“Ita tmia icac he ramasva vatieche…”, entzifferte Romana im Scheine der Kerzen – es wurde dunkel draußen, Regenwolken zogen auf, leise hörte man das herbstliche Nieseln außerhalb. Kein gutes Wetter, um draußen zu sein. Was also lag näher, als sich mit einer Kerze in die Bibliothek zu verkriechen?
Mit ungutem Gefühl dachte Romana an die Haruspizin mit Serrana zurück. Es quälte sie das unbedingte Gefühl, etwas vergessen zu haben an der ganzen Sache. Dass sie die Häuser auf der Leber richtig eingeteilt hatte, daran hatte sie keine Zweifel... aber vielleicht hatte sie da einige grundlegendere Sachen in die falsche Kehle bekommen. Möglicherweise sagten die Götter einem gar nicht die Zukunft, sondern nur Omen? Romana konnte es sich nicht vorstellen, dass die Götter so fantasielos waren. Aber es blieb eine nagende Ungewissheit.
So hatte sie sich einen Text gepackt – selbstredend den von Vestricius Spurinna, dem persönlichen Haruspex des göttlichen Iulius Caesar, über die Haruspizin. Und zwar in der etruskischen Version, der lateinischen wollte sie nicht mehr trauen, da die Übersetzung doch Subtiles verfälschen konnte.
Romana dachte daran, wie sie Etruskisch gelernt hatte – bei ihrer Großmutter, in Clusium, über den Stuhl gebeugt, interessiert dem Gebrabbel der Mutter ihrer Mutter zuhörend. Damals war sie noch ein junges Mädchen gewesen mit einer rosa Schleife im Haar (in Romana drehte sich der Magen um, wenn sie an diese Schleife dachte) und komplett begeistert von der Idee, eine Geheimsprache nur zwischen ihr und ihrer geliebten Oma zu lernen. Jetzt war sie eine junge Frau, die sich auch noch das Griechische und das Altlateinische selber eingebläut hatte, und versuchte, ihr Etruskisch im Kopf zu behalten.
“...unial astres... themia? THEMIA?“ Romanas Augen wurden weit. Nciht möglich, nicht möglich, dachte sie sich. Verdammt. Ach du... sie las weiter. “...riei velianas sal cluvienus turu...“ Ihr Gesicht wurde blaß. “Das kann doch nur bedeuten... Omen? Nur Omen? Keine... ich...“ Ihr Atem wurde schneller, als sie weiterlas, laut zu sich selber. “...ce munistas thuvas tameresca ilacve... tulerase nac avi i churvar… tesiameit. Tesiasmeit. Oh große Götter.” Sie schluckte, bevor sie das Kapitel zu Ende las. Es war nciht mehr lang, nur noch zwei Sätze.
Anschließend rollte sie die Schriftrolle sorgfältig zusammen, packte sie dann mit ihren Händen und schlug sich damit auf den Kopf. “Ich bin DUMM!“, stellte sie fest. “Dumm, dumm, dumm, dumm!“ Bei jedem Dumm prügelte sie sich die Schriftrolle auf ihren Kopf hinauf. Mit einem tierhaften Aufschrei warf sie dann die Schriftrolle durch die Bibliothek. Mit einem dumpfen, holzigen Geräusch traf sie ein Regal, woraufhingleich 5 oder 6 Schriftrollen herabfielen. Romana war das egal – noch bevor sie klackernd am Boden aufkamen, stand sie schon. Das Chaos, dass sie angerichtet hatte, hinter sich lassend, ergriff sie die Kerze und eilte zu den Sklavenräumlichkeiten, zu ihrer Parthenope. Diese wurde hastig aufgescheucht und kleidete Romana schnell in eine Stola, eine Palla und ein Recinium, einen Damenumhang, ein. So angekleidet rannte Romana nach unten, gefolgt von ihrer Sklavin, durch die Straßen von Rom, zu den Germanicern.