Nein, das wusste sie nicht genau, sie war sich sogar ziemlich sicher, dass ohne Valerians Getue das Vieh niemals so aggressiv und wütend geworden wäre. Was sie dafür besser wusste, war, dass sie, wenn sie dies nun sagen würde, das Fass zum Überlaufen bringen würde. Und dann hätte sie nichts erreicht, außer, dass ihre Freundschaft zerbröckelte. Und das wollte Romana auf gar keinen Fall. Calvena kannte ihre Meinung zu dem Thema, sie musste sie jetzt nicht noch einmal reiterieren. „Nun, du kennst meine Meinung dazu. Aber du hast recht, im Endeffekt ist die Schuld dem Tierhalter zuzuschreiben. Der hat sich ja über alle Berge gemacht! Hoffentlich fangen sie den bald ein.“, bemerkte sie, um das Thema in eine andere Richtung zu lenken.
Doch unweigerlich wurde darauf wieder zurückgekommen, als die beiden über Marhabal zu sprechen kamen. Romana hörte ihrer Freundin zu, nickte dann und wann, und dachte kurz nach, bevor sie sprach. „Es ist halt so... ich bin so leicht aus der Ruhe zu bringen, dass es nicht mehr schön ist. Und ich trete lieber so auf, als dass ich mir nachsagen lasse, ich lasse solche Sachen auf mich sitzen. Ich bin halt so, das ist im Paket inkludiert.“ Romana lächelte in sich hinein. Niemand war perfekt, am allerwenigsten sie, das wusste sie. „Ich wollte ein Gespräch darüber, aber ich wollte ihn auch dementsprechend konfrontieren.“, erklärte sie, mit ihrer rechten Hand gestikulierend. „Man muss halt hie und da resolut auftreten.“, war sie sich sicher. In solchen Belangen kam wohl die stolze Patrizierin in ihr durch. „Wie er reagieren hätte sollen, fragst du? Er hätte mich nicht als hysterische Ziege abtun sollen, wie er es getan hatte. Er hätte mich für voll nehmen sollen – denn das hat er nicht getan. Er hat das Gespräch beendet, anstatt sich dafür zu unteressieren, weswegen ich so sauer auf Marhabal bin.“, brachte sie ihren Standpunkt hervor.
Dieses Mal war es Calvena, die auf etwas anderes zu sprechen kam. „Du meinst nicht, dass er dir ein Hindernis sein wird?“, fragte sie und dachte nach. „Sag mal, hat er eigentlich einen Patron?“ Wenn der Patron des Quintiliers ein einflussreicher Mann wäre, wäre es vielleicht verschmerzbar. Und, wer weiß... vielleicht konnte ja die Gens Germanica etwas an der sozialen Stellung des Quintiliers verändern. Ziemlich sicher sogar. Nun aber hörte sie den Bedenken der Germanicerin zu. „Du vertraust Durus nicht? Mir erschien er ein netter Mensch.“ Leicht gesagt, wenn du Patrizierin bist und dein Vetter Klient von Durus ist, meinte eine innere Stimme in ihr. „Und Gracchus? Nun, ich habe von ihm angehört. Er ist gesundheitlich angeknackst. Und vermutlich schätzt er die Germanicer auch nicht so... und Corvinus... hmmm.“ Sie überlegte. Sie kannte den Namen. „Er war einst ein guter Freund meines Vaters, doch mittlerweile haben die beiden nicht mehr soviel miteinander zu schaffen. Aber er ist sicher ein guter Mann, an den man sich wenden kann. Ob er aber die Germanicer so gut leiden kann? Ihr Germanicer habt leider diese Angewohnheit, es euch immer mit den Patriziergentes zu verscherzen.“, meinte sie, ohne dass ein Vorwurf in ihrer Stimme lag, vielmehr zwinkerte sie Calvena zu. „Leider gibt es halt keinen claudischen Pontifex. Ich sage dir, den hätte ich beackert, bis er sich deiner angenommen hätte.“ Sie meinte es sehr ernt damit. „Allerdings, ein Verwandter von mir will den Quindecimviren beitreten. Ich werde bei ihm, wenn es soweit ist, natürlich ein sehr gutes Wort für dich einlegen.“ Sie lächelte Romana an. Obwohl sie momentan eine Differenz haben mochten, Romana vergaß dabei nicht, dass Calvena für sie durchaus das war, was man als beste Freundin bezeichnen konnte.
Romana blickte Calvena ob ihrer Ansage doch ein wenig verwundert an. „Du willst nicht viel erreichen? Red doch nicht so. Jeder hat Ambitionen, du, wie ich, wie die ganze Welt. Wer das nicht hat, ist zu bemitleiden.“, stellte sie fest. „Und du denkst, Valerian wird dich nicht einsperren und stattdessen deine Unabhängigkeit garantieren?“ Sie blickte kurz nach oben, als ob sie die Decke bestaunen würde, und suchte dann wieder den Augenkontakt mit Calvena. „Calvena, du bist mir eine.“, seufzte sie. „Ich werde Valerian eh nicht heiraten, und es geht mir also nicht darum, ob ich mit Valerian zufrieden bin, sondern, ob du dir ganz, ganz sicher mit ihm bist. Bist du das auch, Calvena, auch nachdem du meine Einwände gehört hast?“, fragte sie.