, Krankheiten anheim zu fallen. War dies der patrizische Inzucht? Das einzige alte Familienmitglied, welches er kannte und gesund war, war sein Onkel Manius Sabinus. Auch sein Vater erfreute sich noch guter Gesundheit, obwohl schon um die 50. Von Felix‘ Gesundheitszustand hörte man hingegen nichts. Gracchus‘ Vater seinerseits war früh gestorben.
    Er musste abermals lachen, als Ursus seine Unterstützung ihm versicherte. „Ich danke dir!“ Nur hoffte er, er würde vor der Wahl in kein größeres Fettnäpfchen treten. Das konnte man glatt noch von ihm haben.
    „Apropos. Ich habe eine Frage, die absolut nichts mit dem zu tun hat, was wir gerade besprechen. Du hast doch einen Patron, oder?“, fragte er.

    Modestus hatte gleich ein paar aufmunternde Worte bereit und musste lächeln, auch wenn das Schulterklopfen doch etwas unerwartet kam. Pisos empfindliche Schulter protestierte ob des Schlages, dem ihm die schwere Hand des Aedils angedeihen ließ, doch er lächelte nur, versuchte, den Schmerz zu ignorieren. Er sollte wirklich weniger empfindlich werden.
    „Nun, vielleicht nehmen mich die Haruspices, wenn die Septemviri mich nicht wollen. Oder aber die Quindecimviri, denen du ja angehörst. Aber sehen wir erst einmal.“ Er war sich doch seiner Sache recht sicher, denn es gab keine wirklich ernstzunehmenden Kontrahenten. Doch wer wusste, vielleicht kam doch noch im letzten Augenblick einer daher.
    Er nickte nur leicht, als Modestus sich überlegte, ob Germanicus Avarus nicht noch ein Problembär werden könnte. „Nun, Germanicus hat, so wie es aussieht, für Purgitius Macer als Praetor gestimmt, und somit sollten sich die Probleme hoffentlich auf einem Tiefpunkt halten.“ Nur war es gut, dass offensichtlich die Flavier und die Tiberier nicht die einzigen waren, die Avarus‘ Manöver mit Misstrauen betrachteten.
    Er griff sich mit seiner Hand ans Kinn und knubbelte es als Reaktion auf die Worte des Annaeers hin. „Kleinere Provinzen also? Abschaffung der iulianischen Großprovinzen?“, grübelte. „Wiederherstellung der Provinzen, wie sie unter Traianus waren? Dies könnte tatsächlich die Lösung der Probleme sein. Denn unter den flavischen Kaisern gab es diese Probleme nicht.“ Was aber auch durchaus mit der Kompetenz seiner Verwandten zu tun hatte, dachte er sich selbstgefällig.

    Sim-Off:

    Vera: Asche über mein Haupt, Asche und Schande! :(


    Als Seiana ihn begrüßte, lächelte er freundlich. „So, hat er das? Sicher nur Grässliches, nehme ich an.“, scherzte er. Sie schien ihm ganz nett zu sein – und, was fast noch wichtiger war, sehr hübsch. Da hatte Archi einen ziemlich guten Fang gemacht, dachte er sich und zwinkerte so unauffällig wie möglich zu seinem alten Freund hin.
    Axilla derweil sagte ihm, sie kenne schon alle. „Sehr gut!“, meinte er und wandte sich zu Archias hin. „Ja, das staunst du, nicht wahr? Wir sind uns einmal über den Markt gelaufen, vor ein paar Tagen war das. Ich habe es selber nicht glauben können!“ Imperiosus hatte ja auch so gestaunt, als er ihm gesagt hatte, er habe Axilla schon kennen gelernt, und zwar so gigantisch, dass Piso ob seines offenen Rachens einige anatomische Einblicke erhalten hatte, die ihm auf lieber verblieben gewesen wären.
    In diesem Moment trat seine Schwester ein. Piso wandte sich von Axilla weg und begrüßte sie freudig. „Vera, toll, dass du da bist! Kann ich vorstellen? Liebe Freunde, das ist Flavia Vera, meine Schwester. Vera, dies hier ist Gaius Pompeius Imperiosus, mein Arbeitskollege und Freund sowie unser Gastgeber. Archias kennst du ja schon. Die Dame neben ihm ist seine Verlobte Decima Seiana. Und dies hier ist Iunia Axilla, eine gemeinsame Freundin von mir, Archias und unserem Gastgeber.“, stellte er die Anwesenden nach und nach vor.
    Anschließend ging Imperiosus dazu über, seine Willkommensrede zu führen, und Piso lächelte vergnügt. Imperiosus war eigentlich ein guter Redner, Piso sollte vielleicht einmal mit ihm darüber reden, ob er sich einmal eine Karriere in der Politik vorgestellt hatte. Der Flavier ließ sich noch nicht auf eine Kline nieder, nicht wissend, dass er dabei Axilla die Qual der Wahl beim Kline Auswählen überließ. Ihm war es eigentlich egal, wo er saß, die Klinen sahen alle einladend aus.
    Ihm wurde etwas Wein eingefüllt, sozusagen als Aperitif, und Piso schwenkte ihn in seinem Becher herum. „Wir sollten einen Trunkspruch aussprechen. Und zwar auf unseren Gastgeber Pompeius Imperiosus, und die glückliche Überfahrt von Aegyptus nach Rom der meisten Anwesenden hier!“, rief er. „Denkt ihr nicht?“

    Sicherlich hatte Piso schon von Athen gelesen, doch er hätte gerne noch ein paar Erste-Hand-Erfahrungen gehört. Nun ja, er würde schon irgendwann einmal nach Athen gehen, wenn er Zeit hätte dereinst.
    Nun, der Aurelier schien sich göttlich über den emotionalen Piso zu freuen. Oder war er eher erfreut über diese überschäumende Freude (welche jedoch noch viel überschäumender hätte sein können)? Wie dem auch sei, er versicherte ihm, dass er Piso informieren würde. Piso nickte nur. „Prima.“ Ein weiteres „Danke.“ konnte er sich aber nicht verkneifen.
    Corvinus sprach nun die Vergangenheit des Furianus an. Piso musste lächeln. Ja, dies war ein Punkt in der Vergangenheit des Furianus, die jener immer unter den Teppich zu kehren versucht hatte. Doch trotzdem... so ein ritterlicher Posten wäre schon etwas gewesen. Er hätte im Geld baden können wie... schade, dass es noch keinen Onkel Dagobert gab, mit dem Piso sich hätte vergleichen können, und so verlor sich sein Versuch, eine Äquivalenz zu finden, im Ergebnislosen.
    „Nun, dem Erfolg von Furianus hat es scheinends keinen Abbruch getan.“, antwortete Piso also nur. „Aber wie gesagt, die Bürde eines ritterlichen Amtes in meinem Lebenslauf werde ich nun wohl nicht mehr mit mir herumschleppen müssen.“ Er zuckte die Schultern.
    Corvinus kam auf die Vigintiviri zu sprechen, und Piso verzog keine Miene, als er antwortete. „Nun, ich habe vielmehr gedacht, ich möchte Tresvir Capitalis werden, wie mein Vetter Aristides. Die Rechtspflege finde ich sehr wichtig.“, erklärte er. „Doch ich wäre auch prinzipiell bereit, Decemvir zu werden, sowie der Senat dies fordert. Erlaube mir eine Frage, Senator, welches Amt hast du bei den Vigintiviri bekleidet?“

    Piso atmete hörbar auf, als Celsus ihm vergab. Eigentlich schien ganz in Ordnung zu sein, wenn er sich den Mann so anhörte. „Freut mich ebenfalls sehr.“, meinte Piso, dessen Herz gerade dabei war, von den subligares, in die es heruntergerutscht war, wieder nach oben zu rutschen.
    In diesem Moment begann seine Begleiterin lautstark für die Aurata zu johlen. Piso war entsetzt – er hätte sich über solch einen Faux-Pas mitten im Veneta-Fanblock am Liebsten in die Haare gegriffen und seine sorgsam geschniegelten Locken verzweifelt verrauft. Solch ein Mangel an Verständnis vom Fanwesen war zum an die Decke springen! Nun, eine Decke gab es aber nicht, und so beugte auch Piso sich zu der Kleinen vor.
    „Gnädigste? Hier bei der Veneta für die Güldenen zu jubeln, mag zwar reizvoll sein, aber unter den praktischen Gegebenheiten... ich weiß nicht...“ Es gab durchaus ein paar Leute, die böse zu ihnen hinschauten, und Piso blickte entschuldigend zurück mit einem Blick a la „Tut mir sehr Leid, das ist meine leicht gestörte Base 4. Grades“. Die Aufgebrachten grummelten, aber wandten sich dann wieder dem Schauspiel zu. Es schien gerade noch einmal gut gegangen zu sein. „Selbst wenn ihr unter den Zuschauerrängen sein wollt - wieso seid ihr beiden eigentlich bei den Blauen, und nicht bei der Aurata?“, fragte er allgemein an die beiden. Dass er selber ein (neu konvertierter) Blauer war, konnte man ohne Zweifel an dem blauben Habitus (Toga inkl.) erkennen.

    Auch Aelius Quarto schien ein bisschen unentspannt zu wirken. Dies würde sich hoffentlich nach dem Genuss von ein wenig Falerner und darauffolgendem Wein zum Nachspülen des bald kommenden Geflügels sich ändern. Astarte schenkte den Wein fachgemäß aus – sie war ein gutes Mädchen, dachte sich Piso und ließ auch sich ein wenig des kostbaren Nasses einfüllen – und wurde dann auf seine Schwester aufmerksam, welche sich zu ihm beugte und ihm gegenüber ankündigte, sich zurückzuziehen. Er schenkte ihr einen liebevollen Blick und nickte. „Sicher. Überanstrenge dich nicht. Ich werde den Sklaven anweisen, dir Essen auf dein Zimmer zuschicken.“ Seine Schwester meinte noch etwas zu Archias, was Piso nicht gänzlich verstand, und ging dann ab. Er blickte ihr ein wenig hinten nach. Er hätte sie heute Abend gerne hier gesehen... aber es waren halt doch Männergespräche, so ungern Piso sich es eingestehen musste.
    Quarto sgate etwas, was Piso aus seinen Gedanken riss. Ein Dank von Quarto. Hmm, es schien ganz ehrlich gemeint zu sein. Er nickte, ebenfalls irgendwie dankbar scheinend über die Anerkennung, die er ihm zuteil werden ließ, dem Aelier zu. Ja, Gracchus setzte dem ganzen die Krone auf, indem er sein „souveränes Engagement“ lobte. Piso wären fast die Augen lustig aus seinen Augenhöhlen herausgepurzelt, und er blinzelte kurz, um sich zu vergewissern, dass dies nicht geschah. Er war Lob nicht gewohnt, und so war er nur noch froher darüber, dass er dies bekam.
    Archis Trinkspruch lobte ihn nicht persönlich über den grünen Klee, und Piso war ihm irgendwie dankbar dafür. Es schuf ihm die Vorlage für einen Trunkspruch, bei dem er nicht sich selber loben musste. „Ja, auf eine gelungene cena. Möge sie allen Beteiligen angenehm werden.“ Gut, das war sein Trunkspruch gewesen, jetzt ging es ans Trinken. Als er etwas aus seinem Becher sürfelte, blickte er unwillkürlich zur Türe hin. Wo Furianus bloß blieb? Dabei war jener doch am Ende ihres Gespräches im Atrium doch Feuer und Flamme gewesen für diese cena. Nun, er würde sicherlich kommen.
    Auch Piso partizipierte nicht am Komplimentaustausch. Er kannte den kaiserlichen Palast, sowie die Domus Aeliana hier in Rom, und er konnte irgendwie nicht mit seinem Vetter übeinstimmen. Wenn man die Villa Flavia mit den zugigen Fluren der Kanzlei verglich, wusste er sofort, wo er lieber war. Stattdessen patzte sich der bisher stehende Flavier nun endlich auf eine Kline. Da seine Schwester den Wein abgelehnt hatte, requisitionierte Piso den ihr zustehenden Falerner und wies einem Sklaven an, das kostbare Nass zurückzubringen in die culina. Später könnte die noch nützlich sein, besonders, wenn es später werden würde.

    „Oh. Danke. Sicher.“ Piso hatte vor lauter Eifer und Energieüberschuss (zapfte er vielleicht mysteriöserweise die Energiereserven des Gracchus an, um sie mittels dunkler Rituale zu absorbieren? Wer weiß?) gar nicht daran gedacht, Platz zu nehmen. Er ließ sich mit einer flüssigen Bewegung nieder und blickte seinen Vetter frohen Mutes an. Jener nahm sich ein wenig Zeit, bevor er anhub zu sprechen. Piso platzierte brav seine Hande auf seinen Oberschenkeln, als er sich Gracchus anhörte.
    Gracchus ließ die Frage der Unterstützung in seiner Rede aus. Natürlich würde er ihn unterstützen, Blut war dicker als Wasser. Und doch blieb ein kleines, aber nagendes Gefühl der Ungewissheit. Es war natürlich irrational, aber Piso war Anwalt. Ihm wäre eine hieb- und stichfestere Zusage lieb gewesen. Doch nachhacken würde er nicht, denn es war implizit von den Worten des Gracchus, dass er ihn unterstützte. Nichtsdestotrotz musste er noch einen Punkt herausstreichen. „Ein Empfehlungsschreiben...“ Er hielt inne. Wieso fühlte er sich immer so schlecht, wenn er andere Leute um Gefallen bat? Er sollte das nicht tun, vor allem, wenn es sich um Familienmitglieder handelte. „...wäre gut. Pontifex Tiberius hat mir eines zugesagt. Pontifex Aurelius wird zumindest ein gutes Wort für mich einlegen. Könntest du so etwas... in der Art... einrichten?“ Diese Formulierung war leicht schwammig, doch ließ sie Gracchus angemessenen Handlungsspielraum.
    Erst jetzt begann er, auf den eigentlichen Punkt, der Gracchus am Herzen lag, einzugehen. „Nun, das stimmt.“, meinte er. Darüber hatte er gar nicht noch nachgedacht, auch, weil sich diese Frage noch gar nicht für ihn gestellt hatte. Er war sich sicher, dass er simultan seine Aufgabe als Septemvir und Vigintivir ausfüllen konnte. Doch andere könnten da nicht allzu sicher sein.
    Er lachte also nur. „Herauszögern, finde ich fast, ist kaum nötig. Ich kenne die Mühlen der römischen Administration, und zuweilen habe ich in der Kanzlei mit Anliegen religiöser Institutionen zu tun. Diese handeln nicht schneller als weltliche Einrichtungen... eher langsamer noch.“ Piso hielt sich für einen sehr gut informierten Menschen, durchaus zu recht, saß er doch am Dreh- und Angelpunkt der Neuigkeiten aus dem Imperium.
    „Aber hinauszögern würde eine Täuschung des Senats beinhalten. Ob dies eine gute Idee ist? Vor allem, da alle Septemviri und Pontifices im Senat von einem anstehenden Antritt wissen würden.“, gab er noch zu Bedenken. Manche Senatoren hatten ein langes Gedächtnis, wie ein Elefant, so kam es ihm einmal vor.

    Piso hatte bisher nur gelauscht, ohne eine Erklärung abzugeben. Furianus klarifizierte die Natur des Gespräches, welches sein würde, und dies deckte sich durchaus mit dem, was Piso dachte. Es würde nur ein Gespräch sein. Aus diesem Grund würde seine Einladung auch nur eine gemütliche cena betreffen. Doch einen Punkt wollte Piso noch klären. „Gut. Aber nach eingehender Beratung? Würden wir unter uns selber beraten? Oder würden wir uns beraten lassen? Und wenn letzteres, von wem?“ Nicht, dass es jetzt schon relevant wäre, aber es war immer gut, schon im Vorhinein zu planen.
    Die Argumente des Gracchus schockierten ihn durchaus, versetzen ihn für eine Weile in die Sprachlosigkeit. Während diesen Zeitraumes schaffte er es nur noch, aus seinem Weinbecher zu trinken. Furianus und Gracchus argumentierten hin und her, und schlussendlich gestand Gracchus, nach einigem Zögern, den wahren Grund für seine Unwilligkeit, die höchste priesterliche Ehre zu ergreifen, aufdeckte. Er war physisch nicht imstande. Er blickte seinen Vetter einige Sekunden lang an, konnte es nicht glauben. Wieso hatte er nie etwas davon gesagt? Piso trank noch einmal einen Schluck von seinen Wein. Er sah sich jetzt wohl zwei kranken Leuten gegenüber, Schatten ihrer selbst. Er fühlte sich irgendwie wie in einem Altersheim, nur dass die beiden vor ihm um die 40 waren, und noch viel zu jung, um so elend beinander zu sein. Gut, es mochte 40-jährige Bettler auf der Straße geben, die in so einem Zustand waren... aber Patrizier? Es musste die ganze schwere Arbeit und Verantwortung sein, die die beiden die ganze Zeit auf ihre Schultern genommen hatten. Würde er einst auch so enden. Würde er mit 35 in einem Zustand sein, dass er reif war für die M;ulltonne der Geschichte? Er hoffte es nicht. Er trank abermals und wollte anfangen zu sprechen. Nur was denn? Dass es ihm Leid tat? Gracchus trösten? Oder wie? Er dachte nochmal nach, bevor er endlich etwas sagte.
    „Vetter, und selbst wenn es so wäre. Menenius Lanatus mag ein ordentlicher Priester sein. Doch er ist kein Gracchus. Du wärst der Beste. Trotz deiner Leiden, trotz deiner Probleme – ein Menenius kann dir nicht das Wasser reichen. Ich kann nicht mit Furianus übereinstimmen. Die Frage der Qualität stellt sich. Und was Qualität im Collegium Pontificorum angeht, stellst du den Zenith dar. Ich denke nicht, dass es jemanden gibt, der einen besseren Rex Sacrorum oder Flamen Dialis abgeben würde. Ich denke, jeder, der sich ein wenig im Cultus Deorum auskennt, würde mir zustimmen.“ Er blickte zu Furianus, hoffend, etwas Unterstützung von seiner Seite zu bekommen. Obwohl, Gracchus hatte ja auch irgendwie recht. Wenn es wirklich so schlecht um ihn bestellt wäre.
    Nur, dass Piso sich ziemlich sicher war, dass er übertrieb. Ein Mann, der noch nicht einmal seinen 40. Geburtstag erreicht hatte, konnte nicht in so einem Zustand sein, musste er sich abermals denken. Nein, Gracchus würde sicherlich noch in der Verfassung sein, solch ein Amt auszuüben, mit der Unterstützung von Antonia sonder Zweifel.

    Er lächelte seiner Schwester hin, als sie seine Hand auf seinen Arm legte. Er platzierte daraufhin seine rechte Hand auf der ihren. Wärme und Liebe konnte man seinem Blick ansehen. Sie schaffte es immer wieder, ihn aufzubauen und sein Selbstvertrauen zu stärken. Wieder einmal war er fürchterlich froh, dass sie hier in Rom war, wo sie ihn unterstützen konnte. Wenn eine Frau wie Vera hinter einem steht, dachte er, kann man alles erreichen.
    Piso blickte mit einer Mischung aus Erstaunen, Freude und unverhohlener Begeisterung zu seinem Vetter hin, als dieser ihm nun ebenfalls sagte, dass ihn die Aussicht auf seine poetischen Ergüsse (Veras Bezeichnung dafür war einfach die beste soweit) erfreute. Sein Vetter schien es durchaus ehrlich zu meinen, und Piso war ihm dankbar dafür. Schließlich brauchte er nun doch wieder ein weig Anerkennung für seine künstlerischen Kreationen, nachdem er Bekanntschaft gemacht hatte mit faulem Gemüse und Eiern sowie mit dem Brüllorgan des Furianus (zwei traumatische Erfahrungen, die ihn wohl lange nicht loslassen würden). „Ja, ich habe gedacht, ich sollte mich jenem einmal widmen. Meine Sangeskunst ist nicht immer uneingeschränkt positiv aufgenommen worden, muss ich gestehen, doch ich bin mir sicher, dass ich gefällig dichten kann.“, behauptete er voller Selbstvertrauen.
    Piso war durchaus froh, dass es mit Antonia eine Frau im Hause gab, die Vera ordentlich die höheren Gesellschaftskreise zeigen und sie ihr vorstellen konnte. Das war Piso sehr recht, denn er wusste nicht, zu welchem Ausmaß der Umgang, den er pflegte, seiner Schwester angemessen wäre. Schließlich war er der einzige Patrizier bei seiner Kanzlei-Clique (so nannte er es einmal salopp), auch wenn er sich gut mit einigen Patriziern verstand, mehr oder weniger zumindest. Er schmunzelte seinem Vetter zurück, als jener in seinem üblichen subtilen Humor den Unterschied zwischen Mann und Frau zusammenfasste.
    Er fügte allerdings noch hinzu: „Gracchus hat da komplett recht, richte dich nach Antonia. Wobei ich denke, du solltest auch ein wenig von der Herrenwelt kennen lernen. Oder hast du schon etwa ein paar Vertreter unseres Geschlechtes kennen gelernt?“, fragte er Vera.

    Der Preis also. Hätte Pisos Börse sprechen kennen, hätte jene nun ob ihres unverantwortlichen Besitzers gejammert, doch ebendieser schien so eingenommen von seinen Ringen (und vielleicht nicht nur von jenen), dass er gar nicht darüber nachdachte, wieviel er zur Verfügung hatte. Doch der Preis, den Piso für die Ringe ausgeben sollte, würde selber einer dickeren Geldbörse schmerzen. Er feuerte einen warnenden Blick auf den Händler ab, doch bevor er etwas sagen konnte, trat ja schon Prisca hervor, Ein Ereignis, das dazu einlud, herzuschauen und nicht mit dem Parther eine Debatte zu beginnen.
    Mit großer Genugtuung hörte der Flavier das Gestammel des orientalischen Dampfplauderers (den Piso trotz des ursprünglichen guten Eindruckes immer mehr für einen Banausen hielt) versiegen, und mit Erleichterung sah er, dass Prisca ihn ob seiner Worte nicht ohrfeigte oder heulend davonrannte. Puh, gerade noch einmal durchgeschlitzt, Aulus, Schwein hast du, dachte er für sich selbst, als er ihr Lächeln registrierte. Es sah... echt aus. Ganz leicht, kaum hörbar, atmete er aus. Komplimente machen war immer eine heikle Sache, zur allzu leicht konnte man auf diesem schlüpfrigen Parkett ausrutschen. Doch bisher schien es ja ganz ordentlich zu laufen... eigentlich.
    Sie stimmte mit ihm überein, dass sie wirklich das zweite Kleid anprobieren wollte, und zwar mit einem Gesicht, welches Piso veranlasste, Hitze in seinem Gesicht heraufsteigen zu fühlen. Verdammt! Er konnte jetzt nur hoffen, man sah ihm keine Röte an.
    Wenn man sich Pisos Verhalten so ansah, konnte man durchaus verstehen, dass es Verdachtsmomente bei Prisca gab. Piso war ziemlich eitel und metrosexuell (in seiner Kindheit fing das schon an, als er sich in Mädchenkleidung gefiel) , doch er war der „griechischen Krankheit“, wie man es nobel nannte, nicht anheim gefallen. Was man unschwer daran sehen konnte, dass er von seiner unglücklichen Liebe gejammert hatte. Dass sich vor allem in letzter Zeit häufiger diverse Frauen fragten, ob er wirklich ein Frauenliebhaber wäre, lag wohl daran, dass es kein wirkliches Verständnis gab für... nun, empfindsamere Männer. Was schade war, wenn es nach Piso ging.
    Prisca belobigte seine Ringe, und Pisos Brust schwoll vor Stolz. „Danke! Ich habe dasselbe gedacht... aber ich brauchte eine andere Meinung dazu.“, lächelte er. Vor allem, weil er dann und wann doch ziemlich ins Wasser haute. „Deine Meinung war mir wichtig.“, fügte er, ihr versichernd, hinzu, als er sie weiter auf seine Ringe blicken ließ.
    Sie fragte ihn, wozu denn die Ringe gut wären, und Piso dachte kurz nach, bevor er eine ädequtae Formulierung zusammengestöpselt hatte. „Nun, du musst dazu wissen, vor kurzem erreichte mich die Nachricht, dass ich in den ordo senatorius erhoben worden bin.“, verkündete er. Haha, wie er sich gefreut hatte, als er sich in der Kanzlei selber ernannt hatte, wie ein Kind. „Wir vom senatorischen Rang, die aber noch keine Senatoren sind, können keine äußeren Kennzeichen unseres Standes zeigen. So habe ich mir gedacht, diese Ringe könnten als Ersatz dafür dienen. Ich denke, für öffentliche Anlässe wären sie sicherlich geeignet.“ Er schielte auf seine Ringe runter. Die würden sicherlich Eindruck schinden, dachte er frohen Mutes. Denn er wäre beileibe nicht der einzige Mann, der seine Hände dermaßen aufbrezeln würde (auch wenn solche Leute zu einer aussterbenden Rasse von Kavalieren der alten Schule gehörten; das dachte Piso einmal).
    Der Enthusiasmus auf seine Antwort war nicht gänzlich überschäumend, doch Piso beschloss, diesen Umstand fürs erste außer acht zu lassen. Immerhin hatte er es geschafft, durch seine Antwort nicht alles zu zertrümmern. Wieso fragte ihn Prisca eigentlich so viel? Vielleicht hielt sie ihn für einen Mann, der alle Antworten parat hatte. Oder war dies eine Art... Test? Wozu?
    Gleichzeitig bemerkte er, dass es ihm... unangenehm war, als Prisca seine Hände wieder losließ.Piso blickte erstaunt eine Sekunde herunter und dann wieder zu Prisca hin, die, ihn lächelnd anschauend, wieder zur Ankleidekabine sich hin begab und ihn stehen ließ... alleine. So fühlte er sich irgendwie, als sie in der Kabine verschwunden war.
    Einige Sekunden blieb er so stehend, auf einen imaginären Punkt starrend, den er selber nicht hätte bestimmen können. Das Hüsteln des Händlers riss ihn so dermaßen aus seinen Gedanken, dass er fast erschrocken herumfuhr.
    Er blickte zum Parther hin, welcher ihm eine Frage stellte. Ob er fürs Kleid zahlen wolle? Pisos Verstand sagte nein. Doch sein Bauchgefühl veranlasste ihn dazu, zu nicken. „Sicher mache ich das.“, meinte er. Zum ersten wollte er nicht als Knauserer dastehen, nachdem er sich selber schon so reichhaltig mit Ringen versorgt hatte. Zum zweiten dachte er noch immer, es wäre nur recht und billig, würde er für seine Fahrlässigkeit auch büßen. Und zum dritten wollte er Prisca eine Freude bereiten... auch wenn ihm nicht klar war, wozu. Ging vielleicht das Leben weiter? Auch ohne Decima Serrana? Vielleicht?
    Aus den Augenwinkeln sah er, dass endlich der lang ersehnte Tee kam. Na Herrschaftszeiten, Zeit wars, dachte er sich und ließ sich auf eines der Kissen nieder. Er sank in dem Kissen unerwartet tief ein, und wäre fast umgefallen, wenn er sich nicht geistesgegenwärtig in Balance gebracht hätte. „Danke für den Tee. Was ist also dein Preis für die Ringe, das Kleid und den Tee?“ Um letzteren konnte er sich wohl schlecht drücken. Hoffentlich kam jetzt nicht noch einmal ein so unmögliches Angebot wie bei den Ringen. Es würde seine arme Börse ausbrennen. Auch schon wurscht. Er blickte erwartungsvoll den Parther an, als sein Tee eingefüllt wurde und Piso pflichtschuldigst ein Schlückchen heraussüppelte.

    Piso betrachtete das Mienenspiel des Pontifex. Auf ihm war Verwunderung anzusehen. Konnte es sein, dass Piso und Corvinus in dieser Hinsicht einander vorbei redeten? Auch, weil Celerina Pisos Nichte, nicht Tante war. Aber da Corvinus seine Gedanken nicht aussprach, rektifizierte er dies auch nicht. Er musste unbedingt herausfinden, was da im Busch steckte.
    Er hörte Corvinus zu, wie jener von seiner Kindheitsfreundschaft mit dem Aemilier erzählte. Piso lächelte ganz leicht. Eine Kindheitsfreundschaft war durch nichts zu ersetzen, obwohl er Archias bisher nicht zu beruflichen Zwecken ausbeuten hatte können. „Athen. Sicher sehr schön. Aber ich war dort noch nie.“, gestand Piso, ebenso unaufgefordert.
    Die Freude, die Corvinus verspürt hatte, als er die Aufnahme erhalten hatte, konnte Piso sich vorstellen. Er konnte sich gut daran erinnern, wie er in seinem Officium komplett ausgeflippt war, als ihm zugetragen worden war, er wäre jetzt im ordo senatorius.
    Die Dankbarkeit strahlte aus seinen Augen heraus, als Corvinus versprach, ihn Opimius Naso vorzuschlagen. „Danke, Pontifex!“, rief er aus, sich davor zurückzuhaltend, eine ebenso inbrünstige Dankesbekundung zu zelebrieren wie jüngst bei Tiberius Durus. „Das schätze ich sehr.“ Ah, er konnte spüren, wie er weiterkam. Wie sich etwas bewegte. Sein glückliches Lächeln brillierte Corvinus unzweifelhaft sehbar entgegen.
    Welches nun doch ein wenig schwand, als Corvinus das Ritteramt ansprach. „Ritteramt. Das war einmal.“, seufzte er und trank vorsichtig aus dem ihm angeboten gewesenen Wein. „Ich habe mich durchaus für einen ritterlichen Posten bemüht, doch dies wurde abgeschmettert. Nun widme ich mich mit vollem Eifer dem, was mir schon lange vorschwebte: Der cursus honorum. Ich möchte Senator werden. Mein Amt in der Kanzlei werde ich, wenn ich gewählt bin, natürlich hinlegen. Und dann auch nicht mehr aufgreifen.“, informierte er den Aurelier. „Gleich bei der nächsten Wahl will ich mich bewerben.“ Er wartete nun gespannt ab, was Corvinus dazu zu sagen hätte.

    „Genau, vor Angst fliehen!“, jubilierte Piso. „Dabei kann man auch Paralellen ziehen zur Tatsache, dass er am Anfang des Gedichtes aus Ardea entflohen war. Und so schließt sich der Kreis. Durch die Flucht des Tarquinius beginnt das Drama, durch die Flucht des Tarquinius endet es.“ Die Iunierin schien mittlerweile auch schon komplett begeistert ob der Idee des Gedichtes, was Piso nur noch mehr aufschaukelte.
    „Selbstverständlich! Auch das Nachspiel, welches die Schändung der Lucretia hat, soll zur Geltung kommen. Schließlich war dies eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte Roms!“ Und er würde darüber schreiben! In seinen Augen war alles komplett verklärt. Man würde wohl noch in 2000 Jahren in Klassenzimmern Piso übersetzen. Wenn der Text bis dahin nicht verloren ging. "Wart, was hast du gesagt? Die wogende Wut des Volkes entbrennt, Tarquinius vom Throne zu stürzen... oder so etwas Ähnliches. Und ja, natürlich.“, meinte er nebenher. „Ich möchte das Gedicht gerne in einer familiären Darbietung vortragen. Und, da du mit Archias befreundet bist, bist du auch eingeladen. Schließlich bist du eine Inspiration für mich gewesen. Jetzt weiß ich, wie das Gedicht enden wird.“ Fröhlich war er auf jeden Fall.
    Was sich schlagartig verlor, als sie nachhackte, was sein Motiv anging, dies zu schreiben. „Verliebt?“, echote er wenig sinnvoll. „Ich... ja... war es, kann man sagen.“ Er senkte den Blick und winkte nur ab, als sie versuchte, sich zu entschuldigen.
    „Das passt schon.“, murmelte er und richtete seinen Blick wieder auf. „Es war nur... schwer für mich, wahrzuhaben, dass es vorbei war. Das Gedicht zu schreiben, um auf andere Gedanken zu kommen, war die Idee einer Bekannten.“ Ach, Laevina, wie sollte er sie bloß in die Villa Flavia hineinschmuggeln, wenn er zum Gedicht lud? Ambivalent blickte er sie an, leicht zögerlich. „Aber... es schmerzt noch immer.“, vertraute er ihr leise an. Wieso, wusste er auch nicht.

    „Nun, sicherlich.“, gab Piso nach. „Ich habe nur gefragt, im Fall. Aber ich hoffe, ich kann auch so genug Unterstützung bekommen.“ Er war sofort dazu bereit, zurückzurudern, als Modestus etwas unwillig erschien. Durus war ohnehin für ihn, und das sollte seinen Weg ebnen. Solange er in nächster Zeit nicht durch Unzucht oder Götterlästerung auffiel, sollte es eigentlich machbar sein. Denn einen geeigneten Gegenkandidaten gab es bislang noch nicht, soweit Piso informiert war. „An meinen Vetter Gracchus werde ich mich noch auf jeden Fall wenden. Nur bin ich noch nicht dazu gekommen.“
    Das Gesprächsthema wechselte hin zu den Briefen aus den Provinzen. „Ich setze ziemliche Hoffnung in diese Kommission, und ich bin sicher, wenn du und unser Patron jener angehören, wird sie auch ein Erfolg sein. Aber... dieser dritte Senator... ich kann mich auch täuschen, aber ist das nicht einer der Germanicer?“ Die Animosität zwischen Flaviern und Germanicern war sicherlich weithin bekannt, und auch wenn Piso bisher noch keine schlechten Erfahrungen mit den Germanicern gemacht hatte – er kannte mit Laevina sogar eine sehr nette Germanica – war er doch ein bisschen argwöhnisch, was dies anging.
    „Die Briefe kamen von Calpurnius Piso aus Asia. Von Veturius Cicurinus aus Syria. Von Curtius Philo aus Gallia. Von Magius Lateranus aus Hispania. Und von Ostorius Scapula aus Africa.“, zählte Piso aus seinem Gedächtnis auf. „Eine bedenkliche Anzahl. Das ist nicht mehr auf Inkompetenz der individuellen Proconsulen zurückzuführen.“, konstatierte er. „Ich sage dir, da liegt ein großer Missstand vor. Vor allem, wenn man sich anschaut, wie diese von heute auf Morgen aufgetaucht sind.“