Es war wärmer geworden. Es war der Schirokko, der Marin, der Südwind, der ein wenig von der Kälte vertrieben hatte. Aus Afrika kommend, wenn auch nur schwach, hatte er das Frühjahr eingeläutet. Die Abende waren wärmer geworden, spürbar wärmer. Es hellte auf, die Tage wurden länger, die Nächte kürzer. Und doch kam sie, und wie die Dunkelheit kam, so hellten sich Lichter in der Stadt auf, nur um bald wieder zu erlöschen, ein Zeichen, dass sich die Einwohner der betreffenden Wohnstätten zur Ruhe begeben hatten. Auf den Straßen hörte man das Rufen der Fuhrleute, das Wiehern der Pferde, das Knarren der Räder, wenn auch nur gedämpft – zumindest in den Häusern, deren Wände gut isoliert waren.
Auch im Atrium Vestae war zur Abendruhe gemahnt worden. Die claudische Vestalinnenschülerin, die mit jedem Tag ihre Erhebung zu einer voll qualifizierten Vestalin näher rücken sah, begab sich auch zur Ruhe. Ihr letzter Traum, der schon eine Woche oder so her war, den hatte sie nicht vergessen. Sie hatte niemandem davon erzählt, sie hatte es als seltsame Kuriosität abgetan.
Dass der Tag lang und schaffensreich gewesen war, bemerkte man gut daran, dass Romana, nicht mehr Mädchen, aber noch nicht ganz junge Frau – als solche würde sie sich erst bezeichnen, wenn ihre Lehrzeit vorbei war – sofort einschlief, nachdem sie in ein schon viel leichteres Schlafgewand und unter die Decke geschüpft war.
Sie glitt ab, mental. Klischeehaft würde man sagen, ins Reich der Träume. Doch so ein Ausdruck war kitschig, und Romana war keine Freundin der überkitschten Beliebigkeit. So konnte man nur sagen – sie träumte. Wieder.
Sie saß in einer Sänfte, und lugte durch das Fenster hinaus. Straßen. Das Getrappel von Sklaven. In ihrem Magen rumorte es. Nein, es war nicht ihr Magen, es ist mein Bauch, etwas bewegt sich drinnen. Ich kann es spüren. Auch er kann es spüren. Man sah es daran, dass er – er sitzt neben mir, in der Sänfte – seine Hand auf ihren Bauch legte und lächelte. Wenn es ein Junge wird, benennen wir ihn nach uns. Gaius Atilius Romanus. Ich bin mir sicher, es wird ein Junge. Sie wollte etwas sagen, aber sie brachte nichts heraus – sie lächelte nur zurück, als ob es das Normalste wäre, mit einem Wildfremden in einer Sänfte zu hocken, hochschwanger, wie es aussah, und sein Kind zu tragen. Doch es ist normal. Wir sind verheiratet. Auf einmal – ein Schmerz. Wie eine Explosion. Es kommt. Es kommt...
Sie fuhr hoch und keuchte. Fast hätte sie einen spitzen Schrei gelassen, der das ganze Atrium aufgeweckt hätte. Sie saß wieder in ihrem Bett. Nicht mehr in der Sänfte. Alles war normal, aber Romana war eingeschüchtert. „Was zum Henker ist... das...“, murmelte sie verständnislos und blickte sich um. Niemand war da, kein Atilius, kein Bauch, kein Kind, keine Sänfte. Nur sie, in ihrem Zimmer.
Mit einem Stöhnen ließ sie sich zurückfallen in ihr Bett. Doch innerlich reifte ein Wunsch in ihr. Sie wollte... saure Gurken mit Marmelade.
Ob des obskuren Gedankens hielt sie inne, schüttelte ihr lockenbehängtes Haupt ungläubig und schlug sich mit ihrer rechten Hand an den Kopf, wie zur Selbstgeißelung. Ihr entfuhr ein undefinierbarer Laut. Romi, du wirst verrückt, schimpfte sie sich innerlich aus, drehte sich auf die rechte Seite, und schaffte es irgendwann, einzuschlafen – traumlos dieses Mal.