Beiträge von Berenike Bantotakis

    Nike fühlte sich mißverstanden. Sicher war es etwas erstrebenswertes und wunderbares wenn zwei Menschen heirateten, die sich auch gegenseitig liebten, doch war ihr durchaus bewußt, dass dies nicht die Regel war und die Gründe für eine Heirat in erster Linie woanders zu suchen waren. Und auch wenn Status und Geld, zumindest aus Sicht der Väter, die wichtigsten Gründe waren, so sollte man diesen nicht alles opfern. Vielleicht hatte sie selbst einfach zu schlechte Erfahrungen in ihrer Ehe gesammelt, aber ihr war der Charakter des Ehemannes nun einmal wichtiger als alles Geld.


    Nike seufzte leise. "Eine Heirat aus Liebe ist natürlich etwas wunderbares, aber darum ging es mir eigentlich gar nicht. Es ist mir nur wichtig, dass Du jemanden findest, der einen festen Charakter hat und vor allem der auch zu Dir paßt. Manchen Frauen macht es sicherlich nichts aus in einem goldenen Käfig eingesperrt zu sein, aber so wie ich Dich kenne, gehörst Du sicherlich nicht dazu. Du brauchst einfach den Umgang mit anderen Menschen, sonst wirst Du auf Dauer nicht glücklich sein. Und ich kann nicht beurteilen, wie gut Nikolaos zu Dir paßt und ob er Dir die nötigen Freiheiten gibt, die Du brauchst."

    Nachdem Nike mit Anthi über ihre angestrebten geschäftlichen Beziehungen zu Scipio geredet und er der Idee eines gemensamen Treffens zugestimmt hatte, kehrte sie zuversichtlich zur Casa Prudentia zurück und klopfte an die Tür.

    Nike hatte das Geschehen mit Zurückhaltung verfolgt. So wirklich gefallen wollte ihr der Gedanke nicht, dass ihre kleine Schwester schnell mal mit jemand wichtigem verheiratet werden sollte. Nun, nachdem die Männer gegangen waren, blickte sie Emi ernst an und richtete das Wort an sie:


    "Du tust in jedem Falle klug daran Dir ein eigenes Standbein zu schaffen, bevor Du heiratest. In jedem Fall aber solltest Du eine Heirat nicht auf die leichte Schulter nehmen. Dies ist ein Schritt der gut überlegt sein will, denn er wird Dein ganzes Leben von Grund auf verändern. Und auch wenn Du auf Timos vertraust, so sollte Dir bewußt sein, dass es Du es bist und nicht er, der sein Leben dann mit diesem Nikolaos teilen wird. Du solltest Dir sicher sein, dass es das richtige ist und wenn Du der Meinung bist, dass es nicht das richtige ist, so bin ich sicher, dass Timos dies berücksichtigen wird."


    Sie machte eine kurze Pause und nahm einen Schluck Wein zu sich. "Vielleicht kann man sich nie wirklich sicher sein, ob jemand der richtige ist, aber man sollte sein Urteil nicht von Geld oder Status abhängig machen, worauf Väter und Brüder vielleicht zu sehr achten. Zu leicht kann so etwas auch den Weg in einen goldenen Käfig ebnen und ich glaube nicht, dass Du dort glücklich werden könntest. Wahrscheinlich ist dies nur Schwarzmalerei von mir, aber völlig ausschließen kann man dies oder auch andere Dinge nie."

    Interessiert und im Hintergrund hatte Nike erst einmal das Gespräch verfolgt. Sie kannte diesen Nikolaos bisher nicht und konnte daher auch nicht viel dazu beitragen, wie man sich denn in Zukunft mit ihm stellen sollte. Als es dann aber um eine Hochzeit ging, wurde sie doch ein wenig hellhörig. Natürlich mußte Emi irgendwann heiraten, aber dies war sicherlich nichts, was man einfach mal so nebenher beim Essen entscheiden sollte. Und außerdem sollte der Ehemann äußerst vorsichtig ausgewählt werden, denn schließlich war dies eine Entscheidung, die das ganze weitere Leben beeinflussen würde.


    Nikes Bick wanderte zu Emi. Überraschenderweise war sie ganz still, was sonst so gar nicht ihre Art war. Wahrscheinlich hatte sie bisher nicht daran gedacht, überhaupt einmal zu heiraten und nun war sie wohl ziemlich überrumpelt worden. Und auch ansonsten schienen die Meinungen doch recht weit auseinander zu gehen, war doch Anthi in keinster Weise von dem potentiellen Bräutigam angetan.


    Nike wartete einen Moment ab und sprach dann in ruhigem Ton: "Nachdem, was ihr so sagt, scheint dieser Nikolaos ein wichtiger Mann in der Polis zu sein und eine Heirat mit ihm wäre wohl sicherlich das, was man eine gute Partie nennt."


    Sie machte eine kurze Pause, bevor sie nach wie vor mit ruhiger Stimme, aber mit bestimmten Tonfall fortfuhr: "Aber dennoch will eine Hochzeit gut überlegt sein. Ich kenne den Mann bisher nicht und kann daher auch nichts über seinen Charakter sagen, zudem Eure Meinungen ja wohl ein wenig auseinander gehen. Ich hoffe aber ihr gesteht mir zu, dass der Charakter dieses Mannes ebenso wichtig ist, wie sein Geld oder Einfluß. Von daher kann ich Penelope nur zustimmen, dass dies etwas ist, mit dem man sich die nötige Zeit lassen sollte. Und auch wenn es vielleicht ein wenig ungewöhnlich ist, so sollte Emi in die Entscheidung mit eingebunden werden, denn letztendlich ist es ihr Leben, was davon am meisten betroffen ist."

    Sim-Off:

    :patsch: *geht sich die Hände bügeln, um endlich die Du-Ihr-Problematik in den Griff zu bekommen* :D


    Nike war ein wenig hin- und hergerissen, was sie von den Aussagen von Nikolaos halten sollte. Auf der einen Seite versuchte er sie zu ermutigen sich um das Wohlergehen der Polis einzusetzen, auf der anderen Seite aber behielt er seine eigene Meinung über die Vorfälle mit den Rhomaern für sich.


    Dennoch wollte sie nicht zu intensiv nachbohren, schließlich war sie ihm genauso fremd wie er ihr und auch sie wollte ihm zumindest im Moment nicht alles erzählen, was sie so dachte.


    "Nun, ehrenwerter Gymnasiarchos, was können und sollten wir als neue Bürger deiser Stadt denn Deiner Meinung nach tun, um zu helfen, die Lage zu beruhigen? Wie sollten wir uns gegenüber den Rhomaern verhalten? Du kennst die Stadt sicherlich um einiges besser als wir und Dein Rat wäre uns sehr willkommen."


    Bei der Erwähnung des Wortes 'Ehemann' wurde Nike aufmerksam. Hatte er etwa irgendwelche Absichten gegenüber ihrer Schwester?

    Die abfälligen Blicke ihrer Schwester ignorierend hatte Nike den Worten des Gymnasiarchos aufmerksam zugehört und nachdem er seine abschließende Frage gestellt hatte, antwortete sie mit ruhigen und überlegten Worten:


    "Auch wenn ich erst seit wenigen Wochen hier in Alexandria lebe, so kann ich Dir doch versichen, dass mir der Friede in der Stadt sehr am Herzen liegt. Wenn ich es kann, so will ich gerne behilflich sein den Frieden in der Stadt zu bewahren."


    Sie machte ein kurze Pause und fuhr dann fort:


    "Doch wie kann ich Eurer Meinung nach meinen Beitrag dazu leisten? Ich strebe nicht nach einem politischen Amt und würde dies im Moment auch für nicht sonderlich klug halten, da unsere beiden Cousins schon Ämter inne haben und leicht der Eindruck entstehen könnte, unsere Familie würde sich zu sehr in den Vordergrund drängen. Ich kann und werde gerne meine Meinung äußern und mäßigend auftreten, sofern dies gefragt ist. Aber wie schon erwähnt, bin ich noch recht fremd hier in der Stadt und kenne kaum Leute."


    "Und was die Rhomaer betrifft, nun die meisten die ich bisher kennen lernte waren recht oberflächlich. Aber ich denke es gibt bei ihnen ebenso wie bei uns Vernünftige und eher Unvernünftige. Ich glaube kaum, dass es im Interesse des Basileos in Rom ist, sollte es hier zu Unruhen kommen. Und ich denke eigentlich, dass es seinen Vertretern hier vor Ort bewußt sein sollte, dass es auch im Interesse der Rhomaer ist, hier den Frieden zu bewahren. Wie Du selbst sagtest, haben sie auch viele Jahre lang entsprechend gehandelt. Also stellt sich die Frage, was hat sich verändert? Ist es nur ein einzelner Kommandeur, der gerne die Muskeln spielen läßt? Oder steckt mehr dahinter?"

    Nike war gemeinsam mit Nikolaos und Emi zurück gekommen und setzte sich wieder auf ihren alten Platz. Aufmerksam verfolgte sie die Ausführungen des Lehrers und ließ nur kurzzeitig ihren Blick über die Jünglinge streifen, in der Hoffnung, dass diese zum neuen Thema mehr beizutragen hatten, als in der ersten Unterrichtsstunde.

    Nike ertrug sowohl den anfänglichen Ärger als auch den spöttischen Zwischenkommentar des Gymnasiarchos ohne eine Regung zu zeigen. Immerhin hatte sie erreicht, was sie wollte und er wurde ihr gegenüber auch freundlicher.


    Sie folgte ihm mit einem kurzen Zunicken auf die Seite und antwortete in freundlichem Tonfall: "Mein Name ist Berenike Bantotakis und dies ist meine Schwester Emilía."

    Auch wenn Anthi das Thema mehr oder weniger beendet hatte, so mußte Nike dennoch nochmals nachhaken, hatte sie doch noch einen Punkt, der ihr wichtig war.


    "Verzeih bitte, aber eine Sache hätte ich da noch. Scipio würde sich nämlich gerne mal mit Dir und auch mit mir treffen. An sich sollte es dabei eher um Deine Meinung gehen, ob Du jemanden kennst, der günstig Nahrungsmittel, aber auch sonstige Gebrauchsgegenstände in größeren Stückzahlen anbietet. Aber ich denke bei dieser Gelegenheit könnte man ja auch ein wenig die Lage im Allgemeinen ansprechen."


    Sie lächelte ihren Cousin ein klein wenig verlegen an.


    "Und was die Ephebia betrifft, so weiß ich noch nicht so recht, wie ich Nikolaos einschätzen soll. Das ganze ist für mich ohnehin eine komische Situation, bin ich vom Alter her doch wesentlich näher beim Lehrer als bei den anderen Schülern. Und besonders am Unterricht scheinen die Jungen dort nicht interessiert zu sein bisher."

    Nike fand diese ganze Unterrichtsstunde mehr als nur verwunderlich. An sich war sie es gewohnt, dass die Männer das Gespräch führten und die Frauen sich zurück hielten. Und so hatte sie selbst aus ihrer Gewohnheit zwar aufmerksam zugehört, was gesagt wurde, selbst aber nur zurückhaltend das Wort ergriffen. Und da die jungen Herren noch mundfauler waren, als sie selbst war nun fast zwangsläufig dass Emi, die nun wahrlich nicht auf den Mund gefallen war, immer mehr in den Mittelpunkt gerutscht und nun sogar zu einem privaten Gespräch mit dem Gymnasiarchos gebeten worden.


    Nein, Nike empfand die Situation alles andere als angenehm. Zwar glaubte sie nicht, dass der Lehrer gegenüber ihrer Schwester zudringlich werden würde, aber sie kannte Emi zu gut und wußte wie leicht sie sich durch ihre zu offen geäußerten Gedanken in Schwierigkeiten bringen konnte. Und da sie den Gymnasiarchos nicht kannte, gefiel ihr es nicht im geringsten sie alleine zu ihm gehen zu sehen.


    Sie blickte kurz hinüber zu Pasiphaë und machte sich dann die Tatsache zu Nutze, dass der Gymnasiarchos ihr keine direkte Anweisung gegeben hatte und folgte Emi. Bei Nikolaos angekommen, lächelte sie ihn freundlich an und sagte entschuldigend:


    "Verzeiht ehrenwerter Gymnasiarchos, aber ich hoffe doch, dass Ihr keine Einwände habt mich ebenso wie meine jüngere Schwester an Euren Weisheiten teilhaben zu lassen."

    Nike seufzte kurz auf. Sie mußte die letzte Zeit wohl zu sehr im Haus geblieben sein, denn von den Unruhen hatte sie so gut wie gar nichts mitbekommen.


    "Oha, das alles könnte ziemlich kompliziert werden. Ich muß gestehen, dass ich von dem Aufruhr nicht viel mitbekommen habe und von den Hintergründen überhaupt nichts weiß."


    Sie machte eine kurze Pause.


    "Scipio denkt, dass er als Lieferant für die Legion ins Geschäft einsteigen kann. Und er glaubt, dass er hierzu wohl gerade die Beziehung zu seinem Patron ausnutzen kann."

    Nike erwiederte freundlich, aber bestimmt: "Nun, ein junger Rhomaer, Prudentius Scipio, beabsichtigt ein Handelsunternehmen zu gründen und da er selbst wohl über wenig kaufmännische Erfahrungen verfügt, sucht er jemanden, der sich ein wenig damit auskennt. Und da ich selbst einige Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln konnte, sind wir uns einig geworden, dass ich ihn unterstützen werde."

    Freundlich nickte Nike dem Schreiber zu, der sie eingelassen hatte und wandte sich dann mit einem Lächeln an ihren Cousin: "Chaire, Anthi. Schön Dich zu sehen."


    Sie setzte sich auf den angebotenen Platz und fuhr dann mit einem Schmunzeln fort: "Nun, ich bin auch nicht hier, um ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Allerdings bin ich auf der Suche nach einer Beschäftigung fündig geworden und wollte Dir dies mitteilen."


    Sie machte eine kurze Pause und ergänzte dann mit leicht schelmischem Blick: "Und in diesem Zusammenhang könnte es durchaus sein, dass ich mich auch quasi dienstlich an Dich wenden muß."

    Angelockt vom Lärm aus dem Atrium kam auch Nike nach unten und blickte sich einen Moment irrtiert um. Ihr Blick blieb auf Penelope haften, die sich sichtlich unwohl fühlte. Hatten etwa ihre Wehen eingesetzt und die Geburt stand kurz bevor?


    Für einen Moment kamen wieder die Gedanken an die Geburt ihrer eigenen kleinen Tochter hoch. Doch dies war sicherlich nicht der geeignete Moment ihren eigenen, traurigen Erinnerungen nachzuhängen. Fürsorglich schritt sie auf Penelope zu und fragte mit beruhigender Stimme: "Geht es los? Haben die Wehen eingesetzt?"


    Der eigentliche Anlaß des Auflaufs war Nike völlig entgangen und dass neben ihren Verwandten noch zusätzlich eine junge Frau anwesend war, die sie nicht kannte, hatte sie zwar bemerkt, ignorierte sie für den Moment aber, da es offenkundig etwas wichtigeres gab.

    Nachdem sie Scipio verlassen hatte ging Nike gleich hinüber zur Agora. Natürlich hätte sie auch bis zum Abend warten und dann mit ihrem Cousin zu Hause reden können, aber es war noch reichlich Zeit und sie hatte ohnehin nichts anderes vor. Und so kam sie schließlich bei ihrem Ziel an und klopfte an die Tür.

    Nike zuckte kurz mit den Schultern und hatte keine Einwände Anthi gemeinsam aufzusuchen.


    "Das können wir gerne tun. Allerdings würde ich ihn ungerne damit überfahren. Immerhin weiß er ja noch nichts von meinem Engagement in Deiner Unternehmung und ich würde ihm dies zuvor gerne mitteilen."