Beiträge von Germanica Calvena

    So wie es aussah, waren Calvena und ihr Ehemann doch glatt in der Gunst von Sabina gestiegen. Das Geschenk war genau das Richtige für ihre pferdeverrückte Cousine. Es kam ihr auch ein wenig so vor, dass Sabina ein wenig zurück haltender geworden war. Vor ihrer Abreise nach Germanien, wäre ihre junge Verwandte ihr glatt um den Hals gefallen. Sie schenkte ihr ein kleines Zwinkern und ein fröhliches Lächeln. Die Dinge hatten sich eben ein wenig verändert und es kam ihr vor wie eine halbe Ewigkeit, als sie zum letzten Mal ihre Verwandten gesehen hatte. Die Familie war ja auch um ein gutes Stück angewachsen. Laevina schien auch höchst zufrieden über diesen Nachwuchs, auch wenn sie es nicht so direkt äußerte. Aber ein wenig konnte Calvena die Großtante schon einschätzen. Jedenfalls kamen keine bissigen Kommentare, sondern so etwas wie ein zustimmendes Nicken.
    „Die Beiden halten euch ganz schön auf Trab“, meinte sie mit einem zwinkern zu Serrana, als diese von den Zwillingen sprach. Sie hatte die Beiden ja schon kennen gelernt. Wenn Rufus und die beiden kleinen Germanicae etwas älter waren, würden sie sicherlich gemeinsam jede Menge Unfug anstellen. Ganz nebenbei äußerte Valerian ein doch etwas unerwartetes Kompliment zu ihrer Person. Das kam doch etwas überraschend, dass sie den frechen Kommentar, der darauf folgte glatt überhörte.



    Mit einer einzigen unbedachten Bemerkung gelang es Aculeo Laevinas Unmut und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Eine volle Breitseite an Liebenswürdigkeiten wurde ihm entgegen geschleudert. Irgendwie hatte sie diese Familientreffen doch ein wenig vermisst, nur war sie froh nicht das Ziel von den Freundlichkeiten zu sein. Um nicht weiter Zeuge zu werden, dass Aculeo gerade zur Schnecke gemacht wurde, sollte er ruhig erst einmal versuchen sich gegen Laevina selbst zu behaupten, ehe sie ihm helfend zur Seite sprang, wandte sie sich lieber Serrana zu. „Die Quintilier haben ein Haus in Mogontiacum. Valerians Schwester lebt dort.“ Das Thema Valentina war ein wenig heikel, sie hatte es der Quintilia nicht wirklich verziehen, dass sie einfach gegangen war und es ihr überlassen hatte Valerian über deren Zukunftspläne zu unterrichten. Und Valerian war eben auch aus jenen Gründen nicht mehr gut auf sie zu sprechen, auch wenn er sich Sorgen machte. Nur sprach er es nicht direkt aus, sondern brütete vor sich hin. Valentina hatte dafür gesorgt dass ein großer Graben voller unausgesprochener Dinge zwischen ihnen stand. Valentina hatte sich ziemlich rücksichtslos verhalten. Wie es ihrer Schwägerin ging wusste sie nicht. Bisher hatte diese keine Botschaft geschickt. "Das Haus ist wirklich schön, nur wird es dann doch langweilig, wenn man den ganzen Tag im Haus eingesperrt ist, weil der Schnee so hoch liegt. So viel Schnee hab ich noch nicht erlebt. Und kalt war es."

    Ganz leicht nickte sie. Macer wollte sich also etwas beliebter machen im Volk, in dem er sich mit dem Bau eines Aquäduktes verewigte. Es war durchaus sinnvoll auf diese Weise positiv aufzufallen. „Warte nicht zu lange mit der nächsten Kandidatur“, meinte sie nachdenklich. Es war schon so manchem Politiker nicht wohlbekommen, wenn er allzu lange nicht kandidiert hatte. Das musste zwar nicht zwangsläufig heißen, dass man untätig gewesen war, aber es warf kein gutes Licht auf einen Senator, wenn er nur ab und zu sich an der Politik beteiligte.


    Ein wenig befremdet sah sie ihn an, als er fragte ob Rufus geplant war. Wie sollte man denn Kinder planen? Schließlich entschied Iuno darüber, welche Frau ein Kind empfing und welche nicht. Einfluss auf diese Entscheidung hatte sie nicht. Es gab zwar Mittel und Wege eine Empfängnis zu vermeiden, aber auch nur auf Kosten der Gesundheit. Zumal sie ja jung verheiratet war, da war damit zu rechnen gewesen, dass sie früher oder später schwanger wurde. Von daher fand sie seine Frage etwas verwirrend. „Es ist anstrengend, aber auch schön. Immer wenn Rufus etwas Neues lernt, dann sind schlaflose Nächte und stundenlanges Gebrüll wieder vergessen“, sie zeigte ein stolzes Lächeln. „Es ist einfach passiert. So etwas passiert immer, wenn man verheiratet ist und nicht gerade in getrennten Betten schläft! Darauf hat man keinen Einfluss. Es ist Iunos Wille. “

    „Sabina ist meine Cousine“, sagte sie, nur um dann auch zu erklären warum: „Sie ist die Tochter meines Onkels. Nicht immer sind Cousinen, Nichten oder Neffen, oder gar Tanten im selben Alter. Je größer der Stammbaum einer Familie ist, desto größer sind auch mitunter die Altersunterschiede. Auch zwischen Geschwistern kann es größere Altersunterschiede geben. Ist ein bisschen kompliziert und würde wohl auch jetzt furchtbar lange dauern, dir das alles zu erklären!“
    Calvena und Simplex lachten das Mädchen nicht aus, vielmehr fanden sie sie total niedlich in ihrer Art. Außerdem noch jung genug für solche Fragen. „Die meisten Wörter haben mehrere Bedeutungen, je nachdem, in welchen Zusammenhängen sie benutzt werden. Deine Lehrer werden dir das sicherlich noch beibringen.“

    Wie es schien, wollte Macer zur nächsten Wahl nicht kandieren, aber er würde sich auch nicht auf seinen Lorbeeren und Ämtern ausruhen, wie es andere taten. „Das klingt nach einem großen Projekt, dass ihr euch vorgenommen habt!“ stellte sie fest. „Kandidieren willst du nicht?“

    Laevina hatte die Herzlichkeit eines Gletschers, da war ja der Winter in Germanien wärmer. Aber so war die Germanica nun einmal, wäre sie anders, dann müsste man sich wohl Sorgen machen. Dennoch war da doch etwas in deren Stimme, was Calvena verriet, dass diese sich freute sie zu sehen. Und sich sogar auch über den Nachwuchs freute, auch wenn sie scheinbar für Rufus nur ein knappes Nicken übrig hatte. Doch bevor überhaupt so etwas wie ein unbehagliches Schweigen zustande kommen konnte, trudelten auch nach und nach ein Familienmitglied nach dem anderen ein. Ihrem Onkel schenkte sie ein strahlendes Lächeln und ein herzliche Umarmung. „Das bildest du dir nur ein, Sedulus, ich bin nur eine Illusion!“ witzelte sie lachend. „Salve Aculeo“, begrüßte sie den Germanicus, welcher sich im Hintergrund herum drückte und wohl hoffte den Argusaugen von Laevina zu entkommen. Zumindest machte es den Anschein. Einen Moment später wurde aber erst einmal Serrana gedrückt, nur damit sie dann fast von Sabina und ihrer stürmischen Umarmung umgeworfen wurde. „Schön dich zu sehen, Sabina!“ Doch danach war sie direkt abgeschrieben, versprach doch ihr Mann ein paar Geschenke und machte sich sogleich natürlich beliebt bei ihrer Cousine. Sabina hatte eh schon eine Schwäche für ihren Ehemann.


    Rufus wurde ihr in die Arme gedrückt, während die Geschenke verteilt wurden. Calvena drückte ihrem Spross einen kurzen Kuss auf die Stirn. Mit großen Augen drehte er den Kopf hin und her und sah sich neugierig um. So viele neue Gesichter machten ihn ein wenig unruhig. Schließlich machte sie es sich auf der Kline auch gemütlich, direkt neben ihrem Mann, wie es sich gehörte.

    Der Mann verschwand in der Menge, Simplex hatte ihn noch eine Weile beobachtet um sicher zu gehen, das er nichts im Schilde führte. Als der Kerl wieder seiner Wege zog, entspannte er sich ein wenig.
    Überraschung zeigte sich auf ihren Zügen. "Eine Tiberia?" sie klang verblüfft. Sie hatte gar nicht gewusst das es in diesem Haushalt Kinder gab. "Meine Cousine ist ein bisschen älter wie du. Sie findet es auch nicht so toll, wenn sie einen Begleiter hat. Dann kann man nämlich keinen Unfug anstellen", schmunzelte sie. Sie schöpfte mit der hohlen Hand ein wenig Wasser aus dem Brunnen und ließ dieses über das Knie des Mädchens laufen.
    Caerellia würde sich von ihr nach Hause begleiten lassen. Das erleichterte sie, sie hätte sich nicht wohl dabei gefühlt, das Mädchen allein nach Hause zu schicken. Bei der Frage der Tiberier musste selbst Simplex lachen. Sie war einfach zu niedlich. "Kaufrausch", betonte Calvena. "Simplex will damit sagen, dass ich manchmal viel zu viel Geld für sinnlosen Krempel ausgebe, den er anschließend nach Hause tragen muss. Du kennst das sicherlich. Du siehst ein Spielzeug und willst es unbedingt haben und dann kaufst du es dir einfach. Und dann noch eins und noch eins!"

    „Ich bin mir sicher, die Zwillinge werden das ganze Haus auf Trab halten. Und zusammen mit Sabina sicherlich schwerer wie ein Sack Flöhe zu hüten sein“, witzelte sie und warf ihrem eigenem Nachwuchs einen aufmerksamen Blick zu. Doch Rufus war friedlich, saß da und sah sich immer noch um.


    Langsam nickte sie. „Nur das Anneus Modestus der neue Legatus Augusti ist und Vinicius Hungaricus ersetzt hat. Ich glaube Decimus Livianus wurde durch jemand anderen ersetzt… einem Claudier“, fiel es ihr dann ein. „Aber den haben wir nicht kennen gelernt, da waren wir schon auf dem Weg nach Rom! Livianus ist ein guter Mann, zu schade, dass er ersetzt wurde!“ Valerian hatte viel von ihm gehalten.


    „Schnee kann durchaus schön sein, aber nicht wenn er Meter hoch liegt und man das Haus nicht mehr verlassen kann“, meinte sie erheitert. Die ersten Tage mit Schneefall waren wirklich schön gewesen, aber als es nicht mehr aufgehört hatte, war die weiße Pracht doch recht schnell lästig geworden. Zumal es fürchterlich kalt gewesen war. „Nun ich werde weiter als Aeditua arbeiten und natürlich auch bei der Entsühnung dabei sein. Mich verwundert es, dass diese erst jetzt stattfindet. Seit dem Frevel ist viel Wasser den Tiber hinunter geflossen. Wie sieht es mit deinen Zukunftsplänen aus?“

    Zitat

    Original von Iunia Serrana


    Der Auftritt Salinators war nicht zu übersehen. Die dicht gedrängte Menge teilte sich vor ihm wie es einst das rote Meer für Moses tat. Wenn man den Blick über die anwesende Nobilitas gleiten ließ, konnte man, trotz des aufbrandenden Applauses, viel Stirnrunzeln sehen. Der Auftritt war nicht nur pompös sondern dreist. Die Botschaft war eindeutig: Seht mich an, ich bin der mächtigste Mann im Reich! Ich bin dem Kaiser gleichgestellt! Ein Skandal lag in der Luft.
    Serranas geflüsterte Worte lenkten sie dann aber von der Betrachtung des Vesculariers ab. „Das Wetter ist gut und fast ganz Rom hier versammelt, ich denke Diana wird uns Menschen unsere Fehler verzeihen. Zumal der Senat und der Cultus Deorum wirklich alles auffahren, was in ihrer Macht steht!“ wisperte sie zurück und richtete anschließend ihre Aufmerksamkeit auf den Rex Sacrorum. Seine Worte wurden von dem lauen Wind weit getragen.

    Nachdem sie die Karte lange und eindringlich betrachtet hatten, setzten sie ihren Spaziergang durch das Anwesen der Flavier gemächlich fort. Calvena war ehrlich beeindruckt von den unzähligen Zeugnissen künstlerischer Perfektion. Allein die Weltkarte war so detailreich gewesen, so dass sie sich hätte Stunden damit befassen können ohne das ihr Langweilig geworden wäre. Aber wenn sie ehrlich war, gab es viel zu viel zu sehen. Mit der Zeit war da Auge ein wenig überfordert und man wusste nicht wo man den Blick als nächstes hin schweifen lassen sollte. Die Flavier waren nicht nur reich, sondern eindeutig dekadent. Durchaus beeindruckend, aber etwas überladen.
    Es war aber schön, diese Wunder der künstlerischen Gestaltung zusammen mit einer Freundin zu erkunden und dabei herum zu albern. Einfach einmal vergessen, dass man ja sonst gewisse Erwartungen an sie setzte.


    Calvena musste lachen. „Putzig“, wiederholte sie kopfschüttelnd. „Ich kam mir vor wie ein Weinfass!“ gab sie zu. „Ich hab es durchaus genossen schwanger zu sein. Man kann es nicht wirklich beschreiben. Man spürt wie das Leben in einem heranwächst. Das ist ein unglaubliches Gefühl.“ Es hatte auch Momente gegeben, in denen sie nicht so glücklich gewesen war. In denen sie sie gelangweilt hatte oder hundeelend gefühlt. Es gab gute und auch schlechte Tage, aber so im Rückblick betrachtet, war es eine schöne Zeit gewesen.
    „Niedlich ist es schon, irgendwie, wenn er nicht gerade an einer Halskette oder einem Ohrring zerrt“, schmunzelte sie. „Das wäre wohl das Beste. Einer meiner Perlenohrringe ist leider kaputt gegangen“, meinte sie mit leisem bedauern. Die Schmuckstücke hatte sie wirklich gern gehabt. Schmuck war zumindest ersetzbar.


    Prisca schien ihre Erklärung zu akzeptieren. „Es geht ja auch oft heiß her und die Senatoren sind nicht immer derselben Meinung!“

    Prisca schien sich direkt in die kleine Laevina verliebt zu haben. Die Aurelia war hin und weg und vergaß glatt alles um sich herum, während sie sich mit Serranas Töchterchen beschäftigte. Anscheinend schwang eine große Sehnsucht mit. Der Wunsch nach dem eigenem Kind. Prisca war ja erst seit kurzem verheiratet und der Nachwuchs würde sicherlich bei ihr auch nicht lange auf sich warten lassen. Vielleicht sollte sie ihre Freundin einmal mit in den Tempel der Iuno mitnehmen. Ein Opfer an die Göttin würde jedenfalls nicht schaden.
    Doch erst einmal lag ihr Blick wachsam und aufmerksam auf ihrem Kind. Romana wirkte etwas überfordert, als sie den kleinen Jungen betrachtete, den man ihr soeben in die Arme gedrückt hatte. Die Vestalin schien zum ersten Mal ein Kind in den Armen zu halten und gab sich alle Mühe Rufus nicht fallen zu lassen. Auf Calvenas Zügen zeigte sich ein kleines nachsichtiges und stolzes Lächeln. Kurz lachte sie, als Prisca meinte, dass Schmuckstücke nicht sicher waren. „Nur wenn es glitzert“, scherzte sie zurück. Diese kleine Freundinnenrunde war nun erst einmal vollständig. Es freute sie von den vertrauten Gesichtern umgeben zu sein. Nach der langen Trennung tat dieses wiedersehen wirklich gut.
    Ihr Lächeln wandelte sich dann ein kleines bisschen in Enttäuschung, als Romana verkündete, dass die Pflicht rufe und sie leider nur Zeit für einen kurzen Besuch gehabt hatte. „Wirklich schade! Es tat gut dich wieder zu sehen. Wir wollen dich auch nicht von deinen Pflichten abhalten. Wenn du einmal Zeit hast, dann lass bitte von dir hören!“ Ihren Sohn hatte sie nun wieder in den Armen. Einen Augenblick lang sah sie Romana noch nach, ehe sie sich dann den verbliebenen Freundinnen zuwandte.

    An diesem Tag durfte nun wirklich kein Mitglied des Cultus Deorum fehlen. Rufus hatte sie der Obhut der germanicischen Sklaven überlassen, als sie ihre Freundin und Kollegin abholte. Ihr Sohn und die Zwillinge Serranas würden wohl die Amme reichlich auf Trab halten, während deren Mütter ihren Verpflichtungen nachgingen. Der Tempel der Diana war schnell erreicht, auch wenn sich in den Straßen und auf dem Vorplatz unzählige Menschen drängten. Immer mal wieder konnten sie ein bekanntes Gesicht entdecken, während sie sich ihre Plätze in den Reihen der Priester und zahlreichen Opferhelfer suchten. Calvena hätte nicht gedacht, dass sie bei der Entsühnung dabei sein würde. Schließlich war bereits viel Zeit seit dem Frevel vergangen und sie hatte gedacht, dass die Entsühnung viel früher stattfinden würde. Wer wollte schon, dass eine Göttin wütend war? Niemand! Und doch fand diese Zeremonie erst jetzt statt. Kurz stellte sie sich auf die Zehenspitzen und ließ den blick suchend schweifen. Ihr Schüler würde sicherlich auch hier sein und sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen. Zumal es seine Pflicht als römischer Bürger war, dabei zu sein, wenn eine Göttin besänftigt wird.

    Mit dem Götterkult an sich war er schon vertraut, sie würde also nicht völlig bei Null anfangen müssen.
    „Nun, der wichtigste Unterschied ist wohl, dass bei einer großen Zeremonie dir viele Menschen auf die Hände schauen. Da kann man durchaus schon mal nervös werden. Dir sollte bei so einem großen öffentlichen Opfer kein Fehler unterlaufen. Ich würde gern einmal von dir hören, wie du ein Opfer für Iuppiter gestallten würdest. Welche Opfergaben würdest du ihm darbringen und welches Opfertier auswählen? Und warum würdest du bestimmte Opfergaben anderen vorziehen?“ Gespannt sah sie ihn an. „Und was würdest du tun, wenn ein Opfer nicht angenommen wird?“ Wieder machte sie eine einladende Geste. „Bedien dich!“ Calvena nippte kurz an ihrem Becher und wartete geduldig auf seine Antwort. „Was glaubst du passiert, wenn bei einem öffentlichen Opfer, das Opfer nicht angenommen wird und woran erkennst du, dass ein Opfer nicht angenommen wurde?“ Vielleicht ein paar viele Fragen auf einmal, aber im Grunde auch recht einfach zu beantworten.

    Nach ihrem Mann hätte man eine Wasseruhr stellen können. Überpünktlich tauchte er zu Hause auf und überraschte sie mitten in dem vergeblichen Versuch Rufus zu beruhigen. Er hatte einen schlechten Tag und schrie fast ununterbrochen. Aber kaum hatte sein Vater ihn auf den Arm genommen, änderte sich die Stimmung schlagartig und Calvena konnte nur fassungslos den Kopf schütteln. Was sie bereits den ganzen Tag versucht hatte, gelang ihm, als er seinen Sohn einfach nur auf den Arm nahm. Rufus zeigte sich mit einem Male quietsch fidel. "Wie machst du das nur?" Sie war erleichtert, dass das Theater zumindest für diesen Augenblick beendet war und sie sich nun auch endlich umziehen konnte. Eilig schlüpfte sie in eine indigofarbene Tunika mit einem geflochtenen Gürtel, die Haare fasste sie mit einigen Kämmen zusammen. Auf Schminke verzichtete sie, an diesem Abend setzte sie auf natürliche Schönheit. Bevor ihr Mann befürchten konnte, dass sie nun Stunden brauchen würde, kehrte sie auch beschwingt zurück um ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu drücken. "Wir können", meinte sie fröhlich und gut gelaunt.


    Unterwegs hatten ihre beiden Männer eindeutig Spaß. Rufus genoss die Aufmerksamkeit seines Vaters. Gluckste und quietschte fröhlich, während Valerian sich mit ihm beschäftigte.
    Bei der Casa Germanica angekommen, wurden sie bereits erwartet und direkt ins Triclinium geführt. Dabei fiel ihr auf, wie angespannt die Sklaven waren. Anscheinend hatte Laevina den Haushalt fest im Griff und den Sklaven eine gehörige Portion Furcht eingeflößt, während der Rest der Familie entweder in Mantua oder aber Germanien gewesen war. Irgendwie fand sie diese Entwicklung etwas traurig, denn als sie hier noch gelebt hatte, waren die Sklaven etwas entspannter gewesen und nicht so eingeschüchtert.


    „Salve Laevina, vielen Dank für deine Einladung!“

    Sie zeigte ein freches Grinsen. "Laevina kann auch sehr nett sein...", meinte sie schelmisch. Das war zwar die Seltenheit bei der alten Dame, aber es konnte vor kommen. Dennoch war sie selbst gespannt, was sie bei dieser Cena erwartete. Und wie viel Freundlichkeit Laevina ihnen angedeihen ließ. Sie konnte sich noch sehr lebendig an ein gemeinsames Abendessen erinnern, bei dem sie sich ein hitziges Wortgefecht geliefert hatten. Kurz nachdem sie ihre Großtante dabei erwischt hatte, wie sie in ihrem Zimmer herumschnüffelte und die Nase in Dinge steckte, die sie nichts anging. Laevina hatte nämlich einen Brief Valerians entdeckt und daraus sogleich die falschen Schlüsse gezogen.


    Irgendwie war dieser kleine Besuch viel zu kurz aufgefallen. Rufus quietschte vergnügt, als er schwungvoll in ihren Armen landete. Es folgte ein Abschiedskuss und schon trennten sie sich fürs Erste wieder. Einen kleinen sehnsüchtigen Seufzer konnte sie sich aber nicht verkneifen, bevor sie dann den Heimweg antrat.

    Mit einem liebevollen Schmunzeln beobachtete sie ihren Mann und ihren Sohn. Es war offensichtlich, dass Beide es genossen wieder einmal bei einander zu sein. Sie vermisste Lucius eben nicht als Einzige.


    Begeisterung sah anders aus. Er freute sich nicht wirklich über diese Cena, aber er fügte sich widerspruchslos in sein Schicksal. „Es geht Mutter wie den Kindern gut. Wirklich niedlich die Beiden“, aber in ihren Augen war natürlich Rufus das schönste und niedlichste Kind auf der Welt. „Ein bisschen älter wie Rufus. Eine Woche. Deine Grüße werde ich ausrichten, wenn ich sie wieder sehen!“ Das nächste Treffen der Frauenrunde würde wohl nicht lange auf sich warten lassen. Endlich wieder in Rom würden sie einander wieder öfter sehen.


    „In zwei Tagen. Nur eine gemütliche Runde in der Familie.“ In wie weit es gemütlich werden würde, blieb noch offen. Schließlich war Laevina nicht gerade die Herzlichkeit in Person.

    Mit einem Schmunzeln bemerkte Simplex, wie die Kleine ihn immer wieder ansah. Er hatte genau den gewünschten Effekt auf sie: beeindruckend und auch ein bisschen einschüchternd, aber er war ja eigentlich nen netter Kerl. Nur meistens etwas von seiner Herrin genervt. Er war eben für diesen ganzen Weiberkram nicht zu haben.
    „Er wollte dich verarzten?“ fragte sie Calevna etwas skeptisch nach und zuckte mit den Schultern. Sie wollte Caerellia in diesem Glauben lassen, sie musste das Mädchen ja nicht beunruhigen. „Dein Knie sieht ja nicht wirklich schlimm aus. Ein wenig auswaschen und dann ist auch schon wieder gut. Zu welcher Gens gehörst du? Hast du was dagegen, wenn wir dich nach Hause begleiten? Ich kann mir zwar vorstellen, dass es viel mehr Spaß macht, allein durch Rom zu stromern, aber ich würde mich wohler fühlen, wenn wir dich unbeschadet nach Hause bringen können!“ Die Kratzer an den Knien zählten nicht.
    Simplex zeigte ein Lächeln, als Caerellia ihn dann fragte, wer er denn sei. „Ich bin Simplex. Leibwächter und Lastenesel, wenn Calvena in einen Kaufrausch verfällt“, witzelte er. „Pfff… so oft passiert das nun auch nicht!“ grinste sie. Kurzerhand setzte sie sich auf den Brunnenrand und wartete darauf, dass es die Kleine ihr gleichtat.

    Irgendwie war es ja ein bisschen niedlich wie die Kleine den Fremden plötzlich anfuhr. Sie brauste auf wie eine Große. Vielleicht war sie ja eine Flavia, passen würde es auf jeden Fall. Wer nun wen angerempelt hatte, konnte sie nicht sagen, sie wollte weder dem Mädchen noch dem diesem Kerl eine Lüge unterstellen. Zumindest hatte sie erreicht, dass das Mädchen nun sie begleiten würde und nicht diesen dubiosen Fremden. Kurzerhand schnappte sie sich Caerellias Hand. „Vale!“ meinte sie knapp und schon tauchten die Beiden in die Menge ein. Simplex warf Aigisthos noch einmal einen misstrauischen Blick zu, erst dann folgte er ihnen.


    Außer Sicht- und Hörweite stellte sich Calvena dann erst einmal vor. „Ich bin Calvena. Hoffentlich bist du mir nicht böse, dass ich mich eingemischt habe. Aber du wirktest ein wenig überfordert!“ „Da ist ein Brunnen“, tippte Simplex ihr auf die Schulter und deutete mit dem Kopf in die besagte Richtung. „Und wie heißt du?“ fragte sie Caerellia und schlug den Weg zu dem Brunnen ein.

    Mit einem amüsierten aber liebevollen Schmunzeln beobachtete sie, wie Valerian die kleinen spitzen Zähnchen seines Sohnes kennen lernte. Es machte Rufus eindeutig viel mehr Spaß auf etwas herum zu kauen, das zappelte, als an einer Lederschnalle.
    „Du weißt doch, es geht bei Laevina nicht darum, ob sie einen gern hat, sondern eher, einmal alle unter ihrer Fuchtel zu haben. So komme ich wenigstens um einen Höflichkeitsbesuch bei ihr vorbei“, sie zeigte ein kleines freches Grinsen. „Und warum sollte ich mich allein ihren netten Worten stellen?“ Calvena war ganz froh nicht mehr unter einem Dach mit der Großtante zu leben. Sie waren ja häufig aneinander geraten. Wobei sie aber nicht vergessen hatte, ihr auch ein wenig dankbar zu sein. Einen Abend würden sie schon miteinander auskommen. Zwar konnte sie sich vorstellen so einen Abend auch anders zu verbringen, aber sie wollte Laevina auch nicht mehr wie nötig vor den Kopf stoßen. Die Einladung war sicherlich nett gemeint. Ein wenig sollte der Familienfrieden gewahrt bleiben. Zumal Serrana und ihre Großmutter sich anscheinend etwas arrangiert hatten. „Ich bin mir sicher, dass sie die Einladung auch nur ausgesprochen hat um Rufus kennen zu lernen. Außerdem musst du ja noch Laevina und Victorius kennen lernen. Serrana hat Zwillinge bekommen!“ plauderte sie munter drauf los. „Ach, Romana lässt dich grüßen und auch Prisca! Prisca hat mir versprochen ihren Mann ein wenig auszuhorchen.“

    Rufus war beschäftigt und Valerian konnte einmal die Nähe seines Sohnes genießen, ohne dass dieser gleich herumplärrte. Eigentlich war ihr Sohn ja ein angenehmes Kind, aber es gab auch Tage an denen er den ganzen brüllte und sich einfach nicht beruhigen ließ. Zum Glück nicht heute. Was ihr die Gelegenheit gab, sich wenigstens mit Lucius ungestört zu unterhalten. „Ach was, mach dir um uns keine Sorgen“, versuchte sie sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Natürlich vermisste sie ihn. Selbst wenn sie ihm das aber sagen würde, würde sich nichts ändern. Zumindest im Augenblick nicht. „Uns geht’s gut. Ich vertreib mir die Zeit in dem ich Serrana, Prisca und Romana besuche. Übrigens Laevina hat uns zu einer Cena eingeladen!“ richtete sie die Einladung aus.