Vala gab unter Aufbietung seiner gesamten Schauspielkunst nichts anderes preis als ein unverbindliches und vor allem gelassenes Lächeln. In ihm allerdings brodelte es: einerseits schwelte da die ohnehin seit Ewigkeiten unterdrückte Tatsachenmeinung über Gegenwart und Zukunft der Familae Patriciae, die er aus wohlweislichem Bewusstsein über ihre reell durchaus wahrscheinlichen Konsequenzen nur sehr selten durchscheinen ließ, andererseits war da die neu hinzugekommene Enttäuschung über das Denken des Tiberius.
Ja, das musste Vala sich hier selbst eingestehen: er hatte sein Gegenüber deutlich überschätzt, denn solche abgedroschenen Reden hatte er nicht erwartet. Nein, im Gegenteil, er hatte den jungen Tiberius für einen Realo wie ihn selbst gehalten... woher jetzt dieser Tenor weltvergessener Standard-Patrizier kam erschloss sich ihm nicht, was Valas Irritation nur erhöhte. Vielleicht der zunehmende Erfolg des Tiberius? Das wollte der Germane nicht glauben, dass es so wenig brauchte um den Mann auf Links zu drehen.. das wäre zu einfach. Aber so oder so... er musste mit dem arbeiten was der Tiberier ihm hier lieferte, selbst wenn der Akt 'dezent' anders ablief als geplant.
"Dieser 'Zauber', wie du ihn nennst, ist eine für eine Frau bemerkenswert analytische Einsicht in politische Realität und Notwendigkeiten, mit der ich nicht das geringste zu tun hatte.. sie hat nicht aus Verliebtheit zugestimmt." , gab Vala mit bedächtig gewählten Worten zurück und zeigte sich nach wie vor in größtmöglicher Ruhe, immerhin war dies nichts anderes als ein immens wichtiges Verkaufsgespräch, "Und die von dir erwähnte Ehe war durchaus ein Argument FÜR die Verbindung, nicht gegen sie. Die von dir erwähnte Ehe wurde geschlossen, als der Consular noch keiner war, sondern auf den Stufen des Cursus Honorum gerade einmal bis zum Aedilis Plebis vorgerückt war. Wie du sicherlich weißt, bin ich über diese Phase schon hinaus." , legte Vala den Denkfehler des Tiberius dar, ohne allzu belehrend zu wirken zu wollen, und legte den politischen Charakter der ganzen Sache noch einmal in einem Punkt fest: "Der Hintergedanke dieser Verbindung ist nichts von dem, was du mir dort vorwirfst, sondern nichts anderes als eine einvernehmliche, wenn auch unorthodoxe Stärkung zweier Familien wie auch zweier Karrieren. Denn auch wenn du das im Moment nicht einsehen willst, weil du vor lauter germanischen Bäumen den Wald des Potentials nicht erkennst, ist mein Angebot nicht von der Hand zu weisen: ich bin Praetorius mit Aussicht auf mehr, anerkannter Rechtskenner, Experte in Sachen Militär und Handel und zudem nicht unvermögender Grundbesitzer.. und selbst hier in Rom hat meine Familie nicht unerheblichen Einfluss. Wenn du das alles verkennen willst, kann ich dich nicht daran hindern... aber du vergibst eine einzigartige Chance, die deine Schwester eben zu vergeben nicht gewillt ist."
So auf das grundlegende gekommen, war es nun an der Zeit den Finger auf die Sache zu legen und dem Tiberius klarzumachen, was er sich hier mit seinem Verhalten eigentlich gerade verbaute: "Auch wenn es nicht gerade angenehm ist, dich derart vor vollendete Tatsachen zu stellen: deine Schwester und ich werden diese Chance ergreifen.
Dein Part ist, zugegeben, nicht gerade der rühmlichste... aber er kann und wird es werden, wenn du dir einen Moment der realistischen Einsicht erlaubst. Sperrst du dich gegen diese Verbindung und erklärst öffentlich, dass deine Schwester sich gegen deinen Willen mit mir verheiratet, hat das sicherlich negative Folgen auch für mich.. aber nicht nur. Du, als der derzeitige Aspirant mit dem größten Potential in deiner Familie, würdest damit sehr deutlich machen, dass du als derzeitiges Haupt deiner Familia diesselbe nicht im Griff hast.
Wenn wir gleich beim Politischen bleiben, willst du deine Laufbahn im Senat gleich damit starten, dass du dich einer kleinlichen Feindschaft mit dem Ehemann deiner Schwester hingibst, anstelle einen starken und zuverlässigen Verbündeten zu gewinnen? Seien wir ehrlich... deine und meine Karriere würden durch einen Skandal leiden, ja, aber es würde sie nicht aufhalten... sie aber genauso wenig fördern, wie es im anderen Fall möglich wäre.
Darüber hinaus... nun stell dir vor, es käme zu einem Skandal weil du dich in gekränktem Stolz und in fataler Verkennung der Realität öffentlich gegen die Verbindung stellst... und ich setze meinen Weg weiterhin fort. Was würde es über dich und deine politischen Gaben aussagen, wenn später deutlich wird, dass du hier eine einmalige Chance vergeben hast?
Natürlich... ein paar werden dir auf deine Schultern klopfen, weil du dich entschlossen hast Herkunft und Standesdünkel über realpolitisches Kalkül und effektive Zukunftsplanung zu stellen, aber was wird dir das bringen?
Natürlich bin ich voreingenommen, immerhin bin ich einer von zweien die dieses Projekt betreiben, aber selbst wenn man mir vorwirft, dass mir die Einsicht in den Standesdünkel der wenigen noch verbliebenen patrizischen Familien fehlt, wird man feststellen können: der Skandal einer von deiner Seite abgelehnten Ehe hätte weitaus gravierendere Folgen als eine akzeptierte aus uralter Sicht vielleicht nicht standesgemäße.
Aus diesem Grunde bleibt mir nur ein abschließender Appell, selbst wenn sich dir das Potential dieser Verbindung im Moment nicht erschließen sollte: halte die Füße still.
Wir erhoffen keine Jubelarien und ich erhoffe mir keine üppige Dos, ich würde mich sogar damit zufrieden geben überhaupt keine zu bekommen. Wir erwarten auch keine großen Feierlichkeiten und kein großes Tohuwabohu.
Das einzige, was wir erhoffen, ist, dass du uns Zeit genug gibst zu beweisen, dass diese Verbindung die richtige Entscheidung war die beiden Familien zum Vorteil gereicht.
Denn noch einmal: gibt es einen Skandal verlierst du eine Schwester und einen potentiellen ziemlich einflussreichen Verbündeten auf deinem Weg nach oben. Entscheidest du dich jedoch, die Verbindung zu dulden... wenn du sie schon nicht gutheißen kannst... nun..." , schloss Vala ohne die Vorteile noch einmal explizit zu nennen, machte durch eine Geste allerdings klar, dass diese seiner Meinung nach ziemlich deutlich auf der Hand lagen.