Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Es klopfte. Ein Notarius aus der a libellis-Abteilung trat ein, nuschelte ein „Salve“ zu einem vorbeigehenden Mitnotarius und ging dann zum Tisch des Primicerius. „Salve. Vom Primicerius a libellis...“, murmelte er und legte eine Wachstafel auf den Tisch. Darauf waren folgende Worte geschrieben:


    Salve Imperiosus, ich sage dir, habe ich Kopfweh von gestern.Hoffe, deinem Schädel geht es besser. Ich muss mich bei dir bedanken. Ich wäre nie heimgekommen ohne dich, ich hätte wohl in der Gosse übernachten müssen.
    Vielleicht schaust du mal vorbei bei mir? Wenn dir auch so langweilig ist wie mir, natürlich. Ich habe ein paar Wasserkrüge hier herumstehen, wenn du welche brauchst. Wäre natürlich nur zu „geschäftlichen“ Zwecken.
    Selbst wenn du nicht willst, man sieht sich!
    Piso

    Wie gut, dass man ihn am Palatin durchgewunken hatte. Die Prätorianer hatten ihn sofoert erkannt, waren vielleicht ein wenig verwundert ob seines Gesichtsausdruckes, welcher Schmerz und Pein suggerierte, doch niemand war taktlos genug, dies anklingen zu lassen. Die Notarii arbeiteten heute besonders still, sie fühlten die miese Stimmung des Chefs. Piso setzte sich an seinen Tisch und nahm sehr, sehr langsam Papiere durch. Während einer besonders langweiligen Abhandlung eines Mannes, welcher sich über die genauen Prozeduren beim Einsenden von Briefen an den Imperator verwunderte und der den Brief so beendete, dass man nicht wusste, ob es ein Ratschlag, eine Beschwerde oder eine Frage war, seufzte er und dachte an den gestrigen Abend zurück. An allzuviel konnte er sich nicht mehr erinnern, aber er wusste noch, dass er sich mit Imperiosus heimgeschleppt hatte. Er nahm also eine alte Wachstafel zur Hand und malte da was drauf. Dann pfiff er den fürs Laufburschentum zuständigen Notarius her und drückte ihm die Tafel in die Hand.
    „Geh zum Primicerius ab epistulis und bringe ihm das.“, meinte er grummelig. „Vielleicht will er ja was zurückschreibe oder so. Also, mach.“ Der Notarius nickte und ging ab.

    Sim-Off:

    Ups, fast vergessen.


    Piso grinste. “Um Frustrationen abzubauen...”, echote er und kicherte in sich hinein. „Vielleicht keine schlechte Idee.“ Er enthielt sich eines Kommentares zu der Tatsache, dass er ziemlich frustriert war mit allem. Verus konnte es sich denken.
    Er hörte ihm aufmerksam zu, als Verus Piso schilderte, wie er sich verhalten solle ihr gegenüber. „Hmm.“, stimmte er zu. Doch dann fiel ihm etwas ein. Etwas ganz Wichtiges. Was konnte das bloß sein? Genau. „Gegenübertreten? Ich weiß ja überhaupt nicht, wo sie lebt oder was ihr echter Name ist. Sag, Titus... weißt du etwas davon? Weißt du, wer sie wirklich ist, und wo ich sie finden kann?“ Er runzelte die Stirn. Verus hatte gerade so deutlich davon geredet, dass er ihr gegenübertreten sollte – so redete niemand, der keine Ahnung hatte, wo sich die betreffende Person aufhalten könne. Er hatte zwar das Gefühl, Verus wolle über das Thema nicht mehr reden, doch Piso wollte noch ein paar Informationen.
    Er merkte, dass Verus fast die Augen überquollen, als er über Serrana zu reden kam. Er nickte während Verus‘ Antwort und gab hie und da ein paar zustimmende Laute von sich. „Ja... ich... danke für dein Vertrauen.“, meinte er. Fast hätte er nun den Kopf hängen lassen und sich aristidisch der Unzulänglichkeit gezeiht. Doch in der pisonischen Denkweise wurden solche Gefühlsregungen von einem schier unerschütterlichen Glauben an sich selber unterminiert.
    „Gut. Ich werde darüber sprechen. Mit meiner Familie. Und, ich werde Serrana einladen. Ihre Grazie und Anmut wird die Familie sicher überzeugen.“, so hoffte er einmal. „Erlaubst du dies?“ Es war eine Frage, die sich durchaus stellte. Niemand sollte Töchter einladen, ohne zuerst den Vater zu fragen. Und außerdem wusste Piso nicht wirklich, in welchem Ausmaß er Serranas Sicherheit inmitten eines Haufen von Patriziern mit einem gewissen... Hang zur Exzentrizität gewährleisten konnte.

    “Genau, dieser.”, bestätigte Piso seine Schwester. Er hatte durchaus erwartet, dass seine Schwester von dieser Nachricht komplett überrumeplt werden würde. Allerdings hatte Piso das Gefühl, Vera wäre... geradezu positiv überrascht über Leontias Aktion. Stand sie etwa auch schon darauf? Vera blickte ihren Bruder ungläubig an, dieser blickte ungläubig zurück, als sie begann, ihm von Furianus vorzuschwärmen.
    Er seufzte ganz leise. „Vera, Vera, Vera.“, machte er und blickte auf sie, nicht vorwurfsvoll, sondern nur ein bisschen besorgt. „Ich weiß, dass du auf dich selbst aufpassen kannst. Verbieten werde ich dir nichts.“Das nächste, was sie sagte, erboste ihn aber etwas. „Was man von mir nicht sagen kann, sagst du? Ich bin also ehrlos und unfreundlich? Pfff! Dann kann ich ja gleich gehen.“, machte Piso und blickte grantig drein. Hoffentlich hatte er seine Schwester missverstanden, er war sich sogar ziemlich sicher, dass dem so war, aber nett war das nicht rübergekommen.
    Das Mädchen von vorhin kam wieder zurück und stellte ihnen die Getränke hin sowie ein bisschen Brot. Piso beachtete das gar nicht, und seufzte abermals, als Vera weitersprach. „Ja, vielleicht hast du recht. Vielleicht überreagiere ich. Und ich weiß, mein Anfang mit ihm war nicht brillant. Aber ehrlich, gehe ich herum und schmeiße mit meinen Titeln um mich?“ Um ehrlich zu sein, er selbst würde dies garantiert und mit Sicherheit tun, hätte er nur welche. „Aber vielleicht urteile ich wirklich nur zu vorschnell, wie du sagst, und ich sollte toleranter sein. Aber schau... Vera... ich will nur dein Bestes. Meine Liebe zu dir gebietet mir, dass ich dir sagen muss... liebste Schwester, sei vorsichtig, und lass dich nicht auf alles ein. Und erinner dich dran - man muss auch hie und da nein sagen können, obwohl das hie und da extrem schwer ist. Ja? Wirst du das machen?“ Er blickte sie aus großen Augen an.


    Sim-Off:

    Wi-Sim ;)

    Wo war bloß seine dreimal verfluchte Toga? Er durchwühlte das Chaos, welches er am Boden hatte. Schriftrollen und seltsame Figürchen, die er einmal bei einem Nippeshändler im Duzend um einen Sonderpreis erhalten hatte, flogen durch die Luft, als er mit beiden Händen in das Chaos auf seinem Boden fuhr und alles wegschaufelte. Doch den langen Stoffballen kam er nicht zu Gesicht. Wo hatte er seine Toga hingetan? Immerhin hatte er unter ein paar Schriftrollen eine ordentlich riechende Tunika von grüner Farbe gefunden, welche er sich überzog. Die Tunika war ja schon da, aber seine Toga brauchte er. Er öffnete fahrig den Schrank, doch dort war sie auch nicht drinnen. Es überkam ihn die Panik. „Cassivellaunus!“, rief Piso hektisch. „Cassivellaunus! Ich brauche dich!“ Die Türe öffnete sich, und der treudoofe Britannier blickte Piso an.


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    „Mein Heeeerr?“, fragte er. Für seinen gehorsam erntete der Arme aber nur einen sauren Blick. „Ich finde die Toga nicht!“, rief Piso theatralisch und zeichnete einige dramatische Gesten in den Raum. „Frag Acanthus, wo ich sie hingetan habe!“ Cassivellaunus nickte nur und verschwand.
    Piso derweil setzte sich auf sein Bett und fuhr sich durch sein Haar. Wo hatte er bloss diese Toga hingetan? Er zermarterte sein Hirn. Hmmm. Da war irgendetwas gewesen. Und zwar... Busch. Nein. Neinneinnein, das war nicht möglich. Piso blickte mit rot geräderten Augen auf und holte tief Atem. Das musste ein Trick seines Gedächtnis sein.
    In jenem Moment öffnete Cassivellaunus die Tür. „Herr! Herr! Nicht gut! Gar nicht gut!“, rief er. Piso stand auf und blickte Cassivellaunus an. „Draußen.“ Cassivellaunus nickte nur und schluckte. Piso ließ einen Schrei ertönen, und hechtete zum Fenster. Cassivellaunus schrie auch, aber weniger laut, vor allem deshalb, weil ihn die heftige Reaktion seines Herrn erschreckt hatte. Dann sprang er ihm nach. Er sah sofort, dass Piso wie ersteinert nach unten blickte.
    Als er das nun auch tat, verzog er den Mund. „Oje. Tatsächlich der Busch.“ Unten, im Gebüsch, welches sich unter Pisos Fenster ausbreitete, lag die Toga. Piso hatte sie im Suff rausgeworfen. Sie war nicht weggeflattert, da sie sich im Geäst verfangen hatte.
    Die Blicke von Herrn und Sklaven trafen sich. Piso blickte zu Cassivellaunus mit dem selben Blick, mit dem wohl ein Kleinkind seine Mutter anschaut. „Ich brauche meine Toga... hilf mir! Ich brauche meine Toga!“ Hysterisch plätterte Piso auf seinen Sklaven ein, dieser hob beschwichtigend die Hände. „Ich mache ja schon! Ich mache ja! Nur ruhig!“, versuchte er seinen Herrn zu beruhigen, was nur schwerlich ging. Auweia.
    Cassivellaunus ließ Piso hinter sich und stürmte aus dem Zimmer hinaus.


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    Fast wäre er mit der dicksten Nubierin aller Zeiten zusammengeprallt. „Cungah!“, rief er aus. „Kannst du mal bei Piso reinschauen? Der Kerl ist manisch!“ „Ist das eine neue Erkenntnis?“, fragte Cungah mit ihrer tiefen, dunklen Stimme den Britannier und betrat Pisos Zimmer.
    Cassivellaunus hastete derweil nach unten, um die Toga zu retten.
    Wie er es schaffte, wusste er nachher nicht mehr.


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    Er hatte die Hilfe von Ajax gebraucht, welcher ihn gehalten hatte, als er sich vornüber im Hortus übers Gebüsch lehnte. Zu allem Unglück war noch Attalus vorbeigekommen und hatte sich köstlich amüsiert.


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    „‘A, ’a, ’a! Je l‘ai su! Je l’ai vu! ‘Abt ihr eusch ganz terriblement lieb, n’est-ce pas?“, spottete der Wirt und lachte, während Cassivellaunus der Schweiß runterronn und er davon fantasierte, dem präpotenten Kerl zu Gulasch zu verarbeiten. „Drôle, je l’aime!“, rief Attalus, als Cassivellaunus endlich die Toga hervorgezogen hatte. Cassivellaunus begann plötzlich zu grinsen. „Was denkst du, wie oft Piso da schon hineingefurzt hat !“, rief er, lachte und begann, mit der Toga ausgebreitet zwischen den Armen, auf Attalus loszurennen. Dieser sprang zurück. „Dégoûtant!“, brüllte er und zog sich eilig dorthin zurück, wo er hingehörte – in die Küche.
    Also war nun die Bahn frei. Cassivellaunus eilte nach oben, öffnete das Zimmer und erblickte dort eine anrührende Szene – Mama Cungah, welche dem auf dem Bett liegenden und vor sich hin zuckenden Piso ein Wiegenlied vorsummte. Cassivellaunus räusperte sich, und der Römer und die Sklavin fuhren auf. Cungah grinste, Piso blickte belämmert drein ob der Störung.
    Cassivellaunus hielt die Toga zu Piso hin, als wäre die heilige Bundeslade oder der gesamte kaiserliche Schatz. Jener sprang von seinem Bett auf, riss die Toga von Cassivellaunus und juchzte. „Ahhh!“, brüllte er und beherrschte sich, Cassivellaunus um den Hals zu fallen. Dann räusperte er sich. „Danke.“, brachte er schließlich hervor. Cassivellaunus zuckte die Schultern. „Keine Ursache.“, meinte er und wies mit der Hand zur Tür. „Hast du nicht gesagt, du bist spät dran, Herr?“, fragte Cassivellaunus den Römer.
    „Doch, doch!“, rief Piso und blickte Cassivellaunus an. „Du musst...“ „Ja, gut.“, seufzte Cassivellaunus, nahm Piso die Toga wieder ab und band sie jenem um. Wie gut, dachte sich Piso, dass er einen Sklaven hatte, der das so gut konnte. Als sie danns chließlich saß, räusperte sich Piso wieder.
    „Also dann. Ich gehe jetzt. Wiedersehen.“, sagte er zu den beiden Sklaven und verließ den Raum. Die beiden blickten sich für 30 Sekunden nur stumm an. Dann verklang das Echo von Pisos Schritten, und irgendwo im Gang fiel eine Tür ins Schloss.
    Das war der Moment, in dem die beiden zusammenbrachen und loslachten, sodass sie sich nicht mehr einkriegen konnten.

    „Ah.“, meinte Piso also nur und blickte um sich. Der Wirt war gegangen. Den Göttern sei es gedankt! „Du weißt es also nicht. Was die beiden taten...“ Er holte tief Luft und brachte dann das Wort über seine Lippen: „Blutschande.“ Er schluckte. „Jawohl. Vater hat Leontia mit Manius Gracchus in ihrem Bett erwischt. Zusammen. Nackt. Dies war auch der Grund, wieso er nie wieder mit ihr geredet hat.“ Er ließ eine kurze Pause, um die Nachricht bei seiner Schwester einsacken zu lassen.
    „Ich werde niemanden nach deren Privatleben beurteilen. Es geht mich nichts an. Und trotzdem will ich dich fragen... Schwester... ob du dies wirklich tun willst. Abermals das Gespenst des Inzests hinaufbeschwören.“ Er blickte kurz nach unten und knirschte die Zähne. „Dabei wäre es ja mit Manius Gracchus weniger schlimm. Ein ehrenwerter Mann, so ehrlich und gütig wie nur wenige andere. Aber du hast dir da einen gesucht... von dem ich nicht weiß, ob er zu dir passt. Und ob er die selbe Gravitas und Würde hat, welche Manius zu eigen ist.“Er hatte noch gut die pompöse Art des Lucius Furianus im Gedächtnis. Er hatte ihn behandelt wie ein Kind und hatte mit seinen Titeln um sich geschmissen. Piso war sich nicht sicher, ob er den Kerl jemals ausstehen könnte.

    “Äh, ja, jetzt wo du es sagst...” Piso fixierte sich auf die Freske. „Vielleicht ist sie doch nicht so toll.“ Sie war alt und nichtssagend, niemand hätte jemals auf sie geblickt. Aus seinen Augenwinkeln sah er, wie der Wirt nach rechts abbog und nun hinter ihm war. Zackig wandte Piso seinen Kopf zu Vera und und grinste sie an. „Äh, du hast absolut recht. Es ist gar nichts besonderes. Und... hahaha...“, lachte er, aber nicht zu laut, „Keine Panik. Zu so etwas werde ich mich schon nicht hinreißen lassen. Es war nur... der erste Eindruck... und so... von dem Fresko... ist ja auch wurscht. Ich will ja nciht, dass wir dich verlieren.“ Das Druckmittel hatte ihm früher immer eine Heidenangst eingejagt, Vera zu verlieren wäre einfach nur entsetzlich gewesen für ihn als Kind. Doch nun war es einje Art geflüheltes Wort zwischen ihnen, ein Insiderwitz, den nur sie beide verstanden. Er lachte nochmal, doch durch sein Lachen konnte man fast so etwas wie Gepresstheit hören.
    Ihm blieb fast das Herz stehen, als Vera ihn darauf ansprach, dass er sich nicht wohl zu fühlen schien. Tatsächlich wäre er am Liebsten aufgestanden und wäre weggerannt, Vera hinter sich herziehend. Wer wusste, ob das Hausverbot, welches der Wirt damals ausgerufen hatte, noch immer galt? „Neinnein, das ist doch kompletter Humbug!“, sagte Piso so sanft, wie er es in jener Situation vermochte, und legte seine rechte Hand auf den linken Arm seiner Schwester. „Es ist nur... die Hitze... in Ravenna ist es nie so heiß wie hier im Sommer, du bist es eher gewohnt, du kommst gerade aus dem Süden an.“, erfand er eine Ausrede. „Und nein, du bist wunderschön, Vera, du weißt doch, dass ich nie was anderes gesagt habe. Wem könntest du in ästhetischen Sachen mehr vertrauen als mir?“ Das war nicht wirklich als Witz gemeint, Piso meinte dies im vollen Ernst. „Aber, sag mal...“ Als er auf dieses Thema zu sprechen kam, verlor seine Stimme die Ängstlichkeit (weil er nicht mehr an den Wirt dachte) und begann: „Es geht um unsere kleine Schwester Leontia.“ Welche immer gefunden hatte, dass Piso peinlich sei und Vera eine Tussi. Und welche immer so scheinheilig getan hatte. Doch das musste er nicht hinzufügen, er wusste, das Vera dies klar war. „Weißt du, was geschehen ist... zwischen ihr und Manius Gracchus?“ Möglicherweise war die Nachricht gar nicht zu Vera durchgedrungen.

    Wein! Wein! Wein! Wein! „Äh, das selbe, bitte.“, meinte Piso, wiewohl sein Herz etwas komplett anderes verlangte. „Und etwas Brot wäre gut.“ Er blcikte die Kellnerin natürlich dabei nicht in die Augen, sondern auf einen nicht existenten Punkt über ihrer Schulter. Die Kellnerin ritzte ihre Bestellungen auf eine Wachstafel und verschwand dann, nicht ohne Piso nochmals seltsam anzublicken. Sie eilte vermutlich schneller fort, als sie es bei anderen Gästen tat. Piso blickte auf die Blumenvase, die neben ihm und Vera auf dem Tisch stand. Genau, die guten schlechten Zeiten... irgendwie amüsant, dachte sich Piso und blickte sich um. Nichts hatte sie geändert, seit er das letzte Mal mit Imperiosus hier gewesen war.
    Gerade wollte er mit Vera ein Gespräch beginnen über das schöne Wetter, da sah er aus seinen Augenwinkeln plötzlich... den Wirt! Dieser würde sich sicherlich noch an ihn erinnern. Krampfhaft blickte er in die entgegengesetzte Richtung, das war, nach links. „Oh, schau, welch geschmackvolle Fresken hier an der Wand sind...“, meinte er zu vera, nicht besonders laut. Das Fresko ihm gegenüber interessierte ihn nicht die Bohne, es stellte irgendein Stillleben dar. Doch als Ablenkungsmanöver war es relativ in Ordnung.

    „Da magst du recht haben...“, erwiderte Piso, auch wenn er zunehmend vom Gerede seines Kumpanen verwirrt war. Was wollte er damit sagen? Vermutlich war das wieder eine seiner melancholischen Anwandlungen. Er zuckte also kurz die Achseln und ließ es damit auf sich beruhen.
    Pisos Augen folgten denen von verus, als jener sich die Kritik anschaute und schmunzelte. Jetzt erinnerte sich Piso daran, dass Verus ja auch dabei gewesen war und ihn gesehen hatte. Nun verlor jener aber kein Wort darüber, und Piso war recht dankbar, dass Verus nicht auch noch einen Kommentar abgab.
    „Vielleicht stimmt das ja...“, meinte Piso und überlegte. Nicht selber singen? Eine wahnwitzige Vorstellung. Aber Lieder schreiben, wieso jetzt nicht? Selber singen könnte er sie noch immer. Vielleicht aber sollte er erst einmal schauen, wie seine Lieder bei anderen Stimmen klingen. Er kratzte sich den Kopf. „Aber das Spiel mit der Lyra ist ein so großes Hobby von mir... und auch wenn es nicht alle mögen, ich bin sicher, es hat einen erbaulichen Wert!“ Von diesem Standpunkt würde er nicht abweichen. „Aber wieso denkst du, sie würde mit mir zusammen arbeiten wollen? Und wieso denkst du, ich würde mit ihr zusammen arbeiten wollen?“ Gleich zwei Fragen wurden Verus gestellt, in Pisos Augen waren sie durchaus berechtigt.
    Irgendwie hatte er das gefühl, Verus verberge ihm etwas. Er wusste aber nicht, was. Vielleicht interpretierte er da einfach zu viel hinein.
    Diese Gedanken wurden aber annihiliert, als Verus begann, mit Piso über die Standesdünkel zu sprechen. Er hatte sich nicht geirrt, sein decimischer Freund wollte wissen, was Piso auf der Seele lag. Krampfhaft bastelte er sich ein paar Worte zusammen.
    „Also... Titus... weißt du... weißt du, wie vielen in meiner Familie ich schon über meine Beziehung mit deiner Tochter erzählt habe?“ Scham konnte man seinem Gesicht ansehen. „Niemanden. Es hat einen Grund... weißt du, wann es das letzte Mal war, dass eine Person aus dem Ritterstand und aus dem Patriziat heirateten? Ewig ist es her. Ich habe keine Ahnung, was meine Familie sagen würde. Vermulich nichts Gutes. Deswegen habe ich Sorgen. Ich weiß nicht, ob meine Familie jemals Serrana akzeptieren würde.“ Er seufzte. „Ich bin kein Feigling... normalerweise, denke ich. Ich liebe deine Tochter. Die Vorstellung, auf ewig mit ihr zusammen sein zu können, ist umwerfend. Aber meine Familie damit zu konfrontieren... das wäre, als ob man sich vor einer Kolonne von parthischen Kataphrakten in den Staub wirft. Das meine ich mit dem Standesdünkel.“

    Vera lächelte nur milde auf ihren Bruder, doch ihr schien nichts unkoscher an seinem Verhalten vorzukommen. Vermutlich war sie schon gewohnt daran, dass ihr Bruder manchmal etwas skurrill handeln konnte. So wartete jener, bis seine Schwester die Taverne betrat, und trippelte nach ihr hinein.
    Eine aufmerksame Kellnerin kam sofort auch die beiden zu. „Salvete die Herrschaften!“, begrüßte sie sie, und Piso schob seinen Unterkiefer nach vorne. Es war nämlich die selbe Kellnerin, mit der er damals aneinander gekommen war. Das konnte doch nicht sein.
    Er machte also in einer sehr tiefen, grummelnden und nuschelnden Stimmlage: „Salv‘. N’Tisch f’r zwo Person’n, bitt‘.“ Die Kellnerin blickte ihn verwundert an. Na prima. Jetzt hatte er vermutlich ihre ganze Aufmerksamkeit erregt. Ob sie sich noch an ihn erinnern konnte? Gut möglich. Sie lächelte ihn leicht betreten an, man merkte, dass sie ihm etwas sagen wollte, aber sich dann nicht traute. „Äh, ja, sicher. Hier.“ Sie wies den Geschwistern einen Tisch zu. „Etwas zu trinken, die Herrschaften?“ Piso blickte auf seine Schwester, sie sollte zu erst bestellen. Er hoffte, dass es als Selbstverständlichkeit angesehen werden würde, dass er zahlte.

    „Ich, ich, warte mal, war...“ Zu spät! Vera passierte ihn, ohne auf seine Einwände zu hören. Nun gut, Tee war eine absolut lächerliche Idee gewesen, war doch Piso auch kein Freund dieses nahöstlichen Getränks, doch in die Taverna Apicia zog es ihn gar nicht. Doch seine Schwester war nicht aufzuhalten. War das villeicht betrubsam! Pisos Mundwinkel sackten nach unten ab, als er nach einer Ausrede suchte, um nicht in die Taverna Apicia gehen zu müssen. „Ich habe gehört...“, hechelte er, als er seine Schwester rennenderweise wieder eingeholt hatte, „die Taverna Apicia ist auch nicht mehr das, was sie einst war. Angeblich beziehen sie den Falerner nicht mehr aus Kampanien, sondern bieten nur noch ein Ersatzprodukt aus Gallien an, diese Betrüg...“ Er hielt inne, als ein Schild vor ihm, an der Taverna Apicia, wo die beiden schon angekommen waren, seinen Worten Lügen strafte. Dor stand: „Frischer Falerner aus Kampanien!“ groß angeschrieben. Er seufzte. „Na gut, dann gehen wir halt dort hinein.“ Er öffnete die Türe so, dass man sein Gesicht vom Inneren der Taverne nicht sehen konnte, und ließ Vera den Vortritt. Zeit gewinnen hiess die Devise.

    Er spürte das Klopfen eines starken Mannes auf seiner Schulter. „Ich glaube, dir kann ich viel eher vertrauen in dieser Sache als jenem Schwafler, der mir das gesagt hat. Es war nur so ein Mann aus einem Dorf. Kein echter Flottensoldat“ :D
    Uwillkürlich musste er seinen Blick auch nach oben schweifen lassen. Dort war aber nichts, außer ein paar Spatzen, die in der Luft herumwirbelten. „Mhmm...“, stimmte er zu. „Du weißt, dass ich auch schon oft mit dem Schiff unterwegs war. Ich habe es immer genossen. Es ist wundervoll. Aber auch beängstigend, wenn man umherschaut und es ist nichts da außer Wasser.“, gab er zu Bedenken.
    Nun ließ Verus einen wahren Wortschwall auf ihn herab, den Piso erst einmal verdaute. Was Verus sagte, klang zwar vernünftig, aber wie bei der Flotte, so war auch Pisos Position komplexer, als es ein Außenstehender hätte vermuten können. Piso beschloss, Verus einzuweihen.
    „Es ist nicht so einfach.“, begann er deshalb. „Ich versuche ja, mir vom Procurator nicht den Tag versauen zu lassen. Doch ich sehe ihn jeden Tag, und er ist einfach... die klassische Arschgeige. Von seinen Schikanen habe ich dir schon erzählt. Aber du hast recht, er ist mein geringstes Problem. Viel schwerwiegender ist mein Kreativitätsloch. Weißt du, es hat schon mit mienem Beruf zu tun. Aber ich hatte vor ein paar Wochen einen Auftritt am Markt in Rom, vor Leuten. Weißt du was? Lies diesen Artikel. Alles wird dir dadurch klar werden.“ Er hatte komplett vergessen, dass Verus damals dabei gewesen war. Aber es war sowieso irrelevant, da Verus, wie es schien, alles darüber vergessen hatte. Piso griff in eine kleine Tasche, die er immer bei sich trug, und holte eine Schriftrolle der Acta Diurna hervor. Er legte sie Verus auf dem Schoss und wartete eine Weile.
    „Wie du siehst, hat der große Kritiker Blandus mir etwas bescheinigt, was sowieso schon im Vorhinein klar gewesen war, dass ich kein schlechter Musiker bin, nein, ein Avangardist!“ Das Wort Genie wollte er vermeiden, war es ihm jedoch schon auf der Zunge gelegen. „Doch die Leute erkennen dies nicht! Niemand will meine Musik hören, egal, wie gut und durchdacht sie ist! Und zu meinem Glück hat mir da noch diese Muse gefehlt. Nicht mal ihren echten namen wollte sie mir verraten. Nur ihren Künstlernamen. Irgendeine Muse. Melete? Clio? Calliope? Neinnein, ähm, was mit A. Nicht Eutherpe. Nein... genau, Aoide.“ Er sprach den Namen mit einem gewissen ablehnenden Unterton aus. "Sie hat mich heruntergeputzt. In den Dreck gezogen. Ausgelacht. Beleidigt. Angeschrien." Es entsprach nicht ganz der Wahrheit, doch in der Retrospektive kam es Piso wirklich so vor. "Wegen meiner Musik. Mich, einen Römer aus der Gens Flavia." Er schnaubte aus.
    „Und was die Standesdünkel angeht, so habe ich einen guten Grund, mich davon herunterziehen zu lassen... aber die Frage ist, willst du es wissen?“ Diese Frage war etwas blöd formuliert, weil sie sicher Verus dazu veranlassen würde, es wirklich wissen zu wollen. Doch Piso war sich wirklich nicht sicher, ob er Verus seine Sorgen in der Richtung berichten sollte, sie könnten Verus gehörig den Tag verderben.

    Heiß war es. Brütend heiß. Piso spürte, wie ihm hinten die Suppe herunterronn. Geduldig war er an jedem Stand stehen geblieben und hatte Vera dabei beobachtet, wie sie diverse Sachen anprobierte und anschaute. Seine Nase fühlte sich schon ganz gefühllos an vom Geruch von verschiedenen Parfums und Manikürzeugs. Innerlich musste er die Leibsklavin seiner Schwester bemitleiden. Was musste das arme Mädchen schleppen! Doch andererseits dachte er auch gar nicht drana, ihr etwas abzunehmen. Phoebus, den kleinen Jungen, der mit ihnen gegangen war, hätten sie vielleicht nicht mitschleppen sollen. Wenn Piso zurückdachte, hätte er vielleicht besser Cassivellaunus oder Artomaglos mitnehmen sollen, oder vielleicht Diomedes. Aber Diomedes und Artomaglos hätten ohne Zweifel sicher nach kurzer Zeit etwas kaputt gemacht durch ihre eigene, unkontrollierbare Stärke, und Cassivellaunus war einfach zu unansehnlich und einfältig, um einen schönenen Tag mit ihm zu verbringen. Phoebus war ein wiver Kerl, doch seine Schleppkapazität war begrenzt. So musste Serafina den Löwenanteil der Einkäufe schleppen.
    „Oh ja, eine Pause wäre schön!“, stimmte Piso seiner Schwester zu. „Wir können ja in die Taverna Petronia, dort wäre es angeblich... uch!“, unterbrach er sich, als seine Schwester auf die Taverna Apicia deutete. Flink huschte er vor sie hin und grinste sie breit an. „Ah, diese Taverne... ja, sie ist durchaus bekannt.“ Nur einen Nachteil hatte sie. Piso war dort seit jüngeren Ereignissen unter Umständen kein äußerst beliebter Gast mehr. Es war gut möglich, dass der Wirt sich noch gut an den Vorfall erinnerte, welcher ihm einen Strauß Blumen und einen aus Grobkeramik zusammengepatzten Krug gekostet hatte.
    Dies war der Grund dafür, wieso Piso nun vor Vera stand und verlegen grinste. „Äh... nun, würdest du nicht denken, etwas Tee wäre heute gut? Ich kenne einen guten Teesalon.“ Das war natürlich hanebüchener Schmarren. Bei der heutigen Hitze würde niemand, der klaren Verstandes war, Tee trinken.

    Zwar befasste sich der Brief mit Heeressachen, doch da der Brief an Balbus adressiert war, brachte Orbinus ihn halt in dessen Officium. Mit einem "Grumpf.", legte er ihn auf den Tisch des Procurators.



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    An die Kaiserliche Kanzlei

    Procurator a libellis Tiberius Prudentius Balbus
    ~~~~~
    Roma

    ~~~~~
    Palatium Augusti
    ____________________________________________



    Verehrter Prudentius Balbus,



    ich schreibe, um einen privaten Wunsch an den Kaiser auszurichten, was mein senatorisches Tribunat in der Legio II Germanica Fidelis Constans anbelangt. Im Rahmen meiner Amtszeit als Tribunus Laticlavius in dieser Truppe habe ich die Umstände kennenlernen dürfen, welche das Leben im Militärstab bietet.


    Gerade jetzt, in meiner besten Phase, möchte ich doch ausnutzen, was mir zuteil wurde und weiter an meinem militärischen Wissen feilen, um das Militär näher, tiefer einzustudieren. Ich kann das jedoch nur tun, wenn der Kaiser in seiner Weisheit meine Amtszeit verlängert, so dass ich, anstatt eine eilige Rückreise nach Rom anzutreten, eine weitere Amtszeit in dieser Truppe verweilen darf. Ich möchte herzlich darum bitten, dies dem weisen Urteil meines Kaisers offenzulegen und diesen über meinen Vorschlag nachdenken zu lassen.


    Egal, wie die Entscheidung ausfällt: Ich erwarte Antwort.


    Mögen die Götter Dich und den Kaiser behüten, Prudentius.



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    Die Genervtheit in der Anweisung von celerina entging Piso durchaus nicht. Er blickte kurz zu ihr hin, ohne den Kopf zu wenden, nur die Augäpfel benutzend, und grummelte kaum hörbar. Da machte er sich Mühe und führte sich auf wie ein Idiot, um seiner Verwandten eine brillante Chance zu geben, ihre Rolle, was auch immer sie enthielt, zu entfernen, um somit das Gesprächsklima zwischen ihnen zu lösen. Aber neinen, Madame belieben es, besserwisserisch zu sein. Jetzt zeigte sie auch noch demonstrativ mit der Schriftrolle auf die Stelle, wo der Text hingehörte. Nicht sehr überraschend, kamen die Metamorphoses zwischen die Medicamina Faciei Femineae und der Nux, welche ebenfalls von Ovid waren. Die Bibliothek war einwandfrei alphabetisch geordnet.
    Nun, da die Schriftrolle ihren Platz gefunden hatte, wandte sich Piso wieder an Celerina und ergatterte einen Blick auf ihre Schriftrolle. Der Titel war irgendetwas von Feuer der Lebenslust oder sonst irgendein Frauenkram. War ja egal. Piso bestand nicht darauf, dass alle Welt nur Homer und Cicero las.
    Er zuckte auf ihre Ansage hin die Achseln. „Augustus war durchaus ein strenger Mann. Fair und gerecht, doch streng. Ovidius Nasos Strafe mag etwas harsch gewesen sein, ein solch großer Wortschmied hätte eine bessere Grabesstätte verdient als Tomis.“ Er war sich ziemlich sicher, seine Meinung über jenen Sachverhalt deckte sich mit der Meinung der meisten Römer.
    Ihre Worte, als sie sagte, es wäre ihr ein Vergnügen, ihn zu treffen, klangen nicht ganz ehrlich. Piso hielt sich davor zurück, scheel zu blicken. Was nicht war, konnte ja noch werden. Wiewohl sie ihre erste Bekanntschaft mit ihrer Geheimtuerei um die Schriftrolle etwas verpatzt hatte. „Nun weiß ich dich nicht recht im Stammbaum der Flavier einzuordnen.“, gab Piso zu bedenken. „Mein Vater ist der ehrenwerte Gnaeus Flavius Aetius.“, machte er, versuchend, Respekt vor seinem Vater zu implizieren, wenngleich er froh war, nicht mehr unter dessen Fuchtel zu stehen. Er hoffte also, Celerina würde ihm sagen, wer ihr Vater war. Eine allzu nahe Verwandte konnte sie nicht sein, man würde sehen.
    Doch da! Ein Ausdruck von Amusement und vielleicht einer kleinen Spur von Sympathie, als Piso über seine Sklavin zu sprechen anfing. „Das Problem ist, sie ist ein wenig... unzugänglich.“ Er zuckte die Achseln. „Um ehrlich zu sein, etwas widerspenstig. Mit ihr zu reden hat keinen Sinn, da wird sie immer furios. Keine Ahnung, muss wohl an mir liegen. Ich hoffe, mit etwas Kenntnis über Syrien, die Sitten und die Sprache der Einwohner, kann ich mir eine Art von Zugang zu ihr verschaffen.“ Er überlegte. „Aber das mit den einheimischen Gewändern ist eine gute Idee. Ich habe da schon so einen unglückseligen Parther mit einem lächerlichen... Kleid herumhampeln gesehen. Das war dann wohl deiner?“, lächelte er.

    Geblendet, aus halb zugeschlagenen Augen blinzelte Piso auf seinen Vetter. Seine Silhouette war im straken Kontrast zum Licht, welches das Zimmer durchflutete, und so wie er dastand, dunkel, mitten im Licht, präsentierte sich vor Piso nicht das Bild eines desillusionierten Vigintivir, sondern das eines Mannes, welcher seinen centurionischen Schneid noch immer nicht abgestreift hatte.
    Was sich Aristides insgeheim dachte, konnte Piso sich denken. Doch es war nicht notwendigerweise so, dass er wankelmütig wäre. Nun, vielleicht ein bisschen. Aber hauptsächlich war er ein Mensch, der nach Anerkennung suchte, nach Respekt, Beifall und Zustimmung. Er hatte sich zu oft von seinem Vater, von seinem vergangenen Publikum, von den prügelsüchtigen Kindern auf den Straßen Ravennas, darniederziehen lassen. Nun war er etwas. Doch dies vom Oberhaupt der Familie in Rom bestätigt zu bekommen, war ein Gefühl, welches er wohltuend fand. Vorbei die Zeiten, in welchen man ihn der Nutzlosigkeit gezeiht hatte. Es würde besser werden. Er wusste jetzt, dass er die Unterstützung der Familie hatte (was ihm schon vorher hätte klar sein sollen – Blut ist dicker als Wasser, dies war ein Sprichwort, welches man ihm vom Anbeginn seiner Kindheit eingetrichtert hatte).
    Dies war wohl auch der Grund, wieso er nun anfing, fröhlich über seine Zukunftspläne zu reden, wobei er sah, dass Aristides über das Wort Senator etwas... agitiert wirkte.
    Die Frage seines Vetter ließ nicht lange auf sich warten, und Piso beantwortete sie, dabei versuchend, diverse Zweifel seines Vetters zu zerstreuen. „Ja, in der Verwaltung. Es ist ja so, dass Patrizier über den Rittern stehen und somit alle ritterlichen Ämter bekleiden können. Dies habe ich vor zu tun. Mein Vorvorgänger als Primicerius am kaiserlichen Hof, Tiberius Iuvenalis, wurde Procurator. Dies habe auch ich vor zu erreichen.“ Procurator Flavius Piso, das würde nicht schlecht klingen. Es wäre der Titel eines gemachten Mannes.
    „Wann ich in den Senat gehe, weiß ich noch nicht. Irgendwann.“, sagte er, nicht gerade präzise, bevor er seinen Vetter inquirierend anschaute. „Ich habe jedoch kurz geglaubt, in deinen Augen einen Schimmer von Verwunderung zu sehen, als ich dir sagte, ich wollte in den Senat.“ Er fügte keine Frage hinzu, weil er Aristides nicht zu einer Antwort zwingen wollte.
    Die nächste Angelegenheit war doch um vieles erfreulicher. „Marcus, das wäre wundervoll!“, rief Piso erfreut aus. Fast wäre es für ein paar Sekunden erschienen, als ob Piso die Contenance verlieren würde und vor Freude, im Raum umhertanzend, ausflippen würde. Jedoch geschah das nicht, nur ein glückliches Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Ein ausgezeichneter Vorschlag. Musik bringt Harmonie und ist Labsal für die Seele. Das sollten wir machen.“, meinte er.

    Soooo. Das hatte er jetzt einmal ganz gründlich versemmelt. Innerlich hätte er sich abwatschen können. Aber jetzt war es zu spät. Begrüßt hatte er seinen Verwandten wie ein Bauer aus dem hintersten Winkel in den Apennninen. Doch es war zu spät, und ihm wurde ein Blick entgegnet, der Piso wünschen ließ, er würde im Boden versinken. Dies geschah jedoch nicht. Innerlich seufzend hörte er sich die lange Liste an Titeln an, die ihn Furianus herunterrasselte. Ein wichtiger Mann, und er musste unbedingt ihr erstes Treffen verdackeln. Fast hatte er das Gefühl, der Neuankömmling nahm ihn wahr wie ein Kind, obwohl er selber die 20 schon lange hinter sich hatte, ja, den 30 sogar schon ein bisschen näher war. Aber Furianus hatte ja recht, er hatte einen Auftritt hingelegt wie ein Knabe. Es war nicht so, dass er unerfahren beim Togatragen war, er hatte sie jedes Mal an, wenn er zur Arbeit ging. Praktisch jeden Tag. Doch gerade heute war ihm ein Misgeschick mit der Toga passiert, welches eigentlich keines war, weil er die Faltenpracht noch retten konnte. Doch die Sache mit dem Türknauf war Furianus nicht entgangen. So versuchte er das beste aus der Situation zu machen und erinnerte sich an die Worte seines frühreren Rhetoriklehrers, den er einmal tatsächlich gehabt hatte.
    Er blickte auf den anscheinend so bedeutenden Verwandten (sowie man das aus seinem pompösen Verhalten schliessen konnte) und antwortete: „Es freut mich ohne Maßen, dich kennen zu lernen, Lucius Furianus. Dies ist... fürwahr Besuch, höher und ehrbarer, also ich es mir gedacht hätte." Die Wogen zu glätten konnte man ja versuchen. "Mein Aufenthalt hier in Rom ist nicht gänzlich ohne Grund; ich bin Primicerius a libellis an der kaiserlichen Kanzlei. Ich habe vor, dies den ersten Schritt zu einer respektablen Karriere werden zu lassen.“, meinte er tapfer. Er setzte sich auf die Kline, die ihm zugewiesen worden war. „Ich weiß, dass ich noch vieles lernen muss, aber ich denke, ich bin auf einem guten Weg, Lucius Furianus. Wenngleich ich, bis ich dein Alter erreicht habe, sicher niemals so viel erreichen werden kann wie du, so hoffe ich...“ Er nahm eine etwas bequeme Position ein... „die Familie stolz zu machen. Wenn es die Götter so wollen.“ Er meinte es ehrlich, wiewohl seine Worte angesichts seines unmöglichen Auftrittes ein bisschen seltsam anmuteten.
    Er blickte kurz zu Vera und schluckte leicht. Er hatte ihr Seufzen sehr wohl gehört. Jetzt hatte er ihr auch noch Schande gemacht. Wirklich, am Liebsten hätte er sich verkrümelt, aber dies war jetzt unmöglich. Er lächelte also und versuchte, nicht allzu verlegen zu wirken. Er dachte kurz darüber nach, ob er sich bei Furianus wegen des Faux-Pas entschuldigen sollte. Doch dies kam jetzt nicht mehr in Frage. Es wäre unangebracht gewesen und es war jetzt eh schon zu spät dafür.
    Gerade, wie er sich auf der Kline einen geeigneten Platz gesucht hatte, trat eine weitere Frau ein. Das war doch die Frau von Manius Gracchus. Claudia Antonia, die Piso bisher noch nicht genauer kennen lernen konnte, nur am Rande. Er wartete ihre Vorstellung ab. „Salve Claudia Antonia!“, begrüßte er sie deshalb. „Es ist eine wahre Freude, dich zu sehen.“ Hatte sich die Gemahlin des Gracchus doch einige Zeit sehr zurückgehalten und nicht viel Kontakt mit anderen Familienmitgliedern als ihrem Sohn gehabt. Er ergriff deshalb auf die Initiative und erhob sich von seiner Kline. „Die beiden Herren kennst du schon, wie ich sehe? Ich bin Aulus Flavius Piso, vielleicht erinnerst du dich noch? Und dies ist meine Schwester Flavia Vera. Heute am morgen ist sie hier in Rom eingetroffen.“ Er hoffte, wenigstens Antonia gegenüber ein gutes Bild zu machen.


    Sim-Off:

    EDIT: Da ist mir doch Antonia zuvorgekommen. :D

    Der Notarius Orbinus war derjenige, der den Brief beim Procurator auf den Tisch legte, nachdem er geklopft hatte und eingetreten war. "Woider voin Toiberiois Doirois.", nuschelte er und ging wieder von dannen.


    Ad
    Pontifex Maximus
    Imperator Caesar Augustus
    C Ulpius Aelianus Valerianus
    Palatium Augusti, Roma



    M' Tiberius Durus Pontifex pro magistro Pontifici Maximo Imp Caesari Augusto C Ulpio Aeliano Valeriano s.p.d.


    wieder möchte ich Dir von den Geschehnissen innerhalb des Cultus Deorum berichten. Zuerst sollst Du von den Collegia in Rom erfahren:


    Unter den Pontifices kommt es in letzter Zeit zu starken Ausfällen: Manius Flavius Gracchus ist erkrankt und hat sich nach Achaia zur Genesung zurückgezogen, ebenso wird Marcus Aurelius Corvinus von einer Krankheit niedergestreckt. Während auch der Flamen Dialis weiterhin kränklich ist, hat der neue Rex Sacrorum seine Arbeit gut und gewissenhaft begonnen.


    Unter den Augures ist es zu einer personellen Veränderung gekommen: Nach dem Tode des Abronius Penula hat das Collegium mir Manius Aurelius Orestes, einen jungen Mann aus senatorischem Hause gewählt. Diese Wahl habe ich in Deinem Namen bestätigt, da er mir als geeignet erschien, dieses Amt zu bekleiden. Er ist bereits gut in sein Amt eingearbeitet und nimmt Aufgaben im Namen des Collegiums wahr.


    Insgesamt konnte dafür gesorgt werden, dass die Feiertage im gewohnten Lauf abgehalten wurden. Dennoch muss ich darauf hinweisen, dass dem Volk offensichtlich das Interesse an den Festtagen der Götter abhanden kommt. Nur noch wenige erscheinen zu den Feiern und selbst Speise-Spenden vermögen es nicht hervorzulocken. Möglicherweise würde es sich empfehlen, wenn Du als oberster Priester und Vorbild wieder einer Feierlichkeit beiwohnst, beispielsweise den Quinquatrus Minusculae diesen Jahres, die wieder etwas aufwändiger gestaltet werden sollen, um die Arbeit der Tibicines zu würdigen.


    Im übrigen scheint der Cultus der römischen Götter in Germania wieder aufzuleben, bei den übrigen Provinzen haben sich keine Neuigkeiten ergeben.



    Mögen die Götter mit Dir sein,
    [Blockierte Grafik: http://img157.imageshack.us/img157/6083/siegelmtdsenatorhc0.gif]

    Vera kam zum Stehen, so tat Piso es ihr gleich. Mit einem Schritt, welcher taktisch so einwandfrei war, dass er einen Platzkonkurrenten in die zweite Reihe verwies, stand er nun neben Vera. Er balanzierte seine Brötchen auf dem linken Arm herum und gurgelte einen großen Schluck Bier hinunter. Warum schmeckt mir das römische Bier bloß so, dachte er sich und benutzte eine Brot, um sich den Mund abzuwischen. Es war selbstredend, dass er es schnell hintennach würfelte.
    Nun, immerhin hatte Vera es geschaffte, den beiden einen echt guten Platz zu ergattern. Er schluckte sein Brot hinunter und antwortete: „Ich glaube nicht, dass dieser Parther so gefährlich ist. Wenn er jemanden verletzt, dann nur sich selber. Soll ein ziemlicher Tollpatsch sein.“, meinte Piso und zuckte die Schultern, wobei ihm fast eine Semmel heuntergefallen wäre. Nur eine rasche Bewegung seines Armes konnte das Brot daran hindern, mit dem Straßenstaub Bekanntschaft zu machen.
    Die nächste Frage von Vera hätte er erwarten müssen, dennoch fuhr er zusammen wie ein Lausbub, der einen Streich ausgeheckt hatte und dabei erwischt wurde. „Ähm, ja, die Decima! Eine sehr ehrenwert Familie. In jenen Jahren, als unsere Familie noch an der Macht war, noch recht unbekannt, aber seither haben sie duzende von Senatoren und Rittern hervorgebracht. Eine sehr ehrenwerte Gens mit ziemlich viel Macht.“, schilderte er. „Ich bin gut befreundet mit einem Decimer... besser gesagt... zwei...“, machte er und druckste herum. „Äh, es ist eine etwas komplizierte Geschichte. Soll ich sie dir später erzählen? Du würdest eh kein Wort verstehen, bei dem ganzen Trubel. Genießen wir zuerst das Spektakel, dann erzähle ich dir weiter.“, schlug er vor und blickte dabei ziemlich unsicher drein. Er brauchte wenigstens noch 5 Minuten, um sich passende Worte zurechtzulegen...

    Dass Piso noch erschien hatte er einzig und alleine Cassivellaunus zu verdanken, welcher ihm in letzter Minute von einer cena erzählt hatte. Ein Besucher? Wer mochte das sein? Wie dem auch sei, dann konnte Piso die Gelegenheit nutzen, um allen seine Schwester vorzustellen, welche heute am Morgen eingetroffen war. Beide waren sie vor Kurzem erst zurückgekommen von ihrem Ausflug in der Stadt. Er hatte sich, totmüde, sofort aufs Bett gehaut und war, um ehrlich zu sein, gerade am Schlafen, als ihn sein Sklave aufschreckte. Er suchte also aus dem Chaos in seinem Zimmer eine ordentliche Tunika hervor und ließ sich von seinem Sklaven eine Toga überwerfen und umwickeln. So. Er streckte die Arme nach vorne aus. Das sah doch eigentlich ganz ordentlich aus. Ein Gürtel aus edelstem Material rundete das Erscheinungsbild ab.
    Mit Togen konnte man so würdevoll schreiten. Dies tat Piso auch halbwegs, als er die Stiege herunterging, so schnell, wie es nur mit der Toga möglich war, ohne das Gesicht zu verlieren. Er fand das Zimmer sofort und öffnete die Türe.
    Fast hätte er sich mit seiner Toga am Türknauf verheddert, als er eintrat, doch er konnte die Falte gerade noch rechtzeitig vom Knauf abstreifen und somit verhindern, dass es sie ihm weggezogen hätte, als die Türe zuging und er noch vorne trat. Geschafft. Er blickte sich im Zimmer um. Aristides war schon da, ihn sah er sofort. Dass Vera schon hier sich eingefunden hatte, ließ nur die Schlussfolgerung zu, dass sie sich schon gegenseitig vorgestellt hatten und somit seine Position als potentieller Vorsteller redundant gemacht hatten. Nun, tja. „Salve Vera, salve Marcus.“, meinte er zu den beiden, als er den Dritten im Raum erblickte.
    Er musste den Drang, seine rechte Augenbraue zu heben, krampfhaft unterdrücken, denn ein gutes Bild hätte das nicht gemacht. „Öhhh.... salve.... Besucher?“, machte Piso deshalb und räusperte sich. „Kennen wir uns?“, fragte er deshalb, weniger den Besucher als sich selbst. „Ich bin Aulus Flavius Piso, Sohn des Gnaeus Flavius Aetius. Meine Schwester, Flavia Vera, habt ihr beide schon kennengelernt...?“ Letzteres war formuliert wie eine Feststellung, klang aber wie eine Frage.