Kalt war es geworden, grau und stürmisch. Der schöne Sommer war in einen goldenen Altweibersommer übergangen und nun war es eindeutig Herbst. Die Bäume hatten jegliches Grün verloren und auch teilweise schon das rot-braune Blattkleid. Irgendwie war es schnell gegangen und auch wenn die Zeit anders verging, als wie in Rom, waren die Veränderungen deutlich. Nicht nur um Wechsel der Jahreszeiten. Mittlerweile war es deutlich zu sehen, dass sie ein Kind unter dem Herzen trug. Viel schneller als gedacht war Calvena rund geworden, was sie immer wieder überlegen ließ, wann genau sie empfangen hatte. Was gar nicht so einfach war, denn in all der Aufregung nach der Hochzeit, die Reise nach Mogontiacum, dem auspacken und vieler anderer Kleinigkeiten, war ihr gar nicht aufgefallen, dass ihre Blutung ausgeblieben war. Eigentlich war es ihr ja ganz recht gekommen, nur machte es ihr nun schwer abzuschätzen, wann es denn nun soweit war. Einige Monate würde es noch dauern, irgendwann im Winter, wenn der Schnee vermutlich meterhoch stand und man das Haus wohl kaum verlassen konnte. Vermutlich würde ihr dann furchtbar langweilig werden. Sie war nun einmal ein Mensch, der nicht immer nur stillsitzen konnte. Wohl sehr zum Leidwesen ihres Mannes, der sie am liebsten wie ein rohes Ei behandeln würde. Ins Bett stecken und brüten. Nur stand ihr nicht danach der Sinn, viel lieber spazierte sie durch die Stadt und plauderte mit Nachbarn und Bekannten.
An diesem Tag war sie auf dem Weg zu der Heilerin und Hebamme. Eine rundliche gut gelaunte Germanin mit roten Wangen und freundlichem Gemüt. Sie hatte vielen Kindern bereits auf die Welt geholfen und man hatte sie ihr empfohlen. Elissa hatte sie ausfindig gemacht. Merlinde hieß sie. Gemeinsam schlenderten die beiden Frauen über das Forum.
„Du glaubst gar nicht wie seltsam sich die Männer aufführen, wenn ihre Frauen schwanger sind. Ich kann Dir Geschichten erzählen“, lachte die Germanin. „Mutbrecht, der ist groß wie ein Baum und genauso breit, fiel ihn Ohnmacht, als die Wehen einsetzten. Einfach umgefallen, sag ich dir. Hat sich aber vorher noch gerühmt, dass er einem Ochsen mit bloßen Händen das Genick brechen kann. Aber kaum platzte die Fruchtblase, war er weiß wie ne Kalkwand und fiel einfach um. Ist erst wieder zu sich gekommen, nachdem alles vorbei ist. Dilius Laco, betrank sich so sehr bei der Geburt seiner Tochter, dass er ins Impluvium seines Hauses stürzte und beinahe ertrank. Dabei war das Wasser nur knöcheltief! Ein Sklave hat ihn rausgezerrt“, kicherte die rundliche Frau und tätschelte kurz Calvenas runden Bauch. „Sei froh, dass Du Deinen Mann nicht ständig um dich hast, denn ansonsten dürftest Du wohl rein gar nichts. Dabei ist es nicht gut, eine schwangere Frau nur in Bett zu stecken. Man braucht Luft, Sonne und Bewegung. Ständig im Bett liegen kann einen krank machen. Aber wollen das die werdenden Väter hören? Nein! Sie wissen es alle anscheinend besser wie erfahrene Hebammen und Heilerinnen. Jeder gute Rat prallt scheinbar an ihnen ab.“ „Solange Valerian mir keine Soldaten hinterher schickt, ist alles in Ordnung. Der Mann meiner Freundin hat nen halbes Dutzend Soldaten abgestellt um sie nach Roma zu begleiten!“ „Als ob Soldaten jegliches Unbill abhalten können. Und sensibel sind sie auch nicht wirklich. Was wissen diese schon von den Bedürfnissen einer Frau?“ Merlinde warf einigen Soldaten, an denen sie vorbei spazierten einen vielsagenden Blick zu. „Schick sehen sie in ihren Rüstungen aus, aber sie haben keine Ahnung was wir Frauen bei einer Schwangerschaft alles durchleben… und bei der Geburt sind sie die schlimmsten. Kopflos wie die Hühner und machen alle in ihrer Umgebung verrückt!“ „Du scheinst aus Erfahrung zu sprechen!“ meinte Calvena amüsiert. Merlinde zwinkerte Calvena zu. „Warts ab… und es wird nicht Besser. Bei jedem Kind drehen die Männer durch und verfallen in Panik…“ „Ich kann mir kaum vorstellen, dass Valerian auch so sein wird… er ist eigentlich sonst der Besonnenere von uns Beiden.“ „Ach, Calvena Liebes! Du hast ja keine Ahnung!“ Das klang fast wie eine Prophezeiung.
Merlinde wurde ernster. „Hat der Trank gegen die Übelkeit geholfen? Das ist immer das Schlimmste. Zumindest hab ich das immer so empfunden. Bei jedem Kind war es dasselbe….“, die füllige Frau verzog leicht das Gesicht zu einer Grimasse. „Ein wenig!“ „Mhm… dann sollte ich Dir wohl etwas anderes mitgeben…“ Wirklich Sorgen machte sich Merlinde nicht, Calvena war gesund und kräftig und schien nur wenig von den Nebenwirkungen einer Schwangerschaft geplagt zu werden. Doch man musste immer Vorsicht walten lassen. Sie hatte der jungen Frau erst einmal ins Gewissen geredet, als sie das erste Mal zu ihr kam. Auf eine erfahrene Mutter hörte eine Frau die das erste Kind erwartete eher, wie auf den überbesorgten werdenden Vater, der in jeglicher Tätigkeit eine potentielle Gefahr sah und am liebsten die Ehefrau einsperrte um sie vor allem zu schützen. Aber wenn die Götter es nicht wollten, dann konnte jede noch so gut verlaufende Schwangerschaft in einer Katastrophe enden.