Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Dass Piso hier mit Kaiser Nero verglichen wurde, hätte jener mit Freude zur Kenntnis genommen. Er verehrte den göttlichen Claudier als Genie. Ein Ästhet von Schrot und Korn war er gewesen. Solche Leute fand man nicht mehr oft heutzutage.
    Er schmunzelte leicht, als Laevina ihn ein wenig aufzubauen versuchte. „Das mag sein, werte Germanica Laevina. Vielleicht hast du Recht. Nichtsdestotrotz, ich sollte mich zusammenreißen. Weißt du...“, er lächelte verschwörerisch, „ich habe vor, mir für später eine politische Karriere aufzubauen. Da würde es mir nicht gelegen kommen, wenn mich jemand so sehen würde. Die Meisten sind unsensibel und wollen lieber einen starken Kraftlackel an der Macht als einen Schöngeist. Ich bin froh, dass es mit dir nicht so ist.“ Er musste sagen, er hatte mittlerweile eine Hochachtung für die Germanicerin, und fragte sich, ob er jemals einen solchen Hass auf die Germanicer entwickeln könnte, wie ihn Furianus hegte.
    Die Germanica dachte wohl, dass seine Worte über die Unterschiede zwischen Plebejer und Patrizier lächerlich war. Aber Piso hatte das System nicht geschaffen. Im Gegetnteil, er war kein großer Freund von den Standesunterschieden. Mit der Ausnahme der Steuerfreiheit für Patrizier. Die war gut. Aber sonst verschwanden die Standesunterschiede. Gradual. Piso war froh darüber. Er hätte nie etwas dagegen, eine Plebejerin zu heiraten. Aber es war unmöglich. Wenn man schon einmal mit einer Faust vor der Nase einem Bescheid gegeben hatte, dass man bloß niemals eine Plebejerin heiraten sollte, dann wagte man nicht, eine Ausnahme zu machen.
    Piso blickte Laevina neugierig an, als jene einen Vorschlag machte. Er war wieder voll und ganz da, seine vorherige Schwäche war verflogen.
    „Wirklich?“, fragte er, die Ohren spitzend. Er hörte der Sache ganz genau zu und begann zu nicken. Er leicht, dann immer stärker. „Das ist eine großartige Idee. Eine ganz geniale Idee.“ Durch ein gutes Epos konnte er vielleicht seine Trauer abbauen. Und vielleicht etwas bekannter werden.
    „Diese Idee ist einfach umhauend. Es ist die Art Idee, nach der ich schon immer gesucht habe!“ Er blickte drein, als ob ihm die Erleuchtung gekommen wäre.
    Sofort begann er enthusiastisch zu schwärmen. „Ich kann es mir schon vorstellen! Ein Epos zu den Zeiten... ich weiß es nicht. Vielleicht zu den Zeiten der Könige von Rom! Ein Epos von Liebe und Hass. Superbus! Lucretia! Collatinus! Brutus! Was für eine Geschichte.“ Ein Lächeln breitete sich über sein Gesicht aus. Er wusste jetzt, was zu tun war.

    „Na ja, einmal sehen, ob ich die Zeit habe.“, meinte Piso, dem es, wenn er so darüber nachdachte, schon etwas seltsam vorkam, wenn er einfach bei diesen Leuten hereinplatzen würde. Na ja, sein Patron hatte recht, früher oder späer würde er ihnen über den Weg laufen.
    Er lachte ein wenig über Macers letzten Satz. „Durchaus nicht, das stimmt.“ Er atmete ein und schaute den Purgitier an. „Du hast also gesagt, es wäre nicht empfehlenswert, wenn ich Procurator werden würde und somit die ritterliche Laufbahn beginnen würde. Was empfiehlst du dann? Ich würde liebend gerne, bevor ich kandidiere, noch andersweitig Erfahrungen sammeln, wenn möglich, an einer höheren Stelle als bei der, die ich jetzt bekleide. Ich habe das Gefühl, ich bin schon viel zu lange Primicerius. Langsam wird die Arbeit eintönig und ich suche wirklich nach einer Herausforderung, der ich mich noch vor dem nächsten Jahr stellen kann. Auch, damit die Senatoren wissen, dass ich mehr kann als nur Papiere schlichten. Könntest du da etwas empfehlen, oder mir weiterhelfen?“

    „Kauft Fische, kauft Fische!“, rief Hypsaeus noch etwas lauter. Der Fischverkauf lief alles andere als toll, er musste Profit machen, sonst würde er gefeuert machen. Er wurde von minute zu Minute hektischer. „Fische, Fische, Fische!“, fuhr er einen Haufen Kinder an, welche vorhin, noch neugierig um ihn geschaart, hastig zurücksprangen, wie ein Schwarm Vögel, der ausschwärmte. Hypsaeus ließ von seinem Unternehmen in der Hinsciht ab und blickte nur noch traurig, was man aber unter dem fröhlichen Fischkostüm nicht sehen konnte. Es war eine Schande. Niemand wollte Fische kaufen, abgesehen von irgendwelchen Kauzen, die hie und da hineinschneiten, um vielleicht 10, oder 20, Fische zu kaufen. Selten waren größere Käufe. Auch Epaphroditus blickte schon ganz gelangweilt daher.
    Hypsaeus sah sich aus diesem Grund gezwungen, einen Gang höher zu schalten. Er breitete seine Arme, pardon, Flossen, aus, und begann im Kreis zu laufen. „Seht, wie ich schwimme!“, rief der Sarde aus. „Ich schwimme glücklich im See, im Lacus Volsinii, der Heimat der besten Fische der Welt!“ Kleine Übertreibung am Rande. „Und weil ich aus diesem See komme, bin ich ideal für Mahlzeiten, ob groß oder klein, für arm oder reich, jeder kann mich haben!“ Er wachelte mit den Armen herum, als ob er schwimmen würde damit. „Ich bin so gut, so schmackhaft und bekömmlich, so frisch und saftig, wer kann mir widerstehen? Kauft mich, Leute!“
    Der Sarde hatte sich in eine echte Manie hineingesteigert. Er begann zu singen. „Leute von fern und nah, kaufet mi-hisch! Denn ich bin Hupsi, der lustige Fi-hisch!“ Einige Zeitgenossen blickten verwundert drein und schauten den offensichtlich verrückt gewordenen zu. Dieser stieß sich nicht daran. „Auf den Tisch kommt heut ein Fisch! So saftig süüüß!“ Mehrere Leute wichen erschrocken zurück. Hypsaeus hielt inne und ließ die Schultern hängen. „Mensch, Laute. Kauft doch einfach Fische. Sonst werde ich gefeuert!“, begann Hypsaeus zu jammern.

    Feilschen? Piso dachte echt drüber nach, ob er nicht hätte versuchen sollen, mit dem Priester zu feilschen. Aber er wischte den Gedanken beiseite. Er mochte zwar bisher kein besonders grosser Frömmler gewesen sein, doch er war zu abergläubisch, um die Existenz der Götter zu leugnen. Und wenn es die Götter gab, wären ihm die sicher böse, wenn er das Lamm billiger wollen hätte. Schließlich unterstützte er ja somit die Diener der Götter.
    „Genau so.“, bestätigte er die Worte des Priesters, als jener ihn um seinen Sanktus bat. „So habe ich es mir vorgestellt.“ Leicht irritiert verfolgte er die Kopfzuckungen des Priesters. Wie sein Bart wippte, was was schon lustig. Piso biss sich auf die Unterlippe, um ein Grinsen zu vermeiden, und angemessene Dignitas beizubehalten, welche ja nur appropiat an so einem Platz war. Wieso mussten Priester immer nur solche witzigen Bärte haben? Falls er sich einmal dazu durchringen würde, Septemvir zu werden, musste er dann auch so einen haben? Quatsch. Weder Manius, noch Tiberius Durus, noch Aurelius Corvinus hatten Bärte. Und das war auch gut so.
    „Vielen Dank.“, meinte Piso bezüglich des Lammes. „Die Datteln sind die Besten am Markt. Aus Aegyptus!“, gab Piso ein wenig angeberisch an. Man sollte nur sehen, dass er keine Mühen gescheut hatte. „Klar habe ich Kuchen und Wein.“ Er hatte zwar am Anfang daran gedacht, nur Brot zu bringen, doch hatte dann noch Cassivellaunus ein paar Küchelchen von Attalus dem Koch zugesteckt. Er blickte zu Cassivellaunus hinüber. „Hierher.“, schnarrte er, und „Absetzen!“, als der Britannier hier war. Der hässliche Sklave stellte seine Sachen ab und streckte erleichtert seinen Rücken, als jener wieder frei war. Ein Seufzen wollte ihm entfahren, stattdessen ließ er einen Rülpser. Den scharfen Blick seines Herren registrierte er gar nicht vor lauter Erleichterung.

    Eine Familie kann sich glücklich schätzen, wenn sie einen eigenen Tempel hat, um darinnen den Ahnen zu huldigen. Doch selbstverständlich war es für eine Familie, die schon Kaiser gestellt hatte, wenn sie das auch nicht mehr tat. Konnte es einen besseren Platz geben für einen jungen Flavier, der sein spirituelles Ich suchte, um es zu finden? Er war schon im flavischen Tempel gewesen, doch nur halbherzig, seine Gedanken waren in Wirklichkeit weit weg gewesen... in irgendwelchen elysischen Gefilden... vornehmlich hatte er über ästhetischen Käse nachgedacht. Jetzt wollte er sich konzentrieren. Junge, Junge, du musst ein Mann werden, schalt er sich selber, als er eintrat. Er war alleine, er wollte absolute Ruhe haben. Eine Kiste trug er vor sich. Sie war gefüllt mit lauterlei kleineren Büchen und Schachteln, in denen er aufbewahrte, was er opfern wollte. Er wollte sein eigener Priester sein, und sonst nichts.
    Er hatte sich die Kiste bis hierher von einem Sklaven schleppen lassen, doch den hatte er nun draußen gelassen. Sorgfältig stellte er, als er das Altar erreicht hatte, die Schachtel am Boden ab. Er winkte ab, als ein Priester ihm zu Hilfe eilen wollte. Er würde es selber schaffen. Zumindest, was nur ein kleines Opfer, das aber von Herzen kam, anging.
    Piso schritt hinüber zum Waschbecken, um gründlich sich zu waschen. Es war klar, dass er heute blütenweiße Gewänder trug. Dies als Zeichen seines Respektes gegenüber den Ahnen.
    Gemessen ging er wieder hinüber zum Altartisch, beugte sich zu seiner Kiste, öffnete sie und holte Weihrauch hervor. Er stellte jenes auf das Altar. Kurz entfernte er sich, um mit einem Glimmstengel wieder zu kommen. Damit entzündete er den Weihrauch, geduldig warten, bis er aufstieg und feierlich das Altar, den Flavier und seine Umgebung umwolkte. Streng roch er, was der Patrizier tapfer ignorierte. Er beugte sich und holte aus seiner Kiste weitere Schmankerl für die Ahnen hervor.
    Zuerst einmal eine Reihe von Kräutern. Er verbrannte sie. In die brennende Glut legte er Beeren variierender Herkunft – Heidelbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Stachelbeeren, was man sich auch nur vorstellen konnte.
    Sie verbrannten ebenfalls, in die Luft zerstiebend, gleichsam wie der Weihrauch, der die Verbindung zu den Ahnen herstellte. Piso verbrannte in der Glut auf dem Herd nun einige andere Sachen – Brot, Datteln, Gemüse, Früchte.
    Dann begann er sein Gebet. „Ihr Ahnen! Ich, Aulus Flavius Piso, Sohn des Gnaeus Flavius Aetius, Enkel des Marcus Flavius Romulus, wende mich an euch, ein Abkömmling eures Blutes wendet sich zu euch. Ihr, meine Ahnen, die ihr unsere Familie immer beschützt habt, Ahnen, die ihr eure Hand über uns hält, Unglück und Betrübnis fern von uns haltet, die unsere Lebensläufe, unsere Karrieren, immer beobachtet und überwacht! Ich habe euch immer meinen Respekt und meine Wertschätzung entgegengebracht. Ich habe euch geopfert, immer... na ja, häufig... in Ordnung, dann und wann, ihr ehrenwerte Ahnen! Dafür habe ich eine Bitte. Beschützt meine Familie auch weiterhin so, wie ihr es bisher getan habt. Und fürderhin helft mir auf meinem Lebensweg. Ich brauche Hilfe, um nicht festzustecken, wo ich jetzt bin, Ahnen... helft mir. Haltet eure Hand über mich. Dafür werde ich euch gegenüber weiterhin so fromm sein wie bisher, euch Gaben bringen, die die jetzigen übersteigen, meine lieben Ahnen, das gelobe ich.“Er drehte sich abrupt nach rechts ab. Das Gebet war beendet.
    Zuletzt schüttete er über die Glut aus einem Keramikbehälter Wein, die Glut gleichermaßen ausdämpfend und einen verdammten Saustall am Altartisch hinterlassend. Die Priester würden das schon wegmachen.
    Aus dem Tempel tretend, dachte er: Das war jetzt gar nicht einmal so übel gewesen.


    Hmmm. Das Leben war gut. Für einige. Für andere ist das Leben ein Desaster. Zugkräftiges Beispiel ist Acanthus, flavischer Türsklave, der in seinen Gedankengängen gerade einen besonders depressiven Punkt erreicht hatte.
    Als die Tür sich meldete, fuhr er aus seinen Träumen heraus, und hechtete ebendort hin. Einmal die Klinke gedrückt, kurz gezogen, und schon war die Tür offen. Acanthus trat hervor, vom düsteren Inneren des Vestibulums ins Freie, wo er den Mann vor ihm anblickte. „Salve. Willkommen in der Villa Flavia. Wer bist du, und wie kann ich helfen?“, fragte der zumeist grimmige Türwächter.

    Piso, voll und ganz mit seiner eigenen Wehleidigkeit beschäftigt, bemerkte nicht, wie die Frau neben ihm immer innerlich ungehaltener wurde. Wer konnte es ihr verdenken? Seufzend zerraufte sich der arme Piso nun die Haare, eine Geste, die man womöglich nur bei einem Mann vermuten würde, der auf einen Schlag alles verloren hatte. So fühlte er sich auch irgendwie. Fehlte nur noch, dass er losheulte.
    Irgendwann drangen Laevinas Worte wieder zu ihm durch – zuerst brabbelnd, blubbernd, wie von einem Fluss, und schließlich klar und deutlich. Er blickte wieder auf, blinzelnd, als ob er sie überhaupt nicht hier vermutet hätte.
    „Bin ich ja! Aber es hilft nichts.“, jammerte der Mann aus dem Geschlecht, welches einst die Kaiser gestellt hatte, und der sich als der größte Künstler Roms gefiel, los.
    „Meinst du?“, fragte er mit großen Augen. „Du musst wissen, einen Patrizier lassen sich Plebejerinnen schon gefallen. Aber meine Familie will, dass ich eine Patrizierin heirate, und die sind wählerisch! Meine Familie, das solltest du wissen, würde mich rauswerfen, wenn ich mit einer Plebejerin dahergetanzt käme. Nichts gegen den Plebejerstand! Weißt du... das Dilemma war... das Mädchen, von der ich dir erzählt habe, ist Plebejerin. Sie ist so unerreichbar für mich wie ich für sie!“ Vielleicht würde Laevina seinen Schmerz jetzt besser verstehen. „Ich glaube, sie ist gegangen für mich, damit ich sie vergesse. Aber das kann ich nicht, Laevina, das kann ich nicht.“ Er ließ den Kopf hängen und kratzte sich hinterm Ohr. „Weißt du, es ist nicht einfach, das Leben. Vielleicht hast du recht, und alles wird sich einrenken, nur momentan bin ich in einer... wie sagt man da? Krise? Könnte das richtige Wort sein.“, meinte er und seufzte. Er atmete tief ein. "Ich muss dir vorkommen wie ein echter Waschlappen. Verzeih mir." Einmal ein wahres Wort.

    Vielleicht sollte Piso Cassivellaunus einfach nur befehlen, sein Gerümpel abzustellen, und ihn dann zum Teufel schicken. Das wäre einmal adäquat. Zunächst einmal wollte er aber gute Miene zum Gestank seines unästhetischen, zum Schwitzen neigenden Sklaven machen (den er womöglich eh nur angeschafft hatte, um sich selber ein wenig positiver darzustellen) und lächelte, als ob nichts wäre.
    „Hmm, was war noch einmal der Preis? 50?“ Piso wollte schon beginnen, loszufeilschen, doch glaubte er kaum, dass die Götter das gerne sehen würden. Und zudem wollte er nicht, dass sichdas Gerücht ausbreite, es stünde schlecht um seine Taschen (was eigentlich wahr war, aber das musste man ja nicht jedem unter die Nase reiben). "Gut.", machte er also nur.
    So versuchte er nur, das kindliche Erstaunen, das er vorher an den Tag gelegt hatte, zu unterdrücken und lächelte nur noch breiter. „Ich denke, einfache Opfer wären kein Problem. Allerdings erfordern komplexe Mehrfachopfer wohl den Rat eines erfahrenen Priesters. Ich würde also gerne deine Hilfe annehmen.“ Das konnte man ja auch erwarten, wenn man diesen unverschämten Preis für ein Lamm verlangte!
    Sein Blick folgte dem Priester, der sich daran machte, die Waschung vorzunehmen. Piso stellte sich hinter den Priester an, um nach ihm ebenfalls das Gebot der Reinheit, welches die Götter erwarteten, zu erfüllen. Er wartete, bis der Priester fertig war, bevor er sich ebenfalls säuberlichst wusch.
    Da drüben, war das nicht ein Tempeldiener, der ein Lamm daherbrachte? Das wäre ja nicht schlecht. „Ich habe vor, Iuppiter das ganze Lamm zu opfern, nicht etwa Teile davon selber zu verzehren.“, teilte er dem Priester in aller Höflichkeit mit. „Das bin ich dem Optimus Maximus schuldig. Ich habe scon einige Zeit nicht mehr geopfert.“, gestand er. „Für Minerva und Iuno habe ich zwar kein blutiges Opfer, aber dafür verschiedenartige unblutige Gaben, die sie sicher erfreuen werden.“, war er sich sicher. „Denkst du, die Göttinnen mögen Datteln?“

    “Nicht?”, verwunderte sich Piso. “Dann werde ich sie vielleicht selber einmal besuchen gehen. Obwohl, wenn sie wirklich so beschäftigt sind, dann haben sie vielleicht keine Zeit für mich. Oder doch?“, rätselte er.
    Dass Macer Senatoren bzw. angehende Senatoren unter seinen Klienten hatte, verwunderte den Flavier nicht. Terentius Cyprianus war ihm auch ein Begriff, welch Ironie, dass er genau diesem Mann schon in ein paar Tagen degradieren werden müsste!


    An
    Tiberius Octavius Dragonum
    Legio II
    Mogontiacum
    Germania Superior



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    TIB. OCTAVIO DRAGONO S. D.


    Im Namen der kaiserlichen Kanzlei und unter Anweisung des Praefectus Urbi habe ich den Auftrag, dir mitzuteilen,dass du ausgewählt wurdest, um dem Reich von nun an als Nachfolger des App. Terentius Cyprianus als Praefectus Legionis XXII in Nikopolis, in der Provinz Aegyptus et Alexandria, zu dienen. Bitte finde dich so bald wie möglich in Nikopolis ein, um dein neues Amt ausüben zu können.


    Im Auftrag der kaiserlichen Kanzlei


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    Primicerius a Libellis der Administratio Imperatoris


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    An
    Gaius Caecilius Crassus
    Casa Caecilia
    Roma
    Italia



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    G. CAECILIO CRASSO S. D.


    Im Namen der kaiserlichen Kanzlei und unter Anweisung des Praefectus Urbi habe ich den Auftrag, dir mitzuteilen,dass du ausgewählt wurdest, um dem Reich von nun an als Nachfolger des D. Germanicus Corvus als Praefectus Aegypti in Alexandria zu dienen. Bitte finde dich so bald wie möglich in der Regia Praefecti in Alexandria ein, um dein neues Amt ausüben zu können.
    Zudem will ich dich darüber informieren, dass zeitgleich mit deiner Einsetzung als Praefectus Aegypti Tib. Octavius Dragonum als neuer Praefectus Legionis der Legio XXII ernannt wird.


    Im Auftrag des Procurator a Libellis


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    Primicerius a Libellis der Admistratio Imperatoris


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    An
    Decius Germanicus Corvus
    Regia Praefecti
    Alexandria
    Alexandria et Aegyptus



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    PRAEFECTO D. GERMANICO CORVO S. D.


    Im Namen der kaiserlichen Kanzlei und unter Anweisung des Praefectus Urbi habe ich den Auftrag, dir mitzuteilen, dass du aus der Position des Praefectus Aegypti von nun an entlassen bist. Dein Nachfolger im Amt wird G. Caecilius Crassus sein.


    Im Namen der kaiserlichen Kanzlei


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    Primicerius a Libellis der Administratio Imperatoris


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    An
    Appius Terentius Cyprianus
    Legio XXII Deiotariana
    Nikopolis
    Alexandria et Aegyptus



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    PRAEFECTO APP. TENENTIO CYPRIANO S. D.


    Im Namen der kaiserlichen Kanzlei und unter Anweisung des Praefectus Urbi habe ich den Auftrag, dir mitzuteilen, dass du aus der Position des Praefectus Legionis XXII von nun an entlassen bist. Dein Nachfolger im Amt wird Tib. Octavius Dragonum sein.
    Gleichzeitig wirst du als Praefectus Alae der Ala II Numidia in Confluentes, in Germania Superior, ernannt. Bitte finde dich so rasch wie möglich dort ein, um dein neues Amt annehmen zu können.


    Im Namen der kaiserlichen Kanzlei


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    Primicerius a Libellis der Administratio Imperatoris


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    Orbilenus, der getreue Laufburschennotarius, hatte Piso den Brief zugeschanzt. Der Primicerius las nun mit ernstem Gesichtsausdruck den Brief.



    Ad
    Administratio Imperatoris




    Decius Germanicus Corvus ist als Praefectus Alexandriae et Aegypti zu entlassen und durch Gaius Caecilius Crassus zu ersetzen.


    Appius Terentius Cyprianus ist als Praefectus Legionis - Legio XXII zu entlassen und durch Tiberius Octavius Dragonum zu ersetzen.


    Appius Terentius Cyprianus ist zum Praefectus Alae - Ala II Numidia zu ernennen.


    Alle Betroffenen sind unverzüglich schriftlich über die Entlassungen und Ernennungen zu informieren.




    Potitus Vescularius Salinator




    Das sah ganz nach einem Job für ihn aus, denn das, was Imperiosus gemacht hätte, musste in seiner Abwesenheit er machen. Der Procurator a libellis musste mit einer solch direkten Anweisung nicht belastet werden, denn Piso konnte dies genau so gut machen. Er las sich die Ernennungen nochmals durch. Germanicus Corvus entlassen, Caecilius Crassus als Praefectus Aegypti eingesetzt. Ein schwerer Schlag für die gens Germanica. Piso lächelte leicht, doch dies verschlug sich ihm, als er die nächste Nachricht las. Terentius Cyprianus abgesetzt? Das war doch... ein Klient von Purgitius Macer? Das war gar nicht gut. Ihn ersetzte ein gewisser Octavier, von dem Piso noch nie gehört hatte. Cyprianus wurde in eine Ala in Germanien abgeschoben. Das kam einer Degradierung gleich. Es war nun tatsächlich so, dass das Personal in Aegyptus ausgetauscht wurde. Er machte sich heimlich ein paar Notizen... und fing dann an zu schreiben.

    Als Piso den Cursus absolviert hatte, wollte er sich auf für ein Examen einschreiben, welches seinen hehren ästhetischen Ansprüchen genüge. Und was wäre ästhetischer als ein Kurs der Architektur? So schrieb er sich für den Cursus Architectura I ein.


    Sim-Off:

    Geld kommt gleich. ;) Und zwar 100, ich habe ja schon einen Kurs gemacht hier.

    Unter Pisos liberalen Anstrich steckte im Grunde doch nur ein konservativer patrizischer Klemmi, sodass es nicht verwunderlich war, dass Piso über das Eingehen in das Klientelverhältnis einen solchen Aufstand machte. Macer hatte Feingefühl bewiesen, indem er mit ebenso formellen Brimborum den Ansprüchen des Flaviers genügte. Zufrieden lächelte der Flavier, als ihm Macer seine Rechten und Pflichten aufzählte.
    Regelmäßig zur Salutatio sein sollte kein Problem sein, die Casa Purgitia und die Villa Flavia waren nicht so weit voneinander entfernt. Entscheidungen besprechen? Genau so etwas hatte Piso eh immer wollen. Keine rechtlichen und politischen Schritte gegen ihn oder seine Klienten unternehmen? Sollte möglich sein. Wenn er sie erst einmal kennen gelernt hatte. Die Rechte klangen sogar noch besser, obwohl Piso dachte: wenn das Dokument, welches seine Berechtigung als Advocatus bescheinigte, auch nur die Tinte wert war, mit der es geschrieben war, könnte er dies selber machen. Dass Macer sich um ihn bei der Wahl kümmern würde, befriedigte ihn zutiefst.
    „Ich nehme diese Rechten und Pflichten gerne auf mich, und werde dir ein guter Klient sein.“, antwortete er wiederum etwas schraubstockartig, bevor er erleichtert ausatmete. Es war überstanden! „Kann ich dich noch fragen, was deine wichtigsten Klienten... beziehungsweise, meine wichtigsten Mitklienten sind? Ich werde sie vermutich eh bei den Salutationes sehen."versetzte er.

    Piso nickte kurz angebunden. Das mit dem Praefectus Urbi war schon ein Krampf. Er residierte in den Castra Praetoria, da musste man sich die Füße wundhatschen. Wäre der Kaiser da, wären es nur ein paar Schritte bis zur Residenz des Kaisers... aber er war ja nicht hier, um des Kaisers Entscheidungen zu kritisieren. Innerlich wünschte er dem neuen Procurator viel Glück bei seinen Unternehmungen.
    „Gut, dann fange ich gleich damit an, deinen Terminkalender vollzuschreiben.“, meinte Piso. „Heute lasse ich dich noch aus. Morgen fängt der Spaß dann richtig an. Und du weißt, wenn es irgendwelche Fragen gibt, komm zu mir.“, offerierte er. „Dann mache ich mich einmal an die Arbeit. Und nochmals, willkommen in der Kanzlei.“, waren seine Abschiedsworte, bevor er wieder in sein Officium zurückging.

    Piso blickte freudig, fast schon überrascht, drein, als Macer ihm anbot, in seine Klientel einzutreten. Und lachte anschließend. „Keine Sorge, ich bin nicht so blöd, wie ich aussehe.“, witzelte er. Das mit dem Schusterbetrieb war nicht ernst gemeint natürlich, obwohl Piso es sich tatsächlich 2 Sekunden lang durch den Kopf gehen lassen hatte.
    Gewichtig holte er Atem und hub sogleich an zu sprechen. „Also dann. Senator Purgitius Macer, ich bitte dich darum, mein Patron zu werden.“ Er trug diesen Satz in einer feierlichen und bedeutungsvollen Tonart vor, als ob er den Curator Aquarum um die Hand seiner Tochter bitten würde. Fehlte nur noch das "in aller Form". Gespannt blickte er auf den Mann.

    Kapitel VII – Geständnisse im Hain


    Piso war als Kind ein Schwächling gewesen. Jawohl, ein Schwächling, und er würde dies auch frei heraus zugeben. Viel weniger vielleicht, dass er darob auch oft verprügelt wurde als Kind. Es waren die Straßenkinder gewesen. Mit Schimpfworten hatten sie ihn eingedeckt, sie hatten ihn trotz, oder vielleicht gerade wegen, seiner patrizischen Herkunft verspottet. Sicher vor den Schlägen war er nur in der Gegenwart seines Freundes Archias gewesen. Jener hatte Piso immer vor den Prügeleinheiten geschützt, bis Piso dereinst stark genug war, zurückzuschlagen und sich durchzusetzen, was lange gedauert hatte.
    Dass dieser schwache, kränkliche Junge mit dem Mann irgendetwas zu tun hatte, der sich, einem Dämonen gleich, auf den griechischen Sklaven stürzte und den überraschten Unfreien umwarf. Seine Hände suchten den Mund des Cleomenes und hielten ihn zu, während er begann, mit seinen Knien die Weichteile des Griechen zu bearbeiten. Er ließ mit seiner rechten Hand locker, nur, um Cleomenes ein paar sehr harte Schläge auf sein Gesicht zu verpassen. Seine Faust war so eng geballt, dass die Knöchel weiß heraustraten, sich die Fingernägel in seine Handflächen eingruben, und die Finger vor lauter abgeschnittenen Blut ganz weiß waren – mit ihr schlug er mehrere Male in das Gesicht des Sklaven, ungeachtet des Blutes, welches dem Griechen aus zahlreichen Platzwunden herauszusickern begann. Früher hätte sich Cleomenes vielleicht noch wehren können, doch dieser Tage war er nur noch ein alter Mann, der gegen einen jungen Kerl wie Piso wenig ausrichten konnte.
    Schließlich ließ der Flavier, als Cleomenes schon gar übel hergerichtet war, von jenem ab. Am Kragen fühlte der Grieche sich gepackt und aufgehoben, schließlich sich auf Augenhöhe mit dem grausam verzerrten Gesicht des Flaviers wieder findend, und mit den Beinen ein paar Zoll über den boden schwebend. So sehr er auch mit ihnen wackelte, Piso ließ nicht locker. „Ist das wahr?“, brachte Piso schlussendlich hervor. „Ist das wahr?“ Cleomenes suchte sein Heil im sich blöd stellen. „Was meinst du, Herr?“ Piso brüllte ihn jetzt an, sich nicht mehr darum scherend, ob man sie höhren könnte oder nicht. „So, jetzt bin ich auf einmal Herr, hä? Du weißt, was ich meine! Und ich weiß, dass es wahr ist! Du hast Damasippa umgebracht. Und meine Mutter.“ Cleomenes schluckte und ließ alle Vorsicht fahren. Zwar gab er sich gerne überlegen, doch wenn ihm der Arsch sozusagen auf Grundeis ging, flüchtete er sich, wie alle Sklaven, in die Feigheit. „Aus mir kriegst du nichts heraus...“, ließ er zwar anfangs verlautbaren, doch nach einem weiteren brutalen Schlag in sein Gesicht stöhnte er: „Ich habe sie nicht umgebracht. Das war Kynos. Kynos hat Damasippa umgebracht, Kynos hat deine Mutter umgebracht. Auf deines Vaters Befehl.“ Ein weiterer kraftvoller Schlag, den Piso ihm gegenüber austeilte, ließ ihn Blut ausspucken. Es schüttelte ihn, bevor er weitersprechen konnte. „Du weißt, dass es wahr ist. Dein Vater hat dich angelogen, jahrelang. Deine Mutter ist nicht abgehauen, niemals. Sie wurde in einem Waldstück nahe der Villa erdrosselt, von seinem damaligen Leibsklaven, Castor. Der ist, wie du weisst, schon lange tot. Ich war dabei. Und dein Vater. Er hat Castor angefeuert, er solle schneller machen. Genauso, wie es gestern mit Kynos und Damasippa geschehen ist.“ Mittlerweile hatte er wieder Boden unter den Füßen. Piso hatte seine Hand, die noch immer den Kragen des Sklaven umfasst hielt, sinken lassen. Geschockt blickte er den Sklaven an. Geschockt? Nein, das war ein zu schwaches Wort. Es war der Gesichtausdruck eines Mannes, dessen Welt eingestürzt war.
    „Mein Vater hat meine Mutter umgebracht.“, brachte er hervor. Es machte verdammt noch einmal Sinn, aber selbst wenn er das wie verstand, verstand er nicht das warum. „Warum?“, stotterte er also. Cleomenes zuckte die Schultern. „Sie war ihm langweilig geworden. Und ein Ärgernis. Fausta hatte gedroht, sich von ihm scheiden zu lassen, euch beide, dich und Vera, zu ihrer Familie zu nehmen, ob er es wollte oder nicht. Er betrog sie zu dieser Zeit. Und sie betrog ihn. Weißt du, wie die Situation zwischen deinen Eltern schrecklich war? Ist dir jemals aufgefallen, in welch kaputter Familie du auf die Welt gekommen bist?“
    Endlich brachte Piso wieder etwas aus sich heraus. „Schon längst.“ Er blickte in die Ferne, mit einem Blick, den man bei ihm noch nie gesehen hatte, und der nicht zu beschrieben war. „Glaubst du mir?“, fragte Cleomenes und blickte Piso an. „Ja.“, bestätigte Piso schließlich. „Jetzt verstehe ich, wieso du mich immer so behandelt hast, wie du es getan hast. Mein Vater hat dir alles durchgehen lassen, weil du ihn in deiner Hand hattest.“ Seine Stimme kam wie von weit weg. Er atmete tief durch. „Wieviele hat Vater umgebracht auf diese Weise?“ Cleomenes zögerte. „30. Oder 40. Ich weiß es nicht.“ Piso fühlte sein Herz schnell schlagen, immer schneller. „Und...“, er atmete abermals ein. „Leontia wusste davon, oder?“ Cleomenes schaute nur, und erhielt einen weiteren Schlag ins Gesicht. „Ja. Deine Schwester war eingeweiht.“, gestand er. Piso wunderte sich, wieso er es schaffte, so gefasst zu bleiben. Es musste der Schock sein. „Wieso sie? Wieso nicht andere?“ Cleomenes blickte Piso in die Augen. „Sie war die einzige von Aetius legitimen Kindern, deren Mutter wirklich weggelaufen war, und nicht ermordet worden war.“ Piso schüttelte den Kopf. „Trotzdem. Wieso?“ Cleomenes zuckte zum zweiten Male die Achseln. „Ich schätze, er vertraute ihr. Und hoffte, sie einspannen zu können für spätere Entsorgungen.“ Der Flavier blinzelte. „Entsorgungen.“
    Und er ließ Cleomenes los. Der Grieche stolperte ein paar Schritte zurück, gegen den Stamm eines Baumes anstoßend. „Geh. Ich will dich nie wieder sehen.“ Ohne einen Moment des Zögerns nahm der Grieche die Möglichkeit zur Flucht wahr. Piso beachtete das Verschwinden des Mannes gar nicht mehr. Gedankenverloren begann er, mit seiner rechten Hand am linken Ärmel seiner Tunika herumzufummeln. Erst jetzt bemerkte er, dass Cassivellaunus neben ihn getreten war. „Wir müssen hier verschwinden. Dem Horror entfliehen. Schnell.“ Der Britannier nickte nur. Er hatte verstanden.