Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen, doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen! Was Jahrhunderte später ein ganz gewisser germanischer Dichter dichten würde, das kam Romana jetzt schon in den Kopf. Ordnung, dieses Konzept personifizierte dieser Garten. Ordnung und Disziplin, Themen, die bei einer Vestalin, in deren Leben sich so viel um ebendiese Konzepte drehten, auf positiven Widerhall stoßen sollten, und Romana war auch begeistert. Romana hatte eine chaotische Ader, aber wenn man den Vestalinnen in ihren Lehrjahren eines einbeizte, dann war es Zucht und eben auch Ordnung. Es war eine Welt, in der man nicht recht vorwärts kam, wenn man dem Ordnungssinn abhold war. Und vorwärts kommen wollte Romana. Eines Tages, stellte sie sich vor, würde sie Obervestalin sein. Die höchstrangige Frau des Imperiums nach der Augusta. Und, so lange die kaiserliche Familie nicht in Rom weilte, die Nummer eins unter den Frauen Roms. Das Streben nach Macht war einem Claudier angeboren, den Männern wie auch den Frauen, Romana stellte keine Ausnahme dar.
Zeit verging also, als sie ihre Blicke schweifen ließ über die prachtvollen Pflanzen, sich wundern beginnend, wo Prisca denn blieb – doch da erklang schon die Stimme der Aurelia. Romana lächelte zu ihr hinauf, verständnisvoll. Jede Frau, die etwas auf sich hielt, sollte sich Zeit nehmen, sich herzurichten. Auch Romana tat das – vor allem im Bezug auf ihre Haare. Es würde sie grausen, nicht ohne penibel gepflegtes Haupthaar durch Rom zu rennen oder jemanden außerhalb des Atrium Vestae zu treffen.
“Prisca, wie schön dich zu sehen!“, erwiderte sie die Begrüßung der Aurelia. “Ich habe alles, was ich brauche, danke!“ Sie hob den mittlerweile halb leeren Becher Wein, den ihr der Sklave gereicht hatte, und ließ ihn kurz herumwackeln, um zu beweisen, dass es ihr wirklich an nichts mangelte.
Als sie auf den Garten angesprochen wurde, blickte sie unwillkürlich wieder auf diesen, dann wieder zurück zu Prisca, um zu nicken. “Oh ja, er gefällt mir sehr gut! Er ist wahrlich wunderschön. Die Ehre, ein wenig von diesem Garten nun zu bekommen, wächst nur noch mehr, da ich nun diesen Garten sehe“, meinte sie, wieder zum Garten hinblickend. “Wunderschön, wirklich. Obwohl ich schon Interesse daran hätte, mir die Pflanzen einmal näher anzusehen.“ Ob sie auch wirklich von der Nähe so schön waren wie von der Ferne? Romana sagte man einen grünen Daumen nach, sie war sich ziemlich sicher, dass sie heraufinden könnte, wie beschaffen die an das Atrium Vestae gegende Blumenpracht sein würde.