Beiträge von Claudia Romana

    Romana lächelte nur und nickte ihrer Freundin kurz zu. Was Calvena versprach, das würde sie auch einhalten, da war sich die Claudierin ganz sicher. Sie blickte noch einmal kurz Sabina nach. Sie war ein so liebes Mädchen, dachte sie sich, und verbiss sich die Aufforderung, die Statuen nicht zu berühren – und vor allem, ihre Blumen nicht zu pflücken! Nur lebende Blumen waren für sie schön und interessant, gepflückter, ihres Lebens beraubter Flora konnte sie wenig abgewinnen. Sie würde hinterher die Blumen halt einfach entfernen. Sabina blieb vor einem der großen Impluvia stehen, die eigentlich gar keine Brunnen waren, sondern nur Wasserbecken. „Pass auf, dass deine Base da nicht reinfällt. Ist recht tief“, gab Romana zu Bedenken und deutete mit ihrem Zeigefinger zu Sabina hin.


    Als Calvena Romana erzählte, wie Sedulus es mit der Religion hielt, blinzelte sie sehr verblüfft. „Ein Senator, der es nicht um die Religion kümmert? Das ist ja... fast so wie eine Vestalin, die sich nicht um Religion kümmert!“ Ein Senator, der seine religiösen Pflichten schleifen ließ, war ein ausgewachsener Skandal (zumindest war sie sich darin sehr sicher). Senator sein war ja immerhin mit vielen religiösen Pflichten und Tätigkeiten verbunden. „Bringt er sich in gar nichts ein? Keine religiöse Vereinigung, keinen Kult, nichts?“, fragte Romana Calvena ziemlich verdattert. „Wie dem auch sei, du solltest bald beginnen, ihr etwas über die Religion beizubringen. Es würde ihr daraus ein Nachteil fürs Leben erwachsen, nichts darüber zu wissen.“

    Sim-Off:

    Autsch. Man kommt zu gar nichts mehr dieser Tage... :(


    Die Erklärung der Aurelia für ihre leichte Verwirrung klang einleuchtend, zumindest für die Claudierin, die auch schon einige Nächte durchwacht hatte – hauptsächlich als Resultat auf ihre seltsamen Träume, die sie regelmäßig plagten, und die sie nicht erklären konnte. Noch war diese Entwicklung nicht beunruhigend – Romana konnte so etwas nicht einfach nur so einschüchtern – aber bald einmal würde sie mit jemandem darüber reden müssen...


    Ach was. Sie schüttelte ihre Gedanken ab, und ließ ihren Blick wie zufällig auf den auf einer Kline mit einem ziemlich doofen Gesichtsausdruck auf ihn starrenden Celsus fallen. Schmuck sah der Tiberier schon aus... wenn er nicht grade dreinschaute wie ein Ochs vorm Tor. Das mussten noch die Nachwirkungen ihrer Meinung sein. Der Gute wäre beileibe nicht der erste, den sie mit ihrer doch etwas seltsamen Art aus dem Ruder gebracht hätte, und es würde auch nicht der letzte sein. Romana schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, unbeeindruckt von der lustigen Mimik, die er schnitt.


    Was war das, irgendwas von Thermen? Romana hatte nicht richtig zugehört, aber es ging wohl darum, dass Celsus sich zierte, zusammen mit Septima ein Bad zu nehmen. Konnte sie da eine gewisse sexuelle Konnotation heraushören? Nun ja, da war der junge Tiberier wohl ein bisschen prüder, wie sie ihn eingeschätzt hatte. Oder war er gar... sie schnaubte aus, als sie den Gedanken nochmal durchging. Nur, weil jemand Anstand zu haben scheint, muss das nicht heißen, dass derjenige warm wie ein Backofen ist. Das Manöver, den Consul mit einzubeziehen, war dahingehend durchaus raffiniert – sicher würde dieser mit seinem Wanst und seiner Knubbelnase enorm abtörnend wirken. So lächelte sie nur fein und damenhaft in die Runde, entschlossen, sich zu keinem Kommentar diesbezüglich hinreißen zu lassen. Das könnte in einem Desaster enden. Wie schon passiert.


    Als Durus wohl ihre Größe auffiel, und er wohl ein wenig undiplomatisch damit herausplatzte, musste sie lachen. Früher, in der Unsicherheit der Pubertät, wäre sie sicherlich eingeschnappt gewesen, doch heute hatte sie genug Gelassenheit entwickelt, Bemerkungen dieser Art nicht als Affront zu sehen. Im Gegenteil, sie war, nun, dass sie sich damit abgefunden hatte, sehr stolz auf ihre Größe. Und sei es auch nur deswegen, weil man da oben die bessere Luft hatte. „Ja, das stimmt wohl. Aber ich glaube, ich bin jetzt fertig. Schade eigentlich“, scherzte sie, als ob sie wirklich nichts Besseres zu tun hätte, als zu wachsen, bis sie Einsicht in die Gefilde der Götter über den Wolken haben würde.


    „Sicherlich, sicherlich“, bot Romana, die sich gerade aufrichtete, Septima an. „Setz dich nur hin.“ Sie klopfte mit ihrer rechten Hand auf den Sitzplatz, der für Septima angedacht war. „Wo wir waren?“ Sie drehte nachdenkend eine Locke mit ihrem rechten Zeigefinger herum. „Nun...“ Wagenrennen, aber dieses Gesprächsthema war ihr irgendwie unangenehm geworden. Und Gesang. Na ja, auch so ein Randthema. Um keines von diesen Themen mehr anzuschneiden, musste eine Notlüge her, zusammen mit einem abrupten Themenwechsel. „Ich kann mich gar nicht mehr erinnern... ach ja, Consul? Ich wollte etwas fragen, und zwar, wie sich mein lieber Vetter, Quintus Claudius Lepidus, bei dir macht.“

    Romana hatte bisher scheinends nichts falsch gemacht, wurde nicht korrigiert, auch nichts wurde ergänzt, im Gegenteil, die Vestalin schien sehr erstaunt über ihr Wissen. Sie nickte, als sie aufgefordert wurde, weiterzureden. Sie erhob sich aus ihrem gemütlichen Stuhl und legte die Leber in ihre linke Hand. „Die Leber wird so in die Handfläche gelegt, dass der freundliche Teil auf mich zeigt, und dass der feindliche Teil von mir wegzeigt. Die Finger der rechten Hand benutze ich, um die Leber zu untersuchen.“ Sie demonstrierte dies, fuhr mit ihren langen, gepflegten Fingern über die Leber, streichelte sie fast. „Verknotungen und sonstige Hässlichkeiten auf einem Haus sind negativ, wenn sie auf der freundlichen Seite sind, und gut, wenn sie auf der feindlichen Seite sind. Denn auf der feindlichen Seite befinden sich übel gesonnene Gottheiten, beziehungsweise ihre schlechten Eigenschaften. Nehmen wir zum Beispiel Maris – also Mars. In seiner guten Eigenschaft stellt er Fruchtbarkeit bei der Ernte dar, in seiner schlechten Krieg und Verwüstung. Befinden sich schlechte Zeichen auf dem Haus des Maris, welches im freundlichen Teil liegt, heißt das Unfruchtbarkeit und Dürre. Befinden sich schlechte Zeichen auf dem Haus des Maris, welches sich in feindlichen Teil befindet, ist das ein sicheres Zeichen, dass die schlechten Eigenschaften des Maris – Krieg und Verwüstung – absent sein werden – Frieden verheißt dieses Zeichen. Umgekehrt, wenn sich gute Zeichen – zum Beispiel eine helle Verfärbung – auf einem Haus befindet, heißt dies genau das umgekehrte. Manchmal natürlich weigern sich die Götter, eine klare Aussage zu geben. Dann muss man sich mit Ungewissheit zufrieden geben, oder weiteropfern, bis man ein Ergebnis hat.“


    Sie blickte weiterhin auf die Leber. „In ihrer simpelsten Form schließt die Haruspizin auch nur darauf, ob das Opfer angenommen ist oder nicht. Wenn sich die Leber in einem guten Zustand befindet, ist es angenommen, wenn nicht – also, wenn sie Dellen, dunkle Verfärbungen, Knoten und dergleichen aufweist - , ist es nicht angenommen. Das ist ein schlechtes Zeichen für den Opfernden. Ein Sühneopfer wird gebraucht, um göttlichen Zorn abzuwenden. Die Grenzen zwischen diesen beiden Arten von Haruspizin ist fließend, nicht existent, sagen einige. Aber um eine genaue Aussage zu bekommen über die Zukunft, muss das Tier dementsprechend rituell geopfert werden – zum Beispiel dem Apoll, oder Aplu, wie die Etrusker ihn kennen. Dieser bietet im Tausch für das Opfer eine genaue Aussage der Zukunft, wenn man ihn eben darum bittet.“


    Sie blickte von der Leber auf zu ihrer Lehrerin. Gab es etwas zu ergänzen oder zu korrigieren?

    Sie lächelte, als Calpetana ihre Worte bestätigte und blickte gespannt drein, als Calpetana versprach, ein Modell einer Leber aufzutreiben. Kaum war die Leber aus einem Korb herausgezaubert worden, wurde sie ihr in die Hand gedrückt. Ehrfürchtig betrachtete die Claudierin das Bronzemodell und lächelte es verträumt an. „Es ist so schön...“ Sie schüttelte den Kopf, als könne sie es nicht wahrhaben.


    „Gut... also...“ Was gab es da zu sagen über die Leber? „Gut, die Leber ist in Häuser unterteilt. Jedes haus gehört einem Gott. Die Unterseite besteht aus nur zwei Häusern, sie gehören...“ Sie entzifferte die etruskischen Zeichen. „...Tifs und Vsilis.“ Sie sprach die komplizierten Götternamen ohne Probleme und akzentfrei aus. „Auf der Oberseite gibt es eine große Anzahl von Häusern. Diese Pyramide links stellt einen Lappen der Leber da... die Ausbuchtung weiter oben den Ausgang der Venen... und das kegelförmige Ding die Gallenblase.“ Sie schaute weiter. „Es gibt die äußeren und die inneren Häuser. Die äußeren sind am Rand, die inneren in der Mitte. Auf der westlichen Seite befinden sich die etruskischen Gottheiten, die Schlechtes ankündigen – Vetis zum Beispiel, oder die Dämonin Alpan - auf der östlichen die, die gute Omen verheißen, wie Tins, den wir als Iuppiter kennen, oder Uni, die bei uns Iuno heißt.“

    Es waren die Manen, denen Romana opfern sollte. Ein Sklave trug neben ihr eine Patera her, die fast bis zum Rand voll war mit Milch. Dieses Opfer würde den Manen wohl gefallen, dachte sich Romana, als sie ihre Waschung vollzog. Sie tauchte ihre Hände, nachdem ihr Vater den ihm zugedachten Teil vollzogen hatte, ins Becken ein, und sprach den selben Spruch wie ihr Vater. „Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es.” Ihre Stimme, nicht allzu laut, aber hörbar, durchdrang den Tempel. Sie zog ihre Hände wieder heraus und legte sie, die noch tropften, auf den Altar. Sie wartete, bis das Nass ein wenig verronnen war, dann streckte sie ihre Hände in die Höhe. Kerzengerade stand sie, was die große Claudia noch titanischer erschienen ließ.


    „Manen der gens Claudia! Wenn es recht ist, im Tempel meiner Familie für dieses Fest zu opfern, um dieser Sache willen möget ihr geehrt werden durch dieses Festopfer!“


    Ihr wurde vom Sklaven die Patera gereicht. Vorsichtig schüttete sie den Inhalt in den Foculus hinein. Dabei rezitierte sie: „Manen, möget ihr durch dieses Festopfer geehrt werden!“ Sie richtete die Patera wieder waagrecht hin, als die Milch vergossen war, ließ sie sich vom Sklaven abnehmen, und machte dann eine abrupte Drehung nach rechts, bevor sie abging.


    Die Manen waren nun befriedigt – nun mussten die Laren und die Genii gesättigt werden!

    Calvena erwiderte nichts mehr auf ihre Worte hin. Vielleicht war es auch das beste so, so wurde claudischem Unmut nicht noch mehr Nahrung gegeben. Denn irgendwie hatte Romana noch immer nicht ganz den Eindruck, dass Calvena wusste, dass dieser Unmut rein aus Sorge um sie geboren ist, nicht, weil sie absichtlich Calvenas Leben sabotieren wollte. Sie konnte nichts dagegen machen, und sie würde es auch nicht tun – sie hatte sich ja vergewissert, dass Calvena sich sicher war. Sie nickte nur, als Calvena ihr ausweichend antwortete. Das konnte irgendwann sein. „Schreib mir am Besten eine Nachricht“, bat sie.


    Mit einer Mischung aus Verwunderung und Stolz blickte sie zu Calvena hin. Calvena musste wohl ihre aufmunternden Worte sprechen, weil sie dachte, Romana würde sich schämen, und bedurfte nun ein paar beruhigender Phrasen. Dies war überhaupt nicht der Fall. Romana war immens stolz auf das, was sie geleistet hatte, und zweifelte kein bisschen an der Richtigkeit ihres Tuns. Sie war mit dieser Arbeit schließlich von der Obervestalin betraut worden! „Ja, sicher... danke“, entgegnete sie trotzdem mit einem Lächeln.


    Vielleicht hätte sie das mit dem Mord nicht erzählen sollen, Sabina wirkte ein bisschen verschreckt. Sie war schon verunsichert gewesen wegen des Blickes der Flavierin. Romana blickte auf zu der Statue. Dabei schaute sie gar nicht einmal so streng drein wie manche andere der Obervestalinnen, die hier, versteinert, herumstanden.


    Romana hätte es hierbei belassen können, da merkte sie eines – Sabina fragte nach, was ein Prodigium wäre. Und sprach es falsch aus, als ob sie das Wort noch nie gehört hätte. Sie blinzelte kurz und drehte sich zu Calvena, die ihr das mit einer Engelsgeduld erklärte.


    Sie wartete ein wenig daneben, und als sie Sabina außer Hörweite wieder wähnte, beugte sie sich zu Calvenas Ohr hinunter. „Sag... bekommt dieses Mädchen überhaupt keine religiöse Erziehung?“ Die religiöse Bildung war doch das um und auf – besonders in den hochstehenden Kreisen! Sie würde ihrem Vater auf ewig dankbar sein, dass er keine Kosten gescheut hatte, sie gut auszubilden, vor allem in geistlichen Angelegenheiten.

    Es war wärmer geworden. Es war der Schirokko, der Marin, der Südwind, der ein wenig von der Kälte vertrieben hatte. Aus Afrika kommend, wenn auch nur schwach, hatte er das Frühjahr eingeläutet. Die Abende waren wärmer geworden, spürbar wärmer. Es hellte auf, die Tage wurden länger, die Nächte kürzer. Und doch kam sie, und wie die Dunkelheit kam, so hellten sich Lichter in der Stadt auf, nur um bald wieder zu erlöschen, ein Zeichen, dass sich die Einwohner der betreffenden Wohnstätten zur Ruhe begeben hatten. Auf den Straßen hörte man das Rufen der Fuhrleute, das Wiehern der Pferde, das Knarren der Räder, wenn auch nur gedämpft – zumindest in den Häusern, deren Wände gut isoliert waren.


    Auch im Atrium Vestae war zur Abendruhe gemahnt worden. Die claudische Vestalinnenschülerin, die mit jedem Tag ihre Erhebung zu einer voll qualifizierten Vestalin näher rücken sah, begab sich auch zur Ruhe. Ihr letzter Traum, der schon eine Woche oder so her war, den hatte sie nicht vergessen. Sie hatte niemandem davon erzählt, sie hatte es als seltsame Kuriosität abgetan.


    Dass der Tag lang und schaffensreich gewesen war, bemerkte man gut daran, dass Romana, nicht mehr Mädchen, aber noch nicht ganz junge Frau – als solche würde sie sich erst bezeichnen, wenn ihre Lehrzeit vorbei war – sofort einschlief, nachdem sie in ein schon viel leichteres Schlafgewand und unter die Decke geschüpft war.


    Sie glitt ab, mental. Klischeehaft würde man sagen, ins Reich der Träume. Doch so ein Ausdruck war kitschig, und Romana war keine Freundin der überkitschten Beliebigkeit. So konnte man nur sagen – sie träumte. Wieder.


    Sie saß in einer Sänfte, und lugte durch das Fenster hinaus. Straßen. Das Getrappel von Sklaven. In ihrem Magen rumorte es. Nein, es war nicht ihr Magen, es ist mein Bauch, etwas bewegt sich drinnen. Ich kann es spüren. Auch er kann es spüren. Man sah es daran, dass er – er sitzt neben mir, in der Sänfte – seine Hand auf ihren Bauch legte und lächelte. Wenn es ein Junge wird, benennen wir ihn nach uns. Gaius Atilius Romanus. Ich bin mir sicher, es wird ein Junge. Sie wollte etwas sagen, aber sie brachte nichts heraus – sie lächelte nur zurück, als ob es das Normalste wäre, mit einem Wildfremden in einer Sänfte zu hocken, hochschwanger, wie es aussah, und sein Kind zu tragen. Doch es ist normal. Wir sind verheiratet. Auf einmal – ein Schmerz. Wie eine Explosion. Es kommt. Es kommt...


    Sie fuhr hoch und keuchte. Fast hätte sie einen spitzen Schrei gelassen, der das ganze Atrium aufgeweckt hätte. Sie saß wieder in ihrem Bett. Nicht mehr in der Sänfte. Alles war normal, aber Romana war eingeschüchtert. „Was zum Henker ist... das...“, murmelte sie verständnislos und blickte sich um. Niemand war da, kein Atilius, kein Bauch, kein Kind, keine Sänfte. Nur sie, in ihrem Zimmer.


    Mit einem Stöhnen ließ sie sich zurückfallen in ihr Bett. Doch innerlich reifte ein Wunsch in ihr. Sie wollte... saure Gurken mit Marmelade.


    Ob des obskuren Gedankens hielt sie inne, schüttelte ihr lockenbehängtes Haupt ungläubig und schlug sich mit ihrer rechten Hand an den Kopf, wie zur Selbstgeißelung. Ihr entfuhr ein undefinierbarer Laut. Romi, du wirst verrückt, schimpfte sie sich innerlich aus, drehte sich auf die rechte Seite, und schaffte es irgendwann, einzuschlafen – traumlos dieses Mal.

    „Ganz sicher? Nun, wenn du meinst...“ Besorgt dreinschauen konnte Romana gut, und sie konnte es noch immer nicht ganz lassen, auch wenn der Iulier ihr beteuerte, nichts läge bei ihm im Argen. Auch wenn er weiterhin keinen geraden Satz herausbrachte. Sie würde den Kerl im Auge behalten, nicht, dass er beginnen würde, ihnen die ganze Feier vollzukotzen – wie weiland sie.


    Sedulus antwortete ihr, dass er ziemlich überrascht war, eingeladen worden zu sein. Sie zuckte die Achseln. „Bei den vielen Feiern, die hier in Rom zur Zeit steigen, wundert mich gar nichts mehr.“ Wo war Libo hin? Hmm, er war schon Axilla nachgejappelt. Komische Leute, diese Männer. Antoninus brachte es wenigstens noch zustande, seine Handlungen zu rechtfertigen. Sie musste unwillkürlich lachen. „Dann hat es niemand für nötig befunden, dich einzuladen, Iulius Antoninus? Du Armer.“ Sie schüttelte belustigt den Kopf. „Wie dem auch sei, ich hoffe, du hast dich halbwegs wieder eingekriegt! Und wenn nicht – iss einen Kuchen. Im Ernst. Er ist köstlich, und beim Essen hast du auch einen Grund, abzuschalten und dich menatl vorzubereiten. Ach ja, du hast da Krümel.“ Sie wischte etwas betreten einige davon von seiner Tunika. „Verzeihung...“ Schuldbewusst grinste sie.

    „Nun, sicherlich.“ Das sagten sie alle, aber dann fanden sie niemals Zeit. Nun denn, aufzwingen konnte sie nichts. „Meine Großeltern werden dich sicherlich gut bewirten, wenn du bei ihnen auftauchst... aber du hast recht, das sei die Zukunft.“ Ihre Hand fuhr noch einmal zum Becher und sie trank großzügig heraus.


    Sie freute sich, als Nero ihre Idee aufnahm und für gut befand. „In diesem Falle – gerne. Mein Vater und Quintus sind sicherlich sofort dafür zu haben.“ Ihr Bruder und Ofella hingegen – nun, das konnte knifflig werden. Vielleicht wäre es aber auch gut. Sie sah es nicht gerne, dass ihre Familie in zwei Lager aufgespalten war – und Neros Position darin war noch unsicher. Sie hoffte allerdings, er würde ihnen, der „guten“ Seite, bestehen. „Köche? Mach dir da keine Sorgen!“ Sie lachte und legte ihm kurz ihre Hand auf den Oberarm. „Nur die Besten!“ Sie ließ wieder von ihm ab und legte sich die Hände in den Schoß.


    Nero erzählte ihr über seine Pläne, und in Romana hatte er eine aufmerksame Zuhörerin. „Cursus Honorum, das klingt ja gut. Cultus Deorum, fast noch besser! In welches Collegium willst du eintreten?“ Sicher nicht die Pontifices, schließlich waren diese zusammengesetzt aus den besten und erfahrensten Priestern. „Zu den Haruspices?“ Dies würde sie befürworten, hatte sie doch ein ausgemachtes Interesse an der Haruspizin. „Zu den Auguren?“ Auch Auspizien waren interessant. „Zu den Septemviri?“ Papierkram weniger, aber Organisateure brauchte der Cultus Deorum einfach. „Oder zu den Quindecimviri?“ Dies wäre schlecht, dachte sie – Beschäftigung mit fremden Kulten! Pah! Wer brauchte so etwas? Es war erwiesen, dass die via romana die Beste war, da brauchte man keine ausländischen Quacksalber.


    Sie legte ihren Kopf leicht schief. „Ach, nur so aus Interesse – was ist dein Praenomen?“ Dies hatte er ihr noch gar nicht gesagt.

    „Ah, gut. Na dann.“ Nichts weiter erwiderte sie auf die Ansage der Germanica. Der langsame Beamtenapparat, sie hatte kaum Erfahrungen damit. Es hatte nicht unverhältnismäßig lange gedauert, bis sie auserkoren worden war, ins Atrium Vestae einzutreten. Sie kannte gar keine Beamten, außer Beamten im Sinne von Priestern, und vielleicht war das auch gut so. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie mit dem Beamtenwesen überhaupt nicht konform gehen könnte.


    Romana hatte innerlich schon befürchtet, dass Calvena erzürnt sein würde über ihre Worte. Doch Calvena war nicht Romana, die in Calvenas Situation vermutlich einen Mordswirbel veranstaltet hätte. Im Gegenteil, die Germanica schien sehr erfreut über ihre Worte, die wohl einiges dazu betrugen, den Kopf der Germanica von Sorgen ein wenig zu reinigen. So ließ sie sich zu einem Lächeln veranlassen. „Du wirst sehen, es wird schon alles gut gehen.“ Mehr sagte sie nichts, sie ging nicht auf Calvenas Worte ein. Liebe, oder aber Verliebtheit, war, so dachte Romana, nicht unbedingt etwas, auf was man eine Ehe fundieren sollte. Vernunftehen waren doch das Beste – die Liebe kam dann schon irgendwann. Man musste sich nur ein bisschen Mühe geben. Doch sie verschonte Calvena mit ihren Ansichten - sie wusste selber, wie hoffnungslos altmodisch sie waren.


    Sie nickte wieder, als Calvena ihr sagte, wie sie sich die Sponsalia vorstellte. „Ach gut. Nur Quintilia und Germanica.“ Sie nickte, sie musste ja nicht überall dabei sein.


    „Aha! Dann freue ich mich schon einmal darauf.“ Sie hörte weiter zu, und Calvena gab ihr zu verstehen, wann es möglich wäre. „Sehr gut, wenn er wieder hier ist. Am Besten so schnell wie möglich. Wenn er so ein edler Mensch ist, wie du sagst, wird er mir das sicher demonstrieren können - und dann muss ich mich auch nicht mehr Sorgen machen.“ Wieder mit einem Lächeln wandte sie sich zu ihren geliebten Blumen hin.


    „Ich liebe Gärtnerei. Frag mich nicht, wieso – es beruhigt mich. Es ist wunderschön, weißt du, die Produkte deiner Mühen, die Resultate deiner Liebe, die Früchte deiner Arbeit, emporwachsen zu sehen. Wenn du dich wunderst, wieso sie im Winter blühen – das Atrium Vestae ist immer geheizt, und diese Wärme dringt auch ins Peristylium vor.“ Sie schritt ein wenig das Beet entlang. „Für eine Patrizierin ist das keine sehr angesehene Arbeit, ich weiß. Aber ich lasse es mir nicht nehmen, und tatsächlich bin ich jetzt auch zuständig für den Garten. Wenn du willst, dies ist mein Reich!“


    Mit einem Lächeln drehte sie sich zu Calvena hin und wäre dabei fast an einer Statue angeprallt. „Ah, schau.“ Sie deutete auf die Figur, die auf dem Sockel stand. „Das ist Flavia Agrippina, die Vorgängerin unserer jetzigen Obervestalin. Sie war eine große Frau, würdevoll und weise. Sie wurde im Vestatempel erstochen... das ist schon einige Zeit her. Es war eine ziemlich üble Geschichte, ein Prodigium, und geopfert musste werden, um die Pax Deorum wieder herzustellen.“

    Axilla hatte nicht komplett Recht. Es gab unter den versammelten Frauen schon noch welche, die die Verunglimpflichung des Militärs nicht so hinnahmen.


    Romana hatte zuerst geschwiegen, als hier die Soldateska zerfetzt wurde. Doch nun sah sie, wie sich Axilla ausschaltete, sich quasi ausklinkte. Da konnte sie sich nicht mehr halten.


    „Ich finde das despektierlich. Jawohl, despektierlich ist genau das richtige Wort!“ Mit einem Gesichtsausdruck, der gar nichts Gutes verhieß, blickte sie zu Paulina. „Axilla, dein Vater ist nicht der einzige von unseren Vätern, die als Soldat gedient hatten. Mein Vater war Soldat. Er lebt noch, aber die Wunden, seelisch und physisch, die er im Kampf erlitten hatte, plagen ihn heute noch. Mein Großvater war Praefectus Praetorio. Er ist schon lange tot, aber vielleicht kennt ihr seinen Namen: Claudius Macrinius Restitutor.“ Mit Stolz sprach sie den Namen aus. „Und jetzt kommt ihr daher und zieht die Taten meines Vaters und meines Großvaters, und des Vaters von Axilla durch den Dreck. Sinnlos? Denkt mal nach, bevor ihr redet! Ihr impliziert damit, dass Axillas Vater sinnlos gestorben wäre, dass mein Vater sinnlos die Qualen seiner Zeit im Heer durchlitten hätte!“ Sie schüttelte den Kopf über so viel Unsensibilität, und jeder, der Romana kannte, wusste, dass sie sich enorm zusammenreißen musste, um jetzt nicht noch mehr aufzubrausen.


    Allerdings beugte sie sich noch zu Calvena hin und flüsterte ihr ins Ohr: „Gerade von dir hätte ich erwartet, dass du nicht in die selbe Kerbe hauen würdest wie diese dummen Puten da.“ Ein vorwurfsvoller Blick folgte, als sie sich wieder in ihre gerade Position zurückbrachte. Ja, Soldatenkinder waren da schon etwas anderes.


    Paulina ignorierte sie nicht mal. Mit ihrem sinnlosen, unzusammenhängenden Geplappere hatte sie es sich bei Romana nun komplett verscherzt, und sich selber disqualifiziert.


    Über Salinator konnte sie allerdings nur eines sagen: „Der Kaiser wird schon wissen, was er tut. Wenn er denkt, dass Salinator der richtige Mann ist, um für ihn zu regieren, wird es schon in Ordnung sein. Anderes zu denken grenzt an Verrat“, meinte sie patzig und verschränkte ihre Arme. „Und, ach ja, der Kaiser ist in Misenum. Lasst euch das von einer gesagt sein, die schon das Privileg hatte, seinen Glanz dort zu erblicken.“

    Romana schnaufte amüsiert aus, als Septima sich bei ihren Gesangskünsten festbiss. „Na ja, mir wurde schon mal gesagt, dass ich eine schöne Stimme hätte. Eine Altstimme. Calvena hat es mir gesagt, und, vor Ewigkeiten, ein Flavier – ein ganz komischer Vogel.“ Sie zuckte die Achseln. „Versuchen kann man es ja einmal. Ich und Calvena haben sowieso etwas in der Richtung geplant – eine Art Gesangsabend. Wenn das nicht in einem Fiasko endet...“ Sie schüttelte amüsiert den Kopf.


    Ein wenig belustigt schüttelte sie den Kopf, als Septima ihr von ihren Erlebnissen an der Rennbahn erzählte. „Sowas könnte mir nicht passieren...“, murmelte sie leise und grinste Septima schelmisch zu. Es wusste sicherlich schon der ganze Raum, wieso. Blau, gold, was für einen Unterschied machte dies? Alle waren sie Anhänger eines obskuren Sports. Aber ihre Meinung dazu wollte sie nicht noch publiker machen, als sie dies schon war – nichts lag ihr ferner, als ihren Gastgebern den Abend zu verhunzen, wie es Celsus sicherlich ausdrücken würde.


    Die Frage, die Septima stellte, war allerdings berechtigt. „Stimmt auch. Nun gut, dann sollte man sie den Legionsreitern zur Verfügung stellen.“ Man merkte ihr zu solchen Gelegenheiten wohl an, dass sie als Tochter des Claudius Menecrates ein Soldatenkind war. Sie trank noch einmal von ihrem Mulsum, der ihr gar nciht mehr so stark vorkam – vielmehr war wohl das Mulsum im Atrium Vestae bemerkenswert schwach. Denn ein krakelender Haufen sturzbesoffener Vestalinnen, die am nächsten Morgen ihren Pflichten vor lauter Katzenjammer nicht mehr nachkommen konnten, das war auch nicht das Gelbe vom Ei.


    Die Tiberierin lamentierte über die Opfer, was Romana dann doch dazu veranlasste, dass ihr das Lächeln ein bisschen gefror. Opfer! Etwas Besseres gab es doch nicht! Nun gut, als Belustigung taugte es wenig, es war eben eine Stufe darüber angesiedelt.


    Septima sprach die beiden anderen an, und Romanas Blick wanderte zur Tür – fast, als hätte sie von dort etwas gehört. Ihre Ohren trügten nicht, denn es trat durch die Türe niemand anders als Tiberius Durus. Die Claudierin lächelte erfreut, als sie den Mann sah – nie würde sie vergessen, dass er es war, der sich die Mühe gemacht hatte, sie zu den Vestalinnen zu lotsen.


    „Pontifex Tiberius Durus! Salve!“ Sie nickte zu Septima hin, hatte diese doch eben den Vorschlag gemacht, sich neben Romana hinzusetzen, und setzte sich auf, sodass Septima Platz haben würde. „Vielleicht kannst du dich noch an mich erinnern – ich bin Claudia Romana.“ Normalerweise prägte sie sich häufiger bei den Leuten ein als andere – ihre Größe wurde in Rom nur noch durch einige wenige germanische oder keltische Sklavinnen übertroffen. Gut möglich eigentlich, dass Romana die größte lebende römische Bürgerin – nun gut, vielleicht Patrizierin, war.

    Romana nickte und nahm es doch mit Gleichmut auf, dass dieses Thema durch war. Doch diese währte nicht lange – Calpetana schüttelte ein Thema aus ihrem Ärmel, bei dem Romana ein Lächeln sich nicht mehr verkneifen konnte. Endlich kam dieses Thema dran!


    „Die Haruspizin, ein wichtiger Bestandteil der disciplina etrusca. Nun, weißt du, meine Großmutter, aus Clusium in Etrurien, hat mir etwas davon erzählt – ihr Vater, mein Urgroßvater, war staatlicher Haruspex. Sie weiß viel davon, und wäre sie ein Mann, wäre sie sicher schon auch ins Collegium der Haruspices aufgenommen worden. Die Haruspizin ist die Eingeweidenschau, vor allem die Leberschau. Durch die Beschaffenheit der Eingeweide geopferter Tiere kann man die Zukunft ablesen, und zwar, indem man feststellt, welche Götter gewogen sind und welche nicht. Vor allem ist die Eingeweidenschau nützlich beim Feststellen der Omen für eine gewisse Handlung – eine Hochzeit, eine Schlacht, ein Bauprojekt, nur um Beispiele zu nennen. Das bei Weitem wichtigste Organ hierbei ist, wie gesagt, die Leber. Die Götter teilen ihre Gesinnung durch die Leber eines Tieres mit. Man braucht natürlich einiges an Wissen und Erfahrung, um zu wissen, wie man diese ablesen kann. Jedem Bereich der Leber ist einem Gott zugeteilt, und jedem Teil der Leber eine Himmelsrichtung. Aber es gibt ja Modelle von Lebern, anhand derer man dies lernen kann.“ Sie schaute Calpetana erwartungsvoll an – hatte sie so ein Modell mit sich?

    „Und du zählst darauf, dass er es bekommt?“, fragte Romana, Calvena noch immer anblickend. „Wie dem auch sei. Es freut mich sehr, dass du so viel von mit hältst... und ich weiß, dass es schwer ist...“ Was Calvena aber nun sagte, schoss den Vogel ab. Romana wusste nicht, was sie tun sollte, lachen oder weinen. „Du seinen Ansprüchen nicht genügen? Du?“, fragte sie ihre Freundin eindringlich und blieb stehen, um sie mit einem scharfen Blick zu fixieren. „Du, Germanica Calvena, stehst soooo hoch über Quintilius Valerian. Du bist ihm in allem überlegen. Er kann niemals auch nur aspirieren, so hoch in der Gesellschaft zu kommen, wie du stehst. Er kann es niemals mit deinem Intellekt, deiner Schönheit, deinem Wesen aufnehmen. Sorge dich besser darum, ob er deinen Ansprüchen genügen kann.“ Sie seufzte und tätschelte Calvena mit ihrer rechten Hand auf die linke Schulter. „Komm.“ Sie setzte sich wieder in Bewegung.


    „Das ist sehr gut, ist eine Sponsalia geplant?“, hackte sie nach. Wenn, würde sie so eine Gelegenheit zum Feiern sicher nicht auslassen.


    Als die Claudierin sich einverstanden erklärte, fühlte sie sich von Calvena umarmt. Sie blieb stehen, seufzte nochmals ganz leise und umarmte zurück. „Das ist selbstverständlich“, versuchte sie Calvena zur Ruhe zu bringen.


    „Gut, sehr gut. Dann machen wir das.“ Sie machte eine kurze Pause. „Wann und wo schlägst du vor?“ Die pragmatische Claudierin wollte lieber jetzt einen Termin ausmachen als irgendwann.


    Genau in diesem Moment erreichten sie das Peristyl, wo sich der Garten befand. Sabina war die erste, die den Garten betrat, und ihr schien es wohl sehr gut zu gefallen. Romana lächelte. „Das hier ist sozusagen mein Reich. Seht ihr die Blumen da?“ Sie deutete auf ein Beet, das in einer unübersichtlichen Vielfalt von Blumen erstrahlte. „Das ist alles von mir angepflanzt.“ Nicht ohne Stolz sagte sie dies. Sie schritt nach vorne und streichelte fast liebevoll über eine Kolonie von Fingerhüten, die sich an einer Ecke des Beetes breit gemacht hatten. „Ist es nicht schön?“ Es war nicht das erste Mal heute, dass sie dies fragte, doch dieses Mal ging es um etwas, was sie gemacht hatte, ihr eigenes Werk.

    Hmm, dem guten Antoninus schien es die Sprache verschlagen zu haben. War ihre Schönheit so umwerfend, dass es dem Iulier die Stimmbänder zerrissen hatte? Sie lächelte, als sie diesen ein wenig kindischen Gedanken hatte, und wandte sich zu Libo, der sich anscheinend freute, sie kennen zu lernen. Es war dann aber schon Serrana, die er beschloss, quasi anzubaggern. Wo war eigentlich Axilla hin? Sie war dem Ruf des Kuchens gefolgt, wie es schien. Romana verputzte die letzten Reste des Gleichen und lächelte, als sie sah, wer daherkam.


    „Sedulus!“ Gut, bei der cena bei den Iuniern hatte es ein bisschen gekracht zwischen ihnen, und normalerweise war Romana eine sehr nachtragende Person. Bei Sedulus war das aber anders. Er hatte einfach etwas an sich, einen Charme und ein Charisma, das sie durchaus anzog.


    „Auch sehr schön, dich zu sehen. Und ja, ich bin immer wieder vorne dran.“ Sie lachte. „Du aber auch, so scheint es.“ Wieso hatte Sedulus eigentlich Serrana auf die Wange geküsst? Gut, dies mochte normal sein als Begrüßung in diversen Kreisen – aber sie hätte er dann doch auch mit einbeziehen sollen. Vielleicht reichte er nicht hinauf zu ihr? Sollte sie das als Affront sehen? Wieso scherte sie sich überhaupt darum? Ein ein bisschen scheeler claudischer Blick fiel auf die beiden, allerdings war Romana bemüht, es die beiden nicht sehen zu lassen.

    Die Iunierin klärte sie darüber auf, wer dieser Archias war. „Nein, nein, du brauchst dich nicht zu entschuldigen!“, schob sie schnell ein. Sie war es ja gewesen, die neugierig gewesen war, Axilla hätte auch ablehnen können. „Primicerius? Oh...“ Dann konnte es kein sehr hoher Posten sein. Wenn sie gewusst hätte, dass es sich hierbei um einen Procuratorenposten handelte, der dem Aelier angeboten worden war, hätte sie das mit deutlich mehr Respekt erfüllt – sie hatte von den ritterlichen Posten an der Kanzlei im Atrium Vestae gehört.


    Der Name Aelia Paulina sagte ihr nichts, obwohl sie schon von ihrem Mann in der Acta Diurna gehört hatte. „Es freut mich auch sehr“, entgegnete die Claudierin mit einem freundlichen Lächeln, unbeeindruckt von der ein wenig vorlauten Art der Plebejerin.


    Sie warf abwehrend die Arme hoch, als Calvena anbot, man konnte auch ins Theater oder sonstwohin gehen. „Ich bitte euch, meine Lieben, macht euch doch keine Umstände! Wenn ihr zu den Rennen gehen wollt, gehe ich mit.“ Sie dachte kurz nach. „Vielleicht gefällt es mir dort ja!“, schlug sie vor, angetrieben durch ihr schlechtes Gewissen. So konnte sie sich hoffentlich aus der position hinausmanövrieren, in die sie sich gebracht hatte – die Langweilerin der Gruppe. Aber, was sollte man denn als Vestalin sonst sein?


    Septima schlug vor, man solle sich für eine factio entscheiden – welche, wusste Romana nicht. Sie wusste ja kaum, welche factiones es da gab. Gut, die Blauen kannte man, weil die so einen Wirbel aufführten. Das konnten die ruhig ohne sie tun. Sie zwinkerte zu Septima pflichtschuldigst zurück und meinte dann: „Entscheide du, Septima. Du kennst dich mit Rennen aus.“


    Die Aelierin hatte wohl Kinder bekommen. „Glückwunsch zur Geburt!“, meinte Romana, lächelte wieder und blickte dann an sich herunter. Kinder... sie würde nie Kinder bekommen. Sie durfte es nicht. Eigentlich hatte sie sich damit schon abgefunden, aber hie und da dachte sie schon nach, wie es wäre, Mutter zu sein. Was die Aelierin da aber von ihren Kindern erzählte, klang auch nicht so erstrebenswert, und deshalb ließ es Romana sein, darüber nachzudenken.


    „5 Jahre!“, rief Romana aber schon ein wenig erstaunt aus, als die Decima sagte, wie lange sie von Rom fern geblieben war. „Ich kann dir da wenig sagen leider, ich bin erst vor zwei Jahren nach Rom gekommen. Der Krieg, du meinst den gegen die Parther? Der ist doch schon seit Ewigkeiten vorbei.“ Gut und gerne mochten das mehr als 5 Jahre gewesen sein, doch sie wusste es selber nicht.


    Sim-Off:

    Frage: Reden wir von Jahren in Bezug auf echte Jahre, Amtszeiten (ie. 3 Monate) oder etwas dazwischen?

    Ach Herrje. Vor ihr musste man doch wirklich nicht in Schweiß ausbrechen, konnte man doch schon leicht von Weitem sehen, dass sie eine Vestalin war, da sie ziemlich eindeutig die Vestalinnentracht trug. Zwar hatte sie den Schleier zurückgeschlagen, aber trotzdem war es ziemlich eindeutig, dass sie nicht zu haben war, und dass sie Männer überhaupt keines Kalibers gewöhnt war.


    „Angenehm?“ Romana musste ihr schönes, fröhliches Lachen lachen. „Dabei habe ich mich noch gar nicht vorgestellt, Iulius Antoninus. Ich bin Claudia Romana.“ Jetzt würde der arme plebejische Iulier noch mit dem Faktum konfrontiert sein, dass er hier eine waschechte Patrizierin vor ihm hatte. „Das mit Pessinus habe ich übrigens vor Kurzem gelesen, sonst hätte ich es auch nicht gewusst“, fügte die gerade zur einer der Grazien Ernannte ihren Worten hinzu. Hach, das Rot in seinem Gesicht war doch zu entzückend. Keck grinste sie zu Antoninus, der kleiner war als sie, hinunter, sie konnte einfach nicht anders.


    „Gut, dann habe ich nicht zu viel verpasst!“, freute sie sich, als Serrana ihr versicherte, dass auch sie noch nicht so lange hier waren.


    „Du siehst also, wir kennen uns noch nicht“, meinte sie zu Axilla hinüber, als ein weiterer Iulier zu ihnen stieß. Ja, war den hier ein Nest, fragte sie sich innerlich und schalt sich danach eine dumme Gans. Sie war hier in der Casa Iulia, da gab es Iulier! Wo, wenn nicht hier? „Es freut mich sehr, Iulius Libo!“, meinte sie dann und lächelte ihm zu.


    Ein wenig besorgt jedoch wandte sich sich wieder an Antoninus. „Sag, geht es dir gut? Bist du krank?“ Sie hatte ja, besonders was Magenkoliken anging, einige Erfahrung.

    In Ordnung. Das klang doch ein bisschen wenig enthusiastisch. Allerdings schien sie mit ihrer Antwort durchgekommen zu sein. Die Hortensierin begann auch sogleich, von den Unterteilungen der Festtage zu sprechen. Romana hörte zu und nickte hie und da, um zu signalisieren, dass sie gedanklich noch anwesend war. Am Ende kam unausweichlich eine Frage.


    „Nun, beim Equus October werden Pferderennen für die Massen veranstaltet. Anschließend wird das gewinnende Pferd zur Ehre des Mars getötet, aber nicht geopfert im eigentlichen Sinne. Trotzdem wird dabei ein Ritual durchgeführt, bei dem das Blut des Pferdes aufgefangen wird, es mit Brot umkränzt wird und der Schwanz abgeschnitten wird. Das Blut wird dann in einer Mixtur bei der Parilia verwendet. Dieses Ritual ist eines, welches von staatlichen Priestern organisiert wird, in der Öffentlichkeit durchgeführt wird, und als Termin fest auf dem römsichen Kalender steht. Es ist also eine öffentliches Feier, eine Sacra Publica. Da dieses Ritual vor den Leuten durchgeführt wird, ist es auch eine Sacra Popularium“, legte sie ihre Meinung dazu dar.

    Erfüllung. Dieses Wort war ziemlich groß, größer noch als Romana. Doch jene hätte sofort bestätigt, was Calvena sagte. Nicht nur ihre Erfüllung hatte sie gefunden, sondern auch ihr Schicksal, welches ihr von Vesta gewiesen wurde. Die Frage, ob sie damals, in Clusium, einer Halluzination erlegen war oder nicht, stellte sich für sie nicht. Sie war glücklich, und die Göttin hatte auch vorausgesehen, dass sie dies sein würde.


    „Der Garten? Sicherlich!“, meinte Romana und lächelte. Dies war der Teil des Atrium Vestae, der ihr am Liebsten war. Die beiden Germanicae hatten das lararium eindeutig schon lange genug betrachtet. Es war durchaus vorstellbar, dass die anderen Vestalinnen es nicht so gut aufnehmen würden, wenn eine der ihren mit Gästen zu lange im Lararium herumhing.


    „Nun, dann gehen wir, oder?“, fragte sie, und wies den beiden den Weg aus dem Lararium.


    Beim Hinausgehen stellte Calvena ihr eine Frage, die Romana zum Nachdenken brachte. Sie schlug, als sie durch die Gänge des Atrium Vestae wandelten, eine noch langsamere Gangart ein als sie es ohnehin schon tat. „Eure Hochzeitsvorbereitungen. Die von dir und Quintilius Valerian.“ Sie sprach dies ein wenig seltsam aus, doch man konnte nicht recht bestimmen, was es war. War es Freude oder doch viel eher Abneigung? „Er hat also das Connubium zugestanden bekommen.“ Das kam Öfters vor, besonders unter Centurionen. Der Mann schien so etwas auch herausgeschunden zu haben. „Du weißt schon, dass ihr euch erst verloben müsst?“, fragte sie noch vorsichtshalber nach, obwohl sie sich sicher war, dass Calvena als Priesterin das wusste. Nun war eine Sponsalia nicht vorgeschrieben, aber besonders für ein Mitglied der Priesterschaft unumgänglich. „Aber nun, ich helfe euch sehr gerne dabei. Ich mache das mit Freuden... deinetwegen“, offerierte sie aber endlich. Das deinetwegen war aber so betont, dass Calvena gar nicht erst auf den Gedanken kam, anzunehmen, sie mache dies für Valerian. „Doch, wie gesagt, es wäre mir sehr lieb, wenn wir uns vorher noch aussprechen könnten, du, ich und Quintilius.“ Sie verwendete noch immer nicht den Cognomen des Prätorianers.