Als es am Horizont graute und sich ein neuer Tag ankündigte, war das Feuer erloschen und ein leichter Dunst hing über dem kleinen Wäldchen. Die einzige Ziege des Lagers war an einen der bunten Wagen gebunden worden und eine einzelne Wache hatte sich an eine der großen Räder gelehnt und starrte mit vom Wein glasigen Blick in die Leere.
Es waren Stunden des Frieden und des Schlafes. Die Sorgen und Probleme vertrieben von friedlicher Stille.
Unter bunten Decken zusammen gerollt lagen träumend Mneme und Aoide. Nichts ahnend, das ihre Welt die sie kannten schon bald der Vergangenheit angehören würde. So wie es fast immer war, lauerten das Unglück, der Kummer und der Schmerz immer im Schatten. Diese Dämonen missgönnten den Menschen ihr Glück und ihren Frieden. Sie wollten nicht zurück gedrängt werden, sie wollten ihr Leid verbreiten, ihre Krallen an den Seelen der Menschen wetzen und das Glück vernichten und vertreiben.
Die Sonne vertrieb gerade die letzten Sterne vom Himmel und eroberte sich ihren abgestammten Platz am Firmament. Noch lag das Wäldchen im Schatten und nichts ahnend und friedlich schlief ein Lager seinen Rausch aus.
In den Schatten versteckt hockten, bärtig, verwildert und bis an die Zähen bewaffnet. Ein boshaftes Glitzern in den Augen, Dämonen, Ungeheuer, angetrieben von Lust und Gier. Sklavenhändler, Diebe, Räuber die nur ihre eigenen unmenschlichen Triebe in Sinn hatten und sich als Opfer die bunten Wagen der Schausteller auserkoren hatten.
Lautlos hatten sie sich in der Dämmerung herangeschlichen und das Lager umstellte. Leise bimmelte in der morgendlichen Stille die Glocke um den hals der Ziege, als diese an dem Gras zu ihren Füßen zupfte.
Auf ein stummes Kommando hin stürmten rund 20 bewaffnete Männer, der Wächter des bunten Volkes wurde von einem Pfeil tödlich und leise getroffen. Blut färbte auf seiner Brust seine bunte Kleidung dunkel. Der Tod war da und würde keine Gnade kennen.
Als die Männer aus dem dunklen Dickicht sprangen, blökte die Ziege verängstigt und stemmte sich gegen die Leine, mit der sie angebunden war. Doch die Warnung kam zu spät, der Wächter bereits lag Tod im Gras und auch die übrigen, würden schnell unter den blitzenden Klingen der Männer sterben.
Schreie der Panik erklangen, als wie durch Zufall eine der Tänzerinnen ihren Wagen verließ und direkt in die Arme eines der Männer geriet, der sie sogleich lüstern packte und ihr eine schwielige Hand auf den Mund presste um sie zum verstummen zu bringen. Zu spät, nun war das Lager gewarnt und halbnackt und mit Messer und Schwertern bewaffnet stürmten Adae und seine Brüder aus den Wagen und stürzten sich mit bestialischem Geschrei auf die Angreifer.
Aoide erwachte als der spitze Schrei erklang, entsetzt wagte sie es nur einen Spalt in der Tür des Wagens zu öffnen und erblickte den Tod. Blut von einem ihrer Brüder hatte den bunten Wagen besudelt. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie das furchtbare Gemetzel erblickte. Mnemes Hand umklammerte die ihre, als ein Schrei in ihrer Kehle aufstieg, den sie Mühsam niederrang.
„Wir müssen weg von hier… in den Wald laufen!“ flüsterte sie tonlos und drückte die Hand ihrer Herzensschwester, die nur stumm nickte. Auch sie war vor Entsetzen nur gelähmt. Es war zwar nicht das erste Mal, das man sie überfiel, aber noch nie war es solch ein Blutbad gewesen. Kummer wollte ihr Herz auseinander reißen, als sie zusah, wie einer der germanischen Brüder von einem gnadenlosen Schwertstreich geköpft wurde. Sie schloss die Augen, atmete einmal tief durch und stieß dann die Tür auf.
So schnell ihre Beine sie trugen rannten die beiden Mädchen, Hand in Hand, wichen den starren und leblosen Körpern auf dem Boden aus, den gierigen Händen, die an ihrer Kleidung zerrten.
„LAUFT!“ übertönte Adaes Stimme den Kampfeslärm als er sah, wie seine beiden Musen, die Flucht ergriffen. Die beiden Mädchen waren nicht zum Kämpfen geboren oder ausgebildet worden. Wir ein Bär erwehrte er sich mehrer Angreifer, bis auch er von einem Schwertstreich niedergemetzelt wurde. Dies war das wenig Ruhmreiche Ende eines freigelassenen Gladiators und auch dieser Tod zeriss Aoide das Herz, denn er war nicht nur ein Freund gewesen, sondern viel mehr, Bruder, Vater und Beschützer.