Beiträge von Claudia Romana

    Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen, doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen! Was Jahrhunderte später ein ganz gewisser germanischer Dichter dichten würde, das kam Romana jetzt schon in den Kopf. Ordnung, dieses Konzept personifizierte dieser Garten. Ordnung und Disziplin, Themen, die bei einer Vestalin, in deren Leben sich so viel um ebendiese Konzepte drehten, auf positiven Widerhall stoßen sollten, und Romana war auch begeistert. Romana hatte eine chaotische Ader, aber wenn man den Vestalinnen in ihren Lehrjahren eines einbeizte, dann war es Zucht und eben auch Ordnung. Es war eine Welt, in der man nicht recht vorwärts kam, wenn man dem Ordnungssinn abhold war. Und vorwärts kommen wollte Romana. Eines Tages, stellte sie sich vor, würde sie Obervestalin sein. Die höchstrangige Frau des Imperiums nach der Augusta. Und, so lange die kaiserliche Familie nicht in Rom weilte, die Nummer eins unter den Frauen Roms. Das Streben nach Macht war einem Claudier angeboren, den Männern wie auch den Frauen, Romana stellte keine Ausnahme dar.


    Zeit verging also, als sie ihre Blicke schweifen ließ über die prachtvollen Pflanzen, sich wundern beginnend, wo Prisca denn blieb – doch da erklang schon die Stimme der Aurelia. Romana lächelte zu ihr hinauf, verständnisvoll. Jede Frau, die etwas auf sich hielt, sollte sich Zeit nehmen, sich herzurichten. Auch Romana tat das – vor allem im Bezug auf ihre Haare. Es würde sie grausen, nicht ohne penibel gepflegtes Haupthaar durch Rom zu rennen oder jemanden außerhalb des Atrium Vestae zu treffen.


    “Prisca, wie schön dich zu sehen!“, erwiderte sie die Begrüßung der Aurelia. “Ich habe alles, was ich brauche, danke!“ Sie hob den mittlerweile halb leeren Becher Wein, den ihr der Sklave gereicht hatte, und ließ ihn kurz herumwackeln, um zu beweisen, dass es ihr wirklich an nichts mangelte.


    Als sie auf den Garten angesprochen wurde, blickte sie unwillkürlich wieder auf diesen, dann wieder zurück zu Prisca, um zu nicken. “Oh ja, er gefällt mir sehr gut! Er ist wahrlich wunderschön. Die Ehre, ein wenig von diesem Garten nun zu bekommen, wächst nur noch mehr, da ich nun diesen Garten sehe“, meinte sie, wieder zum Garten hinblickend. “Wunderschön, wirklich. Obwohl ich schon Interesse daran hätte, mir die Pflanzen einmal näher anzusehen.“ Ob sie auch wirklich von der Nähe so schön waren wie von der Ferne? Romana sagte man einen grünen Daumen nach, sie war sich ziemlich sicher, dass sie heraufinden könnte, wie beschaffen die an das Atrium Vestae gegende Blumenpracht sein würde.

    “Eine ganz große Wonne, Romana, ist es, zuzusehen, wie deine eigene Arbeit vernichtet wird.“ Romana blickte ihre Mitvestalin Restituta etwas zweifelnd an und versuchte dann, die Salsa Mola zu erspähen, die die Luperci verbrennen würden auf ihrem Fest. Nein, sie sah sie nicht, trotz ihrer Größe. Sie schüttelte zu Restituta nur ihren Kopf herunter.


    Romana und Restituta standen innerhalb der Menschenmenge. Ein kleiner, respektvoller Abstand hatte sich anfangs noch um die Vestalinnen gebildet, aber durch den Druck der Masse war dieser auf ein Minimum geschwunden, und die Liktoren der beiden vestalinnen waren ganz machtlos gewesen. Schließlich hatten sie es aufgegeben, den Leuten Anweisungen zuzurufen, um die sich eh niemand scherte.


    Restituta, Romanas Begleiterin, war die Vestalin, die Romana von allen Vestalinnen im Alter am Nächsten war. Wiewohl jünger, diente sie schon länger als Vestalin, war sie doch früher aufgenommen worden als Romana, für die ein kaiserlicher Dispens notwendig gewesen war. Die Vestalinnen nannten sich normalerweise, wie es Tradition war, nur beim Gentilnamen, aber Romana und Restiuta hatten insgeheim beschlossen, die Konvention zu brechen, einmal, wenn sie alleine waren oder unter Freunden außerhalb des Atriums. Es schuf einfach eine freundlichere Atmosphäre, nicht o gezwungen offizös. Und Romana sah Restituta wirklich als ihre Freundin. Die beiden hatten viel gemeinsam – nicht nur, weil sie aufgrund der unvermeidbaren Familienklüngeleien unter den Patriziern Roms Basen 5. Grades waren, mit dem selben Ururgroßvater. Romanas Großmutter selber war eine Lartia, und ein schon arg verknöcherter, aber noch lebender Beweis der Langlebigkeit, die man den Lartiern nachsagte.


    “Verbrannt? Sei froh, so erreicht es die Götter.“ “Trotzdem. Ich meine, meine Arbeit steckt drinnen. Im Schweiße meines Angesichts habe ich das gebacken! Meine Liebe und mein Blut stecken da drinnen!“ Romana rückte ihren Kopf zurück und blickte Restituta verwundert an. “Den Göttern sei Dank, dass du nicht melodramatisch bist“, kommentierte sie. Restituta seufzte. “Keinen Humor mehr, Romana?“ “Hahaha. Zufrieden?” ”Sag, was ist den dir für eine Laus über die Leber gelaufen?“ Jetzt war es an Restituta, verwundert zu wirken, und an Romana, zu seufzen. “Tut mir Leid. Tut mir wirklich Leid. Es ist einfach so... habe gerade an Calpurnia denken müssen. Sie hat gerade begonnen, Salsa Mola zu machen...“ “Ach Romana. Ich versteh’s ja.“ Restituta legte ihren Arm über Romanas Schulter, und die Claudia ließ sie gewähren, auch wenn sie solchen Emotionsbezeugungen in der Öffentlichkeit ein wenig distanziert gegenüber stand.


    Calpurina Seia, Vestalinnenschülerin, war erst vor Kurzem gestorben, im Alter von 9. Besonders ihre Mentorin, die schon alt gewordene Papiria Occia, hatte es mitgenommen. Aber auch alle anderen Vestalinnen waren nicht ungerührt davon gelassen worden. Es war ja nur ein Kind gewesen, ein kleines Kind.


    Romana räusperte sich laut und legte ihre linke Hand auf Restitutas Hand, die noch immer auf ihrer Schulter lag. “Ist schon in Ordnung.“ Restituta kam der unausgesprochenen Aufforderung nach und ließ wieder von Romana ab. “Wird sicher recht erbaulich. Ganz sicher. Das Ganze, meine ich. Wird sicher nett.“ Restituta nickte nur.

    Zitat

    Original von Lucius Claudius Brutus


    Romana verbiss sich wieder ein Stirnrunzeln, sogar ein Blinzeln, als sie ihren Bruder anschaute. Dann konnte sie nicht mehr und lachte. Es war kein nettes und liebes Lachen, nein, ein Auslachen. Sie lachte ihrem Bruder ins Gesicht. “Freundlicher und lebendiger! Ach Lucius, schön, dass du deinen Sinn für Humor noch hast. Was dich angeht, muss ich sagen, dass du mit deinem Bart um vieles barbarischer ausschaust. Hast du nicht einmal blonde Haare gehabt, wie ein germanischer Kannibale? Nun, zumindest ist diese Phase vorbei.“


    Die letzten Male, als ihr Bruder sie unverblümt beledigt hatte, saßen noch tief in ihr. Romana entgegnete Gleiches mit Gleichem. Wobei sie sich selber um einiges besser vorkam als ihr Bruder. Der Beweis – obwohl Frau, stand sie so hoch in der römischen Gesellschaft, dass ihr Bruder mal kräftig strampeln musste, um diese Höhen zu erreichen. Die Höhen, die hatte sie erreicht nicht durch Heirat oder dergleichen, sondern durch ehrliche, harte Arbeit. Die sie Lucius nicht zutraute.


    “Neue Bastarde sind in der Villa? Ah, ja. Du musst dich sehr darüber freuen, Vater zu sein“, machte sie spitz. “Die Sklaven werden also nicht mit tüchtiger Hand geführt. Mach was dagegen. Oder bist du schon so faul, dass du keine Peitsche mehr erheben kannst?“, spottete sie, einfach, weil sie es konnte. “Was deine politischen Ambitionen angeht, so muss ich gar nicht mehr nachfragen, nicht wahr? Was wohl auch besser so ist, denn ich glaube kaum, dass dich irgendein römischer Senator wählen wird. Trotz des Claudius im Namen. Du kennst den Namen Claudius, ja? Es ist der Name, den du durch den Dreck ziehst!“


    Romana konnte sich selber nicht erklären, warum sie in eine solche Schimpftirade verfiel. Nur war es so, der Drang war unwiderstehlich. Es musste ihr Jähzorn sein, der trotz ihrer eigentlich rationalen und gewissenhaften Art des Öfteren durchkam. Und der Spaß, den sie dabei hatte, ihren Bruder auszuschimpfen, war unglaublich. Konsequenzen? Wurscht.

    Romana schmunzelte und blinzelte dabei unwillkürlich, als wollte sie eine Fliege aus ihren Augen vertreiben. Wenn andere ihre Augenbrauen hochzogen oder ihre Stirn in Falten legten, dann blinzelte Romana irritiert. Sie fand es feiner, als irgendwelche Gesichtsverzerrungen zu vollführen, und hatte es sich angewöhnt, sodass ihr Unterbewusstsein dies nun steuerte. “Aurelius, Aurelius, sag das nicht. Alle Männer haben zumindest etwas gemeinsam.“ Ach, jetzt ist das Niveau schon so tief, frotzelte eine Stimme in ihr. Romana winkte sie, ebenso innerlich, ab. “Ja, da hast du recht. Obwohl es nur ihre Ideen sind, die Zugang bekommen. Die Dichter selbst werden, so lange die Frauen, von denen du redest, auch wirklich keusch sind, draußen vor der Türe bleiben müssen. So wie jeder andere anständige Mann auch, der die Würde und Unantastbarkeit einer Jungfrau respektiert“, beeilte sie sich, mögliche sexuelle Innuenden zu zerstreuen zu versuchen. Romana lag wirklich etwas an der Intaktheit ihrer Jungfernhaut. Ohne dieser könnte sie lebendig vergraben werden. Und nicht zuletzt würde sie ihre Göttin enttäuschen. Und darauf würde Romana es nicht ankommen lassen. Nein, wenn sie irgendjemand unziemlich anfassen würde – vor allem ohne ihr Einverständnis –, würde sie ihre Ehre verteidigen wie eine wütende Elefantenkuh.


    Sie musste grinsen, als Lupus ihr versicherte, er würde seinen Schnabel halten. “Das klingt nach einer sehr guten Abmachung“, machte sie. Und dann, als er seinen Witz mit den 24 Jahren machte – denn Romana wusste ganz genau, dass es ein Witz war – lachte sie. “Wenn du in den vielen Jahren wieder kommst, wie sollte ich dann dreinschauen, dass du einen Maler mitbringen wirst? Ich habe keine Zweifel am Wahrheitsgehalt deiner Worte“, scherzte sie.“Nur ist noch alles andere als sicher, dass ich meinen Orden verlassen werde. Ich fühle mich sehr wohl hier“, machte sie. Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich hin zu einem ernsthaften, sodass kaum Zweifel daran bestand, dass sie es ernst meinte. Romana mochte es wirklich, hier im Atrium Vestae. Nun, Vestalin zu sein, das war ihr Lebensinhalt. Ihr Lebenssinn.


    Gerade, als sie diese Worte geäußert hatte, machte Lupus eine Bemerkung – ihre Schwester? Ach ja, Restituta. Sie händigte ihr Romana schweigsam die dokumente aus, die sie gefunden hatte, mit einem zweifelnden Blick auf den jungen Mann vor der Türe, zweifelnd und konsterniert, fast so, als könnte sie die menschlichen Abgründe in Lupus durch Gedankenleserei erahnen. Doch dann nickte sie nur freundlich, äußerte ein Salve, und eilte dann wieder davon. Romana derweil blickte auf die Rollen, die in ihren Händen lagen. Es waren so schätzungsweise um die 10, irgendwo zwischen 8 und 12. Die Mühelosigkeit, mit der sie die Schriftrollen in ihren Händen balanzierte, verriet die große Übung, die sie darin hatte. “Vorsicht“, machte sie, als sie dem Vigintivir die Arme hinstreckte, sodass dieser die Schriftrollen nehmen konnte.

    An
    M’ Tiberius Durus
    Villa Tiberia
    Roma


    Claudia Romana Sacerdos Vestalis M‘ Tiberio Duro Senatori Pontifici s.p.d.


    Ich schreibe dir im Namen der Virgo Vestalis Maxima, weil es dir als obersten Pontifex in Rom zusteht, die traurige Nachricht zu erfahren, welche ich dir aus dem Atrium Vestae überbringen muss. Tiberius, eine der Vestalinnen ist gestorben. Es handelt sich um Calpurnia Seia, die erst vor Kurzem als Vestalinnenschülerin unserer Schwesterschaft beigetreten ist. Sie starb in der Obhut ihrer vormaligen Familie an einer Lungenentzündung, erst 9 Jahre alt.


    Die schreckliche Nachricht wird natürlich auch ihrem Vater, dem Kaiser, mitgeteilt werden, und wir Vestalinnen bereiten schon ihr Begräbnis vor.


    Es wird dich kaum überraschen, dass ich dir nicht nur schreibe, um dir diese Nachricht zu übermitteln, sondern auch wegen einer Angelegenheit, die angesichts dieser Tragödie pietätlos wirkt, aber trotzdem notwendig ist.


    Wie dir bewusst sein wird, ist es überaus unglücklich, wenn die Reihen der Vestalinnen für längere Zeit nicht komplett sind. Ich möchte dich darum, im Namen der Vestalinnen, darum bitten, dass du so bald wie möglich ein Losverfahren ausrichtest, um eine neue Vestalin auszuwählen, oder eine freiwillige Bewerberin an den Kaiser empfiehlst.


    Mögen die Götter ihre Hände stets über dich halten.


    In Achtung und Wertschätzung,


    [Blockierte Grafik: http://img237.imageshack.us/img237/125/unterschriftcr.png]

    Romana drehte den Gedanken, die Sklavin für die impertinente Antwort zu schlagen. Doch dann dachte sie daran, dass sie einen Ruf zu verlieren hatte, und so etwas käme in den Bereich der Möglichkeit, würde sie nun mit Morrigan eine Runde Watschenbaumtanz aufführen. Sie antwortete also nur trocken: “Die Tatsache, dass wir Sklaven brauchen, muss nicht heißen, dass ich euch mögen muss. Die Sklavenschaft ist ein notwendiges Übel. Doch wie immer können wir uns arrangieren. Ihr haltet einfach die Klappe und redet nur, wenn ihr gefragt werdet. Dann funktioniert die Beziehung zwischen Sklaven und Herren ganz hervorragend“, indoktrinierte sie Morrigan. Ihre Gedanken waren nicht gerade liberal. Aber Liberalität von einer Claudia zu erwarten war Traumtänzerei. Stattdessen spürte Romana in sich, dass es ihr gefiel, ihren inhärenten Rassismus – der mit en Jahren gewachsen war – ungestört von sozialen Gepflogenheiten oder gedämpft von persönlicher Sympathie gegenüber dem betreffenden ausländischen Subjekt ausleben zu können.
    Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich in Erstaunen, als Morrigan ihr sagte, dass nur ein Schaustück hier beim Laden eaus Elfenbein war. “Was? Wirklich?“ Sollte sie ihr trauen? Nun fein, ging man mal vom Besten aus. Wenn die Sklavin sie anlog, würde Romana noch daraus Zufriedenstellung beziehen, sie ausbeizen zu können.
    “Ich handle nicht gerne mit Betrügern. Ich werde den Laden meinem Vater melden, zur Qualitätskontrolle. Such einen anderen Laden, einen, der keine Fälschungen anbietet“, wies sie Morrigan an.

    Morrigan murmelte etwas, was Romana nicht verstand. Was soll das sein? War das überhaupt Latein oder Persisch? War es eine Bedrohung? Eine Beschimpfung? Beides waren Sachen, die Romana in Rage bringen konnten. Sie packte Morrigan hart bei ihrer Schulter.


    “Was hast du gesagt? Ich will es wissen!“, verlangte sie. Andere mochten es gleichmütig ertragen, nicht zu wissen, was ihre Sklaven so über sie redeten. Nicht so Claudia Romana. Für sie war Respekt wichtig. Sie hasste es, wenn es an jenem ihr gegenüber fehlte.


    Es konnte sie aber für kurze Zeit beruhigen, dass Morrigan offenbar wusste, wie man sagen konnte, ob Elfenbein echt oder falsch war. Natürlich konnte sich Morrigan denken, was passieren würde, wenn Romana herausbekommen würde, dass sie dank der Perserin einen Gegenstand aus gefälschtem weißem Irgendwas erstanden hatte.


    Sie nickte knapp als Zeichen, dass sie verstanden hatte, und deutete auf einen Laden, der verschiedentlichste weiße Sachen – Statuetten, Becher, Geschirr, knäufe – feil bot. “Dann schau dir as mal an“, befahl sie.

    Romanas Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, als Morrigan von den Besatzern sprach. “Ah, von den Parthern“, machte sie, war es doch Gemeinwissen, dass das vormalige Steppenvolk, welches sich die Parther nannten, Persien vor mehreren hundert Jahren erobert hatten und jegliche Aufstände gegen die neuen Herren immer wieder niederschlugen. “Ihr seid zu bedauern, ihr Perser, ihr wurdet von einem Volk erobert, das noch minderwertiger ist als eures.“ Es gab also Orgien in Persien, und diese waren verursacht von den Parthern. Ein ekelerregendes Volk drückte ein anderes Volk im Osten auf sein Niveau herab, obwohl diese orientalen Schleimer sicher vorher keinen Geschmack je bewiesen haben.


    Dann kam aber eine lachhafte Ansage. Romana blinzelte ungläubig. Dann prustete sie lachend hervor. “Du versuchst, mit Parthenope zu argumentieren? Oh, Götter! Parthenope ist so etwas von weltfremd und unbeholfen, ich könnte ihr Rattengift geben und sie würde es essen, und mir dann noch sagen, dass es gut geschmeckt hat.“ Ihr Lachen verebbte. “Sie hat also deinen elenden Fraß gegessen? Pfui. Ist ja grausig.“ Sie verzog ihre Lippen und schüttelte ihren Kopf.


    “Um auf deine Frage zurückzukommen, ob ich das Unbekannte fürchte – diese Frage schießt am Ziel vorbei. Denn es ist wohl bekannt, was von eurem Volk zu erwarten ist. es ist also nicht Unbekanntes. Und ja, den schädigenden Einfluss, den Ausländer auf die reine und vollkommene römische Kultur haben könnte, den fürchte ich. Ihr wollt uns effeminieren, indem ihr eure hirnrissigen Kulte und Religionen importiert, eure überteuerten Genussmittel und eure faule und dekadente Lebenseinstellung. So etwas aber, Morrigan, lasse ich nur über meine Leiche zu. Ich hoffe, das beantwortet deine Frage.“ Sie gab der Perserin einen missgelaunten Blick und ließ ihren Blick über den Markt schweifen. “Morrigan, kannst du den Unterschied zwischen echtem und falschem Elfenbein feststellen?“, fragte sie dann, übergangslos.

    Romana winkte ab. Schon alleine die Vorstellung... natürlich wusste sie, dass manche Zeitgenossen sich da ganz und gar an die Griechen hielten. Allgemein wurde es nicht als verwerflich gesehen, wenn ein alter Bock es mit einem kleinen Jungen trieb. Das wäre pädagogisch, sagte man, es würde den Kleinen erziehen. Romana fand diese Argumentationskette befremdlich. Sie war sich ziemlich sicher, dass aus ihr etwas Gescheites geworden war, ohne dass ihre Mentorin sie befingert hatte. Aber vielleicht war das bei den Männern anders? Nein, entschied sie. Nur in den Einbildungen mancher. Ihre Meinung stand fest – so, wie es die Griechen (und zwar, das wusste Romana, alle) machten, war es unnatürlich und ekelerregend. Und vor allem war es unrömisch. Und Romana hasste alles Unrömische mit einer Entschlossenheit, die ihresgleichen suchte.


    “Und dann wundern sie sich, dass wir Römer ihnen bei Cynoscaephalae gezeigt haben, wo der Bartlus den Most herholt“, machte sie selbstzufrieden, als ob sie bei der Schlacht vor 300 Jahren persönlich dabei gewesen wäre. Romana mochte es, über Militärgeschichte zu theoretisieren.


    Aber sie mochte es auch, einen angenehmen Effekt auf ihre Mitmenschen zu haben. So zum Beispiel nun, als Livineia sehr zugänglich erschien für Romanas Komplimente. Oh meinst du? Romana nickte zustimmend. “Dein Vater weiß sicher ganz genau, was gut für dich ist.“ Wobei sie Galeo schon einige Zeit nicht mehr hier in Rom gesehen hatte – er war unterwegs, auf Reisen, und mehr wusste Romana auch nicht. Aber Musa war noch hier. Ihre Schwägerin würde sicher wissen, wie mit ihrer Tochter umzugehen war.


    Livineia leitete recht subtil einen Themenwechsel ein. Romana würde, dachte sie sich, sicher diese Subtilität fehlen. Ihre Spezialität war eher ein Dasein als Elefant im Porzellanladen mit einer großen, groben Bürste, die über alles hinwegwischte.


    “Ob ich darüber etwas zu berichten habe? Natürlich, ich war ja am untersuchenden Kommittee.“ Sie grinste. Ob Livineia das beeindruckte? “Das Problem ist, wir haben keine Ahnung, wer es sein könnte. Die Untersuchungen in Nemi machte ein Verwandter von Flavia Celerina, der Frau, die diesen Skandal ausgelöst hatte. Du kannst dir denken, dass es sicher nichts preisgegeben hat, was seine Familienehre betroffen hätte! In der Villa Aurelia, da waren ich und Pontifex pro Magistro Tiberius Durus. Die Aurelier waren absolut nutzlos! Nichts haben sie uns gesagt. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sie alle Sklaven, die den Skandal beobachtet haben, umgebracht haben. Zeugen kann man nicht brauchen.“ Sie zuckte mit ihren Achseln.


    “Man wird also die Haruspices damit beauftragen, herauszufinden, was passiert ist.“ In ihren Augen war es ziemlich unbefriedigend und frustrierend, dass man nichts Handfestes hatte und sich nun der zwar altehrwürdigen, aber, wie sie aus eigener Erfahrung wusste, sehr diffizilen Kunst der Leberschau bedienen musste.

    Romana entgegnete das feine Lächeln ihrer Nichte mit einem schiefen Grinsen, als Livilla ihr recht gab, und horchte sich zu, was ihr Gegenüber so zum Thema Griechen zu sagen hatte. Langsam nickte sie. “Zivilisation, ja, das mag stimmen. Zivilisation. Ein bisschen Philosophie da, ein paar Säulen dort, und die Dichtkunst ist auch nicht schlecht. Aber was haben die Griechen ja wirklich Großes erreicht? Gut, Alexander der Große, kannst du sagen, aber dessen Reich ist nach seinem Tod sorfort wieder zerfallen. Vielleicht hätten sie mehr auf die Reihe bekommen, wenn sie was anderes im Kopf gehabt hätten, als sich nur gegenseitig befummeln zu wollen.“ Die Claudia verzog ihre Lippen vor Abscheu gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe.


    “Aber du hast Recht, noch immer besser als diese Barbaren, die sich der Pax Romana widersetzen.“ Sie deutete vage auf Morrigan, und nickte widerum bedrückt, als sich Livineia darüber ereiferte, dass die römischen Männer den Griechen schier nacheifern wollten.


    Livineias gewitzeltes Eingeständnis, dass es vielleicht doch irgendwo einen geschmacklosen Claudier geben könnte, beantwortete Romana mit einem gutmütigen Lächeln und einem “Vielleicht“, auch wenn sie es zu bezweifeln wagte.


    Über Livineias Sorge, dass sie das optimale alter zum Heiraten schon verpasst hatte, konnte Romana nur lächeln. “Sei unbesorgt. Ich kann mir keinen römischen Mann vorstellen, der sich nicht nach dir sehnen würde“, meinte sie. “Keine Panik. Ich persönlich glaube ja, dass schon nach Kurzem alle möglichen Patrizier bei dir auf der Matte stehen und dich sehnsüchtig um dein Gehör betteln werden“, suggerierte sie mit einem herzhaften, fröhlichen Lachen, dessen glockenhafte Helligkeit sehr im Kontrast zu ihrer normalerweise sehr altistischen, dunkel gefärbten Stimme stand. “Irgendwelche heiratswütigen Männer? Hmm. Ich weiß nicht. Du musst wissen, Livineia...“ Sie zuckte ihre Achseln nonchalant. “Das ist nicht so richtig meine Welt.“ Aus offensichtlichen Gründen.

    “So“, antwortete Romana knapp. Das war ja einmal eine vorsichtige Antwort. Sie war innerlich zufrieden. Noch vor einiger Zeit hätte die Krätze auf solch eine Ansage hin vielleicht noch begonnen, wild vor sich hin zu schimpfen. Auf persisch natürlich, jener grauenvollen Sprache, die Romana vorkam wie ein barbarisches Gergunze. Zum Tartarus, es war barbarisches Gegrunze, mit einer guten Portion unaussprechlichen Zisch- und Gutturallauten drinnen. Die perfekte Sprache für ein dekadentes, heruntergekommenes Volk wie die Perser. Kein Wunder, dass sie unter der Fuchtel der Parther stehen.


    “Denkst du also. Anders. Ja, ich hätte mir denken können, dass sie anders sind.“ Sie blickte Morrigan herablassend an. “Anders zum Beispiel insofern, als dass öffentliche sexuelle Orgien dort an der Tagesordnung sind. Und dass es angesehen ist, auf Werten der Menschheit, die wir Römer verbreiten wollen, dort zu trampeln. Und dass alle dort stinken“, ließ sie ihre Gedanken frei heraus. Romana war es eigentlich sehr egal, ob man sie als Rassistin beschimpfte. Sie konnte sich einfach nicht mit diesen in ihren Augen absolut minderwertigen Rassen anfreunden.


    “Und das Essen, wäh, sicherlich ein Graus. Da musst du mir doch recht geben, nicht wahr?“, machte sie zur Sklavin hin. Die Claudia war sich wohl bewusst, dass ihre Worte nicht nett waren. Aber sie wollte herausfinden, was aus Morrigan geworden war. Ob sie sich nun besser unter Kontrolle hatte.

    Zitat

    Original von Quintus Flavius Flaccus
    Trotzdem liegt es jetzt wohl an mir, Radke zu verteidigen... :D


    Advocatus Diaboli. ;) Habe angenommen, dass du seine Meinung vertrittst, aber gut, ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil.


    Zitat

    Original von Quintus Flavius Flaccus
    Was Rhea Silvia betrifft, so wurde die (als Amulius davon erfahren hatte) lebendig vergraben. Einer zweite Variante der Geschichte nach wurde sie, an einen Stein gebunden, in den Tiber geworfen ... (Der Tiber hat sich dann allerdings erbarmt, und sie zur Frau genommen)


    Ah ja, stimmt... deshalb wurden sie ja von einer Wölfin aufgezogen. Aber nur seltsam, dass man ihre Schwangerschaft bis zu ihrer Geburt nicht gemerkt hat.


    Zitat

    Original von Quintus Flavius Flaccus
    Was die anderen Aufgaben der Vestalen betrifft, sowie die Tatsache, dass einer, der mit einer Vestalin geschlafen hat, und nicht schlau war, schnell genug unterzutauchen, um als Inkarnation eines Gottes durchzugehen, nicht sehr göttlich behandelt wurde, so muss man da einfach damit rechnen, dass diese ursprüngliche Institution einfach im Laufe der Zeit weitere Aspekte dazugewonnen hat. In ihrer ursprünglichsten Bedeutung diente diese Gruppe von Jungfrauen (wie eben auch belegte ähnliche Gruppen in anderen Gemeinden) aber eben offensichtlich dazu, um aus ihren Reihen stellvertretende Opfer für die Gemeinde zu stellen.


    Ah, verstehe. Das hieß, die ursprüngliche Bedeutung der Vestalinnen ging zu dem Ausmaß verloren, dass eine "Überführung" noch immer angebracht war, auch wenn die Tat von einem Menschen begangen wurde.


    Zitat

    Original von Quintus Flavius Flaccus
    Aber genau das sagt Radke doch! Eben dieser Tod stellt doch das "Opfer" pro populo Romano Quiritibus dar.


    Er sagte eben nicht, dass es eine Strafe wäre, sondern ein Opfer. Ich habe mir gedacht, es wäre eine Strafe. ;)


    Zitat

    Original von Quintus Flavius Flaccus


    Ich zitiere nochmals Radke ebenda: (schön langsam gefällt mir dieser Artikel immer mehr... :D)


    ...


    Abermals danke für die Info (und den lehrreichen Diskurs)! Auch wenn mir die Herleitung etwas weit hergeholt erscheint. Kam nicht der Name Vesta von einer Verballhornung von "Hestia"? Aber wenn Radke Recht hat, würde das natürlich einleuchtend klingen...


    Au weia, Romana lebt gefährlich. :D Ja, sehr spannend, da gebe ich dir Recht.

    Danke für die Antwort und Erläuterung, jetzt scheint mir der Text viel verständlicher. Und natürlich finde ich die Vestalinnen und alles, was ich an Informationen dazu finden kann, interessant (sonst würde ich kaum eine spielen).


    Was das lebendige Begräbnis angeht, ups, den Nebensatz habe ich übersehen. ;) Nix für ungut.


    Ich muss gestehen, bisher bin ich immer relativ überzeugt gewesen von der Theorie, die besagt, dass die Vestalinnen die staatlichen Haustöchter (Wächterinnen des Herdfeuers) sind und Vesta auf Erden repräsentieren.


    Bei deiner/Radkes Theorie (bei der das Unrechtsbewusstsein komplett egal ist) würde es also bedeuten, dass auch eine Vergewaltigung einer Vestalin zu ihrem Tod führen muss? Denn die Entjungfernung wurde begangen, auch wenn diese noch so entgegen dem Willen der Vestalin geschehen ist.


    Bei der Erwähnung von „Gottesbraut“ – warum ist dann nicht Rhea Silvia, die eindeutig sogar mit einem Gott geschlafen hatte, nicht ihm mit sofortiger Wirkung überführt worden?


    Andererseits wurden in Rom diejenigen, die mit einer Vestalin schliefen und erwischt wurden, nicht gerade wie Götter behandelt, sondern zu Tode gepeitscht (habe ich in Erinnerung). Wenn also der Fremde nicht untergetaucht war, sondern aufgefasst wurde und es klar war, dass es kein Gott war, wäre auch die Überführung in höhere Sphären unnötig... außer natürlich, im Laufe der Zeit ist die Theorie in Vergessenheit geraten.


    Im Grunde genommen ist die Vestalin also im Härtefall der staatliche Sündenbock. Nun ja, das ist nix Neues.


    Wobei ich mir stets gedacht habe, dass es so gelagert gewesen ist, dass eine Katastrophe geschieht, die Römer sich denken, das muss so gekommen sein, weil eine Vestalin Unzucht getrieben hat, und als Strafe daraufhin logischerweise der Tod kommt.


    Nach deinem /Radkes Modell geschieht ein Unglück, Geschlechtsverkehr einer Vestalin mit einem Fremden (einem Pseudo-Gott) wird fingiert, und die Arme muss für die Schuld der Römer büßen, indem sie verbuddelt wird. Ich hoffe, das habe ich jetzt richtig verstanden.


    Wenn ich es mir überlege, wird damit auch klar, warum die Vestalinnen für das Wohlergehen Roms beteten und Vesta opferten (siehe Cicero), nämlich aus durchaus selbstsüchtigen Motiven – geschieht Rom etwas Schlechtes, geht es ihnen an den Kragen.


    Wenn aber die Vestalinnen im Grunde genommen nur Frauen waren, die im Fall der Fälle für die Römer in die Bresche springen mussten – warum dann die zusätzliche priesterliche Rolle? Und warum gerade für Vesta?

    Romana lehnte sich in ihrem Stuhl oben bei den Ehrenplätzen der Vestalinnen zurück und betrachtete mit diesigen Augen das Spektakel. Es war unübersehbar, ihr Vater hatte sich enorme Mühe gegeben. Das Rennen war fulminant.


    Und wie bei so vielen fulminanten Sachen war es langweilig. Da hetzten sich 5 Wägen gegenseitig. Und? Keiner von ihnen kam voran. Was für prächtige Schlachtrösser wären diese Tiere! Und was für gute Gäule für Kuriersendungen! Aber nein. Man verpulverte das Potential dieser Tiere in Zirken.


    Selbstverständlich wusste Romana, dass es nicht recht war, so zu denken. Schließlich war zum Beispiel das Equus October im Kult der Vesta bedeutend. Und das hier ware die Carmentalia! Ein religiöses Fest! Und diese Wagenrennen fanden statt zur Ehre der Götter! Das war alles schön und recht, nur hinderte es Romana nicht daran, vom Stuhl fallen zu wollen. Tatsächlich war neben ihr Lartia Restituta, ihre beste Freundin bei den Vestalinnen (und ihre Base sechsten oder siebten Grades), schon eingenickt. Die Versuchung, es ihr gleichzutun, war groß.


    Doch es waren die Spiele ihres Vaters. Romana holte tief Luft und verfolgte einen der Wägen. Es war ein... ein Roter. Russata? Nun gut, warum nicht. Es war der erste Wagen, ganz vorne – wenn alles so blieb, würde er gewinnen. Sie hatte den Namen nicht mitbekommen, verfolgte ihn aber mit ihren Augen, und stellte fest, dass das etwas war, was sie wach hielt.

    Wider besseren Wissens hatte Romana eine Wahl gemacht, von der sie irgendwie fast schon wissen konnte, dass sie damit ins Wasser hauen würde. Allerdings hatte sie sich dazu durchgerungen, der kleinen Perserin eine zweite Chance zu geben. Nun, vordergründig war dies der Fall. Innerlich musste Romana aber sich selber zugeben, dass von Fairness und Vergebung hier viel weniger die Rede war als vom Ausloten. Sie wollte wissen, inwieweit die erzieherischen Maßnahmen der Gens und der Sklaven der Gens bei Morrigan Wirkung gezeigt hatten. Sie wollte wissen, ob die Sklavin sich rehabilitiert hatte.


    Und um dies zu ermessen, hatte die Vestalin die kratzbürstige Sklavin wieder auf eine Markttour genommen. Romana machte nicht oft Spaziergänge durch den Markt, nein, der Markt war ein schlimmes Gewusel, über dem eine Vestalin stehen sollte. Zumeist kutschierte sie ohnehin nur noch mehr in ihrem vestalischen Gefährt durch Rom, die Privilegien ihrer Person voll und ganz ausnutzend.


    Doch heute ging sie zu Fuß. Es war einfach so am Opportunsten, wenn man eine Einkaufstour tätigte. Natürlich schritt sie nicht inkognito einher; sie hatte wie eh und je ihren Vestalinnenornat an, und der Liktor, Manilius Mancinus, marschierte zackigst vor ihr, die Leute, die nicht weichen wollten, wegdrückend. Nicht, dass es sonderlich notwendig gewesen wäre, vor einer Vestalin wichen die Leute aus. Romana gefiel dies. Romana gefiel es, Respekt gezeigt zu bekommen. Es gefiel ihr, so ihre Macht zum Ausdruck zu bringen. Und sie erwartete sich auch von Morrigan, dass ihr respektvoll begegnet wurde.


    Sie drehte ihren Kopf kurz nach hinten, wo Morrigan ging, und winkte die Sklavin an ihre Seite. “Nun, Perserin“, begann sie. “Denkst du nicht auch, dass der schäbigste Markt in Rom den prunkvollsten Bazar in seinem Wüstenland locker übertrifft?“, fragte sie die Sklavin mit der Selbstsicherheit, die jemand hatte, der eine Frage stellte und davon überzeugt war, dass man zustimmte.


    Sim-Off:

    Reserviert

    Romana nahm mit einer lässigen Armbewegung den Wein, den ihr Morrigan eingeschenkt hatte, an, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Die Claudia war sich der Tatsache, dass die Perserin nicht hoch von ihr denken mochte, durchaus bewusst, aber das ging ihr in keinerlei Weise nahe. Schließlich waren es die Römer, deren Schicksal es war, andere Völker zu unterwerfen – glücklich musste sich ein jeder schätzen, unter der Pax Romana zu leben. Denn Romana war sich sicher, selbst der unglücklichste Sklave in Rom hatte noch immer ein besseres Los als der reichste Fürst in der Barbarei. Nicht, dass Romana je über Italien herausgekommen wäre.
    Sie lächelte huldvoll, als Livineia ihre Gedanken ob der Götter aussprach, und rief sich ins Gedächtnis, wie sehr fie Worte ihrer Nichte ihre eigenen Einstellungen widerspiegelten. Die Götter würden sie behüten, solange sie ihnen so ergeben war. Sie könnten sie ohne Mühe zerstören, doch welcher Herr würde seiner besten Dienerin etwas antun? Ja, Romana fühlte sich von den Göttern geliebt, und sie liebte sie zurück, auch wenn diese Einstellung im römischen Religionsempfinde mehr als ungesund war. Doch Romana war sich sicher, nur die Götter waren es, die Rom vorm Untergang bewahrten. Und nur sie könnten das tun. Wenn erst einmal Mithras, Kybele, Serapis und der verruchte Christengott hier in Rom das Sagen haben würden, wäre das Reich am Ende. Romana hatte es sich auf die Fahnen geschrieben, das zu verhindern. Und den Römern mit Beispiel voran zu gehen.
    Sie lächelte wieder, als Livineia so erfreut reagierte über ihren Kommentar bezüglich der Ringe. Bei Livineias Erwähnung der Philosophen lachte sie auf. “Nun, es ist schon erstaunlich, nicht wahr? Man würde nicht glauben, dass dieses dekadente und verrottete Volk noch etwas hervorbringen würde, das einer Römerin würdig wäre. Es gibt wohl Ausnahmen – die Griechen haben vielleicht doch noch ein bisschen Kultur in sich...“ Es war vielleicht aufschlussreich, wenn hier angemerkt werden würde, dass die Griechen zu Romanas Lieblingsvölker außerhalb von Italien zählten. Xenophobie war der Claudia nicht fremd, ebenso wie unsubstantiierte Vorurteile, besonders gegenüber den Völkern des Osten und den Kelten. Den Punkt mit dem Geld nahm Romana nicht auf, sie selber war eine recht sparsame Frau, die mit anderen Sachen zu punkten hoffte als mit teurem Schnickschnack.
    “Natürlich habe ich ihn gesehen. Ein sehr gescheiter junger Bursche. Aus ihm wird sicher jemand, auf den sein Großvater stolz sein kann.“ Es war ein wenig seltsam, von ihrem Vater als Großvater zu reden. Aber, tja, es war nun einfach so, auch wenn dies nicht weniger dazu beitrug, dass Romana sich fast schon so vorkam, als würde sie zum ganz alten Eisen gehören.
    “Nun, ja, wie du gesagt hast, dein Bruder. Und vor allem ist er Claudier. Hast du schon einmal einen Claudier ohne Geschmack gesehen?“ Sie blickte Livineia schief an und grinste dann neckisch. “Nun, da du jetzt wieder in der Zivilisation angekommen bist, was sind nun deine Pläne? Hat dein Vater dir schon einen Ehemann ausgesucht?“, wollte sie wissen.

    Danke vielmals für die Bereitstellung dieser Informationen! :D Es ist wirklich sehr interessant, das zu lesen.


    Nur kommt mir die Vorstellung von Vestalinnen als lebendige Tote ein bisschen komisch vor... Ich habe auch schon einmal gelesen, dass man sie als geschlechtslose Wesen verstanden hat, einmal innerhalb der Religio Romana.


    Radke sagt also, weil die Liktoren ihre Fasces außer vor Vestalinnen vor höherrangigen Beamten, Repräsentanten des römischen Volkes und vor Begräbnissen gesenkt wurden. Deshalb muss eine Vestalin wie eine lebendige Tote sein. Logischerweise müsste also Geschlechtsverkehr mit einer Vestalin dann, juristisch betrachtet, so sein wie Leichenschändung... 8o


    Wäre es aber nicht möglich, das Fascessenken auch anders zu interpretieren? Nämlich als Senken der Fasces vor der Repräsentantin einer Gottheit auf Erden (analog zum Repräsentanten des römischen Volkes)? Also quasi als vierte Kategorie?


    Was hat es dann mit dem Begräbnis der Vestalin auf sich? Vestalinnen, die unkeusch waren, wurden ja (zumindest in der Republik) lebend begraben, auch wenn der Auszug das verschweigt und stattdessen die tarpeischen Felsen erwähnt (wobei ich nur von einer Vestalin weiß, die von den tarpeischen Felsen gestürzt wurde, und die war keusch, aber eine Verräterin – Tarpeia. Hat Radke da was durcheinander gebracht?). Unkeusche Vestalinnen wurden begraben. Soweit ich es bisher versanden hatte, war das so, weil die Römer Scheu davor hatten, das Abbild einer Göttin auf Erden auf direktem Wege zu Tode zu bringen – nur wäre das unlogisch, wenn die Vestalin ja schon „Dead Woman Walking“ gewesen wäre. :D

    Sim-Off:

    ...long time passing. Tut mir Leid wegen der Verzögerung... :(


    Romana war fasziniert von der Szenerie, die sich vor ihr auftat. Ein ganzes Heer an Sklaven, herumrennend wie irre, nur, um ihr den Aufenthalt bei den Aureliern kommod zu machen. Das ließ Romana, von frühester Kindheit an verwöhnt, sich gefallen!


    Doch die achtete nicht einmal sonderlich auf die Sklaven, sondern eher auf die Pflanzen, die in der Villa Aurelia zu finden waren. Sie waren wunderschön. Romana war entzückt über die Vielfalt der Flora im Hortus. Natürlich war der claudische Garten schön, zumindest seit er hergerichtet worden war. Doch der aurelische Garten übertraf ihn um ein Vielfaches.


    Mit einer graziösen Bewegung ließ sie sich auf einem der Korbstühle nieder, bevor sie einen Becher Wein entgegen nahm und dem Boten, der ihr ausrichtete, dass Prisca gleich kommen würde, huldvoll zunickte. Dann nippte sie an ihrem Becher und ließ den Blick schweifen über die Gärten.