Beiträge von Titus Duccius Vala

    "Cornelius Palma wird nachher genug Mäuler zu stopfen haben, die im Krieg mit Versprechungen geöffnet wurden.." , stimmte Vala dem zumindest teilweise Aurelier zu, "..es ist müßig darüber a priori zu befinden wie wir noch mehr Mäuler aufreißen können. Woher der neue Kaiser das Getreide für die norditalischen Mäuler auch bekommen mag... noch mehr aus Aegyptus zu pressen wird schwierig.. ich weiß das, ich war da. Und meinen Vorfahren sagt man nach, sturre Köppe zu sein."


    Was die gewaltsame Aneignung von Vorräten anging, war Vala deutlich pragmatischerer Natur als der Aurelier, und so zuckte er nur mit den Schultern: "Einer nicht durch eine Armee verteidigte Stadt kommt das Einreißen ihrer Stadtmauer teurer als uns.. es dauert drei Tage bis man die Belagerungsmaschinen zusammen hat, dann sind wir drin. Und fällt eine, fallen die anderen von ganz alleine.. NOCH haben wir einen Vorsprung vor dem Feind.. und aufgehalten würden wir auch durch eine Armee die nichts zu essen hat. Ob gewaltsam oder nicht.. DASS wir uns in Norditalia versorgen ist garkeine Frage.. und die Art und Weise wie wir das tun wird kaum hier entschieden als vor den Toren der ersten Stadt an der wir vorbekommen.. das dürfte Comum sein."
    Natürlich gab er sich betont kaltschnäuzig, allerdings vertrat er die Ansicht, lieber hungernde Zivilisten zu haben als hungernde Soldaten. Zivilisten desertierten nicht.

    http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/08.jpg Wie in jedem guten römischen Heer gab es auch in dem der Rebellen eine traditionelle Hackordnung, die in jeder erdenklichen Situation ihre Anwendung fand. Als mitten im Lager der nordgermanischen Legionen Propagandablätter aufgetaucht waren, die kaum einen einfachen Soldaten erreicht, dafür aber verdammt viele Offiziere angepisst hatten, war erst einmal der Teufel los gewesen. Dass irgendwer es des nächtens ins Lager geschafft und mit Papier um sich geworfen hatte, strahlte in zwei Richtungen ab, die der genaueren Beleuchtung bedürfen:


    Erst einmal von unten nach oben: natürlich waren die Wallwachen dumm dran, denn während ihrer Wache war das Malheur geschehen. Die Centuriones der Wallwachen waren ebenfalls peinlich berührt, immerhin hatten sie ihre Leute nicht gut genug gedrillt. Der Tribun, dessen Cohors gerade Wache hatte, war natürlich auch angepisst.. weil es so erschien, als würde gerade seine Cohors es bei der Wache nicht bringen. Und der Tribunus Laticlavius war noch weniger darüber erbaut, denn es machte auf seiner bisher obzessiv sauber gepflegten Armeeführungsweste hässliche Flecken, die er vor dem Feldherrn nicht unbedingt vorzeigen wollte.. und der fand es wenig prickelnd, sich in Propagandatexten als Schergen bezeichnen zu lassen.


    Was folgte, zeigt sich am besten von oben nach unten: der annaeische Feldherr gab dafür dem duccischen Tribunen auf den Deckel, welcher den Rüffel gleich an den Tribunen weitergab, dessen Cohors die Wache verbockt hatte. Jener schalt dann seine wachhabenden Centuriones zu mehr Einsatz... und diese ließen ihre Soldaten den ganzen Morgen Scheisse schrubben. So zerbröselt der Keks nunmal.


    Die Männer der Ala Prima, die seit Vindonissa als Späher des Heeres dienten, waren ebenfalls nicht amüsiert. Natürlich waren sie mit den Spähern des niedergermanischen Heeres in Kontakt, die in sehr dünner Streuung den Osten auskundschafteten und die Augen auf das Heer hielten das von ihnen ausgemacht worden war. Dass sie in direkter Nähe des Heeres, also in weniger als sieben Tagesritten Abstand, nun sowas zugelassen haben stand ihnen nicht gut zu Gesicht. Entsprechend hatten auch sie was von dem Rüffel abbekommen.. und übten sich in besonderer Vorsicht, gerade was alles gen Süden anging. Schwer war das nicht, denn sobald sich das Heer nach Curia begeben hatte, gab es für die Späher eigentlich nur noch Norden und Süden. So hatte sich schon vor dem Malheur an einigen Ortschaften an der Via über die Alpen ganze Turmae der Ala Prima Flavia Singularium, die die Späher der Vorhut stellten, niedergelassen.. und wechselten so stetig ihre Leute im Felde.. bzw. im Berge.. aus, die in freier Natur die Augen offenhielten und sich die meiste Zeit einfach nur zu Tode langweilten.


    Der Decurio Nysa hatte mit seiner Turma Stellung in der kleinen Ortschaft Clavenna bezogen, die für sie kaum zwei Tagesrittes nördlich von Comum und einen halben Tagesritt nördlich des Larius Lacus bezogen und erkundete von dort immer wieder mal die Gegend.


    Heute war, wieder einmal, die Ortschaft Summus Lacus an der Nordspitze des langen Sees fällig, und nachdem sie wieder einmal die üblichen Fragen gestellt hatten, zu denen sie wie immer die üblichen Antworten bekommen hatten war es ein kleines Mädchen, das Nysa am Stiefel zog, just als dieser sich wieder auf sein Pferd geschwungen hatte.


    "Verschwinde, Wicht, ich hab nichts für dich...", schickte der Decurio das Kind von dannen, erntete dafür aber nur einen beharrlichen Ruck an seinen Stiefelriemen.
    "Ich habe Männer gesehen, die ich noch nie gesehen habe...", gluckste das kleine Kind und strahlte den Mann mit tiefgrünen Augen an.
    "Eh... ja. Schön für dich...", brummte der Soldat, und wollte das Kind schon wieder abschütteln als ihm einer seiner Männer nen spöttischen Blick zuwarf: "Wer weiß in welche Gestalt sich Fortuna heute für dich gekleidet hat, Nysa. Vielleicht rettet die kleine dir gerade den Arsch, damit du überhaupt was zu melden hast..."
    Auch wenn Nysa sich schwer damit tat das zuzugeben: eine Meldung nach einem Rüffel war besser als keine Meldung nach einem Rüffel, also nickte er dem Mädchen zähneknirschend aber aufmunternd zu: "Was waren das für Männer?"
    "Was weiß ich, ich bin doch nur ein Kind.", blaffte die kleine mit zuckersüßem Lächeln, "Ich weiß nur, dass Mama diese Leute unheimlich waren, weil sie die Straße hinauf in die Berge ritten und wenig später wiederkamen, ohne etwas dabei zu haben..."
    "Wie, ohne etwas dabei zu haben?", schaute der Soldat irritiert drein.
    "Na, kein Handelsgepäck, wie die meisten es haben... und im Moment reiten sowieso nicht viele in die Berge... dort soll ein großes Heer warten, sagt man.", strahlte die kleine unverdrieslich weiter.
    "Wie, ein großes Heer.. wer sagt sowas?", stockte Nysa der Atem.
    "Woher weiß die kleine das?", hakte einer seiner Männer nach.
    "HALT DIE KLAPPE DU IDIOT!!", bellte Nysa den Trottel an, was der Kleinen ein lautes Lachen entlockte: "Das hat der eine von den beiden auch gesagt... Halt die Klappe.. du Idiot..."
    Ein Moment der Stille kehrte ein, in der Nysa angestrengt nachdachte, bevor er sich an den Gürtel griff und einen Dupondius herauszog, den er der Kleinen hinhielt: "Du kriegst noch einen davon, wenn du mir sagen kannst, wo die Männer hingeritten sind."
    "Das ist einfach...", grinste die Kleine und hielt die Hand auf, "...nach Süden, gen Comum."
    "Na großartig..", grummelte Nysa, "..das hätte ich mir auch selber denken können."
    "Hast du aber nicht...", gluckste die Kleine und tanzte mit ihren beiden Münzen davon.

    Nachdem die letzten kleinen Gespräche in Curia gelaufen waren, hatte Vala vor seinem Zelt noch den einen oder anderen Schreiber der verschiedenen Offiziere der achten Legion vorgefunden, was ihn um eine weitere Stunde seines wohlverdienten Feierabends brachte. Als das alles abgearbeitet war, kroch der Mond im Osten langsam über die Berge.
    Bevor Vala es überhaupt kommen sah, fand er sich vor seinem Zelt inmitten des kleinen Praetoriums des Feldlagers mit einem dampfenden Becher heißen Biers in der Hand und in die südliche Ferne starrend.
    Wobei Ferne das ganze wohl nicht ganz adäquat beschrieb, immerhin war der erste Berg, der die Ferne in eine Nähe verwandelte wohl kaum zwei Leuga von der Stadtgrenze entfernt. Und doch würde sich der erste ernsthafte Aufstieg in die Berge für sie noch einen Tag auf sich warten lassen, bis dahin würden sie in Richtung Südwesten am sehr jungen Rhenus entlangmarschieren.
    Valas Blick aber richtete sich gen Süden, dort, wo das noch schwache Licht des Mondscheins die steinernen Ungetümer noch unheimlicher wirken ließ, als ihre schwarzen Schatten ohne Mondlicht ohnehin schon erschienen. Alleine die für Vala krass wirkende Grenze an der die Bäume einfach aufhörten zu wachsen, fast wie an der Schnur gezogen, machten gehörig Eindruck auf ihn. Und die Tatsache, dass die Dinger so verdammt hoch waren, dass der Mond STUNDEN brauchte um überhaupt sichtbar zu werden tat ihr übriges... war Vala sonst bar jedes noch so tiefsinnig-philosophischen Odems, erfuhr er gerade ein Gefühl von universeller Bedeutungslosigkeit. Wenn sie hier und jetzt auf die Truppen des Salinator treffen würden, und jeder Mann jeden anderen Mann bis auf's Mark massakrieren würde, würde es die Berge nicht einmal kratzen. Die Bergriesen seiner Kindheit, lange von Vala vergessen, kamen ihm wieder in den Sinn, und irgendwo schlich sich der Gedanke heran, dass diese schlafenden Giganten wohl die Eltern der Riesen sein mussten. Was musste diese Riesen dazu veranlasst haben, sich einfach schlafen zu legen und ein Gebirge zu bilden, dass selbst für ein Weltreich eine ernstzunehmende und extrem schwer zu bewältigende Barriere darstellte? Was für uralte Taten lagen hier in Stein weit über ihren Köpfen?
    Und was hatte er im Vergleich dazu? Er hatte schon weit mehr zustande gebracht als viele andere, und knappste dennoch am Problem des Barbarensprösslings herum... hochdekoriert und höchst missachtet.


    Als Vala sich diese Gedanken aufdrängten, versuchte er sie durch uralten Trotz abzuschütteln und sich zurück in die Wut zu flüchten, die sich ihm oft genug als Motivator anbot für all das was er tat. Hinter diesen schlafenden Giganten lag die Bestimmung seines Wirkens hier... das Ende dieses Krieges und des fetten Sacks, der ihm im Wege lag... sein Aufstieg zur Macht, die ihn in seiner Heimat erwartete... und die Frau, die er heiraten würde.

    "Allerdings sollte man den Städten Etrurias nicht allzu viel versprechen... wir mussten teilweise echt schmerzhafte Zugeständnisse machen, um die Städte in Aegyptus bei der Stange zu halten. Ob da viel von überbleibt, wenn Rom erstmal den ganzen Rest abbekommen hat, wage ich zu bezweifeln..." , warf Vala noch ein, bevor man sich allzu sehr an Geschenken vergriff, die sehr schwer zu organisieren waren, weil sie schon anderswo verschenkt worden waren um für gute Laune zu sorgen.

    Es war Valas Meinung nach zu müßig über Eventualitäten zu streiten, als dass er sich das wirklich antun würde. So ließ er dem Feldherrn seine Meinung, da er es selbst nicht besser wusste, und winkte einen Sklaven herbei um sich einen Becher Dünnbier herbeizuholen.. interessanterweise hatte der Duumvir Curias da einen gewissen Vorrat gehabt, was Vala für die Städte nördlich der Alpen hoffen ließ.
    Als der Aurelier auftauchte lehnte Vala sich lässig an die nächstbeste Wand und beobachtete wie der Mann salutierte, als hätte er bereits sein ganzes Leben im Heer Roms verbracht. Ein mildes Lächeln zog sich über seine Lippen, als er daran dachte, wie wenig der Aurelier vor nicht allzu langer Zeit noch mit dem Militär zu tun gehabt hatte, und wie emsig er sich in das Metier einarbeitete.. wohl ein Effekt der unangenehmen Art des Legaten der zweiten, anderen militärische Expertise abzusprechen und dann selbst mit weniger als gar nichts aufwarten zu können. Der Aurelier fühlte sich anscheinend verpflichtet, die heiße Luft des anderen durch eigene handfeste und vor allem brauchbare Materie auszugleichen. Das dürfte Valas Auffassung nach noch einigen Männern das Leben retten..


    Als der Aurelier von den norditalischen Städten zu reden begann, schaltete Vala innerlich ab. Dies war nicht sein Territorium, und er hielt sein eigenes Wissen hinsichtlich der etrurischen Welt für zu marginal um sich eine maßgebliche Meinung bilden zu können.. aber er konnte sich das alles zumindest einmal vormerken, sollte es einmal für ihn irgendeine weitere Bewandnis haben als die Versorgung seiner Männer sicher zu stellen. Dass die Sache mit den etrurischen Städten allerdings SO einfach gehen würde, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.. das klang zu schön um wahr zu sein.

    "Nun, ich habe nicht die geringste Ahnung wie die Städte zu uns stehen... das, was unsere Späher von den Marktplätzen oder ihren Quellen haben kann sich stets ändern.. und wenn die sich einschüchtern ließen: eine bewehrte Stadt kann sich nicht lange gegen zehntausend Mann unter Waffen halten, ja. Aber sie könnte sich lange genug wehren um dem Gegner Zeit zu verschaffen nach Italia zu gelangen... und dann haben wir ein großes Problem." , gab Vala zu bedenken, der nicht einmal den Anschein erwecken wollte als wäre er der kompetenteste in Sachen Norditalia-Politik. Was er allerdings verstand war ihre Möglichkeiten einzuschätzen mit einer von der Alpenüberquerung erschöpften und gleich in eine Belagerung geschickten Armee den offensichtlich mindestens gleichstarken Gegner zu schlagen. Das würde richtig übel ausgehen...


    "Aus dem Westen nichts neues... ich denke, die Truppe des Blaesius wird schon auf dem Weg zu uns sein, sie wussten von unserem Zeitplan." , der sich allerdings zu Gunsten der Reiter verschoben hatte, da das obergermanische Heer sich so verspätet hatte. Nichtsdestotrotz: Vala rechnete jeden Tag mit Nachricht von der Ala Prima... ob gute oder schlechte, hauptsache überhaupt Nachricht.


    "Na, dann bin ich zuversichtlich, dass er uns eher erklären kann, wie man in Norditalia den richtigen Ton trifft, als ich das kann." , kommentierte Vala mit unbekümmerten Ton die Ausführungen des Annaeers über das Wissen des Aureliers. Vala hatte da einfach keine Ahnung... und wollte auch nie welche haben, da gab es wichtigere Dinge um die er sich kümmern musste. Wie zum Beispiel die achte Legion bei der Stange zu halten, und das Gold aus Lugdunum würde da eine nicht unwesentliche Rolle spielen.

    Zitat

    Original von Kaeso Annaeus Modestus
    ...


    "Jaja, wir haben genug gehört..." , winkte Vala müde ab, als der Sklave mit den Berichten den nächsten anfangen wollte, "...natürlich bewegt er sich gen Westen, weil WIR hier sind. Nur wohin genau?"
    Stumm hatte er in der Ecke gehört, während ein Sklave dem annaeischen Feldherrn die Berichte vortrug die er selbst hatte zusammenstellen lassen. Nichts neues für ihn also, aber für den Annaer vielleicht die eine oder andere interessante Information.
    "Das schlimmste an der Sache ist..." , ergänzte Vala, als der Legat nach seiner Rasur durch das Haus zu tigern begann, "..dass wir immer noch nicht wissen welcher der Legaten das Heer anführt. Wir wissen zwar seit heute, dass es die dreiunddreissigste, die vierzehnte und die dreizehnte Legion sind... doch wer das Heer lenkt, ist immernoch offen."
    Natürlich nagte es an Vala, dass die Informationen nur so sporadisch und nicht allumfänglich eintrafen, allerdings war dies militärisches Alltagswissen in ihrem Zeitalter, weshalb man so etwas wie Geduld nicht lernen musste, da es einem zwangsläufig eingeprügelt wurde. Der Gedanke an unmittelbar verfügbare Informationen über hunderte Leute hinweg ließ Vala schmunzeln als er im Vorbeigehen eine der Wandmalereien in der Casa des Duumvirs begutachtete.. das war nicht mal Zukunftsmusik, das war einfach nur unrealistischer Unfug, dem sich höchstens Schreibtischmilitärs hingaben die in ihre strategischen Planungen auch Wunderpferde mit einbezogen.


    "Der wirklich anstrengende Teil des Aufstiegs liegt etwa in zwei Tagesmärschen Entfernung vor uns.. unsere Späher konnten allerdings noch nichts zur Stellung der Civitates sagen. Was machen wir, wenn sich Comum, Mediolanum und Placentia quer stellen?" , kam Vala auf ein anderes Problem ihres Feldzugs zu sprechen: die unklare politische Lage der norditalischen Civitates. Sollten die erfahren, dass ein Heer von Osten heranzieht um sie zu treffen, könnte es nicht leicht werden sie zu überzeugen sie mit Nachschub zu versorgen. Im schlimmsten Falle könnte es auf langwierige Belagerungen hinauslaufen, denn: waren sie einmal über die Alpen würden sie neuen Nachschub brauchen. Dringend.

    http://farm1.staticflickr.com/12/18334333_7cf59528d1_m.jpg Wenn der Weg über die Via Raetia von Clunia südlich in Richtung Mediolanums etwas nicht war, dann war es wohl ein Spaziergang. Eine Menschenmasse von mehr als zehntausend Mann und fast noch einmal soviel an Nichtkombatanten über die Alpen zu schaffen glich einem Gewaltakt, das wurde jedem klar, der auch nur einen Fuß auf die oftmals verschwindend engen Pfade und grasbewachsenen Pässe gesetzt hatte, die der Beschreibung als 'Via' in jeder Beziehung spotteten.
    Dabei war das erste Stück noch relativ einfach, weil sie sich durch die bewaldeten Vorläufer der Alpes kämpfen mussten, wo die Strecke größtenteils noch aus gepflasterter und befestiger Straße bestand. Trotzdem brauchte man von Vindonissa bis nach Curia, der letzten nennenswerten Siedlung vor der Alpenüberquerung, gute vier Tage. Vier Tage einer Strecke, die zwei Wochen brauchen würde. Alleine von Curia bis nach Comum, also DER Strecke über die Alpen, würde man zehn Tage brauchen... wenn es gut lief.
    Die Strecke von Vindonissa nach Curia bestand vor allem erst einmal aus Wald. Zwar hatten sich auch in dieser Gegend Siedler niedergelassen, und Stämme der Celti hatten schon vor hunderten von Jahren Schneisen in die dichten Wälder geschlagen, allerdings ließ die Natur sich niemals lumpen und sorgte dafür, dass alles von den Menschen geschaffene oder vernichtete binnen weniger Jahre wieder komplett zuwuchs. Was den Soldaten sich auf ihrem Weg durch den Wald an Bildern bot war nichts, was sie nicht schon aus Obergermanien kannten.. aber eben auch nichts, wo sich ohne Probleme mit einem Heer taktieren ließ.
    Der Heerzug, der schon vor dem Angriff der Alpenpässe mehrere Leuga lang war, hatte es an sich, dass die Nachhut erst mehrere Stunden später die Stelle überschritt, welche die Vorhut zuvor hinter sich gelassen hatte.

    http://farm4.staticflickr.com/…69705009_642ff19f54_m.jpg Es war den Logistikern der Legion möglich gewesen, am Lacus Venetus Boote zu requirieren, auf die man wenigstens einige der schwereren Wagen laden konnte, so dass sie bis nach Curia wenige der bremsenden Trosswagen los sein würden.. auch wenn die Geschwindigkeit den See hinauf und dann den jungen Rhenus gen Süden nicht unbedingt als die schnellste gelten mochte: einen ellenlangen Heerzug überholten sie mit Leichtigkeit.


    Ein enorm großes Problem stellte der Zug am Lacus und am jungen Rhenus entlang für die Planer der Lagerstätten dar. Also für jene, die als erstes ihr Lager aufschlagen konnten weil sie den Tagesabschnitt geschafft hatten. Mehr als einmal gab es Grund, den Heerzug aufzuteilen und in mehreren kleinen Lagern campieren zu lassen, da sich keine großen Flächen für kollektive Lager finden ließen.. und es zu lange gedauert hätte bis der hintere Teil des Heerzugs zum vorderen aufgeschlossen war.
    In direkter Folge wurden den Aufklärern und Wachen, die ohnehin schon angespannt waren, größtmögliche Aufmerksamkeit verlangt: selbst hundert Jahre nach Augustus waren einige der isolierten Alpenstämme nicht so friedfertig wie sich das mancher in Rom gerne einredete. Auch wenn dies einer der größten Heerzüge war, die seit langem diese Region durchquerten: in kleinen versprengten Trossgruppen war immer genug zu holen, wenn man nur dreist genug war sich in der Nacht heran zu wagen.


    Oftmals wurden im steinigen Grund nicht einmal mehr Valli ausgehoben, sondern durch Baumstämme und dicke Äste improvisierte Barrikaden gebaut, und die Struktur der Nachtlager war auch alles andere als Handbuchgerecht. Die Möglichkeiten fachgerecht ein oder mehrere zusammenhängende Lager auszuheben die auch nur tausend Mann fassen konnten waren mit keinem Finger höchst optimistisch zusammengezählt.


    Vier Tage nachdem sie Vindonissa verlassen hatten trafen die ersten Teile des Heerzugs in Curia ein, ihrer letzten Station vor dem Aufstieg in die Alpen. Wieder dauerte es lange Zeit, bis die letzten Heerteile sich bei der Stadt einfanden, aber dieses Mal war in direkter Nähe zur Stadt wenigstens genügend Talfläche vorhanden um ordentliche Lager ausheben zu können. Die schiere Größe des Heeres verdreifachte dann auch kurzfristig die Bevölkerung der Civitas, welche größte Not haben dürfte ihren Teil zur Versorgung des Heeres beizutragen.


    Diese letzte Nacht konnten die Soldaten des obergermanischen Heeres die Alpes noch von außen bewundern...




    Bildquellen
    1
    2
    3


    Sim-Off:

    Das hier ist Etappe 1 des Zugs über die Alpen... auch wenn ich am Ende des Posts das Heer schon in Curia (Chur) habe ankommen lassen, seid ihr herzlich eingeladen Plots im Zeitraum der ganzen bisherigen Strecke (4 Tage) loszutreten. Ich werde dann beizeiten vom Aufstieg in die Alpen berichten, das wäre dann Etappe 2.


    Das schöne am Offiziersdasein war, dass man sich um so Dinge wie das Lager abbrechen nicht kümmern musste. Man versah seine Aufgabe darin, dass man sicher ging, dass andere ihre Aufgaben richtig versahen. Nachdem Vala also mehr oder minder in den Nachttopf gepinkelt, sich einen Schlag Wasser durch's Gesicht gewischt (seine Version von allmorgendlicher Wäsche) und eine neue Tunika übergezogen hatte, fand er sich auch schon bald auf dem Rücken seines Pferds wieder und nahm sein Frühstück eben dort ein während er sicher ging, dass nach ihrer langen Lagerzeit der Abbau nicht vertrödelt wurde. Die Jungs von der Secunda waren trotzdem schneller, wahrscheinlich weil sie einfach noch in der Routine drin waren.


    Als schließlich auch die Tribuni der Octava nacheinander die Marschbereitschaft ihrer Cohorten meldeten und selbst der Tross bereit war, war es nurnoch daran zu warten bis die eintausend germanischen Söldner sich zu ihnen begaben.. ebenso wie die Teile der Alen und Auxiliarkohorten, die nicht ständig in Bewegung waren um Aufklärung in nächster und eben nicht nächster Nähe zu leisten.


    "Legio Octava Marschbereit, Legatus Annaeus..." , meldete Vala als sich auch der letzte Teil in die Marschordnung eingefügt hatte, "..ebenso die germanischen Söldner, die Ala Prima Flavia und die dritte Reiterkohorte der Briten."


    Edit: wegen Seitenwechsels Zitat eingefügt.

    "Uff'm Weech to'n Sudn." , antwortete Vala knapp, weil es bei dieserlei Informationen kaum mehr zu erzählen gab. Der Flaminier hatte in seiner Art recht deutlich gemacht, dass er die Verzögerungen suboptimal fand und deutlich mit dem Gedanken gespielt einfach ohne das obergermanische Heer gen Süden weiter zu ziehen, was für deutliche Probleme gesorgt hätte, wenn der Gegner sich doch dafür entschied nach Raetia zu ziehen.
    "Ik denk, datt isses. De Weech jen Sudn is de eenzije Wol för us, wenn wi de Find net inne Berge möten wolln." , gähnte Vala in seinen Bart und streckte sich einmal um aus dem stetem Hocken am Feuer die Glieder zu bewegen, "Morn jeit et loos, wenn' net no irjeeend eener met jenooch Eenfluss mit sini depperte Grappen us no all inne Doot scheckt. Het Heer is niet so oenich wi do denke maags, Jung.. un' ik öwaat no viu Striet... net blot oppe Feld, net blot oppe Feld..." Der Blick, den Vala seinem jungen Vetter dabei zuwarf machte recht deutlich, aus welcher Ecke er all das erwartete... und ebenso wie sehr es ihm zusagte sich mit dieser Art herumschlagen zu müssen.

    "Datt ehr jo eenfach innet jemaaktes Bett hat sessen kunnen, sprookt ja wo daför, datt wi us net jelangweelt ham." , frotzelte Vala bevor er einen weiteren kleinen Holzscheit ins Feuer warf, "..un' wi ham jeübt. All je heele Daage.. wi ham jeübt."
    Mit andächtiger Ruhe und ohne großes Interesse zu heucheln hörte Vala sich an wie die Männer der zweiten Legion so drauf waren. Bewerten wollte er das nicht, Hadamar sollte selbst zusehen wie er seine Männer bei der Stange hielt, zudem hatte Vala bis vor wenigen Tagen selbst noch mit gewissen Problemen in seiner Legion zu kämpfen gehabt.
    "Ett löppt." , gab er frei zu, "Et hat wat lang duert, bis jo hia wert, but wi ham us kümmert... de Legad usse Norn, de Flaminius Cilo, iss net so duldig worn.. ik heb ih vor twee daage no möten."

    http://www.kulueke.net/pics/ir…pezielle/valahelfer10.png [wrapIMG=right]http://farm1.staticflickr.com/58/173505492_49196e2c6d.jpg[/wrapIMG]

    Die ihm unbekannte Art des Schreiens blieb Alrik im folgenden vorerst erspart. Die hermundurische Sippe, die keine zwei Tage von ihnen entfernt ebenfalls im von steinernen Leiten, Mooren und Urwäldern geprägten Niemandsland siedelte, hatte anscheinend genug davon ihnen zuzusetzen... oder einfach besseres zu tun als mit einer kleinen Gruppe halbtoter Widersacher Zeit zu verschwenden. Wie lange sie jetzt schon in dem grünen Nichts ausharrten konnte Alrik nicht sagen... länger als er lebte, das war klar. Modorok war geschlagen worden, von Römern und germanischen Stämmen gleichermaßen... aber er war nicht besiegt. Es gab immernoch einige Stammesteile der Hermunduren, Chatten, Mattiaker und anderer kleiner Stämme die Modorok nur allzu willig zuhörten. Auch wenn es längst nicht mehr genug waren um eine ernsthafte Bedrohung für die anderen Stämme und vor allem für die Grenze, hinter denen das Reich der Römer sich befand... es waren genug um einen schwelenden Bürgerkrieg nicht erlöschen zu lassen... und zu wenig um aus dem Bürgerkrieg einen handfesten Stammeskrieg zu machen. Der Großteil der Stämme leckte sich die Wunden, weil es genug Sippen gab die in der Hochzeit des Krieges Söhne verloren hatten, und unwillig waren durch noch so schöne diplomatische Reize weitere Söhne gegen einen Gegner in die Schlacht zu schicken, den sie schon als geschlagen betrachteten.


    Das mündete darin, dass es vor allem kleine Gruppen wie die ihren waren die sich mit anderen Sippen anlegten die einigermaßen treu zu Modorok standen... mit wechselnden Bündnissen und vor allem sehr geringen Verlässlichkeiten. Das letzte gescheiterte Bündnis hatte zur Folge, dass ihre Gruppe Hals über Kopf das Dorf einer größeren Sippe verlassen musste... und sich nun schon seit Monaten auf einem Hügel im absoluten Nichts durch Jagen, Fischen und Sammeln durchschlug. Das funktionierte eher schlecht als recht, aber es funktionierte... und hoffentlich so lange, bis Alriks Vater und seine Leute ein neues, stärkeres Bündnis hervorzogen. Bis dahin war Leif oft tagelang unterwegs, und Alrik hatte sich zusammen mit seiner Mutter schon vor langer Zeit an die Angst gewöhnt, dass er nie wieder zurückkommen würde.
    In dieser Zeit half Alrik dabei alles mögliche Essbare im Wald zusammen zu sammeln, wenn sie Glück hatten gab es Beeren, Pilze und Weidwurzeln, normalerweise vor allem Eicheln, Kastanien, Baumrinde und Hartwurzeln... und wenn sie Pech hatten, vergriff man sich bei der Suche und bescherte der Gruppe eine Lebensmittelvergiftung die es in sich hatte. Niemand wusste mehr, wer den Pilz aufgenommen hatte, der die alte Liuthilta nach Hel schickte und Rigmar hatte ihr Kind verlieren lassen, aber die Blicke, die einige ihrer Leute Alrik in den folgenden Wochen zuwarfen hatte recht deutlich gemacht wen sie dafür verantwortlich machten.


    Seine Mutter hatte das natürlich mitbekommen und entsprechend reagiert in dem sie Alriks kindliche Sorgen mit Geschichten aus der Heimat verstreute. Ihr Bauch wurde runder und runder, und abends wenn sie gemeinsam beim Feuer saßen nahm Alrun ihren Sohn beiseite und erzählte ihm von ihrem Leben jenseits des Limes. Wo sein Vater sich in den Details ihrer glorreichen Familie verlor, von seinem Urgroßvater Wolfrik und den Kriegen mit den Chauken und anderen nordischen Stämmen erzählte, oder von seiner Zeit unter den römischen Großen und bei den Legionen, erzählte seine Mutter vor allem von den Städten der Römer, von den Bauwerken, und vom Reich der Römer generell... vom Kaiser (den sein Vater persönlich gesehen hatte!), den Senatoren (sein Vater wäre fast selber einer geworden!) und Rittern (sein Vater war einer gewesen!).
    Die Abende, in denen sein Vater sich durch die Wälder schlug um bei anderen Stämmen um Verbündete (oder auch nur gewisse Gaben) zu werben, flogen nur so dahin bei den Erzählungen... und irgendwann hatte Alrik genug gehört um zwischendurch Fragen einzuwerfen wie '...und dieser Duumvir Matianus, war das ein Freund oder ein Feind unserer Sippe?' oder '...war das damals auch ein Senator? Hat der sein Idilat schon gemacht?' oder '...zu der Zeit war auch Traianus Germanicus Sedulus Legatus Augusto Pri Protaere, oder?' . Besonders interessant fand Alrik, dass seine Mutter selbst schon einmal einer Stadt vorgestanden hatte... Confluentes, oder in der Rogio Germania dem Gomez zugearbeitet hatte. Sowas war hier nicht möglich... zwar hatten die Frauen durchaus zu sagen (in gewissen Belangen sogar sehr viel, nur in Kriegszeiten konnten die Männer uneingeschränkt bestimmen wo es lang ging), aber sie waren doch die meiste Zeit damit beschäftigt Kinder zu kriegen, diese großzuziehen und den Haushalt und die Gemeinschaft zu pflegen. Was wohl auch der Grund war, weshalb Alrik alleine war und keine Geschwister hatte.. seine Mutter war früher viel zu beschäftigt gewesen um Kinder zu kriegen, und so war Alrik eben auch erst geboren worden als seine Mutter und sein Vater sich hinter den Limes zurückgezogen hatten um zu kämpfen. Das war auch der Knackpunkt, dem Alrik stets auswich um keinen Streit zu provozieren: Warum seine Eltern trotz all der glorreichen Geschichten um das römische Reich ihre Familie und Freunde verlassen hatten, um hier im bewaldeten Nichts zu leben. Alrik war sich sicher: würden sie im römischen Reich leben, würden seine vier Geschwister jetzt allesamt noch leben und sie hätten zusammen einen Mordsspaß.
    Die Chance auf die Geschichten verzichten zu müssen wenn er solche Fragen stellte ließ Vala allerdings verstummen, und so erzählte seine Mutter Abend für Abend immer neue Geschichten aus dem Reich. Obwohl sie Germania (fast) nie verlassen hatte (sein Vater war quasi überall im Reich gewesen!), gab es nichts was sie ihm nicht erzählen konnte... die Acropolis von Athen schien sich förmlich aus den Nebelschwaden der Hügel zu erheben, als sie davon erzählte! Und er konnte den capitolinischen Hügel mit seinen großartigen Bauten sehen! Und die Menschen erst, in gleißend weisse Stoffe gehüllt, mit hoch erhobenem (stets mit Laub bekränzt) Kopf ehrwürdig die Welt beherrschend umhermarschierend.


    Eines Morgens, nachdem sein Vater sich ganze zwei Wochen vom Lager entfernt hatte, hockten er und seine Mutter im Schattenspiel der Bäume unter der aufsteigenden Morgensonne.. sie arbeitete an an einem Seil aus Flachsfasern, er schnitzte Pfeile für die Jagd.. da kläfften ihre zwei Hunde voller Vorfreude, und man konnte freudige Männerrufe aus der Ferne der Wachposten hören. Sofort sprang Vala auf und rannte in Richtung des Lärms, so wie er es immer tat... so sehr sein Vater ihn auch ignorierte (außer, er konnte von vergangenen Heldentaten und Ruhmtümern erzählen), Alrik freute sich jedes Mal darüber, dass Leif es zurück schaffte. Auch dieses Mal war die Aussicht seines Vaters mehr wert als jede Geschichte über das noch so schöne römische Reich, sein Vater war zurück und lebte...
    Alrik stolperte fast über eine Wurzel als er durch eine Kuhle lief, dem ausgetretenen Pfad folgend mit nassem Laub an seinen Füßen, bis er schwer atmend schließlich bei einem großen Felsen stehen blieb der ihren Wachen oftmals als Wind- und Regenschutz diente... und da stand er. Wie immer mit dem gleichgültigen, in Gedanken versunkenen Blick, der ihn gar nicht wahrzunehmen schien. "Vater!" , rief Alrik aus, erntete aber nur ein mattes Lächeln als Begrüßung, "VATER!" Leif wendete sich einer der Wachen zu und führte ein Gespräch fort, welches die beiden wohl vor Alriks Auftauchen geführt hatten, und wie so oft war es Gundraban, der Alrik in die Höhe nahm und ihn auf seine Schultern setzte.
    "Alrik, wenn du weiter so wächst, wird dies das letzte Mal sein, dass ich dich auf die Schultern nehme!", tönte der junge Mann, dem gerade sein erster Bart wuchs, "Du wirst noch ein richtiger Jötun, der die Welt mit seinen Schritten erzittern lässt!"
    "Mutter meint, ich wäre nur ein Strich in der Landschaft, kaum dicker als eine Weidenrute!" , beklagte Alrik sich mit deutlichem Nörgeln, immernoch seinen Vater anstarrend.
    "Na, dann bist du aber eine verdammt schwere Weidenrute! Ich würde sagen wir müssen dir deine Rationen kürzen, bevor ich mir noch den Rücke breche..." , versuchte Gundraban sich als Stimmungsmacher.
    "Wo wart ihr?" , wechselte Vala das Thema als der junge Mann ihn zurück in Richtung Lager trug, "Was habt ihr gemacht?"
    "Ööööhhhhh.. wir... wir... wir...", begann Gundraban, "..wir haben... wir haben einen Rich getroffen, von einer großen Sippe, die können uns helfen."
    "Wirklich?" , hakte Alrik nach, der genau diese Worte schon viel zu oft gehört hatte und danach doch weiterhin nur Eichelsud zu Essen bekam, alleine schon der Gedanke daran ließ seinen Magen vor Hunger knurren, "Wie habt ihr das geschafft?"

    http://www.kulueke.net/pics/ir…pezielle/valahelfer09.png "Sie haben dich verkauft, Alrik." , erklang es mit kratzender Stimme hinter ihnen, als Alrik sich erschrocken umwandte und Gundraban dasselbe tat schaute Alrik auf einmal wieder in die Richtung in der sie unterwegs gewesen waren und sah erst einmal gar nichts. Erst als er wieder über den Kopf Gundrabans hinaus blickte, sah er dass Lintrad hinter ihnen aufgetaucht war, der zwergenhafte Sohn des Hluteri.
    "Halt deinen verdammten Mund geschlossen, Lintrad.", kläffte Gundraban, der mit seinen fünfzehn Lenzen schon fast doppelt so groß war wie der Kleinwüchsige desselben Alters. Selbst Alrik hatte schon die Größe Lintrads hinter sich gelassen.
    "Wieso?" , warf dieser sichtlich unbeeindruckt ein, "Warum sollte man dem Jungen etwas vormachen? Du druckst herum als würdest du das erste Mal vor einem Bär stehen, Gundraban... wird das dem Jungen helfen? Nein. Also: Alrik, man hat dich verkauft... sprichwörtlich gesehen."
    "Lass das, Zwerg.", knurrte Gundraban ein weiteres Mal...
    "Ich verstehe nicht... wieso weißt du das? Du warst nicht mit dabei..." , jammerte Alrik mit verwirrtem und hilflosen Blick, "..wieso sollte Vater das tun? Und warum? Und was ist sprichwörtlich?"
    "Weil es vorher schon klar war, worauf das hinauflief." , gab Lintrad unbeeindruckt zur Antwort und begann weiter in Richtung ihres Lagers zu laufen, "Dein Vater musste es förmlich tun, um zu verhindern, dass wir hier irgendwann verhungern.. Heriman, der Rich der Sippe, hat viele Töchter und nur zwei Söhne. Seine Sippe besitzt genug um uns ohne Probleme durch den Winter zu bringen... und hat noch genug Männer um Modorok ernsthaft Probleme zu bereiten."
    "Und wieso ich? Wieso gerade ich? Ich bin doch noch viel zu jung... bin ich das nicht? Mutter meinte, man würde mit zwölf oder dreizehn Sommern verheiratet... ich habe noch nicht einmal acht gesehen!" , protestierte Alrik als Gundraban es nicht tat, "Warum sollte Vater so etwas tun? Remberaht führt unsere Gruppe, der hat auch einen Sohn..."
    "Dies sind harte Zeiten.. da ist man nicht wählerisch. Man setzt quasi auf die Zukunft" , antwortete Lintrad während er weiterhin gemächlich in Richtung Lager watschelte, Gundraban und Alrik neben sich wissend, und unterschlug dabei höflicherweise die allgegenwärtige Angst, dass Alrik gar nicht alt genug werden könnte um die Ehe zu vollziehen, "Remberahts Sohn ist schon verheiratet, außerdem ist er nicht so viel wert wie du... es macht mehr Sinn dich zu verheiraten, Alrik, als einen von uns."
    "Lintrad, das ist zu viel für den Jungen.", versuchte Gundraban sich noch einmal darin, Alriks Unschuld zu bewahren.
    "Ich verstehe das nicht..." , bestätigte Alrik danach dessen Angst, schließlich brummte ihm bereits der Schädel weil es für ihn einfach keinen Sinn machte. Natürlich wusste er wonach verheiratet wurde, seine Eltern und all die anderen in der Gruppe hatten sich nie die Mühe gemacht seine Vorstellungen von der Wirklichkeit mit irgendwelchen Sagen und Märchen zu verdrehen.. zumindest mit keinen die ihre aktuelle Situation beschrieben... aber das hier machte einfach keinen Sinn für ihn: "Wieso sollte ich unbedingt verheiratet werden? Gundraban ist auch noch nicht verheiratet! Oder du! Und ihr seid fast Männer!"
    "Hah!!" , lachte Lintrad bitter, "Das will ich sehen, wie mein alter Herr mich an die Tochter eines Richs verscherbelt... nein, Alrik, bei dir geht es um mehr als dafür zu sorgen, dass du genug Kinder zeugst um in ein paar Jahren eine eigene kleine Sippe um dich zu haben. Da hast du recht... du bist zu jung.. aber in dieser Sache geht es nicht darum Kinder zu zeugen."
    "Worum dann?" , fragte Alrik, dem der Kopf platzen wollte weil seine Gedanken kein schlüssiges Ziel fanden.
    "Lintrad, schweig...", versuchte Gundraban es ein letztes Mal..
    "Um Rom, Junge!!" , lachte Lintrad weiter, "Es geht dem alten Mann um Rom. Weder Gundraban, noch ich oder der Sohn Rehmberats haben Anspruch auf die Führung einer Sippe, die erstens im römischen Reich lebt und zweitens dort alles andere als ohne Einfluss ist."
    "Aber meine Eltern haben sich dafür entschieden hier zu leben, bei euch... sie haben den Duccii den Rücken zugekehrt um gegen Modorok zu kämpfen." , wandte Alrik ein, dem seine Eltern dies (und das Argument, dass sie hier zusammen sein könnten, was im Reich nicht ginge) immer wieder eingeimpft hatten.
    Lintrads Lachen verstummte, und dafür bildete sich eine Art Lächeln auf seinen Lippen, die Alrik nicht verstand: "Ja, sicher, das haben sie... aber gilt das auch für dich, wenn all dies einmal vorbei ist? Nein, tut es nicht... und Heriman setzt darauf, dass du danach nicht nur seine Tochter mit über den Limes nimmst, sondern seine ganze Sippe."


    Bildquelle

    "Ruhig et joot..." , verzog Vala spöttisch die Lippen zu einem Schmunzeln, nahm einen der von Sirius dargereichten Becher und wartete bis Hadamar dasselbe getan hatte, um diesen zuzuprosten: "Na, da drinken wir do drupp, datt e överhupt ankommen sid. Wi ham scho dacht, ih het euk verloope oppe Weech." Einem tiefen Schluck des vindonissischen Bieres folgte ein Moment der Stille, in der Vala sich fragte, ob es Sinn machte nach dem Enkel des Legaten zu fragen, der aufgetaucht war, und welchen Nachrichtenwert dies besaß. Allerdings entschied er sich dagegen, weil die Sphäre an Themen um den Mann herum sehr viel Konfliktpotential barg, und man sich am besten überhaupt nicht damit beschäftigte um die ohnehin schon angespannte Stimmung in der Führungsriege des Feldzugs nicht weiter anzuheizen. Man redete nicht drüber, und man dachte auch nicht drüber nach.


    "Hu geit et eure Kerls?" , wich Vala auf ein unverfänglicheres Thema aus, immerhin konnte die Moral der Truppe genauso über den Ausgang einer Schlacht entscheiden wie gewisse Aspekte in der Führungsebene.

    "Müssen dich trotzdem durchsuchen...", murrte einer der beiden Soldaten die vor dem Zelt des TribLat der achten Legion Wache hielte, und deutete dem Burschen die Arme und Beine auszustrecken. Als das Prozedere vorüber war, winkte man ihn mit offen zur Schau gestelltem Desinteresse in das Innere des Zeltes... warum man den Mann einfach so eintreten ließ, eröffnete man ihm nicht.


    Das Innere des Zelts bot das, was man von einem passioniertem Puristen erwartete... oder von jemandem, der eigentlich nicht damit gerechnet hatte mehr als drei Nächte in diesem Zelt zu verbringen. Der Boden war mit Stroh bedeckt worden, an den Zeltstangen hingen flüchtig befestigte Öllampen, im Hintergrund standen zwei einfache Pritschen deren Bedeckung so zerwühlt war, als hätte man sie seit Tagen nicht in Ordnung gebracht, und das einzige wirkliche Mobiliar bestand aus einem kleinen Tisch und zwei Stühlen, wobei der Tisch unter einer ganzen Menge an Wachstafeln und Talgkerzen verschwand. Etwas versetzt von der mittleren, schweren Zeltstange brannte ein kleines Feuer an dem zwei Männer saßen. Der eine mit leichtem Stoppelbart und tiefdunklem Lockenhaar machte mit tranigem Auge den Eindruck, als würde er sich sofort an jeden anderen Ort der bekannten Welt wünschen... der andere mit mittlerweile nicht mehr so gepflegt kurzgehaltenem Vollbart und dunkleren Haaren, die fast runter bis zu den Schultern gingen kaute gerade auf irgendwas herum.


    "...ich weiß gar nicht, wie der Mann zu diesen Ansichten kommt? Ich meine... wie weggetreten von der Wirklichkeit muss man Leben, um zu solchen Ansichten zu gelangen? Erklär mir das mal bitte... los, erklär mir das." , brummte der größere, bärtigere der beiden und knirschte dabei laut hörbar mit den Zähnen.

    http://www.kulueke.net/pics/ir…pezielle/valahelfer05.png Der andere zuckte nur mit den Schultern: "Das ist nicht das erste Mal, dass du es mit seinesgleichen zu tun bekommen hast... und es wird auch nicht das letzte Mal sein... du solltest dich glücklich schätzen, dass er dir seine komischen Ansichten nicht BEFEHLEN KANN.... oh... wir haben Besuch."
    Vala schielte nur nach oben um den Neuankömmling aus den Augenwinkeln zu betrachten, kniff einen Moment die Augen zusammen wie um besser zu sehen und nickte dann nur mit dem Kopf: "Kiek a, Hadamar... watt verschlacht di in mine Telt?"
    "Dominus, lass das... es klingt fürchterlich wenn du so sprichst!" , beklagte sich der mit dem müden Blick.
    "Ich sollte dir befehlen es zu lernen, fauler Sauhund. Steh auf und mach dich nützlich... hol Bier und zwei Becher." , befahl Vala ohne sich extra nach dem Wunsch des Gastes zu erkundigen, und deutete dann auf einen Platz am kleinen Feuer, "Sett di dahl, Hadamar. Aso.. wi ett ur Marsch jelaufe? Warom hebt ih so lang bruucht?"

    Er hatte nicht die geringste Ahnung warum der Claudius sich so inkompetent und ahnungslos gab, aber er hatte die eine oder andere Theorie die er allerdings in seinem Kopf behielt damit sie blieb wo sie war und nicht auf einmal in anderen Geistern auftauchte.


    "Der Widerstand der germanischen Provinzen ist vor mehr als einem halben Jahr bekannt geworden." , warf Vala mit deutlich besorgter Miene ein, "Zwischen Lauriacum, Aegyssus und Thessalonica stehen insgesamt fast zehn Mal so viele Soldaten wie wir zusammen mit den Truppen des Flaminius Cilo aufbieten können... der Gegner kann in einem Bruchteil der Zeit die ihm zur Verfügung stand nur ein DRITTEL davon aufgeboten haben um uns in eine aussichtslose Lage zu versetzen, und dieses Drittel noch einmal dreigeteilt kann uns richtig große Probleme machen... was ist, wenn wir nur EINEN TEIL der gegnerischen Armee ausgemacht haben, und die möglichen anderen Teile noch unentdeckt bleiben? Ich weiß nicht aus welcher Zeit deine Vorstellungen von guter Aufklärungsarbeit stammen, Claudius, aber ich habe das dumpfe Gefühl du erwartest Leistungen die weder unseren Möglichkeiten entsprechen noch denen irgendeiner anderen Armee der bekannten Welt. Gestaffelte Nachrichtenrouten mögen den Möglichkeiten des Cursus Publicus entsprechen, aber der Cursus Publicus muss seine Aufklärer auch nicht nahe genug bei sich halten um sie im Zweifelsfall als Flankenschutz einzusetzen. Wir haben bei weitem nicht die Kapazität um derart freigiebig mit der Reiterei zu sein wie du es wünschst.. derartigen Aufklärungsluxus verbietet einerseits die Realität, andererseits die Notwendigkeit. Es ist viel wichtiger detailliert zu wissen wo sich binnen weniger Tagesabstände der Feind befindet und grob zu wissen wo er sich darüber hinaus befindet, als anders herum."
    Auch wenn Vala das dringende Bedürfnis verspürte, sich ostentativ die Schläfen zu reiben, er musste Ernst bleiben: "Wir wissen, dass der Gegner noch nicht in Italia ist... DAS ist im Moment alles was wir wissen müssen, denn wir müssen ohnehin dort hin... am besten bevor er dort ankommt, oder nicht viel später... wir haben einen Gegner vor einer Woche in Savaria ausgemacht, keinen in Nord-Italia. Das ist im Moment alles was wir wissen... und wissen müssen, um unseren Zug über die Alpen fortzusetzen."



    Dazu kamen noch ein Haufen anderer Gedanken... die er dann lieber doch nicht dachte. Vorsicht war die Mutter der Keramikwarenkiste.

    "Legatus Annaeus, wenn ich darf? Legatus Claudius spricht hier immerhin etwas an, was in meiner Verantwortung geschehen ist, während sich die zweite Hälfte des Heeres gen Süden bewegt hat..." , wandte Vala ein, und konnte sich kaum mehr eine Spitze in der Richtung verkneifen, dass er sich hier quasi um alles hatte alleine kümmern dürfen während die zweite Legion sich elend viel Zeit beim Marsch gelassen hatte, "Die Ala Prima Scubulorum ist nicht da wo sie nicht gebraucht wird, sondern genau da wo sie gebraucht wird... sie löst eines unserer dringendsten Probleme: das Auftreiben von Gold um unsere Truppen zu bezahlen. Legatus Annaeus hat bereits in Mogontiacum einen Entsatz der fehlenden Ala Prima Scubulorum durch Teile der Ala Prima Flavia Singularium und der Cohors Tertia Britannorum Equitata erwähnt, die allerdings vornehmlich gen Osten und Süden aufklären. Den Westen übernehmen bisher die Turmae der achten Legion, immerhin ist die Legionsreiterei genau für sowas gedacht. Wir haben die vergangene Zeit also keineswegs damit verbracht hier blind Däumchen zu drehen.


    Die Angaben über Truppen in Savaria sind mit einer Woche Verzug quasi brandaktuell... ein einzelner Reiter braucht von Savaria bis nach Vindonissa mehr als zwei Wochen, eine gestaffelte Nachrichtenübergabe wäre zwar schneller, ist allerdings nichts was unsere Ressourcen hergeben... da hat Tribunus Aurelius absolut Recht, das kann unsere Aufklärung nicht leisten. Wir haben vielmehr Glück mit Informationen aus Savaria arbeiten zu können die NUR eine Woche alt sind... der vornehmliche Teil unserer Aufklärungsarbeit bezieht sich darauf sicher zu stellen dass niemand im Umkreis von fünf Tagesmärschen auftaucht und unsere getrennten Truppen so überraschen kann. Alles was darüber hinaus geht... und Savaria geht WEIT darüber hinaus... braucht mehr als eine Woche um zu uns zu gelangen... und braucht auch mehr als eine Woche um zum Gegner zu gelangen.


    Eine normale Armee braucht fast zwanzig Tage bei normalem Marsch um von Savaria zu zu uns zu stoßen, bei schnellem Marsch knapp zwölf... sollte der Feind also vor einer Woche direkt losmarschiert sein um uns hier zu stellen, sind wir schon weit in die Alpen vorgedrungen bevor er uns erreicht. Marschierte er vor einer Woche direkt nach Italia, wird er in einer Woche dort ankommen wenn er nicht riskiert, uns mit einer von einem Gewaltmarsch vollkommen erschöpfte Armee entgegenzutreten. Wenn wir Nord-Italia erreichen, werden wir nicht viel Zeit haben uns dort einzumauern... wenn der Gegner uns nicht den Gefallen tut uns über die Alpen zu verfolgen."


    Lange Rede, kurzer Sinn: Eile war geboten.

    "Eh... ja." , fügte Vala noch hinzu, da eine gewisse Sache noch nicht klar war, "..Sempronius Blaesus ist mit der Ala Prima nach Lugdunum aufgebrochen sobald wir in Vindonissa ankamen... seitdem haben wir nichts von ihm gehört. Was allerdings nur zu heißen hat, dass noch keine finalen Ergebnisse vorliegen.. wäre er gescheitert, hätten wir davon gehört, das habe ich sicher gestellt.. Wir dürften in Kürze von ihm hören. Darf ich davon ausgehen, dass er uns über die Alpen folgen soll?"
    Wenn der Sempronier sich überhaupt für die Rückkehr über die nördlichen Alpen entschied, und sich nicht gleich auf Richtung Süden machte.

    "Flaminius Cilo wird seine Truppen so schnell wie möglich in den Süden verlegen um sich zumindest der Mannstärke und des Castellums der Legio Prima zu versichern, sollten die Truppen aus Savaria ebenfalls nach Italia vorstoßen..." , antwortete Vala wahrheitsgemäß, "..er wird daher den kürzesten Weg nehmen und über den Pass im Osten südlich gen Verona ziehen... und in Mantua dann mit der Prima auf uns warten."