Die Nacht war sehr kalt, wohl die kälteste von all jenen, die es in diesem Jahr geben würde. Gegen Abend hin war die Temperatur so tief gesunken, dass sich alle Vestalinnen in ihre gut geheizten Zimmer verkrochen hatten. Auch Romana. Obwohl sie gerne von sich sagte, dass ihr Kälte wenig ausmachte, hatte auch sie sich der Temperatur entsprechend hergerichtet. Sie war in ein langes, enges Nachtkleid geschlüpft, welches recht gut ihre eigenen Körperwärme einfing, und hatte sich in eine extradicke Decke eingemummelt, während die Fußbodenheizung unter ihr einheizte. So war die Temperatur wieder erträglich, und Romana spürte die Wärme angenehm in sie hineinkriechen, als sie entschlummerte, und ins Reich der Träume glitt.
Das Reich der Träume betrat sie. Angetan in der Tracht einer römischen Matrone. Inklusive aufgestecktem Haar. Schmuck an meinen Armristen. Ich fühle die Schminke in meinem Gesicht, klebrig, jedoch nicht unangenehm. Wo war sie? Ich kenne den Ort nicht. Ich habe ihn noch nie gesehen. Nichts war so, wie es gewesen war. Alles war anders. Wieso hieß dieser Ort Villa Atilia? So heißt diese Villa. Die Atilia. Eine patrizische gens. Wie kommt es, dass ich hier bin...? Ihr Mann. Da drüben. Wie hieß er? Ich kenne den Namen doch. Sie waren verheiratet. Aber sie konnte nicht verheiratet sein, sie könnte nie heiraten, sie war glücklich verheiratet. Und das bin ich schon seit einem halben Jahr, mein Vater hat dies arrangiert. Das konnte nicht sein, hatte sie das auch gewollt? Doch, ja... Sie hatte zugestimmt, weil mein jetziger Gatte mir so sympathisch war, ein Mann mit Manieren und Niveau. Wieso fühlte sie sich so schwer an – vom einen Moment auf den anderen? Sie blickte an sich herunter. Ich bin dick... ich bin schwanger. Von meinem Mann... von ihm... er heißt... Romana riss ihre Augen auf.
Und starrte an die Decke ihres Zimmers, an den Sternenhimmel, den ihr der Gallier auf die Decke gemalt hatte. Es war ihr heiß. Sie strampelte die Decke ab, was sich ob des unpraktischen Schnitts ihres Nachtkleids als sehr schwierig erwies, und suchte wieder zu schlafen. Doch es gelang ihr nicht mehr. Nach so einem Traum konnte man nicht mehr schlafen. Mehrere Male griff sie sich an ihren Bauch, der flach wie ein Brett war – sie hatte frühere Gewichtsprobleme seltsamerweise in den Griff bekommen, obwohl sie nicht weniger aß als früher. Vielleicht tat die Arbeit im Atrium Vestae das Ihre.
Ewig lag sie da. Die Morgenröte brach ein. Die Sonne war daran, am Horizont aufzugehen, um einen klaren, kalten Tag einzuläuten. Erst jetzt schlief sie ein – um doch noch eine Stunde Schlaf für diese Nacht zu bekommen.
Was sie noch nicht wusste, war dass dies nicht der letzte Traum dieser Art sein sollte, den sie haben würde.