Beiträge von Claudia Romana

    Romana hatte ein paar Minuten gebraucht, um sich anständig zu frisieren und sich geeignete Sachen anzuziehen. Fast hätte sie ihr Inful vergessen, welches sie sich noch schnell über den Kopf zog, als sie durch ihre Türe heraustrat, zur Porta hin, wo eine sichtlich entspannte Papiria Occia auf sie wartete. „Salve abermals.“, begrüßte Romana in einer etwas besseren Stimmung als vorher ihre Mitschwester. „Es tut mir Leid, dass es gedauert hat. Bist du bereit?“, fragte sie Occia (eine unsinnige Frage, Occia war sicher schon seit einer Viertelstunde bereit).

    Das Armilustrum zog nicht nur die Aufmerksamkeit von illustren Pontifices, schwer bewaffneten Soldaten, frommen Discipuli, geschäftstüchtigen Händlern und diensteifrigen Opferdienern auf sich, sondern auch von einer kleinen Gruppe – sagen wir, einem Grüppchen – von Vestalinnen. Unter ihnen war Romana, die den Kopf reckte, um einen Blick über die Menschenmassen auf das Armilustrum zu erhaschen. So viele Soldaten. Nicht, dass sie eine große Freundin der Soldateska war, aber es war schon irgendwie ein erhebendes Spektakel, die Macht Roms, die sie alle beschützte, hier vor sich zu sehen. Waren eigentlich alles stramme Burschen. Ob dieser Quintilier auch dabei war, drüben, bei den Prätorianern? Sie wusste es nicht, es war ihr auch gleich.


    Stattdessen ließ sie ihren Blick nach rechts schweifen. Dort stand Pontifex Tiberius, den sie von früher kannte. Consul Electus war er nun, nicht unverdienterweise. Neben ihm sah sie ein weiterer Pontifex, den sie nciht erkannte, obwohl er aussah wie eine durchaus meritenreiche Persönlichkeit. Die beiden Herren wurden durch einen weiteren Pontifex ergänzt. Romana kam es so vor, als hätte sie den schon irgendwo einmal gesehen, aber vermutlich betrog sie ihr Gefühl.


    Nach links nun wanderte ihr Blick. Zwei nicht unbekannte Gesichter erspähte sie dort, die von Calvena und Serrana. Sie waren auch da! Ein Zufall, wie man sich immer über den Weg lief. Ob sie sie auch sahen? Romana winkte ihnen zu, vermutlich würden die beiden sie eh nicht in der Menschnmasse erblicken.

    Romana konnte sich denken, dass Ofella nicht allzu elektrisiert war von der herzlichen, ein wenig unstandesgemäßen Begrüßung, die die Claudierin der Germanicerin angedeihen ließ. Doch Romana scherte sich nicht. Sie wollte aus ihren Gefühlen keine Mördergrube machen, was ihr hie und da zwar zum Nachteil gereichte. Aber sie wollte nicht zu den schon in jungen Jahren verknöcherten Weibsen gehören, die dort hie und da herumkrauterten. „Danke, aber kein Vergleich zu dir!“, meinte Romana geschmeichelt, wiewohl sie um die fehlende Attraktivität, die man dem Vestalinnenornat da und dort unterstellte, Bescheid wusste. Sie musste lächeln, als Calvena ihr das späte Kommen verzieh. „Das kann ich mir denken.“, scherzte sie.


    Entweder fiel Calvena nicht auf, dass Romana ein wenig sonderbar wirkte, oder aber sie erwähnte es nicht – zweiteres käme sehr gelegen. Calvena kam nun mit Ofella ins Plaudern, und die Vestalinnenschülerin hörte mit zu. Ofella gab sich liebenswert und nett, immerhin etwas. Vielleicht war sie wirklich nicht so böse, wie Romana es sich dachte. Vielleicht hatte sie sich wirklich gebessert. Immerhin machte sie ihr keine Schande, was Romana fast schon befürchtet hatte.


    Getränke wurden gereicht, und Romana nahm sich gleich eines, daran nippend, als sie Prisca erblickte. „Oh, salve Prisca!“, rief sie aus, als sie die Aurelierin erblickte, der die Claudierin sicher noch im Gedächtnis war. „Wie geht es dir so? Hinreißend schaust du aus!“ Ihr blieb gleichsam nicht verborgen, dass Ofella sich sogleich an sie wandte. Was sie tuschelten, konnte sie nicht verstehen. Jetzt fiel ihre Stiefmutter hoffentlich nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurück!

    Mehr als nur genervt war Romana. Hätte es damals schon Armbanduhren gegeben, hätte sie wohl ohne Unterlass auf jene geschaut, stattdessen aber beobachtete sie minutiös die Sonne, wie sie immer weiter nach unten sank. Sie hätte es wissen müssen, dass ältere Frauen immer mehr Zeit brauchten, um sich herauszuputzen. Romana zwang sich ein erfreutes Lächeln ab, obwohl sie am Liebsten Ofella geschüttelt hätte vor lauter Verzweiflung. „Ach, du schaust so wundervoll aus, Ofella!“, meinte sie. Ihr Vater würde es ihr nie verzeihen, behandelte sie seine Ehefrau nicht mit Respekt.


    „Jetzt ist wohl alles bereit!“, hoffte sie und begab sich ebenfalls in die Sänfte, welche sie nun zu den Germanicern brachte.

    Nicht nur, dass Ofella so elend lange gebraucht hatte, um sich zu richten, nein, die Sänfte war auch quälend langsam, da das Straßengewühl an so einem illustren Fest durchaus nicht zu verachten war. Romana, die nur mit Mühe einen unverblümt genervten Gesichtsausdruck sich verkneifen konnte, und nur die ganze Zeit lieb ihre Stiefmutter angegrinst hatte, war froh, als die Sänfte endlich anhielt und abgesetzt wurde. Ein Sänftenträger bot ihr die Hand an zum Aussteigen, Romana nahm sie an und ließ sich heraushiefen. In der Annahme, Ofella würde ihr schon hinterherlaufen, schritt Romana in die Casa Germanica und betrat das Atrium.


    Es war schon gerammelt voll, das Fest schien schon im vollen Gang zu sein. Zuerst einmal jedoch musste Romana staunend die Dekorationen betrachten. Da hatte sich Calvena richtig Mühe gegeben! Es war schon beneidenswert, was die Germanicerin für einen Kunstsinn besaß. Es waren zahlreiche Gesichter anwesend, die Romana mehr oder weniger gut kannte. Da drüben standen ein paar ihrer Freundinnen, die jedoch ins Gespräch versunken schienen. Romanas Augen wanderten herum, auf der Suche nach Calvena, mit der sie zuerst reden wollte. Hoffentlich hatte sie nichts dagegen, dass nun Ofella hier war.


    Da drüben war sie ja! Romana schritt auf sie zu. „Salve, Calvena!“, rief sie freudig und warf sich ihrer Freundin um den Hals. „Tut mir Leid, dass ich so spät bin! Ich habe doch hoffentlich noch nicht zu viel versäumt! Es sind ein paar Sachen in den Weg gekommen. Ach ja, das hier...“ Sie deutete auf Ofella... „ist übrigens meine Stiefmutter, Claudia Ofella. Es macht dir doch nichts aus, dass ich sie mitgenommen habe?“, besser gesagt, dazu forciert worden bin , sie mitzuschleppen. Sie lächelte noch immer süßlich und ein wenig falsch, ein Lächeln, das man von der großen Vestalin gar nicht gewohnt war. Calvena musste unweigerlich merken, dass da etwas im Busch war. „Und, Ofella, das hier ist meine liebe Freundin, Germanica Calvena.“, erinnerte sie sich noch im letzten Moment, dass sie Ofella der Germanicerin vorstellen sollte.

    Wenn Ofella genervt war von den Sekunden, während denen Romana innerlich Argumente abwog, ließ sie sich nichts anmerken. Romanas Information, dass sie zu den Germanicern gehen würde, wurde mit einem „Tatsächlich“ kommentiert, von dem Romana nicht wusste, was sie davon halten sollte. War das negativ oder positiv gemeint?


    Wie Romana erwartet hatte, war Ofella durchaus erfreut über die Einwilligung, sie mit sich zu schleppen. Und gleich begann Ofella über ihre Kleidung Reden zu schwingen. „Nein, nein, du schaust gut aus, wirklich gut!“, beeilte sich Romana zu sagen. Sie hatte eh schon so viel Zeit verloren! Und durch Ofellas Schminkoperation würde sie sich nochmals elend verspäten. Aber sie fühlte schon ihren linken Arm eingezwickt in denen von Ofella. Romana war nicht so schwach, wie es scheinen mochte, aber gegen diese Masse an Fleisch war sie wehrlos. Sie ließ sich, kein Wort des Widerspruchs wagen, in die Sänfte schleppen und rang sich ein freundliches Lächeln ab – wie gut, dass jenes ihr von Natur aus gut gelang. „Äh, ja, so wie ich dich kenne, wird das garantiert ganz fix gehen.“, süßholzraspelte sie, während sie der verlorenen Zeit nachsinnte. „Aber bist du sicher, dass du dich herrichten musst? Du schaust tadellos aus...“, regte sich doch ein wenig, vermutlich vergebener, Widerspruch.

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    Original von Quintus Germanicus Sedulus
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    „Ja, das ist ohne Zweifel ein wichtiger Posten.“, gab sie zu bedenken. „Da muss man sicherlich architektonische Vorkenntnisse haben, um solch einen Betrieb aufrecht zu erhalten. Bist du Architekt?“, fragte sie ihn interessiert. „Es erscheint mir nämlich ein interessanter Beruf.“ Sie lachte kurz. „Ich hoffe einmal, die Casa Iunia ist nicht einsturzgefährdet. Liegen da Berichte vor?“


    Nochmals musste sie lachen, als Sedulus über seine Tochter zu sprechen kam. „Ein Wirbelwind, soso. 5 Jahre...“ Kurz hielt sie inne. Vaterfreuden. Mutterfreuden. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken. Sie räusperte sich. „Ein Jahr, und dann ist sie 6. Was übrigens das Mindesteintrittsalter für Vestalinnen ist.“, erwähnte sie wie beiläufig. „Ich hoffe doch, sie ist auch bei den Fontinalien dabei?“, fragte sie, nur, um sich sicher zu sein.


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    Original von Duccia Clara
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    Ein wenig enttäuscht war sie schon, als Clara ihr eröffnete, sie habe gar nichts mit den wilden Barbaren in Germanien gemein. Gerne hätte sie schon eine Germanin gesehen. „Aber du hast doch sicher ein paar germanische Bräuche von den Verwandten deines Mannes mitbekommen?“, fragte sie nach, ethnologisch interessiert, wie sie es war. Wilde Tänze in Bärenfellen! Extasische Met-Orgien! Das wäre mal was. Als vestalin kam sie aber nur selten aus Rom heraus, und so würde sie so etwas wohl nur sehen, wenn sie Germanen hier in Rom kennen lernte. „Bist du ganz allein hier in Rom? Oder gibt es andere Duccier, die dich unterstützen?“, fragte sie Clara.

    Die Claudierin sah, wie sehr die Quintilierin sich drückte, als die Rede auf ihre Freunde kam. Romana nahm das ohne zu Zögern als Reue auf. Sie geniert sich ihrer alten Wege. Das war doch ein gutes Zeichen!


    Ebenfalls freute sich Romana über die Art und Weise, wie sich Melina für ihren Beruf zu interessieren schien. Melina strahlte, und Romana strahlte zurück. „Man kommt hinein, indem man auserwählt wird. Zumeist gibt es Losverfahren, was sich aber erübrigt, wenn sich ein Mädchen findet, welche bereit ist, die 30 Jahre bei den Vestalinnen auf sich zu nehmen. Ich bin eine Freiwillige. Aber es gibt immer nur 6 Vestalinnen. Momentan aber ist eine Stelle frei geworden.“, vertraute sie der Quintilierin an. „Vielleicht willst du ja Vestalin werden? Wie alt bist du denn überhaupt?“


    Ebenso unverblümt wie Melinas Frage kam also die Anwerbeaktion, welche wohl ähnlich war wie bei den Sekten. Obwohl, war nicht auch der Vestalinnenkult eine Art... Sekte?

    Man würde fast nicht erahnen, dass unter den kuscheligen Decken da jemand regungslos lag. Erst, als angeklopft wurde, begann Bewegung in die Decken zu kommen. Eine weibliche Hand, in ihrer Zartheit doch recht adynamisch wirkend, schoss aus dem Deckenchaos hervor und hätte fast einige Gegenstände vom Nachtkästchen geworfen. Der Arm wurde in die Höhe geworfen und offenbarte einen Anblick auf die neueste Vestalin, welche unlustig in das nun direkt in ihre Augen treffende Licht blinzelte. Sie mühte sich aus dem Bett und murrte zur Tür hin: „Ich komm‘ gleich. Muss mir noch was anziehen.“


    Als sie sich etwas übergestreift hatte, machte sie gleich die Tür auf – durchaus war es ein Fehler gewesen, dass sie nicht noch vorher in den Spiegel geschaut hatte. Ihre Haare waren, gleich einer Vogelscheuche, in alle Richtungen abstehend. Früher hatte ich langes Haar durch die Schwerkraft ihre Haare immer nach unten gedrückt, doch nun wachte sie, mit ihren kurzen Haaren, des Öfteren mit Haupthaar auf, welches ausschaute, als ob sie einem magnetischen Experiment zum Opfer gefallen wäre. Schlaftrunken und blinzelnd blickte sie Occia an, ihr Gesichtsausdruck schien in diesem Moment dem eines Uhus nicht unähnlich.


    „Ach, salve, Occia.“, murmelte sie eher, als dass sie sprach. „Gehen wir zu den Quellen?“

    Romana wusste nicht ganz recht, ob sie lachen oder weinen sollte, als Ofella ihr erzählte, dass sie ihre Verwandschaft in Baiae „ganz schrecklich“ vermisse. Wenn es Ofella so ein Bedürfnis war, nach Rom zu kommen, wieso war sie nicht eher zurückgekehrt? Obwohl... sie war jetzt ja da. Ob zum Vorteil oder zum Nachteil der Betroffenen, konnte Romana nicht sagen. Sie hatte Ofella ganz anders in Erinnerung, als sie sich jetzt gab. Aber wer wusste, vielleicht hatte sie sich tatsächlich gewandelt? Innerlich glaubte sie das nicht.


    Die junge Frau hätte sich aber am Liebsten selber eine deftige Watsche gegeben, als sie hörte, wie Ofella in die Kerbe sprang, die sie selber ihr vorgegeben hatte! Bei den Göttern, jetzt war sie in einer Zwickmühle. Die Worte ihrer Stiefmutter hörte sie, als sie krampfhaft überlegte, wie sie aus dem Dilemma herauskam. Auf der einen Seite konnte sie Ofella mitschleppen. Dabei würde sie vielleicht einen Störfaktor ins Fest mit hineinbringen. Vielleicht würde ihr Calvena niemals verzeihen, dass sie die alte Hexe mitgenommen hatte. Auf der anderen Seite konnte sie die Mutter ihres verhassten Bruders abblitzen lassen. Dies hieß – auf sich eine Ladung lucretischen Hass zu ziehen. Und zudem würde ihr Vater das wohl überhaupt nicht gerne hören. Romana wusste ja noch nicht, dass Ofella dazu nach Rom gekommen war, ihre Bindung mit ihrem Vater, wenn nicht komplett zu lösen, dann zu lockern. Sie wusste nicht, wie eng sich ihr Vater noch mit ihr verbunden fühlte... vielleicht noch relativ eng? Ihm zuzutrauen, dass er dies nicht einmal mit seiner Tochter teilen würde, war es schon. Es wäre ein Risiko. Und vielleicht hatte Ofella sich wirklich geändert? Hoffnung gab es ja immer.


    Sie schwankte noch immer stark zwischen ihrer Ehrlichkeit, welche diktierte, Ofella eine Abfuhr zu erteilen, und ihren Manieren, die verlangten, ihrer Schwiegermutter einen Gefallen zu tun. „Das Fest wird bei den Germanicern sein.“, machte Romana, um Zeit zu schinden. Dann sagte sie etwas. Was sie sagen wollte, war: „Ja dann, gute Nacht.“ Blödsinnigerweise, durch unerklärliche Lautverschiebungen, klang das, was aus ihrer Kehle herauskam, eher wie: „Willst du vielleicht mitkommen?“


    Als sie sich das sagen hörte, krümmte sich innerlich ein Teil von ihr – aber jetzt war es heraus. Romana unterdrückte gewaltsam einen Seufzer, der wohl genauso schmerzhaft geklungen hätte wie der, den Ofella ausgestoßen hatte.

    „Pitsch-nass? Ist es wohl...“, meinte Romana, beim Scherz irgendwie nicht mitkommend, aber trotzdem freundlich lächelnd. Aufblicken tat sie aber, als Melina ihre verwandtschaft mit den beiden bestätigte. „Wirklich! Dann, glaube ich, habe ich dich schon einmal gesehen! Bei den Ludi, genau! Erinnerst du dich nicht mehr? Da warst du auch dabei. Und, wenn ich mich recht erinnere, warst du da mit einer Gruppe von Straßenkindern unterwegs.“ An mehr konnte sie sich jetzt wirklich nicht mehr erinnern, der Schock über den Angriff des Bären hatte viele andere Erinnerungen an den Tag verblassen lassen. Die Möglichkeit, dass sich Sermo an sie herangemacht haben könnte, würde sie, könnte sie Gedanken lesen, nicht so im Raum stehen lassen. Aber da sie das nicht konnte, war sie einfach nur ein wenig verwundert über den genervten Ton der Quintilierin.


    Als Romana jedoch erwähnte, dass sie eine Vestalin war, schien die Aufmerksamkeit des Mädchens sofort geweckt. Romana musste unwillkürlich schmunzeln, als Melina sie voller Bewunderung musterte, als sie erwähnte, welchen Beruf sie ausübte.


    „Wie das so ist? Nun auf jeden Fall wagt es keiner mehr, mich schräg anzusehen.“, scherzte sie. „Wie dem auch sei, es ist wunderbar. Ich genieße jeden Tag von meinem neuen Leben. Es beinhaltet auch schwere Arbeit, und wir haben viele Aufgaben zu erfüllen. Aber ich sage dir, ich könnte mir nichts Besseres vorstellen. Die Arbeit ist intellektuell stimulierend, und man wird auch nicht in irgendeine Ehe gezwungen, wo man sich dann mit einem uninteressanten Ehemann abzumühen hat.“ Sie meinte ihre Worte im Ernst.

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    Original vom Sedi
    Blubb-blubb-blubb :D


    „Ach ja, genau, deine Tochter Sabina!“, rief Romana aus. „Heute hat es mich wirklich. Na ja, gut informiert muss man als Senatorentochter sein. Man kriegt da auch einiges mit... Wie dem auch sei, deine Arbeit klingt wirklich interessant, egal, was du denkst, Senator. Ich denke auch, es ist wirklich bewundernswert, wie du die Balance zwischen Privatleben und Karriere hinkriegst. Ich meine, du hast sicherlich immer viel zu tun. Schön aber, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns zu feiern. Weißt du... ich kann es gar nicht erwarten, deine Tochter kennen zu lernen. Sie klingt nach einem netten Mädchen. Wie alt ist sie denn überhaupt?“, fragte sie. Sedulus war noch nicht so alt, dass sie erwachsen sein konnte, sie tippte auf 10 Jahre oder weniger. So, wie man sie allgemein als „Sonnenschein“ bezeichnete, war sie vermutlich noch um einiges jünger.


    Vielleicht konnte sie ja Sedulus dazu überreden, Sabina auch zu einer Vestalin zu machen. Im geeigneten Alter dazu wäre sie ja. Romana verstieg sich wieder in Träumereien, wie man sehen konnte.


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    Original von Calvena


    “Na hoffentlich!”, antwortete Romana und lächelte. Doch da hatte sich Calvena schon wieder weggewandt, zum Bärentöter Centho hin.

    Nur langsam begann Romana, sich von ihren Schrecken über diese Umarmung zu erholen, und einen ein wenig gelasseneren Gesichtsausdruck zu machen. Das Gespräch hier fand sie ein wenig ungeschickt, doch sie ahnte nichts Gutes. Man musste aus dieser Frau herausholen, wieso sie hier war.


    „Das ist ja schlimm!“, meinte sie und schüttelte demonstrativ den Kopf. „Da ist es ganz und gar verständlich, dass du das gesündere Klima in Baiae bevorzugst gegenüber der giftigen Luft hier in Rom. Da frage ich mich, wie kommt es, dass wir die Freude haben, dich wieder in Rom empfangen zu können?“, fragte sie und blickte ihre Schwiegermutter so freundlich wie möglich an.


    Dass ihre Schwiegermutter der Meinung war, Vestalinnen müssten immer das Feuer hüten, käme Romana abstrus vor. Es war viel wahrscheinlicher, dass sie herausfinden wollte, was Romana im Schild hätte. „Ich habe Ausgang.“, informierte sie ihre Schwiegermutter. „Zu den Fontinalien.“ Ein elender Geist in ihr entschloss sich, die Wahrheit zu sagen. „Ich bin bei einer Freundin zu einem Fest eingeladen.“ Ofella würde hoffentlich verstehen, dass nur Romana eingeladen war, und sich nicht etwa mitschleppen lassen.


    „Neinneinnein!“, gebot Romanas Anstand ihrer Schwiegermutter zu versichern. „Ich bin ganz sicher pünktlich dort.“ Sicher war sie sich dabei nicht, eine kleine Verspätung hätte sie schon ohne Ofella einkalkuliert.

    „Genügt das?“, fragte Romana positiv überrascht. „Das ist nicht schlecht!“, untertrieb sie. „Ich habe also Ausgang? Das ist ja sehr schön. Ich würde mir liebend gerne den Tempel und den Rest des Gebäudes ansehen, aber weißt du, heute sind die Ludi Romani, die würde ich mir sehr gerne anschauen.“, gab sie zu. Sie wollte unbedingt die Spiele ansehen, den Tempel ansehen konnte sie ja morgen noch. Den würde sie im Lauf der nächsten 30 Jahre wohl noch sehr gut kennen lerne.


    „Können wir das also morgen machen? Hättest du etwas dagegen?“, fragte sie Occia. Hoffentlich nicht, denn die Vestalin hatte es ihr ja frei gestellt!

    Ach, bei den Göttern, hätte sie die roten Haare doch nur ignoriert. Romana hätte sich selbst dafür von oben bis unten abwatschen können, dass sie die Ehefrau ihres Vaters nicht ignoriert hatte. Nur war es ein so seltener Anblick, die Mutter ihres lieben Bruders (schon beim Gedanken an ihm musste die Claudierin sich zurückhalten, nicht auf den Boden auszuspucken) hier in Rom zu sichten. Es musste einen Grund dafür geben, denn Romana wissen wollte.


    Doch lieber wäre sie ohne Aufklärung geblieben. Denn die Wucht, mit der die komplett überraschte Romana an die Brust der gebürtigen Lucretierin gedrückt wurde, war unheimlich. Ungelenk, reflexartig, suchte auch sie eine Umarmung der Ofella. „Ähm... ja... es ist auch sehr schön, dich hier zu sehen!“, log sie, dass es sie wunderte, dass ihre Nase nicht noch länger wurde, als sie es schon war. Woher nahm die Alte nur ihren Enthusiasmus her? Romana war so konfus, dass sie ohne Widerrede den Wortschwall ihrer Schwiegermutter über sich ergehen ließ, dabei Ofella mit einem sorgfältig geübten Lächeln auf ihren Lippen anblickend.


    Hätte sie jedoch Gedanken lesen können, hätte sie sich arg gewundert über das, was Ofella dachte. Zu klein? Ein so langes Gestell wie Romana gab es kein zweites Mal in Rom. Sie überragte ihre Schwiegermutter, die selber groß war, um Einiges, sogar ihren Vater übertraf sie an Größe. Zu dürr? Romana war nicht dick, doch hatte sie des Öfteren mit ihrem Bauch zu kämpfen, der nur selten auf Idealgröße zusammenschrumpeln wollte. Zu unscheinbar? Durch ihre Größe ausgeschlossen, und das strahlende Gewand tat ihr Übriges. Vielleicht war Ofella einfach nur verkalkt. 8) Aber das glaubte Romana auch, ohne diese Gedanken erraten zu können.


    „Öhh, danke, dass du das sagst. Und mir geht es sehr gut, danke! Wie geht es dir?“, fragte Romana sittsam. In der hohen Kunst des Schauspiels war sie unerfahren, und der von Natur aus sehr ehrlichen Romana fiel es schwer, nicht einfach nur dreinzugaffen wie eine Idiotin.

    Einige Zeit hatte Romana damit verbracht, sich herzurichten. Die erste Erwägung, die sie sich durch den Kopf gehen lassen hatte, war zuerst einmal, wie sie kommen sollte – so wie sie zu den iuniern gekommen war, oder doch in der Vestalinnentracht? Sie hatte sich lange nciht entscheiden können, war vor ihrer Kleidersammlung gestanden und hatte gegrübelt, bis sie sich doch für die altbewährte Vestalinnentracht entschlossen hatte. Denn insgeheim war sie sich ziemlich sicher, dass Pomponia Pia, die Obervestalin, es gar nicht gerne sah, wenn sie mit etwas anderen als der Tracht sich sehen ließ, auch wenn sie Ausgang hatte.


    Wenn sie aber schon in der weißen Tracht erscheinen würde, würde sie das ordentlich machen. Sie zog frisch gewaschene, blütenweiße Gewänder an, die sie sehr sorgfältig umwickelte. Ihren besten Schleier wählte sie aus, sowie eine in besonders saftigen Farben gehaltene, nicht allzu dicke, Wollbinde, die sie mit einer Kopfbinde, der vitta, um den Kopf befestigte. Das sollte passen. So konnte sie sich überall sehen lassen.


    Sie schritt durch das Atrium hinaus durch die Porta. Wobei, bevor sie das tat, warf sie einen letzten Blick ins Wasser, um sich in der Spiegelung zu sehen. Es passte alles. Ihr Gesicht war vom Schleier umhüllt und blickte ihr aus dem Wasser freundlich entgegen. Kein Claudiergesicht, ein Manliergesicht hatte sie, wie man es ihr oft sagte. Sie ähnelte ihrer Mutter, als jene so alt gewesen war wie sie selbst, so hatte sie gehört. Aber sie wollte nicht mehr darüber nachdenken. Es war der Tag der Fontinalien, und Romana freute sich schon auf das Fest in der Casa Germanica, wo sie eingeladen war. Sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen, aber erst jetzt hatte sie losgehen können.


    Draußen angekommen, atmete sie tief Luft ein – wie sehr sie sich schon freute! – bevor sie sich nach links wandte und schon losgehen wollte. In genau jenem Moment aber bemerkte sie etwas. Da war etwas... Rotes. Sehr, sehr rot. Romanas Haar hatte ja einen leicht rötlichen Glanz, der aber, im Laufe der Zeit, immer mehr ins Bräunliche abwanderte. Sie war sich sicher, sobald sie erst 20 wäre, würde sie komplett braune Haare haben. Doch so rote Haare... waren selten in Rom. Wenn es sich nicht um eine Sklavin handelte. Und eine Sklavin war diese Person ganz sicher nicht.


    Es konnte nur eine Frau sein, deren Anwesenheit Romana mehr als nur verwundert hätte. Diese Haare, die waren wie ein Signal, welches man aus der Menge herausstechen sah. Schnell eilte Romana auf die Person mit den Haaren zu und kam hinter ihr zum Stehen. „Ofella?“, fragte sie. Denn Mutter würde sie diese Person niemals nennen.

    Romana war immer wieder gerne am Spinnen, nicht nur die Fäden der Zukunft ihrer selbst und ihrer Verwandtschaft, sondern auch... allgemein. Sie war die letzte, die das nicht zugeben würde. „Quindecimvir.“, wiederholte sie und lächelte erfreut. „Das ist schön, wunderschön.“ Sie lächelte, als ob all ihre Träume in Erfüllung nun gegangen wären. Das Quindecimvirat war ein sehr angesehenes Amt, in dem sich Lepidus sicher gut entfalten werden könnte. „Wenn du Quindecimvir wirst, musst du dich dann aber auch mit vielen seltsamen, fremdländischen Kulten beschäftigen. Halte die gut unter Kontrolle, nicht, dass sie unsere Religion gefährden.“, mahnte sie ihren Vetter, das musste schon sein.


    „Ich bin mir auch ganz sicher, dass du dich da durchsetzen wirst. Schon alleine deines Namens wegen. Wer würde es wagen, gegen einen Claudier zu stimmen?“, fragte sie, rein rhetorisch. Sie war sich ganz sicher, Lepidus würde es schaffen. Er musste es schaffen, denn wer würde sonst die Claudier würdig vertreten können im Senat? Etwa Brutus, dieser Knülch? Nein. Es war Lepidus, auf dem die Hoffnung der Familie ruhte. Und sie selber... sie selber war das auch. Auch sie musste ihrem Vater eine ordentliche Tochter sein. Eine Tochter, die einmal Obervestalin sein werden würde, so die Götter ihr gewogen waren.


    „Du willst also, dass ich deinen Patron wählte.“, wiederholte sie sich und tat so, als ob sie gut nachdachte. Dann lächelte sie wieder. „Na gut.“, machte sie. „Meine Stimme hat er.“ Besonders, weil vom Schicksal des Durus das deinige abhängt, dachte sie.


    „Sag, wann wirst du Quindecimvir? Und wenn du so weit bist, kannst du mir dann einmal die sybllinischen Bücher zeigen?“, fragte sie ihn.

    Kurz war sie abgelenkt von ihrem Gespräch mit Sermo, als sie gelegentlich Leute ansprach, oder von ihnen angesprochen wurde. Zuerst einmal kam sie mit Senator Sedulus ins Gespräch. „Genau, Senator, das müssen wir noch. Nur weiß ich nicht mehr, wo wir stehen geblieben waren.“ Verschmitzt lächelte sie. „Redeten wir über den Senat? Ich glaube schon. Was ist dein momentaner Posten? Was das nicht Curator Operorum Publicorum? Was beinhaltet diese Arbeit?“, fragte sie neugierig nach. Denn selbst wenn sie keine Senatorin werden konnte, sie wollte mehr über Politik erfahren, um weniger unbedarft in diesen Dingen zu wirken.


    Sie lernte nun auch die Duccierin kennen. „Nein, ich kenne keinen kretischen Stier. Nur den aus der Legende.“, versetzte sie, mit der Schulter zuckend. „Ich habe keine Ahnung, wovon hier alle reden. Wird schon nicht so wichtig sein.“, hoffte sie. „Aber, du bist ja eine Duccia, oder? Ihr seid ja alle Germanen! Das ist ja faszinierend. Hast du auch einen germanischen Namen, und kannst deine Vorfahren auf die Barbar... ich meine natürlich, das Volk der Germanen zurückführen?“, fragte sie interessiert. Betroffen aber war sie, als sie hörte, Claras Mann sei gestorben. „Das tut mir sehr Leid. Mein Beileid.“, machte sie ehrlich betroffen.


    Calvena lächelte sie zu. „Steht mir nicht so schlecht, oder? Ich meine, man sagt mir immer nach, ich hätte von Mode keine Ahnung. Nur weil es mich nicht so glühend interessiert, heißt das nicht, ich wäre komplett unwissend in dieser Richtung. Nur gut, dass ich Sachen im meiner Größe gefunden habe, was ich sonst immer anfinde, schaut aus, als ob es aus der Zeit der punischen Kriege käme.“


    Septima unterhielt sich drüben immer noch mit Macer. Was sie mit dem wohl wollte? Bandelten die miteinander an? Oder wie? Heiraten würde sie ihn nicht können.