Anscheinend hatte sie eine etwas andere Auffassung und Vorstellung von Rom gehabt, denn nun wurde das kleine Idealbild des friedlichen miteinander vollends zerstört, da die Bürger der großen Stadt nicht einmal ein Theaterstück friedlich sich ansehen konnten. Stattdessen artete es in eine riesige Keilerei aus, wenige Meter unter ihnen schlug der Händler immer noch auf den dicken Mann ein, Davon entfernt, keiften sich zwei junge Frauen und überall anders gab es kleinere und größere Handgemenge. Erstaunlicher Weise hatten sich nun aber fast alle Händler verkrümelt. Anscheinend wollten sie nicht so enden wie ihr Kollege, übersät mit blauen Flecken und einem geschwollenem Auge.
Sie kicherte zustimmend, es war wirklich amüsant, mittlerweile spielte sich das Schauspiel auf den Rängen ab und nicht auf der Bühne. “Huuu, das muss weh getan haben...“ kommentierte sie und deutete auf eine junge Frau die ihre Fingernägel einmal quer über das Gesicht eines Mannes zog, welcher sich wohl auf deren Verlobten gestürzt hatte. Zumindest klang das so nach den Wortfetzen die zu ihnen herüber wehten. Noch wähgren es auf den Rängen laut brodelte, ging das Stück nun auch weiter.
Lykonides, Eunomia stehen auf der Bühne und die Tochter des Euklio Phädria versteckt sich dahinter.
So steht es, Mutter. Alles hab' ich dir bekannt
Von mir und unsrer Nachbarin. Jezt bitt' ich dich,
Um was ich dich schon früher bat, beschwöre dich:
Geh hin zum Oheim, und besprich den Fall mit ihm.
Wie gern ich dir zu Willen bin, das weißt du längst.
Auch hoff' ich, daß mein Bruder mir's gewähren wird.
Denn wenn die Sache sich verhält, wie du gesagt,
So kann er deinem Wunsche nicht entgegen sein,
Da du, von Weine trunken, sie zu Fall gebracht.
Wie könnt' ich lügen gegen dich, mein Mütterchen?
Schaurig traurig erklingt eine körperlose Stimme, es ist Phädria.
Ich bin des Todes, Amme! Weh! Welch herber Schmerz! Juno Lucina, hilf mir!
Mutter, hörst du nicht?
Da siehst du mehr, als meine Worte dir vertraut:
In Kindesnöthen liegt sie, ruft die Götter an.
Komm jezt zu meinem Bruder, Sohn, mit mir hinein, Damit von ihm dir werde, was du dir gewünscht.
Geh, Mutter, geh, ich folge dir.
Eunomia geht ab und verschwindet im Haus des Megadorus.
Mich wundert's nur,
Wo mein Strobil ist, dem ich doch befohlen, hier
Auf mich zu warten. Hat er was für mich zu thun,
Wär's freilich Unrecht, zürnt' ich ihm. Ich geh' hinein,
Wo man zu Rath geht über mich und mein Geschick.
Megadorus geht ab, dafür tritt nun der diebische Strobilus auf die Bühne, in seinen Armen den Goldtopf.
Ich bin allein jezt reicher als die Greife sind,
Der goldnen Berge Hüter; denn ich rede nicht
Von Königen; die sind wahre Bettler gegen mich.
Ich bin der König Philippus.
Welch ein Wonnetag!
Denn weil ich wegging früher, langt' ich früher an,
Und stieg, bevor der Alte kam, den Baum hinauf,
Und lauschte da, wohin er seinen Schaz vergrub.
Sobald er wegwar, ließ ich mich vom Baum herab,
Grub aus den goldgefüllten Topf, und lief davon.
Der Alte kommt zum Plaz zurück, er sieht mich nicht,
Weil ich ein wenig aus dem Weg zur Seite bog.
Hoho!
Da ist er! Geh' ich und verberg' im Haus den Schaz!
Kurz sieht er sich verstohlen um und geht auch wieder ab. Ein wunderbares Stück, das das Ende schien unter zu gehen, das Publikum war nicht mehr zu beruhigen, statt dessen flogen wüste Beschimpfungen und Fäuste umher. Einige wenige hatten sich, ebenso wie Calvena und Valerian auf die noch ruhigen obersten Ränge niedergelassen und versuchten den Schauspielern zu folgen. Ein fauliger Apfel flog dicht an ihnen vorbei, verdutzt sah sie dem Geschoss nach und kicherte dann. „Achtung!“ meinte sie etwas verspätet und sah sich nach dem Übeltäter um. Doch wenn dann waren es wohl mehrere. Anscheinend waren ein paar Jugendliche bereits mit Unfug und Ärger im Sinn ins Theater gegangen und nun lieferten sie sich eine Schlacht mit fauligem Obst und Gemüse quer über die Köpfe der Leute hinweg.
In all diesem Durcheinander kam Euklio auf die Bühne, kurz darauf dann auch wieder Lykonides dazu.
Ich bin hin, verloren, todt! Wo lauf' ich hin? Wo lauf' ich nicht hin?
Halt' ihn! Wen? Ich weiß es nicht; ich sehe nichts mehr; wie ein Blinder,
Geh' ich um. Wohin ich tappe, wer ich bin, und wo ich weile,
Das vermag ich nicht zu fassen. Flehend bitt' ich euch, beschwör' euch,
Helft mir doch, zeigt mir die Spur des Menschen, der den Tops gestohlen!
Mit finsterem Blick mustert er das wogende Publikum so als seien sie die Übeltäter, dann fasst er einen Mann ins Auge und proklamiert:
Was sagst du? Dir glaub' ich: du bist ehrlich, dein Gesicht bezeugt es.
Was? Ihr lacht? Euch alle kenn' ich, weiß, es sind hier viele Diebe,
Bergen sich in weißem Kleide, sizen da, wie brave Leute.
Keiner hat's von diesen? Dann ist's aus! O sprich, wer hat's? Du weißt's nicht?
Weh mir Armen, Ganzverlornen! Gott, wie bin ich zugerichtet!
So viel Jammer, Noth und Mühsal hat mir dieser Tag geboren,
Hunger, Elend mir gebracht. Ich bin der ärmste Mensch auf Erden.
Nun, wofür noch länger leben, da ich so viel Gold verloren,
Das ich stets gehegt mit Sorgfalt? Ich betrog mich selbst um Alles,
Was Leben und Glück und Wonne mir war. Jezt freuen sich Andere dessen,
Mir zum Unheil, mir zum Schaden. Nein, ich kann es nicht ertragen.
Welch ein Mensch, der hier vor unserm Hause wimmert, heult und jammert?
Megadorus kommt aus dem Haus, sieht den Alten und senkt die Stimme voller erstaunen.
Das ist Euklio: so glaub' ich. Jezt ist's aus. Es kam zu Tage.
Um die Niederkunft der Tochter weiß er sicher. Was beginn' ich?
Soll ich fortgeh'n? Soll ich bleiben? Ihm mich nahen? Oder fliehen?
Was ich thun soll, weiß ich nicht.
Wer redet hier?
Ich bin es.
Ich Bin ein Unglückseliger, ein Verlorner, dem so vieles Leid, Dem so vieler Jammer widerfahren ist.
Sei gutes Muths!
Gott! Wie kann ich das?
Die That, die dir so große Sorge macht, That ich selbst, bekenn' es offen.
Was vernehm' ich da von dir?
Nur die Wahrheit.
Junger Mensch, wie hab' ich das an dir verdient, Daß du mich und meine Kinder so verderblich heimgesucht?
Wohl ein Gott war's, der mich trieb, der mich verlockt' in dieses Nez.
Wie verstehst du das?
Ich fehlte, bin mir schwerer Schuld bewußt.
Darum komm' ich, dich um Nachsicht, um Vergebung anzufleh'n.
Wie erfrechst du dich, an das zu rühren, was nicht dein gehört?
Was beginn' ich? 's ist gescheh'n, und ungescheh'n wird's nicht gemacht.
Also wollten's wohl die Götter; ohne dies wär's nicht gescheh'n.
Und die Götter wollen auch, daß du bei mir im Kerker stirbst.
Sprich nicht so!
Wie konntest du berühren, was doch meine war?
Wein und Liebe thaten dies, bethörten mich.
Tollkühner Mensch,
Frecher Wicht, mit solchen Reden wagst du noch mich anzugeh'n?
Wenn's gestattet ist, in solcher Weise sich zu reinigen,
Reißen wir den Frau'n am hellen Tag den goldnen Schmuck vom Leib,
Und ergreift man uns, so sagen wir: der Wein, die Liebe war's,
Die's gethan. In zu geringem Preise stehen Lieb' und Wein,
Darf ein Trunkner und Verliebter straflos thun, was ihm gefällt.
Meinen Fehl dir abzubitten, komm' ich ja freiwillig her.
Wer gefehlt hat, und sich dann entschuldigt, der gefällt mir nicht.
Daß es dir nicht zugehörte, wußtest du. Was rührst du's an?
Nun ich's einmal angerührt, so sei es mein!
Wie kannst du doch,
Ohne daß ich dir's gestatte, haben, was mein eigen ist?
Wider deinen Willen nicht; doch dünkt mich's, daß es mein gehört.
Ja, du selbst wirst finden, sag' ich, daß es mein gehören muß.
Bringst du's nicht zurück –
Und was denn?
Was du mir entwendet hast,
Schlepp' ich auf der Stelle dich zum Prätor, und verklage dich.
Ich entwendet? Dir entwendet? Was ist das?
Zeus strafe dich,
Wenn du läugnest!
Wenn du mir nicht sagen willst, wonach du suchst.
Meinen Goldtopf will ich wieder, den du fortnahmst, wie du mir
Eingestehst.
Das that ich nicht, noch sagt' ich's je.
Du läugnest es?
Allerdings. Ich weiß von deinem Gold und deinem Topfe nichts.
Den du neulich aus dem Hain Silvan's entwandt, den gib zurück!
Geh und hol' ihn! Lieber geb' ich dir den halben Theil davon.
Bist du gleich ein Dieb, ich will dich doch nicht plagen. Hol' ihn nur!
Bist du rasend, daß du mich Dieb nennen kannst? Nein, Euklio,
Etwas Andres, glaubt' ich, hättest du gehört, was mich betrifft.
Wichtig ist, was ich mit dir in Muße jezt besprechen will.
Auf dein Wort: hast du das Gold mir nicht gestohlen?
Auf mein Wort!
Weißt auch nicht, wer mir's entwendet?
Auch nicht.
Doch, wenn du's erführst,
Gäbst du dann den Dieb mir an?
Ja.
Nähmest auch kein Theil von ihm,
Wer der Dieb auch wäre, bärgst ihn nicht in deinem Hause?
Nein.
Aber wenn du lügst?
So mache Zeus mit mir, was ihm beliebt!
So ist's recht. Nun sage, was du willst.
Du kennst vielleicht mich nicht,
Welches Stamms ich bin. Mein Ohm ist Megador, der Nachbar, mein
Vater heißt Antimachus mit Namen, ich Lykonides,
Meine Mutter ist Eunomia.
Dein Geschlecht, ich kenn' es schon.
Was verlangst du denn?
Du hast 'ne Tochter.
Ja, im Hause dort.
Diese hast du meinem Oheim zugesagt.
Ganz richtig.
Der
Schickt mich her, dir aufzukünden, weil er andern Sinnes sei.
Andern Sinns, da schon zur Hochzeit Alles zugerüstet ist?
Daß doch ihn die Götter alle, wie er ist, vernichteten,
Ihn, durch dessen Schuld ich Armer heute so viel Gold verlor!
Sei getrost und segne lieber, daß es dir und deinem Kind
Zum Gedeih'n, zum Segen werde! »Gebe das der Himmel!« sprich.
Gebe das der Himmel!
Geb' er mir es auch! Nun höre mich.
Wer mit einer Sünde sich belastet, ist doch nie so schlecht,
Daß er ihrer nicht sich schämte, nicht die Schuld entschuldigte.
Euklio, nun bitt' ich dich, wofern ich übereilt an dir
Und an deiner Tochter mich vergangen, daß du mir verzeihst,
Und mir sie zum Weibe gebest, wie Gesez und Recht verlangt.
Deiner Tochter, ich bekenn' es, hab' ich Unrecht angethan,
An der Ceres Fest, erhizt von Wein, in tollem Jugendmuth.
Wehe mir! Was hör' ich Armer da von dir?
Weinend bricht der Alte zusammen.
Was weinst du denn?
Daß ich auf der Tochter Hochzeit dich zum Großpapa gemacht?
Heute kam sie nieder. Rechne nach; es ist im zehnten Mond.
Darum hat, durch meine Schuld, mein Ohm von euch sich losgesagt.
Geh hinein, und forsche drinnen, ob ich Wahrheit rede.
Gott!
Ich bin hin! So häuft sich allzeit Misgeschick auf Misgeschick.
Muß hinein, muß sehen, was dran Wahres ist.
Euklio schlurft davon.
ch folge gleich.
So hätt' ich denn, bedünkt es mich, mein Schäfchen fast im Trocknen.
Doch meinen Knecht Strobilus seh' ich nicht: wo der nur sein mag?
Ich warte noch ein Weilchen hier, und folge dann dem Alten
In's Haus. Indessen will ich ihm Zeit lassen, bei der Amme,
Der Zofe seiner Tochter, sich von meinem Abenteuer
Genau zu unterrichten; denn die weiß die ganze Sache.
Es war einfach nur herrlich anzusehen, wie der Alte und Lykonides aneinander vorbrei redeten. Der eine nur von seinem Goldschatze, der andere von der bezaubernden Tochter. Zu oft hörte man einander eben nicht zu. Ausgelassen kicherte und lachte Calvena, eine gelungene Vorstellung. Das Publikum tobte, es war regelrecht eine Schlacht ausgebrochen.