Beiträge von Claudia Romana

    Es war wirklich amüsant zu sehen, wie schnell der Ianitor reagiert hatte, als er ihren Gensnamen gehört hatte. Der Sklave zögerte keinen Moment mehr davor, sie hineinzuführen.


    Doch selbst ihr hoher Name hielt ihn nicht davon ab, ihr kein Wasser anzubieten, obwohl ihr das durchaus in den Kram gepasst hätte. Alleine wurde sie Atrium zurückgelassen, und Romana vertrieb sich die Zeit damit, sich umzuschauen. Es war ein schönes Atrium. Alles war brandneu. Und trotzdem hatten es die Baumeister geschafft, dem neuen Atrium die Würde und die Erhabenheit zu verleihen, welche einer so angesehenen Patrizierfamilie wie den Tiberiern zustand.


    Sie setzte sich von ihrem Stuhl auf und trat an das Becken kurz hinan und blickte hinein. Sie konnte sich selber im glasklaren Wasser wiederspiegeln sehen. Wieder blickte sie auf, ihre Blicke schweiften über die Reliefe an den Wänden. Langsam trat sie zurück, den Blick nicht von einigen sehr schönen religiösen Motiven lösend. Sie setzte sich schlussendlich wieder hin und legte ihre Hände in den Schoß.

    Dass der Sklave, der ihr die Türe aufmachte, in der Hitze des italienischen Sommers verkühlt war, war nun wirklich eine erstaunliche Leistung, die Romana dazu veranlasste, kurz die rechte Augenbraue zu heben. Seine Worte klangen gequengelt und sie musste sehr genau hinhören, als er redete. Immerhin schien er Respekt vor ihr zu haben, und war das schon etwas. Zu nahe kommen wollte sie dieser Bazillenschleuder jedoch nicht.


    „Salve.“, begann sie und räusperte ihre arme trockene Kehle. „Ich möchte gerne den Pontifex Tiberius Durus sprechen, bitte. Ich bin vom Atrium Vestae, und hernach von der Regia, zu ihm verwiesen worden. Mein Name ist Claudia Romana, Tochter des Claudius Menecrates, und ich will in die Priesterschaft der Vestalinnen aufgenommen werden.“ Ihre Worte klangen leicht mechanisch, wenn sollte dies wundern? Es waren, bis auf die Nennung der Regia, genau die selben Worte, die sie schon an der Regia gesprochen hatte, und die sie die 6 Stunden ergebnislosen Herumlatschens in Rom ständig innerlich wiederholt hatte.

    ...war Romana gegangen. Die Arme! Ihre Füße schmerzten vom ungewohnten weiten Gehen. In Clusium war alles in der Reichweite von ein paar Minuten gewesen, hier in Rom durfte man sich die Füße wundlaufen. Unterwegs, auf den Weg vom Forum, hatte sie sich eine Mahlzeit gekauft. Dort hatte man ihr eine faule Wurst angedreht, und irgendjemand hatte sie auf den Viminal verwiesen, als sie fragte, wo sie die Villa Tiberia finden könne. Erst dort hatte sie herausgefunden, dass man sie innerhalb von 3 Minuten gleich zweimal veräppelt hatte. Ihre Laune war bei weitem nicht mehr so rosig wie noch am Morgen.


    Am Viminal aber hatte jemand ihr den richtigen Weg gezeigt. Endlich stand sie nun her. Es war schon der Nachmittag. Sie schritt zur Porta hin – welche nagelneu war, wie ihr auffiel – und klopfte dran.

    Der Mann hörte ihr aufmerksam zu, doch seine Antwort fiel doch eher ein bisschen enttäuschend aus. „Zur Villa Tiberia?“, fragte Romana und blickte den Ianitor etwas ungläubig an. In ihrer jugendlichen Naivität war es ihr nicht eingefallen, dass Tiberius Durus vielleicht nicht den ganzen Tag lang in einem Officium in der Regia vermodern wollte. Etwas Unbehagen spürte sie beim Gedanken, dass sie nun in die Privatsphäre eines Mannes, den sie nicht kannte, eindringen musste. Doch ihr Anliegen war von so wichtiger Natur, dass sie das auf sich nehmen würde. Selbst wenn das hieße, dass sie abermals durch ganz Rom latschen müsste.


    Immerhin hatte sie aber adequate Auskunft vom Ianitor erhalten, das konnte sie schlecht vergelten, indem sie jetzt einfach enttäuscht abging. Deshalb machte sie ein „Danke vielmals. Dann gehe ich zur Villa Tiberia.“ Sie wandte sich ab und ging davon. Die leichten Schritte, die sie noch am Morgen gehabt hatte, waren um einiges schwerer geworden. Wenn sie am Abend nicht Blasen haben würde, wäre das ein Wunder.

    Sie erblickte ein bärtiges Gesicht. Eine dazugehörige freundliche Stimme fragte, was sie wolle. Romana kam nicht umhin, den armen Mann kurz zu bemitleiden, sah man doch, dass das Wort Mittagspause so fremd und fern für ihn war wie für andere Indien oder Kaledonien.


    Aus diesem Grund bemühte sie sich auch um ein freundliches Lächeln, als sie antwortete. „Salve. Ich möchte gerne den Pontifex Tiberius Durus sprechen, bitte. Ich bin vom Atrium Vestae zu ihm verwiesen worden. Mein Name ist Claudia Romana, Tochter des Claudius Menecrates, und ich will in die Priesterschaft der Vestalinnen aufgenommen werden.“, unterbreitete sie ihm ihr Vorhaben. Sie wedelte kurz mit ihrer Schriftrolle vor dem Gesicht des Mannes herum. „Die Erlaubnis meines Vaters habe ich schon.“ Halb bewusst, halb unbewusst, schob sie ihren rechten Fuß etwas nach vorne, sodass der Ianitor den Halbmond auf ihrer Sandale sehen konnte.

    Romana war auf ihren Weg zurück ins Stadtzentrum nicht gerannt, sondern hatte sich nach guttöchterlicher Manier im würdevollen Schreiten geübt. Ihre Schritte hatten sie übers Forum an die Regia geführt. Großmächtig erhob sie sich über sie, eine würdige Verwaltungszentrale für den Cultus Deorum. Es war schon fast Mittag. Hoffentlich hatte der Ianitor nicht seine Mittagspause.


    Sie ging zur Türe hin und klopfte an. Man konnte nur hoffen, dass sie alsbald hineingelassen werden würde, um mit Senator Tiberius Durus zu reden. Die Schriftrolle ihres Vaters würde ihn sicher beeindrucken, dachte sie sich.

    Aus dem Cubiculum ihres Vaters kommen, eilte Romana in ihren Raum. Sie würde das tun, was ihr Vater ihr geraten hatte – sich umziehen. Sie schloss die Tür hinter sich und blickte an sich herab. Die Palla, die sie anhatte, die blaue, war also nicht gut genug... es gab allerdings schon einen guten Grund, sie auszuziehen. Sie war etwas verschwitzt. Sie würde jetzt ihr weißes Kleid anziehen und dann gemessenen Schrittes hinunter zur Regia schreiten.


    Wie eine echte Vestalin.


    Sie schmunzelte beim Gedanken und schlüpfte aus ihrer Palla. Achtlos warf sie sie auf den Boden – eine Sklavin würde sich schon darum kümmern – und huschte erst zu ihrem Schreibtisch, um die Schriftrolle abzulegen, bevor sie begann, ihren Kleiderschrank zu untersuchen. Nach kurzem Suchen war das Weiße gefunden. Eine Stola dazu brauchte sie nicht, war es doch warm, es gab also keine Veranlassung für einen Mantel, obwohl sie einen farblich passenden hätte.


    Sie setzte sich auf ihr Bett und zog sich die weiße Palla über. Sie eilte zu ihrem Tisch, sprühte ein wenig Parfüm über sich, und verließ dann ihr Zimmer. Keine Zeit war zu verlieren.

    „Übertreiben?“, kam Romanas Frage. „Aber nicht doch, Vater!“ Und selbst wenn, wer hat denn angefangen? Stichwort Herzanfall? Doch sie wollte ihren Vater unter keinen Umständen gegenüber respektlos sein. Deshalb lächelte sie nur vage. „Ich meine, die Sachen sind in Ordnung – noch in Ordnung. Aber bald schon, ach, werden sie auseinanderfallen, wie es halt so passiert!“ Sie machte ein unglückliches Gesicht. Im harten Verhandeln um Geld zum Ausgeben musste sie all ihre Schauspielkunst einsetzen. „Eine Kleiderschau? Das ist eine hervorragende Idee! Du wirst sicher sehen, dass ich dringend wieder auf eine ausgedehnte Einkaufstour gehen muss! Und, ich bin schon aus so viel herausgewachsen...“ Irgendwie musste sie ihren Vater herumkriegen. Sie würde es schon schaffen.


    „Was denkst du, wenn wir das am Abend machen? Es dauert bei meinem überschaubaren Kleiderschrank sicher nicht lange.“ Dies widersprach natürlich Menecrates‘ Vermutung, es kam halt alles drauf an, wie man das Wort „lange“ interpretiert. Und „überschaubar“. Man würde sehen.


    Damit war das Thema hoffentlich erledigt, und Romana spitzte ihre Ohren, als ihr Vater auf die Erlaubnis zu sprechen kam. „Ja, ja, genau!“, kam es aus ihr herausgesprudelt, und sie musste sich beherrschen, um ruhig stehen zu bleiben. Sie beobachtete, wie ihr Vater – quälend langsam, wie ihr schien – eine Feder aussuchte und zu schreiben begann. Sie überredete sich innerlich dazu, einfach dazustehen und ruhig ein- und auszuatmen. So war es gut. Doch ihr Herz klopfte auf erhöhter Frequenz, fast so, als ob sie vor einer großen Liebe stünde, oder kübelweise Koffein getrunken hätte.


    Sie betrachtete ihn interessiert, wie er abschloss, den Brief sorgfältig zusammenrollte und ihn an seine Tochter übergab. Diese nahm ihn an mit Händen, die fast schon zitterten. „Danke, Vater!“, rief sie. „Du bist der beste! Ich werde mich noch umziehen und dann zur Regia gehen. Und am Abend schauen wir, wie wir die Situation mit den Kleidern bereinigen können. In Ordnung?“

    „Quintilius Valerian?“, murmelte Romana und verzog ihre Augenbrauen, um kurz nachzudenken. „Ich denke nicht, dass ich je von ihm gehört habe.“ Sie blickte, als sie sprach, dem Punier fest auf die Nase. Sie kannte niemanden aus der Soldateska, und schon gar keinen Prätorianeroptio. Auch die Quintilia war ihr kaum ein Begriff.


    „Tja, dann wünsche ich dir viel Glück dabei...“, meinte Romana in Hinblick auf den quintilischen Garten. Dass er Freigelassener sei, quittierte sie mit einem Schulterzucken, sie war nicht wirklich interessiert an der Geschichte eines ehemaligen Sklaven. Wieso er freigelassen worden war, lag auf der Hand – sein früherer Herr hatte den Anblick dieses skurillen Mannes nicht mehr ertragen können. „Gratulation zur Freilassung.“, sagte Romana also und wollte ein bisschen aufmunternd in die Richtung seiner Nase lächeln, da passierte etwas.


    Aus dem Freigelassenen brach ein Sprudel von Worten aus dem Mund, was ja das Organ direkt unter der Nase war. Diese Worte waren absolut ungehörig und verschlugen Romana die Sprache. Scharf saugte sie Luft ein, als der Kerl begann, die claudische Familie zu diffamieren.


    „Was fällt dir ein.“, zischte sie. Ihre Augen weiteten sich, es schien sie, als würde die schon von natur aus groß gewachsene Romana noch ein Stück wachsen. Sie trat einen Schritt auf ihn zu und blickte auf ihn herunter. „Du haltest uns wohl für arm, Marhabal.“ Noch immer der selbe erzürnte Tonfall, der ihre gerade noch ruhige, gelassene Stimme abgelöst hat. „Jetzt sag ich dir mal eines, Zwerg Nase.“ So, jetzt war es heraus, was sie über Marhabals eher klägliche physikalische Erscheinung dachte. „Wir haben Geld, das kann ich dir sagen. Wir hätten dich mit Geld überschütten können. Aber wenn du es vorziehst, dich über uns lustig zu machen...“ Ihre Stimme schwoll an, ihr Gesicht verfärbte sich leicht in Richtung Rotton, „...dann hast du NICHTS hier verloren, du elender Stümper. Verzieh dich! Du kannst gleich wieder zu deinem unglückseligen Patron zurückgehen. Und rasier dich mal, bei Iupiter! Saud, zeige ihm den Weg raus, und schau, dass dieser Nasenaffe nichts mitgehen lässt!“, wies sie ihren Sklaven mit harter Stimme an. In Bezug auf ihre Familie war sie recht empfindlich. Ein letztes Mal wurde Marhabals Nase taxiert, dann drehte sich Romana um, nicht ohne Saud nochmals einen strafenden Blick zu geben.


    Jener kratzte sich leicht verlegen am Kopf und sah seiner Herrin nach, als sie davonstampfte. Das würde nicht gut für ihn enden... er blickte auf Marhabal. „Hmmm...“, war das einzige, was er hervorbrachte. „Dann... gehen wir.“ Er wies in Richtung Gartentüre.

    „Ups.“, machte Romana verlegen und grinste. „Man merkt deutlich, dass ich schon lange nicht mehr hier war, hm?“ Ihr alter Herr müsste sich wieder an einiges gewöhnen müssen. Doch besonders heute schien Romana vor lauter Energie und Lebensfreude schier akut vom Auseinanderbersten bedroht. „Ich weiß ja, tut mir Leid.“, nuschelte sie und langte auf das Regal, wo ihr Vater hingedeutet hatte.


    Sie zog hastig ein Pergamentstück in passender Größe aus dem Regal und legte es vorsichtig ihrem Vater hin. Bloß nicht verknuddeln! Der Brief konnte der Wichtigste ihres Lebens sein. Es freute sie innerlich immens, dass ihr Vater dafür qualitativ hochwertiges Papier verwenden würde, nur für sie.


    Sie seufzte, als ihr Vater sie wegen ihrer Ungeduld leicht rügte. „Du hast recht. Ich hätte auf dich hören sollen.“ Den begeisterten Ausdruck in ihren Augen verlor sie dabei nicht. „Entschlossenheit? Puh, Vater, ich bin von der Villa bis zum Forum, von dort wieder zurück hierher, und werde nun zur Regia gehen.“ Einen größeren Beweis von Engagement brauchte es wirklich nicht, dachte sie und blies sich eine ein kleines bisschen schweißgetränkte Strähne aus ihrem Gesicht.


    „Etwas Nettes?“, echote Romana und blickte an ihr herunter. „Blau ist falsch?“, meinte sie, auf ihr azurfarbenes Kleid schauend. „Gut, dann werde ich ein Weißes nehmen.“ Sie dachte kurz nach. „Eines habe ich... in meinem Schrank hängend. Aber sonst bin ich nicht so gut bestückt. So viel habe ich ja nicht gebraucht in Clusium. Hmmm... Vater? Vielleicht kannst du mich ja ein bisschen sponsern? Ich meine, niemand will, dass die Leute sagen, der Senator Claudius Menecrates lässt seine Töchter in Fetzen herumrennen.“ Was ihr Vater konnte – übertreiben - das konnte sie schon lange.


    Und erwiesenenermaßen war sie ja keine fanatische Feindin von hübschen Sachen zum Anziehen. :D

    „Einen jungen aufstrebenden Politiker.“, wiederholte Romana und zog ihre rechte Augenbraue marginal hoch. „Da kannst du Gift drauf nehmen. Macht korrumpiert, es ist immer so.“, seufzte sie. „Wie steht es mit dem jungen Mann? Ist er das, was Eltern gerne „Schwiegersohnmaterial“ nennen?“ Sie lächelte wohlwollend, aber nicht herablassend. „Oder ist er nur ein Freund? Wenn dies so ist, dann musst du schauen, dass die Gerüchteküche nicht zu brodeln anfängt. Wenn sie das nicht eh schon längst tut. In Rom verbreiten sich Neuigkieten schnell, fürchte ich.“ Sie blickte sich unbewusst um. Sie waren schon um einiges weiter gekommen seit ihrem Zusammentreffen. „Du wirst ihn vermutlich nicht mehr abbringen können. Macht ist wie ein Rauschgift. Hat man davon geschnuppert...“ Um ihre Worte zu untermalen, schnüffelte sie in die leider nicht allzu einwandfreie Luft von Rom hinein. „...will man mehr. Davon los zu kommen ist etwas, was man ungern tut.“ Sie schüttelte den Kopf leicht traurig. „Er wird dir sagen, wenn er vielleicht mal in den Senat kommt: Nein, nein, es wird mich nicht verändern. Ha! Kannst du dir denken.“


    Romana war ein erzkonservatives Mädchen mit hohem Anstand und Moral – sonst hätte sie sich auch nie bei den Vestalinnen beworben. Von daher gesehen, wusste sie nicht recht, was sie davon halten sollte, dass ihre neue Freundin mit... Kerlen in den Straßen herumhängte. Beizeiten, wenn sie sich besser kennen würden, was sicher einmal kommen würde, würde sie mit Calvena noch einmal über diesen Umstand sprechen. Doch nicht jetzt, sie fand es falsch, jetzt eine Moralpredigt zu machen über etwas, das sie sowieso überhaupt nicht anging.


    „Ich finde es gut, dass man dir eine freie Wahl gibt, viele haben das nicht heutzutage.“, lächelte sie. „Und eine Eingewöhnungszeit. Viele Familien verscherbeln ihre jungen Frauen dergestalt, dass sie mehr Macht erlangen. Dass deine Familie das nicht mitmacht, ist schön. Vermutlich haben sie so und so schon genug Einfluss.“, lachte sie und freute sich über Calvenas Kommentar. „Das ist so nett von dir, dass du dies sagst! Aber eigentlich war es gar nicht mein Verdien... ach, egal. Das freut mich sehr.“ Ihre Augen strahlten, ihre Wangen glühten ein wenig auf. Romana freute sich über das Kompliment, spürte sie doch, dass es echt gemeint war.


    „Gut! Mach das. Also, sollen wir uns jetzt beeilen? Sonst sind die Läden am Markt am Ende noch alle geschlossen!“, hoffte sie Calvena zu einem etwas schnelleren Schritt anzuspornen.


    Sim-Off:

    Magst du einen Thread am Markt jetzt aufmachen, oder soll ich das tun? ;)

    Nicht nur Piso beäugelte Romana, Romana blickte auch auf Piso. Er war groß, selbst für einen Mann. Doch an ihre Höhe reichte er nicht ganz heran, dazu müsste er sich schon auf die Zehenspitzen stellen. Allerdings schien der Mann seinen Stolz diesbezüglich zurückzustecken und bestaunte lieber Romana. Sie konnte sehen, wie seine Augäpfel auf und ab gingen, als er abschätzte, wie groß sie sein möge. Ihre Größe sagte sie ihm nicht, da sie Momente wie diese ganz und gar nicht schätzte. Es war ein bisschen, als ob sie beim Sklavenhändler angeboten wurde. Sie entschloss sich dazu, dass Starren des Mannes zu unterbrechen.


    „Ist was mit mir?“, fragte sie und blickte ihn scharf an. Sie war nicht sehr darüber erbaut, dass man ihr was wegschaute, oder sie angaffte, als wäre sie in einer Freakshow oder einer Ausstellung. Mit deisem seltsamen Blick, mit dem er sie anschaute, hatte sie es sich ebenfalls verdient, ihn näher unter die Lupe zu nehmen. Ein schneller, hastiger Blick bestätigte ihren ersten Eindruck. Ein Mann von edlem, gutem Hause. Möglicherweise ein Aemilier, oder ein Cornelier, oder vielleicht ein Flavier. Nichts an ihm erweckte den Eindruck, dass er einer niedrigen Schicht entstamme. Selbst seine Manieren, so seltsam sie anmuteten, passten durchaus ins Bild eines eher exzentrischen Patriziers. Lachfalten zeugten von einem gewissen Humor, was Romana schätzte, aber insgesam hatte sie eher den Eindruck, sie stünde einem allzu selbstbewussten Mann gegenüber. Bescheidenheit, fand sie, war eine Zier, und dem Mann fehlte sie.


    Er gab einen Kommentar wegen ihres Parfüms zum Besten, den sie höchst verwunderlich fand. Extraordinär? Der Kerl musste tatsächlich einen an der Macke haben. „Ich finde es höchst schmeichelnd, dass du sagst, mir gefalle mein Parfüm, aber ich vertraue da eher dem Sklaven.“ Ihre Stimme klang herb und ihr Gesicht strahlte, trotz aller Höflichkeit und Freundlichkeit, eine gewisse Reserviertheit aus. Mitleidig blickte sie kurz zum Sklaven hinüber. Der Arme verging vor lauter Pein. Zwar fühlte sie sich tief in ihr drinnen ein bisschen schuldig, doch kanzelte sie, um ihrer Selbstbeherrschung Willen, das Gehabe des kleinen Mannes als Selbstmitleid ab.


    Was der Mann nun sagte, veranlasste sie dazu, komplett erstaunt und leicht verstört dreinzuschauen. Sie beherrschte Etruskisch sehr gut, und konnte die Worte selbst aus dem starken Akzent des Patriziers herausfiltern. Wie, was? Das konnte er doch nicht ernst meinen. Ehrlich verblüfft sah sie ihn an und schüttelte dann sachte den Kopf. „Nein, das heißt es nicht. Du hast gerade gesagt, du wärst eine Frau und glaubst daran, dass Geschirr existiert. Dein Lehrer war entweder miserabel oder hat sich einen Scherz erlaubt. Oder du hast dir die Worte nicht behalten können.“ Sie lächelte ihn an, böse gemeint hatte sie keines ihrer Wortes. "Was du meinst, das heißt: Ich bin aus Ravenna und grüße dich.“, gab sie eine kleine Lehrstunde. „Aber ich sehe deine Begeisterung über die etruskische Kultur in deinen Augen. Ich teile sie, ich bin selber zu einem Viertel eine echte Rasna , eine echte Etruskerin.“, sagte sie, während sie stolz daherschaute.


    Nun kam der Mann mit etwas daher, was sie kategorisch verneinte. Dies manifestierte sich in einem energischen Kopfschütteln. „Nein, kein niedriges Selbstbewusstsein, das habe ich nicht und werde ich auch nie haben. Ich bin aber Realistin. Und ich weiß, dass meine Stimme nicht gut ist.“ Traurig ließ sie den Kopf kurz hängen, bevor sie wieder aufblickte. „Ich finde es nett von dir, dass du mich ermutigst. Doch ich sehe keinen Grund, mich selbst zu überbewerten.“ Sie war Pragmatikerin, und wusste, dass es im Leben wichtigere Dinge gab, als den eigenen Gelüsten hinterherzuhetzen.


    Das Stirnrunzeln wollte ihr nicht recht gefallen, doch sie wartete ab, was er nun sagen würde. Hmm, ein Gefallen? Was? Das konnte doch nicht wahr sein! Sie kannte ihn doch gar nicht. Doch da kam schon sein Name. Flavius Piso. Sie hatte diesen Namen doch schon irgendwo gehört. Sie dachte nach. Romana war eine fanatische Acta-Leserin, und so fand sie recht schnell in ihrem Gehirn den passenden Artikel zum Namen. „Der Künstler.“, meinte sie. „Der mit den faulen Eiern. Ich habe von dir gelesen, in der Acta.“ Ihre Aussage war kurz und herb, genauso wie der Blick, dem sie ihm zuwarf. „Was für ein Gefallen sollte denn das sein?“ Sie musterte den Mann nochmals schnell. Wollte er sie ins Bett abschleppen? Nein, der Gedanke war doch etwas zu weit hergeholt. Sie sollte noch etwas machen. Genau, sich vorstellen. „Ich bin Claudia Romana.“, meinte sie. „Ich freue mich, jemanden aus dem ehrenwerten Haus der Flavier kennen zu lernen.“ Begrüßungsfloskeln, wie sehr sie sie verachtete...

    „Sicherlich!“, pflichtete Romana bei und freute sich innerlich. Sie war mit dieser bis vor Kurzem komplett Unbekannten auf einer Wellenlänge. „Wir sind niemandem Rechenschaft schuldig, der mit uns nichts anfangen kann.“ Die Verwendung des Wortes „uns“ suggerierte Inklusivität. Romana und Calvena hatten so viel gemeinsam, dass die junge Patrizierin sicher sein konnte, dass sie mit der jungen Germanicerin sicherlich einen kleinen Freundeskreis bilden könnte. So viele Leute kannte sie ja leider nicht in Rom. Sicherlich, die Tiberierin und die Flavierin hatte sie kennen gelernt, doch dies war auch nur das eine Mal gewesen.


    Kurz dachte sie daran, was ihr Vater denken würde, wenn er sähe, dass sie sich mit Plebeierinnen abgäbe. Sicher nichts, er musste sich berufsbedingt oft genug mit solchen herumschlagen. Er traf genau so oft auf andere Senatoren nicht noblen Blutes, wie Calvenas Verwandte. Als sie diese erwähnte, und ihre sonstigen begenungen, lachte Romana herzhaft. „Jaja, ich weiß schon, was du meinst. Politik ist ein dröges Geschäft, und zermürbt den Menschen. Es macht ihn machtgeil. Und tja, ich denke, du hast sicher schon verstanden, dass du hier nicht vor einer Person stehst, die irgendeinen zukünftigen Ehemann im Sinn haben könnte.“ Sie lächelte stolz. „Ich werde mir meine Brötchen selber verdienen.“ Irgendwie konnte sie nicht recht von diesem Thema abkommen, doch sie war so stolz, dass sie ihr Leben selber in die Hand genommen hatte, dass sie es ebensowenig aus den Sinn kriegen konnte wie andere Patrizierinnen ihren Ehemann. Sie seufzte kurz. „Ich glaube dir, und mir geht es gleich. Ehrlich gesagt... ich bin froh, dass mich niemand in die Politik zwingt. Männer haben es da auch oft nicht leicht, weißt du...? Sprosse aus adeligem Hause werden allzu oft in irgendeine Richtung getribene, um ihrem Haus Ruhm zu bringen. Obwohl sie das nicht wollen. Hirnlose Selbstverpflichtung und der Antrieb ihrer Familien zwingt sie dazu, als irgendwelche Senatoren ihr Leben zu verbringen und dann wegen ihrer Arbeit zugrunde zu gehen. Obwohl, immer stimmt das auch nicht.“ Nimm meinen Halbbruder, dachte sie sich. Er hat sich von einem gemachten Nest zu einem anderen geschwungen. Und bisher kaum etwas erreicht.


    „Das ist schön!“, freute sie sich ehrlich, als sie hörte, dass Calvena dem Konzept der dumpfen Normalität ebenso abgeneigt war wie sie. „Sei stolz auf dich. Schau auf diese dämlichen Gänse, die da in der Welt herumstolzieren.“ Unauffällig deutete sie auf eine Schar von jungen Mädchen aus reichem Hause, die gackernd an ihnen vorbeistöckelten. „Bist du nicht froh, dass du nicht zu denen gehörst? Sich anzupassen tötet den Verstand. Wer sich anpasst, weich und formbar ist wie zu lange der Hitze ausgesetztem Käse, kann doch nicht sagen, dass er... oder sie, je nach dem... eine Persönlichkeit besitzt.“ Sie lächelte der jungen Frau neben sich zu. „Wir sind, wer wir sind. Wem das nicht passt, der soll sich verduften. Basta!“ Eine Geste mit ihrer rechten Hand zeichnete ein Dreieck in die Luft.


    Ihre Gesichtszüge, noch gerade vor Resolution und Entschlossenheit strahlend, wurden weich, als Calvena auf ihren Vater zu sprechen kam. „Danke.“, sagte sie nur und lächelte warm. „Das ist nett von dir.“ Sie sah keinen Grund, zu glauben, dass dieses Versprechen nicht wahr sei. Calvena hatte etwas Grundehrsames an sich, sie war nicht die Art der Person, die Versprechen brechen würde.


    „Gut, mach das.“, gab sie als gerade wohl selbst ernannte, aber wohlwollende Karriereberaterin von sich. „Geh vielleicht mal in die Regia. Sicherlich findest du dort jemanden, der mit der Priesterschaft besser vertraut ist als ich.“, vermutete sie.

    Ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht. Da war jemand. Direkt hinter dem Stamm des Baumes. Sie war gehört worden. Wieso tat sich unter ihren Füßen nicht ein Loch auf, in dem sie verschwinden konnte? Am liebsten wäre ihr gewesen, so etwas würde nun geschehen. Doch dies war nur Wunschdenken. Realität war, dass sie nicht mehr alleine war.


    Sie drehte sich kurz zur Seite und blickte einem Mann in die Augen. Er war vielleicht gleich groß wie sie, vielleicht ein bisschen kleiner, obwohl noch immer groß gewachsen für einen Mann. Die Sandalen verrieten patrizische Herkunft. Das Alter war schwer einzuschätzen, sicher war er älter als sie. Er fragte, ob er störe. Viel hätte nicht gefehlt, dass Romana ihm ins Gesicht gesagt hätte, dass er recht hatte, dass er störe, dass er niemals hier hätte sein sollen, dass sie peinlich berührt war, dass er sich über die Dächer hauen sollte.


    Doch eine solche Reaktion wäre einigermaßen harsch gewesen, musste sie sich selber eingestehen und ihr tat es schon Leid, dass sie solch unfreundliche Ansagen schon im Kopf gehabt hatte. Der Kerl sah eigentlich ganz in Ordnung aus, auch wenn er ihr irgendwie leicht eigenartig vorkam.


    Sie lächelte zurück, höflich wie immer, als der junge Mann auf ihr Parfüm zu sprechen kam. „Danke...“, meinte sie nur und legte den Kopf leicht schief. Das Parfüm selbst hatte er ja nicht komplimentiert. Sie selber fühlte sich ja ziemlich unbehaglich mit dem Duft, der sie umschwirrte. Die Sklavin hätte beileibe nicht soviel auftragen sollen, sie fand den Geruch unbehaglich. Solchen Firlefanz hatte sie in Clusium nie gebraucht, und sie würde ihn sicher auch nicht in Rom brauchen. Sie persönlich hielt nicht viel von ihrem neuen Geruch, und wünschte sich innerlich ihren eigenen zurück, selbst wenn dieser hie und da vielleicht ein bisschen schmüselig war, nach langen Märschen oder Arbeit im Garten. Vielleicht machte er sich ja nur lustig. Obwohl, in seinen Augen fand sie keine Anzeichen der Lüge oder der Ironie. Sie sollte sich einfach nicht zuviele Gedanken machen.


    Was der Mann nun sagte, fiel ihr positiv auf. Er erkannte die Sprache! Dies zauberte sofort ein echtes Lächeln auf Romanas Lippen. „Das ist etruskisch, genau! Es ist die Sprache meiner Großmutter!“, verriet sie und nickte begeistert. „Ich habe lange in Etrurien gelebt... na ja, egal. Auf jeden Fall, ich muss mich entschuldigen, dass ich deine Ohren mit meinem schlimmen Gesang belästigt habe. Ich habe nicht gedacht, dass sonst noch jemand hier wäre.“ Sie blickte entschuldigend drein. Sie meinte es echt, obwohl der Gesang wirklich eine sehr angenehme Wiedergabe eines alten etruskischen Gesanges* gewesen war.


    Sim-Off:

    *Vielmehr ein paar Zeilen auf einem religiösen Text. Ich habe den als Lied präsentiert, obwohl der Text dies natürlich nicht war. :D

    Durch die Straßen Roms zog der Pöbel. Peregrini, Plebeier, Sklaven, alle waren dabei. Jeder versuchte, so zielstrebig wie nur möglich auszuschauen. Am Himmel waren ein paar sehr unsommerliche Wolken aufgezogen, doch es schien nicht so zu sein, als ob es regnen würde. Vielmehr herrschte eine bedrückende Hitze, welche den armen Sklaven, die diverse Pakete, schwer an Gewicht, herumtragen mussten, zu schaffen machte. Doch auch anderen rann der Schweiß hinunter.


    In Kürze, hier offenbarte sich ein Fiasko, was Gerüche angelangte. Für Patriziernasen war in solchen Tagen nur die Abgeschiedenheit von Parks erträglich. Dieser eine Park war derjenige, an dem sich vor einiger Zeit Romana und Lepidus zu einem gemeinsamen Spaziergang getroffen hatten. Es war immer wieder ein schöner Park, klein aber fein. Aus genau diesem Grund hatte es Romana hierher verschlagen.


    Sie war nicht alleine gekommen, eine Sklavin bezeichnete sie. Sie hieß Olga und entstammte dem Stamm der venetischen Skythen, ein sehr obskurer kleiner Stamm, der sich selbst die „Slawen“ nannte und es wohl nie zu Berühmtheit bringen würde. Ein lächerlicher Gedanke, zu denken, dieses Volk könnte die nächsten Hundert Jahre überleben oder soagr eine große Landmasse, wie, zum Beispiel, fast ganz Ost- und Ostmitteleuropa, erobern. Romana musste kurz insgeheim lachen über solch abstruse Gedanken und blickte auf Olga.


    Ihrem Gesicht mangelte es nicht an einer gewissen Delikatesse. Vermutlich wäre sie eine strahlende Schönheit, wenn sie nur nicht so dick wäre und nicht ein paar sehr unvorteilhafte Warzen ihr Gesicht schmücken würden. Außerdem war sie außergewöhlich klein. Und so bildete die kleine, pummelige Barbarin und die große, schlanke Römerin durchaus einen interessanten Kontrast.


    Romana hatte sich, um dem Gestank der Straßen entgegenzuwirken, mit einer Art von Wasser überspritzt, wie sie es in Ägypten machen, sodass sie nun duftete wie eine Schiffsladung von durcheinandergewürfelten Blumen. Gut, dass sie keine Allergien hatte, sonst wären ihre Augen schon lange rot und sie hätte geniest und gehustet, dass es niemals ein Ende gefunden hätte.


    „Olga? Geh schon mal. Ich bleibe noch ein bisschen hier. Geh am besten gleich zur Villa zurück.“, wies die junge Claudierin die Sklavin an, welche nickte. „Da, da.“, nuschelte sie und machte sich eilig davon.


    Romana blickte ihr nach, dann richtete sie ihre Augen gen Himmel. Anschließend blickte sie verstohlen herum. Hier war doch niemand? Nein. Gut.


    Sie sog Luft ein, welche vor seltsamen Duft ganz schwer war, und begann dann, zu singen. Ganz leise, sachte und weich, mit ihrer tiefen und doch unverkennbar weiblichen Gesangsstimme, stimmte sie ein etruskisches Lied an, welches ihr ihre Großmutter beigebracht hatte, damals in Clusium.


    “Ita tmia icac he ramasva vatieche unial astres.
    Themia sa mech thuta thefa.
    Riei velianas sal…
    Cluvenias turu.”


    Nein, das klang doch schlimm. Wie ihr eigenes Rülpsen, dachte sie, ein kleines bisschen amüsiert, aber vor allem entsetzt. Das war das, was sie dachte. In Wirklichkeit hatte sie eine sehr schöne Stimme. Ihr war das schon viele Male bestätigt worden, doch hatte sie es nie jemanden abkaufen können. Sie selber war der Meinung, alle wollte nur freundlich zu ihr sein, wenn sie das sagten, oder bittere Strafen vermeiden wollen, im Falle der Sklaven. Als ob sie jemals einen Sklaven für die Wahrheit auspeitschen lassen würde.


    Sie lehnte sich an einen Baumesstamm, um etwas über die Welt zu sinnieren, da kam es ihr plötzlich so vor, als ob da jemand plötzlich wäre.


    Sim-Off:

    Reserviert...

    Sim-Off:

    Tschuldigung, dass ich die Villa "vollspamme"; es muss sein. :P


    Niemals würde Romana es sich träumen lassen, ohne vorerst auf ein „Hinein“ zu waren, in das Zimmer ihres Vaters zu gehen. Doch es gab Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn es sehr, sehr wichtig war, und sie von patrizischer Ungeduld angetrieben war.


    So erklang nur ein Klopfen, bevor die Tür aufgerissen wurde. Dahinter offenbarte sich eine hechelnde Romana. Sie war den ganzen Weg vom Atrium Vestae eher gerannt als würdevoll geschritten, und war deshalb ganz leicht verschwitzt und außer Atem.


    „Vater, ich war bei den Vestalinnen! Sie haben mir gesagt, ich muss mich bei Tiberius Durus melden, einen Pontifex! In der Regia! Und ich brauche ein Schreiben von dir, das besagt, dass du einverstanden bist damit, dass ich zu den Vestalinnen gehe!“, rief sie keuchend und rasend schnell. Und natürlich, einigermaßen aufgeregt. Nur noch ein paar Worte aus der Feder ihres Vaters standen zwischen ihr und ihrer Zukunft. Da konnte man auch einmal einen eher unmajestätischen Auftritt in Kauf nehmen.


    „Tut mir leid... keuch... dass ich einfach so reinplatze. Aber ich brauche dein Schreiben einfach!“

    Ihr Vater kam wirklich nicht mit. Nun, um fair zu sein, ihre Gedankengänge waren einigermaßen verdreht und sie zu verstehen verlangte einiges an abstrakter Fantasie. Der claudische Senator bestand aber nicht auf eine Erklärung, ein Mann, der so wenig mit Gärten am Hut hatte, würde wohl sehr wenig von einer weitschweifenden Erklärung ihrer Worte haben. Sie merkte aber durchaus, dass ihre Gedanken, wie es wäre, wenn sie ein Mann wäre, ihren Vater ein bisschen beschäftigten. Und es war ja auch so, dass sie hie und da nachdachte, wie es wäre, wenn sie ein Kerl wäre. Sie musste an ihre Mutter denken. Sie hatte ihr gesagt, wenn sie ein Junge geworden wäre, hätte man sie vielleicht Titus genannt. Titus Claudius Romanus. Vielleicht wäre das heute schon ein Name, von dem man im Senat in den höchsten Tönen sprach. Oder auch nicht. Doch der Gedanke, nicht patrizisch zu sein, drückte keinerlei Sehnsucht aus, vielmehr Missfallen. Nicht, dass sie Plebejer oder Nicht-Römer nicht an sich heranließ, doch sie war auf ihren Stand stolz, und würde ihn sicherlich nicht hergeben. Für nichts.


    „Auch von Mensch zu Mensch, Vater... aber ist ja auch wurscht.“ Sie zuckte die Achseln und machte ein Handbewegung, die signalisierte, dass sie nicht auf ihren Standpunkt beharren würde, selbst wenn sie ihn als richtig erachtete. Es war einfach ein viel zu unwichtiges Thema, um sich darüber lange den Kopf zu zerbrechen.


    Romana ließ wohlweislich aus, dass sie in den Straßen auch sehr betuchte Leute gesehen hatte, welche sich ganz und gar schlimm benommen hatten, gab es ja viele Leute aus der Nobilitas und leider auch dem Patriziat, die sich da und dort in wolllüstige Abenteuer in weniger schicken Vierteln der Stadt suchten. Aber relevant war es für sie eh nicht mehr. Sie würde keinen Mann heiraten. Und Sie würde glücklich damit sein. Soviele Frauen gab es, die sich mit einem Saufbold oder einem schwachbrüstigen Versager herumschlagen mussten, sie würde nicht dazu gehören.


    Doch wusste sie auch, würde ihr Vater sie verheiraten, würde er einen anständigen Mann suchen für sie. Nur waren diese sehr selten. Und viele waren unter der Oberfläche nicht die, als die sie sich gaben. Je mehr sie darüber nachdachte, desto weniger kam es für sie in Frage, als Hausmütterchen zu versauern. Nein, sie war sich selber mehr wert.


    Sie nickte nur, als ihr Vater sagte, was er von der Verteilung von tugenden im Volk hielt. Er verstand sie, was diesen Punkt anging. Romana legte wert auf Tugend, und würde einem Mann vermutlich so viel abverlangen, wie er es nie erfüllen konnte.


    Aufmerksam hörte sie ihrem vater zu. „Sicilia? Hmm.“, meinte sie nur, als er Prisca erwähnte. „Auch schön. Werde ihr mal einen Brief schreiben.“, nahm sie sich vor. Dass Narcissa verschwunden war, nahm sie traurig zur Kenntnis. Schade, hoffentlich kam sie bald wieder.


    „Lucius Brutus ist nicht mehr bei den Priestern?“, rief sie entsetzt aus. „Ja, wieso denn das? Hängt er lieber faul zu Hause herum, als zu arbeiten?“ Na, das wäre wieder typisch für ihn, dachte sie. Er ist halt auch nur - ein Mann. „Ah ja, da war ja so eine Hochzeit? Ich habe leider nicht kommen können. Ich werde mal sehen, ob ich rüberschaue, Antonia wollte ich dort einmal sowieso besuchen.“ Die Gleichmut, die sie noch hatte, als sie diesen Satz sagte, verschwand, als ihr Vater nun Deandra erwähnte. „Tot? Aber... was? Wie? Das ist ja... schlimm! Entsetzlich!“ Sie fuhr sich mit den Händen in die Haare und zerraufte sich die Frisur vor Schrecken. „Oh nein!“ Sonderlich gut gekannt hatte sie Deandra, welche ja nur adoptiert war, aber nie, sodass der Schock über diese Nachricht sie nicht komplett aus der Bahn warf.


    Die nächste Nachricht war schon besser. „Lepidus? Ah, Quintus! Das ist eine gute Nachricht.“, meinte sie und brachte ein Lächeln zustande. Sie war immer sehr gut mit ihrem Vetter ausgekommen, sodass sie ihn beim Praenomen nannte. „Er ist doch hoffentlich nicht aus einem traurigen Grund hier, oder?“

    Romana hatte den Fremden nicht begrüßt. Das fiel ihr jetzt gerade auf, als der Mann sie grüßte, aber es war jetzt schon zu spät, um den Fehler zu rektifizieren. Sie war halt abgelenkt gewesen von ihrer Zuwendung an den Garten und vor allem, von der bemerkenswerten Nase des Puniers. Die Versuchung, sie einfach zu packen und daran herumzuknubbeln, war fast unwiderstehlich, und nur mit Mühe konnte Romana dieser Versuchung widerstehen. Ein bemerkenswerter Gesichtserker, durchaus. 8)


    „Nicht direkt?“, widerholte sie und blickte auf Saud, welcher jetzt noch etwas kleiner wirkte als vorher. „Aber Erfahrungen hast du? Hm, wie heißt denn dein Patron? Sein Garten muss ja in einem schrecklichen Zustand sein, dass er so ausschaut wie unserer.“, meinte sie ein wenig zynisch und lächelte dabei.


    „Freut mich auf jeden Fall, dich kennenzulernen, Tiberianus Marhabal. Du bist wohl ein Freigelassener der Tiberier, hm?“ Das erklärte einiges, diese Spinner standen sicher auf solche skurrille Gestalten wie diese vor ihr. Er sähe ja noch akzeptabel aus... wenn diese Nase nicht wäre! Krampfhaft versuchte sie, nicht hinzuschauen, sonst hätte sie einen Kicherkrampf gekriegt.


    „Also, in der Gartengestaltung kennst du dich aus? Das klingt schon einmal sehr gut. Wärest du bereit, für uns zu arbeiten? Denn dann könnten wir ja ins Arbeitszimmer meines Vaters, des verehrten Senators Claudius Menecrates, gehen und einen für beide Seiten akzeptablen Preis ausverhandeln.“, bot sie an, während sie versuchte, ihre rechte Hand unter Kontrolle zu halten.


    Solch eine verrückte Nase! Die gehört ja wohl einmal kräftig zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt und mal tüchtig herumgedreht. ;)

    Opium pflegte Romana nicht in sich hineinzuräuchern, und sie war auch nicht betrunken gewesen, als sie die Erscheinung sah (außer vielleicht trunken vor Religiosität und Frömmelei). Etwas enttäuscht war sie schon, als sie die Skepsis in den Augen der Vestalin sah, hatten doch alle ihre Familienmitglieder im Glauben bestärkt, dass sie nicht einer Halluzination aufgeflogen war.


    Was die Vestalin nun sagte, nahm sie stoisch auf. Aha. Sie müsste also nochmals zur Villa Claudia hinauftrotten. Dort ein Dokument holen, weil man offenbar eine Patrizierin im Ordo Senatorius nicht für ganz voll nahm. Und dann wieder runter, zur Regia, und den Pontifex pro Magistro aufsuchen. Wie hieß der jetzt noch einmal? Tiberius Drusus? Nein, Dorso. Oder Dento? Nein, nein, Durus. Gut, dass sie den Namen doch noch für sich hatte behalten können, eine Nachfrage wäre etwas peinlich gewesen.


    Sie nickte also nur devot. „Das werde ich tun.“ Sie deutete einen Knicks an. „Ich danke dir für deine Hilfe. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, verehrte Vestalin.“ Sie lächelte leicht. „Dann werde ich dies also tun. Vale bene.“, meinte sie und machte sich daran, abzugehen, um den Anweisungen der Alten Folge zu leisten.

    Am Abend saß Romana an ihrem Tisch und schaute aus dem Fenster hinaus. So viele Lichter hat die Stadt. Bald würde sie noch eines haben.


    Eine Kerze lag am Tisch. Heute hatte sie Romana am Markt gekauft. Sie nahm einen Zündstein hervor und zündete die Kerze damit an. Anschließend packte sie sie und stellte sie auf den Fensterrahmen hinauf.


    „Diese Kerze sei dir gewidmet, große Vesta.“, murmelte sie und breitete ihre Arme aus. „Oh große Vesta, ehrwürdige Jungfrau, Beschützerin aller Jungfrauen, Göttin von Heim und Herd, schenke mir dein Gehör! Bleibe mir gnädig! Zu deinem Fest widme ich dir diese Kerze. Bald schon werde ich hoffentlich in deinem Dienst sein. Ich verspreche dir, ich werde dir eine gute Dienerin sein, ich werde alles tun für dich, oh Göttin! Sei mir gnädig. Mach, dass ich alsbald Vestalin werde.“ Das Gebet war eher kurz gehalten, doch sie wusste noch nich, wie Gebete richtig forumliert wurden, hatte sie doch noch keine Ausbildung bei den Vestalinnen genossen.


    Darüber hinaus war sie müde. Sie entkleidete sich, zog ihr Nachthemd an und stieg in ihr Bett. Bald war sie entschlafen. Ein ganz leichtes, kaum hörbares Schnarchen war in ihrem Raum zu vernehmen.