Beiträge von Claudia Romana

    Die Nacht war sehr kalt, wohl die kälteste von all jenen, die es in diesem Jahr geben würde. Gegen Abend hin war die Temperatur so tief gesunken, dass sich alle Vestalinnen in ihre gut geheizten Zimmer verkrochen hatten. Auch Romana. Obwohl sie gerne von sich sagte, dass ihr Kälte wenig ausmachte, hatte auch sie sich der Temperatur entsprechend hergerichtet. Sie war in ein langes, enges Nachtkleid geschlüpft, welches recht gut ihre eigenen Körperwärme einfing, und hatte sich in eine extradicke Decke eingemummelt, während die Fußbodenheizung unter ihr einheizte. So war die Temperatur wieder erträglich, und Romana spürte die Wärme angenehm in sie hineinkriechen, als sie entschlummerte, und ins Reich der Träume glitt.


    Das Reich der Träume betrat sie. Angetan in der Tracht einer römischen Matrone. Inklusive aufgestecktem Haar. Schmuck an meinen Armristen. Ich fühle die Schminke in meinem Gesicht, klebrig, jedoch nicht unangenehm. Wo war sie? Ich kenne den Ort nicht. Ich habe ihn noch nie gesehen. Nichts war so, wie es gewesen war. Alles war anders. Wieso hieß dieser Ort Villa Atilia? So heißt diese Villa. Die Atilia. Eine patrizische gens. Wie kommt es, dass ich hier bin...? Ihr Mann. Da drüben. Wie hieß er? Ich kenne den Namen doch. Sie waren verheiratet. Aber sie konnte nicht verheiratet sein, sie könnte nie heiraten, sie war glücklich verheiratet. Und das bin ich schon seit einem halben Jahr, mein Vater hat dies arrangiert. Das konnte nicht sein, hatte sie das auch gewollt? Doch, ja... Sie hatte zugestimmt, weil mein jetziger Gatte mir so sympathisch war, ein Mann mit Manieren und Niveau. Wieso fühlte sie sich so schwer an – vom einen Moment auf den anderen? Sie blickte an sich herunter. Ich bin dick... ich bin schwanger. Von meinem Mann... von ihm... er heißt... Romana riss ihre Augen auf.


    Und starrte an die Decke ihres Zimmers, an den Sternenhimmel, den ihr der Gallier auf die Decke gemalt hatte. Es war ihr heiß. Sie strampelte die Decke ab, was sich ob des unpraktischen Schnitts ihres Nachtkleids als sehr schwierig erwies, und suchte wieder zu schlafen. Doch es gelang ihr nicht mehr. Nach so einem Traum konnte man nicht mehr schlafen. Mehrere Male griff sie sich an ihren Bauch, der flach wie ein Brett war – sie hatte frühere Gewichtsprobleme seltsamerweise in den Griff bekommen, obwohl sie nicht weniger aß als früher. Vielleicht tat die Arbeit im Atrium Vestae das Ihre.


    Ewig lag sie da. Die Morgenröte brach ein. Die Sonne war daran, am Horizont aufzugehen, um einen klaren, kalten Tag einzuläuten. Erst jetzt schlief sie ein – um doch noch eine Stunde Schlaf für diese Nacht zu bekommen.


    Was sie noch nicht wusste, war dass dies nicht der letzte Traum dieser Art sein sollte, den sie haben würde.

    PISTRINA
    DIE BÄCKEREI


    Hier befindet sich die Bäckerei der Vestalinnen. Die Bäckerei ist ausgegestattet mit allen Utensilien, die eine Bäckerei braucht, inklusive eines Ofens und ritueller Handmühlen. Hier wird die Mola Salsa hergestellt.

    EXEDRA
    DER AUFENTHALTSRAUM


    Die Exedra des Atrium Vestae liegt ein wenig abseits, süd-westlich des Peristyliums. Die Exedra besitzt eine große Apsis, in welcher Klinen zum Ausruhen einladen. Der Estrich ist erhöht, da dies die Feuchtigkeit im Raum reduziert. Ein Marmorboden ist darauf verlegt, der sich durch die gut funktionierende Bodenheizung sehr schnell aufzuheizen pflegt und die Wärme auch einige Zeit behält. Dadurch ist es in diesem Raum immer besonders warm.

    VESTIBULUM
    DER EMPFANGSSAAL


    Das Vestibulum des Atrium Vestae ist ein großer Raum, der zwischen der Porta und dem Peristylium liegt. Der komplett überdachte Raum besitzt sechs Fenster nach außen, zwei nach Norden, zwei zum Süden hin. Dies sorgt dafür, dass der Raum immer gut belichtet ist. Der Boden wird von einem reichen Mosaik verziert. Der Raum ist sehr hoch und besitzt eine gewölbte Decke, die luxuriös bemalt ist. Hier können Vestalinnen ihre Gäste empfangen.

    Den Respekt in den Stimmen der beiden jungen Damen konnte man eindeutig hören. Sie lächelte befriedigt, dass Calvena ihr zustimmte und Sabina so folgsam war – sie würde eine tadellose Vestalin abgeben, dachte sich Romana insgeheim. Der Respekt, den sie vor diesen heiligen Einrichtungen hatte, gab Romana die Gewissheit, dass Sabina die rechte Einstellung gegenüber dem Glauben hatte, was sehr wichtig war. „Was wir so den ganzen Tag tun?“, wiederholte sie die Frage der Kleinen. „Nun, wir passen vor allem darauf auf, dass die heilige Flamme der Vesta nicht ausgeht! Wenn das passiert, ist das ein ganz schlechtes Omen. Außerdem haben wir für verschiedene Tage verschiedene Aufgaben. Zum Beispiel bei der Vestalia – da überwachen wir die Opfer, die die Matronen der Vesta darbringen. Dann gibt es die Matronalia, da wird das Feuer neu entfacht. Und es gibt die Iden des Mai, da wird mola salsa hergestellt. Diese Feiertage brauchen einiges an Vor- und Nachbereitung – und trotzdem haben wir genug Freizeit. Diese verbringen wir, indem wir im Tablinium oder Triclinium zusammenhocken, oder ausgehen. Ich selber bin sehr gerne im Peristylium, wo ich den Garten pflege“, erklärte sie, nicht ohne Stolz. Durch die Arbeit, die sie leisteten, verdienten sie sich zweifelsohne diesen ganzen Luxus, davon zumindest war Romana überzeugt. Nicht, dass sie nicht schon vorher in extremsten Wohlstand gelebt hatte, doch dies war noch eine Steigerung. Romana konnte es sich kaum vorstellen, wie es war, etwas zu gebrauchen. Nur gut, dass ihre Erziehung einer überwältigenden Verwöhnung entgegengesteuert hatte - ihr lehrte man Anstand und Demut vor den Göttern, und das war auch gut, denn sonst wäre Romana heute wohl auch nur eine der vielen nichtsnutzigen Zicken, die in Rom herumrannten und das Vermögen ihrer Ahnen auf den Kopf hauten.

    Genau, es gab etwas zu sagen, und Romana tat dies auch. „Die Matronalia wurde ursprünglich als der Beginn eines neuen Jahres gesehen, und trotz der Kalenderreform unter Caesar besteht dieser Tag noch immer als der, an dem ein Jahreszyklus vorbei ist und ein neuer beginnt. Der Tempel wird dazu mit Lorbeerblättern geschmückt und der Staatsherd wird abgetötet und wieder neu entfacht. Das Feuer wird neu entfacht, indem zwei geweihte Holzstücke von einem Obstbaum so lange ineinander gerieben werden, bis ein Funke fällt. Und zwar geschieht das draußen, im Freien, am Forum Romanum. Mit einem Siebgefäss, dem Cribrum, wird dann dieser Funke in den Tempel getragen. Dieser entfacht dann aufs neue die Glut des Herdes, und ein neuer Jahreszyklus beginnt. Das Feuer weiht sich dadurch von selber.“

    Ein wenig ziellos wohl stromerte Romana durch die Menge. Rundherum wurde getuschelt und Bekanntschaften geschlossen, was das Zeug hielt – sie war erst einmal mit einer Monsterportion von Kuchen, den zu essen nicht ohne Schwieigkeiten ablief, beschäftigt. Mit der rechten Hand hielt sie das gewaltige Teil, während ihre linke Hand darunter platziert war, um die Krümel, die unweigerlich entstehen würden, abzufangen, sodass diese nicht auf den Boden fallen würden.


    Das Reisenstück würde sie nicht auf einen Schlag essen können. Also erniedrigte sie ihre rechte Hand und ließ ihre linke Hand seitlich wieder herunterbaumeln. Dabei verstreuselte sie, ohne dass jemand es merkte, die Brösel am Boden. Ha, das wäre doch gelacht, dachte sie sich mit einem warmen Lächeln, während sie noch einmal einen Bissen von ihrem Kuchen nahm. Sie wollte den Kuchen schon wieder sinken lassen, als sie neben sich eine Konversation hörte über einen Ort, dessen Namen sie schon einmal vernommen hatte.


    „Hrmpf... Peschinusch? Ischt dasch nischt in Galatschien?“, fragte sie mit vollem Mund frei heraus, und schluckte erst, als sie sich neugierig hoch droben über Antoninus‘ Schulter gebeugt hatte und ihre beiden Bekanntschaften erspähte. „Ähm, tschuldigung.“ Das war darauf bezogen, dass sie vorm Sprechen nicht geschluckt hatte. „Salve, Serrana! Und salve, Axilla!“, begrüßte sie die zweite Iunierin, die sie schon aus den Thermen kannte. Die beiden Herren, die sie hofierten, oder dies zumindest zu tun schienen, kannte sie allerdings nicht. „Schöne Feier, nicht wahr? Seid ihr schon lange hier? Den Kuchen müsst ihr probieren... köstlich!“ Sie nahm das betreffende Gebäck und bröselte frisch-fröhlich über Antoninus‘ Schulter, als sie wiederum einen Bissen verzehrte.

    „Gelyncht...“, wiederholte Romana. Na großartig, das war ja eine noch viel plastischere Beschreibung als die von Septima. Das bestätigte wieder nur ihre Meinung über Wagenrennen, das Vergnügen des ungehobelten Pöbels. Nur Gladiatorenkämpfe waren da abstoßender und langweiliger. „Septima hat mir davon schon erzählt... aber man fragt sich wirklich, was habt ihr denn da getrieben? Ich habe ja schon gehört, dass es zu Morden gekommen ist, nur weil einer mit der falschen Farbe inmitten eines Fanblocks zur falschen Zeit mit seiner Factio mitgejubelt hat... besonders fürchterliches erzählt man sich da von den Blauen. Die sollten ihre Energien lieber zur Götterverehrung und zur Pflege ihrer Ahnen einsetzen!“ Dass sich Durus als Blauer entpuppte, war in ihren Augen durchaus als Minuspunkt zu werten, aber das war jetzt auch schon egal.


    „Verhunzen? Aber nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Gut einsetzen! Zum Wohle der Gesellschaft! Ihr würde das sicher mehr nutzen als hirnloses Verbraten an einer Rennbahn.“ Dabei würde sie bleiben, egal, wie lange Celsus ihr noch einreden wollte, wie schön und wunderbar Rennen seien.


    „Ach, die Thermen“, mischte sie sich in das Thema ein, das Celsus nun aufs Tapet brachte. „Ich mag es immer wieder, dorthin zu gehen... obwohl es bei unseren Besuchszeiten wohl nicht ganz so gymnastisch zugeht wie bei den Männern.“ Sie lächelte kurz und trank aus ihrem Mulsum. „Aber ich muss doch bitten. Alte Pupser. Das ist die Creme de la Creme unseres Reiches.“ Sie zwinkerte Celsus zu, jedoch nicht zu kokett, gerade so, dass er wusste, dass sie das nicht ernst gemeint hatte.


    In genau diesem Moment wurde ihre Gesellschaft ergänzt, und zwar von einer außerordentlich hübschen jungen Dame, die sich für diesen Anlass wohl richtig fein herausgeputzt hatte. „Salve!“, grüßte die Claudierin freudig. „Du musst Aurelia Laevina sein, nicht war? Ich freue mich, dich kennen zu lernen.“ Die Verbeugung kam ihr schon etwas lustig vor. Es war nicht das erste Mal, dass sie sah, dass so etwas vor ihr als Vestalin gemacht wurde, aber trotzdem hatte sie sich auch nach 2 Jahren noch nicht daran gewöhnt. „Ich danke dir, als die Herrin des Hauses, für die große Gastfreundschaft, die mir hier dargebracht wurde“, sagte sie freundlich. Schließlich war Durus wohl nun die Nummer eins in der Villa Tiberia, und seine Frau somit die Hausherrin.

    Serranas Frage war ihr irgendwie unangenehm. Sie wollte keine Extrawurst bekommen, und außerdem hatte sie keine Alternative parat. „Öhm...“, beglückte sie die Anwesenden mit ihrer brillierenden Redegewandtheit. „Ich...“ Sie konnte an sonst nicht anderes denken. War sie so eine Langweilerin? Gut möglich. Sie ließ ihre Schultern ein wenig absacken. „Gut. Dann gehen wir halt zu den Rennen“, stimmte sie zwar etwas unenthusiastisch, aber doch bei. Gleichzeitig dachte sie bei sich, das ging nicht an, dass sie an keine alternativen Freizeitvergnügungen denken konnte, die auch andere ansprechen würde. Denn ein erbauliches Opfer oder eine erhebende Prozession zu sehen war auch nicht jedermanns Sache.


    Ihr Blick wandte sich wieder zur anderen hin. „Decima Valeria...“, echote sie den Namen mit einem dezenten Lächeln, während sie nachdachte, was der Name aussagen könnte. War es eine patrizische Valerierin? Sicher nicht, viel eher eine plebejische Decimerin. „Ich heiße Claudia Romana“, meinte sie, keineswegs hochnäsig, aber doch mit ein wenig Stolz über ihre illustren Vorfahren. „Das hier sind Germanica Calvena, Iunia Serrana, Tiberia Septima, Iunia Axilla”, stellte sie die Frauen nacheinander vor, in der frommen Hoffnung, niemanden vergessen oder einen Namen durcheinander gebracht zu haben.


    Gleichzeitig dachte sie sich aus, was für eine hagere Gestalt die Frau war... schonungslos nämlich offenbarte die Nacktheit jegliche körperliche Mängel hier in den Bädern. Und bei Valeria war sich Romana ziemlich sicher, dass jene abbrechen würde, wenn man sie nur leicht bog.

    Sie nickte, als Calpetana fortfuhr und auch ziemlich gleich die nächste Frage stellte. Die Frau war mit ihren Fragen knallhart, viel mehr als Occia! Aber nun ja, sie sollte ja etwas lernen.


    „Die Matronalia... hmm... das ist ein Festtag der Iuno.“ Sie überlegte. Das hatte sie doch schon einmal gehört! „Der Iuno Licina, die Göttin der Geburt. Für uns Vestalinnen ist er relevant als Tag der Erneuerung. Im Tempel wird das ewige Feuer der Vesta neu geschürt. Es ist ein spezifisches Ritual, wo Hölzer gegeneinander gerieben werden. Außerdem ist es wie die Saturnalia der Frauen – Sklavinnen werden von ihren Herrinnen bedient. In der Theorie zumindest“, fügte sie hinzu.

    Auf die Fragen von Calvena, die jene gestellt hatte, als sie aus dem Cubiculum gegangen waren, hatte sie auch keine Antwort gewusst. Woher bekam man Himbeeren im Winter? Vermutlich aus irgendwelchen Plantagen in Africa. Oder woher auch sonst immer. Sie hatte sich bis jetzt weder darüber verwundert, noch würde sie es in Zukunft tun. Für Vestalinnen wurden immer gern neue Quellen aufgetan, es war ihr Recht, nur das Beste vom Besten zu bekommen!


    Sabinas Frage hörte sie, als sie das Lararium betraten. Sie schmunzelte zu ihr hin. „Oh ja, meine Liebe. Ich bin sehr gerne Vestalin.“ Sie meinte es ernst. Auch wenn mit ihr hie und da die Pferde durchgingen, und sie sich die intime Gesellschaft eines Mannes wünschte – was sie hatte, war besser als das. Ihr Vater hätte sie vielleicht an irgendeinen alten, hässlichen, impotenten Sack verheiratet, und dann hätte sie niemals das Vergnügen gehabt, von dem die jungen Frauen immer hinter vorgehaltener Hand tuschelten. Aber davon musste Sabina ja nichts mitbekommen. „Wir haben hier ein sehr schönes, luxuriöses Leben! Es wird uns alles geboten, was wir wollen. Wir haben auch Aufgaben, ja, aber diese sind nicht schwierig, wenn sie erst einmal Routine sind“, erzählte sie Sabina. „Und niemand wagt es, uns keinen Respekt zu zeigen. Und den Kaiser können wir als Vater bezeichnen. Es ist wundervoll“, strahlte sie die Kleine an.


    Romana blickte noch eine Spur stolzer drein, als Sabina zu staunen begann. „Ja, es ist ziemlich groß. Immerhin wird hier der Genius des Kaisers verehrt, nicht nur die Ahnen einer Familie. Sozusagen ist das hier die offizielle Stelle der Verehrung unseres Kaisers.“


    Nur zu gerne war sie bereit, Sabina die Reliefs zu zeigen. „Das hier sind die Kaiser und Pontifices Maximi der Vergangenheit. Nichts angreifen!“, warnte sie. „Das hier ist Iulianus... und das Traianus... das hier sind die flavischen Kaiser... das ist Augustus... und hier beginnen schon die Pontifices Maximi vor den Kaisern! Lepidus... und Caesar, siehst du?“ Streng und weise blickte der steinerne Iulier von seinem Relief herunter. „Sind sie nicht schön?“ Vermutlich schöner, als sie es in Wirklichkeit gewesen waren.

    „Wagenrennen? Denkt ihr wirklich, dass das eine so gute Idee ist?“, fragte Romana und verzog ihr Gesicht kaum merklich. Sie war wirklich kein Freund davon, und wusste, dass sie sich langweilen würde. Wenn aber wirklich alle dafür wären, würde sie sich mitschleifen lassen, und dann gleichgültig sich so ein Rennen anschauen, von dem alle so sehr schwärmten, und hoffen, dass der Endlauf bald einmal vorüber wäre. Was bliebe ihr sonst übrig? Wenn sie Glück hatte, würde sie eine halbwegs akzeptable Jause auftreiben, von der sie dann zehren und den faden Trubel vergessen könnte.


    Axilla redete nun los, dabei mit Namen um sich werfen, die Romana in Erstaunen versetzten. Axilla tat so, als hätte jeder diese namen schon gehört, bei der Claudierin war das aber nicht der Fall. „Aelius wer?“, fragte sie nach. Sie kannte keinen einzigen Aelier. Nun, er würde ihr schon noch über den Weg laufen, wenn es wirklich auf Wagenrennen hinauslaufen würde.


    „Wer ist dein Arbeitsgeber?“, fragte sie die Iunierin, die schon wieder so tat, alles wüssten alle alles über sie.


    In genau diesem Moment gesellte sich eine Frau zu ihnen, die Romana nicht kannte. Die Claudierin war sich ganz sicher, dass sie jene noch nie gesehen hatte, weder hier in Rom noch sonstwo. Immerhin grüßte sie... doch wen von ihnen genau? „Äh, salve“, entgegnete Romana den Gruß. „Kennen wir uns?“ Sie bezweifelte das.

    Das Erste, was sie vom Fest mitbekam, als sie die Casa betrat, war der unwiderstehliche Geruch. Er wirkte fast magnetisch. Am Liebsten hätte sie jetzt alles sein lassen und wäre ihm in die Küche nachgefolgt. Aber sie hielt der Versuchung stand, auch wenn es ihr schwer fiel und ihren Magen verlasste, zu knurren. In der Hoffnung, niemand würde hören, was sich in ihrem Bauch abspielte – er war ja durch ihren Ornat gut abgeschottet - , wandte sie sich mit aller macht Richtung Fest hin und ging auf die Leute zu. „Salvete miteinander“, begrüßte sie die schon eingetroffenen Gäste, konnte sich aber nciht allzu lange mit ihnen beschäftigen, da erblickte sie schon Chaerea. „Salve, Chaerea!“, begrüßte die Vestalin diese. „Danke nochmals für die Einladung... es duftet ja ganz verführerisch! Sag, wann werden denn Calliphana und Centho eintreffen?“, fragte sie neugierig, während sie den Blick über die Gäste schweifen ließ. Lustige Gestalten. Ein Opa mit langem Bart, offensichtlich ein Senator, eine alte Schreckschraube, die sie als Germanica Laevina wieder erkannte, der eine oder andere Schönschlumpf, der müssig herumhing, ein paar dekorativ dazu passende Gurken, die sie nicht kannte. Oder halt, das da hinten waren ja Serrana und die andere, wie hieß sie nochmal, Asina, Atilla, nein, Axilla. „Ah, da ist sie ja“, kommentierte sie, ihre eigene vorhin gestellte Frage beantwortend, als Calliphana den Raum betrat, gefolgt von Calvena.

    Was? Der Hüne schien tatsächlich erschrocken zu sein. Vor ihr? Nun, sie war nicht einmal so groß wie dieser grauenhafte Hüne, und so stark bei Weitem nicht. Er kam ihr eigentlich nicht ganz koscher vor, und sie atmete auf, als er sie durchließ. „Danke“, brachte sie hervor, bevor sie in die Casa ging, zum Feste hin.

    „Die Vestalia wird vom 7. bis zum 15. Juni gefeiert, das eigentliche Datum ist aber der 9. Juni“, antwortete die Claudierin.*


    „Nun, in erster Linie, wie du schon gesagt hast, mola salsa. Natürlich gehört auch Weihrauch zu einem Opfer... Brot und Gemüse opfern sie sicherlich auch. Einfache Lebensmittel halt“, fasste sie zusammen. „Und, ihre Opfergaben tragen sie auf einer Platte.“ Das fiel ihr jetzt noch ein, obwohl es nicht wirklich etwas mit der Frage zu tun hatte.


    Sim-Off:

    *Bin jetzt zu faul, um es umzurechnen. :D

    „Na gut. Dann vertraue dir einmal und denke, du hättest spätestens jetzt abgelehnt“, meinte Romana. Die Harfenspielerin, die sie meinte, war Siobhan, eine der wenigen nicht-griechischen Sklavinnen im Atrium Vestae. Eine Skotin aus Dal Riada, zumindest sagte sie das (auch wenn Romana sich überhaupt nicht vorstellen konnte, was das sein sollte). 1900 Jahre später würde man sagen, Dal Riada hätte in der Nähe von Glasgow gelegen, obwohl man dies dann auch nicht genau wissen würde.
    „Du kannst Harfe spielen?“, fragte sie nach. „Das ist ja ein keltisches Instrument... wenn man hier ein Instrument lernt, ist das die Kithara oder die Lyra. Oder die Flöte.“ Sie schüttelte den Kopf. „Sachen kannst du, das ist ja gigantisch.“ Noch einmal musste sie an Calvenas Vergangenheit denken, die noch wilder sein müsste, als sie angenommen hatte. Was ihr dabei komisch vorkam war, wie eine junge Frau so lange unter Banditen und Barbaren – genau das dachte sie von den Gauklern - leben konnte, ohne dabei selber wild zu werden. Im Gegenteil, in allem, was Calvena machte, benahm sie sich wie eine tadellose römische Dame. Das war schon... bemerkenswert. Woher hatte Calvena all ihre gebildete Art und Weise, ihre Manieren, ihren Stil, der Romana, der Patrizierin, die traditionalistisch erzogen worden war, manchmal sogar besser vorkam als der Ihre (der hie und da, zugegebenermaße, katastrophal sein konnte)? Wie konnte sie sich so gut beherrschen, dass so selten die wilde Seite, die sie doch unzweifelhaft sich angeeignet haben musste, zum Vorschein kam? Die Gaukler mussten doch gesittetere Menschen sein, als sie es bisher angenommen hatte.
    Sie musste nun aber wieder lächeln. „Meinst du wirklich, ich hätte dir das mit dem Wein erzählt?“, feixte sie. „Na ja, vermutlich. Jetzt weißt du es. Und ach ja, wenn du dich fragst, woher die Himbeeren sind – das weiß ich nicht, die hat eine Sklavin vom Markt gekauft.“
    Sie blinzelte, als sie ihr mitteilte, Valerian wäre nicht in Rom. „Ah, auf Spezialauftrag?“, vermutete sie. „Nein, sind wir leider nicht.“ Sie versuchte zu verdrängen, was ihr dort Schlechtes widerfahren war.
    „Gut, machen wir das“, meinte Romana befriedigt – und es war gut, dass sie nicht erfuhr, dass Calvena sich insgeheim dachte, sie würde die Hochzeit ruinieren. Die Vestalin wäre ehrlich gekränkt gewesen, denn auch wenn sie Valerian nicht mochte, sie wollte Calvenas Glück, über deren Existenz sie nun wusste, nachdem die beiden sich in der Bibliothek ausgesprochen hatten, nicht zerstören.
    Sabina bekam die Wahl, sich anzusehen, was sie wollte, und entschied sich. Zuerst also das Lararium. Sie nickte. „Dann kommt mit.“ Sie machte ihre Türe auf und ließ die beiden hinausgehen, bevor sie selber ihr Cubiculum verließ und die Türe hinter sich zumachte.


    >>>

    Romana führte Calvena und Sabina aus ihrem Cubiculum durchs Atrium Vestae durch bis zum Lararium, welches nicht allzu fern von den Wohnräumen entfernt lag. Der Kultraum für die Laren des Kaisers und damit des Staates war ein wenig größer als die meisten Zimmer des Atrium Vestae. Es war mit Marmorfliesen verlegt, und an der Wand hingen Reliefs von verschiedenen Kaisern. Erst kürzlich wurden Reliefs von Traianus und Iulianus aufgehängt, sie waren sofort als die neuesten Portraits sofort sichtbar. In der Mitte des Raumes stand ein mehr oder minder lustiges Figürchen, welches den Genius des Kaisers darstellte. Davor prunkte eine Opferschale.
    Romana breitete die Arme aus, als ob sie voller Stolz ihren beiden Gästen das zeigen wollte, was sie selber errichtet hatte. Das hatte sie zwar nicht, aber es war ihr Heim, eines, in das sie nicht durch Geburt, sondern durch den eigenen Einsatz hingekommen war. „Das hier ist das Lararium“, erklärte sie unnötigerweise. „Hier wird den Laren geopfert.“ Am makellos weißen Boden sah man, dass es zumeist unblutige Opfer waren. „Doch schön, oder?“ Zumindest, wenn man Marmor mochte. Denn das ganze Zimmer strahlte in einem ein Beigeweiß, welches von feinen schwarzen Linien durchzogen war. Es war bestes etrurisches Marmor, an so etwas kamen Normalsterbliche gar nicht.

    Himmel hilf. So ein Kalb von einem Mann. Sie hätte sich niemals denken lassen, dass es so was gab – und pechschwarz war der Knabe, ein Nubier, wie es schien. Romana beäugte ihn erst erstaunt, bevor sie ihren Schleier zurückschlug. „Salve. Claudia Romana mein Name. Ich bin eingeladen auf die Verlobungsfeier von Iulius Centho und Furia Calliphana – hier ist die Einladung.“ Sie zückte das Schreiben von Sergia Chaerea. Aber vermutlich konnte der Kerl eh nicht lesen, so wie der aussah. Und so wie er Latein sprach. Das war ja wirklich zum Davonrennen. Konträr dazu blieb sie aber, wo sie war, und schaffte es noch dazu, nett zu lächeln.

    Schon lustig, zu vielen Festen man in Rom heutzutage eingeladen wird, dachte sich Romana, als sie zur Casa Iulia hinaufstieg. Sie war gegangen, ganz protzig mit Wagen und einem Heer von Sklavinnen wollte sie als noch-Vestalinnenschülerin nicht erscheinen. Gekleidet war sie in einem prachtvollen Vestalinnengewand, hinter ihrem Schleier konnte man das gesicht kaum sehen, nur das Inful, ein rot-weißes Stirnband, konnte man deutlich herausstechen sehen. Doch allein durch die riesige Statur der Frau, welche inmitten dieses Meeres aus weißem Geschmeide verborgen sein musste, konnte man erahnen, wer es war.


    Mit Schritten, die sie so grazil setzte wie nur möglich, näherte sie sich der Porta, erhob die Hand – wobei der Schleier gelüpft wurde und man die rechte Gesichtshälfte sehen konnte – und klopfte an. Sie ließ ihre Hand wieder sinken, sodass der Schleier wieder ihr Gesicht verdeckte. Nun hoffte sie, dass man ihr aufmachte – ihre Einladung hatte sie ja schon eingesteckt.

    „Ja, und wenn ich wenigstens dich erschreckt habe, hat das auch einen Sinn gehabt“, kicherte Romana und schüttelte den Kopf über sich selber. Hie und da konnte sie reichlich albern sein, aber nur in der Gegenwart von Leuten, denen sie vertraute.


    Calvena hingegen hörte sich so an, als wäre sie schon in Alexandria gewesen. Romana blickte ihre Freundin erstaunt an, sagte aber nichts. Sie hatte sich vorgenommen, nichts über Calvenas Vergangenheit zu fragen. Die Germanicerin sollte ihr so viel erzählen, wie sie selber wollte, Romana wollte nichts herbeierzwingen.


    „Wenn sie nur von unseren guten Seiten erzählt hat, dann hat sie wohl nicht viel von uns erzählt“, scherzte sie, aber ein Teil von ihr meinte es ernst. Sie selber war beileibe nicht der personifizierte Schaulauf der Perfektionen. Wer an ihr etwas zu mäkeln finden wollte, musste nicht lange suchen – ob es ihre leicht ungeschliffenen Tischmanieren waren, ihre hie und da mehr als nur undamenhafte Art, ihre leichte Erregbarkeit, ihre fast schon unheimliche Frömmigkeit, der auch mit religiöser Intoleranz einherging – sie selber wusste über ihre Schwächen Bescheid, und stand dazu.


    Axilla erzählte ein wenig was von Alexandria, und Romana hörte interessiert zu. Das klang nicht schlecht. Sie würde wohl nicht mehr dorthin kommen, aber dort lebten sowieso nur unkunde Fellachen und effeminierte Griechen. Also, da gewann sie dem guten alten Italia viel mehr ab. Als Frau mochte man in Alexandria viele Freiheiten haben, aber sicher nicht so viele Freiheiten wie die Vestalinnen, die bis auf die Magistratslaufbahnen all das tun durften, was Männer auch tun konnten. Bis auf das eine... das... Dings.


    Wagenrennen also. Sie stellte sich das öde vor, aber das hatte sie Septima ja schon gesagt. Sie lächelte aber nur freundlich und blickte nur umher. Hinter ihnen war eine Frau, die Romana nicht kannte. Sie druckste ein wenig herum, wie es schien. Romana wäre es herzlich wurscht, würde sie sich zu ihnen gesellen.