Beiträge von Berenike Bantotakis

    Dankbar nahm Nike in dem angebotenen Korbsessel Platz. "Ein wenig verdünnter Wein wäre nett.", nahm sie auch sein Angebot nach einer Erfrischung an und begann damit ihre Gedanken zu ordnen.


    "Bevor ich anfange zu erzählen was passiert ist, meinst Du es wäre besser, dies alleine unter vier Augen zu besprechen? Oder wäre es dir lieber, wenn Anthi auch noch mit hinzu kommt?", sagte sie schließlich in nachdenklichem Ton und blickte Timos fragend an.

    Bei Alainas Einwand über das starke Sonnenlicht mußte Nike kurz schmunzeln. Sie selbst empfand die wärmenden Sonnenstrahlen im gerade heraufziehenden Frühjahr als durchaus angenehm. Dies würde sich im sommer sicherlich ändern, wenn die Sonne wirklich erbarmungslos vom Himmel herunterbrennen würde.


    "Natürlich, das ist kein Problem.", sagte sie und ging mit ihr einige Schritte zur Seite in den Schatten.


    "Ja, die Männer.", nun mußte Nike einmal kräftig durchatmen, "Ich denke vieles würde besser laufen, wenn sie nur öfter auch einmal den Rat einer Frau einholen würden."

    Nike betrat Timos' Zimmer und schaute ihn mit ernster Miene an.


    "Chaire, Timos." Für einen kurzen Moment trat ein melancholiches Lächeln auf ihr Antlitz. "Ich denke wir müssen miteinander reden. Du solltest wissen, wie ich in die mißliche Lage gekommen bin, aus der mich Anthi und Emi befreit haben."


    Das kurze Lächeln war zwar verschwunden, aber noch immer umwehte ein Hauch von Melancholie, gepaart mit einem festen Willen in ihrem Blick Nikes Gesicht.

    "Du bist mutig. Allein in der Fremde und noch dazu als Frau sein Glück zu suchen ist nicht einfach."


    Berenike nickte Alaina anerkennend zu. Sie war sich sicher, dass es da noch eine Geschichte zu entdecken gab. Doch ebenso wenig wie sie selbst einer wildfremden Frau alle Einzelheiten ihres Schickals offenbaren würde, würde sie es von der Keltin erwarten oder gar verlangen.


    "Ich selbst versuche hier auf kaufmännischem Gebiet Fuß zu fassen. Aber da ich leider selbst kaum eigenes Kapital habe, kann ich dies leider noch nicht auf eigene Rechnung tun. Ich bin aber in recht vielversprechenden Verhandlungen mit einem Rhomäer, um dessen Geschäfte zu führen."

    "Britannien. Dann hast Du aber eine lange Reise hinter Dir."


    Im Grunde genommen wußte Nike nichts über Britannien, außer dass es eine kalte Insel am anderen Ende der Welt war und es dort ständig regnen sollte. Wenn es denn stimmen würde, hatten die Götter schon komische Ideen. An sich wäre es doch viel sinnvoller, den Regen, den es dort zuviel gab hier in diesesm heißen, trockenen Land fallen zu lassen. Aber diese unsinnigen Gedanken verdrängte sie ebenso schnell wieder, wie er gekommen war. Denn Nike wunderte sich schon ein wenig, nur um Arbeit zu suchen den weiten Weg um die halbe Welt zurückzulegen, noch dazu als Frau war doch mehr als ungewöhnlich. Ihre Neugier war jedenfalls geweckt und so fragte sie nach.


    "Findest Du denn in Britannien keine Arbeit, dass Du eine so weite Reise unternehmen mußtest? Und hattest Du Erfolg bei Deiner Suche hier?"

    Fein, ihre Gesprächspartnerin hatte offenbar nichts gegen einen kleinen Plausch einzuwenden und da es Nike ebenso ging erwiederte sie ebenso freundlich die Vorstellung.


    "Ich bin Berenike Bantotakis und seit gut zwei Wochen hier in in der Stadt. Ursprünglich stamme ich aus Syrien, aber ich habe noch Verwandte hier, bei denen ich zur Zeit untergekommen bin."


    Aus Höflichkeit verkniff sich Nike noch neugierige Fragen, nach der Herkunft von Alaina und hoffte, dass diese auch ungefragt, das Geheimnis ihrer Herkunft offenbaren würde.

    Nike störte sich nicht am Dialekt der Fremden, war sie doch froh, dass ihr Gegenüber überhaupt des Griechischen mächtig war.


    "Ja, es ist eine beeindruckende Stadt in der wir uns befinden. Ich selbst bin auch noch nicht lange hier und finde auch immer wieder etwas neues zu entdecken."


    Nike behielt ihren freundlichen Gesichtsausdruck bei. Sie hatte gegen eine Unterhaltung mit der Fremden nichts einzuwenden, wollte aber nicht aufdringlich sein uns so beließ sie es bei der kurzen Bemerkung um abzuwarten, ob sie das Gespärach fortsetzen oder lieber weiter ihrer Wege gehen wollte.

    Die vergangenen Tage waren übel gewesen, die Schmerzen, die die Peitsche des Sklavenaufsehers auf ihrem Rücken verursacht hatten, waren enorm. Doch Nike hatte sich durchgekämpft und nun, da das schlimmste überstanden war, war es an der Zeit zu reden.


    An sich hätte sie gerne darauf verzichtet, all das schreckliche, was ihr in den letzten Jahren wiederfahren war anderen zu erklären und es sich so gezwungernermaßen nochmals in allen Einzelheiten in ihr Gedächnis zu rufen. Doch es gab zwei Gründe, die dagegen sprachen es zu verheimlichen. Zum einen hatten ihre Cousins sie hier aufgenommen und daher ein Recht zu erfahren, was geschehen war und vor allem konnte sie ihre eigene Tochter nach wie vor nicht in ihre Arme schließen und auch wenn sie nicht wußte wie, vielleicht hatten ihre Verwandten eine Idee, wie sie Arsinoë wieder finden könnte.


    Neben ihren Cousins hatte sicherlich auch Emi ein Recht darauf zu erfahren, was geschehen war. Aber Nike hatte die Absicht ihrer kleinen Schwester die grausamen Details zu ersparen und mit ihr später alleine zu reden. Zunächst wollte sie sich an Timos, das Oberhaupt der Familie wenden. So ging sie zu seinem Zimmer und klopfte an.

    Auch wenn die Stadt groß war, so fiel es Berenike relativ leicht sich in den Strassen Alexandrias zurechtzufinden. Die schachbrettartige Anlage der Strassen, dominiert von den beiden großen Hauptstrassen machten es recht einfach sich zu orientieren.


    Wenn sie die Gelegenheit gehabt hätte die Stadt aus größer Höhe zu betrachten, so hätte sie wohl den Eindruck gehabt, auf einen großen Ameisenhaufen zu schauen. Eine endlose Menge von Menschen suchte sich ihren Weg durch die geraden Strassen. Als Teil dieser Menge wirkte es reichlich chaotisch, zumal die Menschen alles andere als eine homogene Menge waren. Ein Gemisch zahlreicher Völker hatte sich hier an den letzten Ausläufern des großen Stromes versammelt, bevor dieser sich mit dem Meer vereinigte.


    Und doch gab es auch in diesem Wirrwarr noch immer Menschen, die sich allein durch ihr Äußeres deutlich vom Rest abhoben. Nike zählte sicherlich nicht dazu, stellten die Griechen doch neben den einheimischen Ägyptern die größte Bevölkerungsgruppe der Stadt. Gänzlich anders verhielt es sich aber mit der blonden Frau, die ein wenig verloren die Strasse entlang lief, ganz so als suche sie etwas. Und da Nike von Hause aus hilfsbereit war, ging sie die wenigen Schritte zu ihr hinüber und sprach sie mit einem freundlichen Lächeln an:


    "Chaire, kann ich Dir irgendwie weiterhelfen?"

    Dankbar nahm Nike die Speisen an, die ihr ihre Schwester reichte. Als Emi aber ihre der Situation nicht gerade angebrachten Grimassen schnitt, warf sie ihr einen kurzen, strafenden Blick zu.


    Ansonsten hörte sie zwar den Diskussionen ihrer Familie zu, wirklich etwas dazu beitragen konnte sie im Moment aber nicht. Wesentlich lieber als dem Sklavenhändler eins auszuwischen, wäre es ihr, wenn sie sich des kleinen nubischen Sklavenmädchens annehmen könnte, dass um sein karges Essen gebracht werden sollte. Aber dies war wohl kaum zu realisieren.


    Und auch was das Opfer betraf, konnte sie nicht wirklich mitreden, hatte sie doch keine Vorstellung davon, wie wohlhabend ihre Cousins waren. Sie selbst war ja völlig mittellos, hatte nicht einmal etwas anzuziehen. Und streng genommen war sie ja im Moment noch nichts weiteres als eine Sklavin.

    Soso, in einer Taverna bei ziemlich viel Vinum. Anthi, der alte Schwerenöter, dachte Berenike und mußte innerlich schmunzeln. Aber wahrscheinlich war es besser, da jetzt nicht nachzuhaken.


    Mit dem nötigen Ernst widmete sie sich dann den Fragen von Scipio:


    "Noch bin ich interessiert. Bevor es mich hierher verschlagen hat, habe ich gemeinsam mit meinem verstorbenen Gatten einen Tuchhandel auf Rhodos betrieben. Ich fürchte nur, dass ich außer meinem Wort keine Referenzen vorlegen kann und hoffe dies genügt Dir."


    Nike lächelte Scipio freundlich, aber bestimmt und selbstsicher zu.

    Berenike mußte ein wenig schmunzeln.


    "Oh, dann kennst Du meine übrigen Verwandten wohl auch bereits. Obwohl meine Schwester wohl eher nicht, sie kam auch erst nach der Hochzeit hier an. Wo hast Du ihn denn kennen gelernt? Obwohl, wir sind ja in einer geschäftlichen Besprechung und da gehört das wohl nicht unbedingt hin."

    Nike sah Scipio einen Moment lang verwundert an. Hatte er vielleicht Probleme mit Anthi? wobei, immerhin war ihr Cousin mittlerweile ja ein wichtiger Mann hier in der Stadt und vielleicht kannte er ihn von Amts wegen. Sie nickte ihrem Gegenüber also freundlich zu:


    "Ja, ganz recht, Anthimos ist ein Cousin von mir. Kennst Du ihn denn?"

    Nike war sich sehr wohl bewußt, wie groß ihr Glück an diesem Tag war. Der schmerzende Rücken fiel da kaum ins Gewicht, denn diese Wunden würden heilen. Viel schlimmer wäre es für sie gewesen, tatsächlich ein Leben als Sklavin fristen zu müssen. Doch zunächst war sie erstmal dankbar, für die Erfrischung, die Anthi mitgebracht hatte.


    "Könnte ich bitte ein wenig Wein bekommen? Und was das Opfer betrifft, so ist dies in der Tat eine sehr gute Idee, aber ich fürchte, ich kann nicht viel zu den Kosten beitragen."


    An ihren Peiniger verschwendete sie erstmal keine Gedanken. Sie wußte ohnehin nicht, ob man da etwas tun konnte.

    Berenike schaute Scipio nachdenklich an:


    "Hm, wie ich schon sagte, bin ich neu in der Stadt und kenne außer meinen Verwandten hier noch niemand. Allerdings kann mir mein Cousin vielleicht helfen, die richtigen Leute kennen zu lernen."


    Nike stockte einen Moment. Hatte sie tatsächlich in der begeisterten Schilderung des jungen Rhomäers vergessen, sich überhaupt vorzustellen? Sichtlich verlegen lächelte sie Scipio an.


    "Oh, verzeiht bitte. Wie unhöflich ich doch bin, dass ich völlig vergessen habe mich vorzustellen. Meine Name ist Berenike Bantotakis."

    Mit einem freundlichen Lächeln nickt Nike Scipio anerkennend zu:


    "Das klingt doch schon recht vielversprechend und sorgt für ein konstantes Grundgeschäft. Hast Du denn mit Deinem Patron schon einmal darüber geredet? Sicherlich hat die Legion bisher doch auch schon Lieferanten, die wohl nicht gerade begeistert darüber wären, wenn sie ein Neuling ins Geschäft drängt. Und um welche Waren soll es gehen? Lebensmittel? Ausrüstungsgegenstände? Stoffe? Rohmaterialien? Ich muß gestehen, dass ich über die Versorgung Eurer Legionen bisher keine Kenntnisse habe."

    Berenike folgte ihrem Gastgeber in sein Officium und sah sich dabei recht genau um. Auf den ersten Blick wirkte es ein klein wenig chaotisch, aber das mußte ja nichts bedeuten.


    Als sie sich auf den Stuhl setzte zuckte sie kurz zusammen, als noch die noch nicht ganz verheilten Verletzungen auf ihrem Rücken spürte. Dankbar nahm sie sein Angebot einer Erfrischung an und lauschte aufmerksam seinen Worten. Dass, was er sagte legte den Schluß nahe, dass er bisher wohl keine Erfahrungen als Kaufmann gesammelt hatte und sein Geschäft bisher noch nicht bestand. Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, aber bestimmt im Ton antwortete sie.


    "Gut, wenn ich Dich richtig verstehe, dann hast Du Dich bisher noch nicht kaufmännisch betätigt. Ein neues Geschäft zu gründen ist natürlich nicht ganz so einfach und man darf das auf keinen Fall blauäugig angehen. Man muß den Markt kennen und erahnen, wonach eine Nachfrage besteht. Auch ist es schwierig alle Branchen gleichzeitig im Auge zu behalten. Hast Du denn schon etwas genaueres im Auge, auf welche Waren Du Dich konzentrieren willst? Und hast Du schon Kontakte zu Produzenten, woher Du Deine Waren beziehen kannst?"


    Noch immer freundlich lächelnd, wartete sie gespannt auf die Antworten des Rhomäers.