Romana trat vorm Eingang zum Atrium Vestae auf der Stelle. Man hatte sie doch gehört?
Tut sich hier noch was? Oder hat man mich vergessen?
Romana trat vorm Eingang zum Atrium Vestae auf der Stelle. Man hatte sie doch gehört?
Tut sich hier noch was? Oder hat man mich vergessen?
Auch Romana war es schon aufgefallen – das Gespräch war ohne diverse Begrüßungsfloskeln über die Bühne gegangen. Vielleicht lag das daran, dass sowohl Vera als auch Romana neu in Rom waren und schon einige Zeit nicht mehr mit der herrschenden Schicht von der Urbs im Kontakt gewesen waren. Oder es lag einfach daran, dass sich die drei auf Anhieb mochten. Romana selber präferierte die zweite Variante, denn die zwei anderen waren ihr von Anfang an sehr nett vorgekommen. Man konnte fühlen, dass die Unterhaltung sich nicht zwischen drei Mitgliedern von drei verschiedenen um die Macht sich balgenden Gentes abspielte, sondern nur zwischen drei jungen Frauen, die einfach auf ein bisschen Spaß aus waren.
Ihr Vorschlag schien bei Arvinia gut anzukommen, und Vera brachte die beiden dazu, ihr zu folgen. Romana schritt hinter Vera und Arvinia drein und sah sofoert den Händler. „Sag, Flavia Vera!“, meinte sie ein bisschen schockiert. „Dieser Bart! Schlimm! Wie ein Rabennest! Was glaubst du, wieviele Essenreste darinnen versteckt sind. Da, schau mal!“ Sie blickte, ganz aus dem Häuschen, auf den Barbaren, welcher sich in den Bart fuhr, sich durch ihn zu streichen versuchte, dabei wohl einige Knoten löste und kraftvoll mit der Hand durchzog, woraufhin diverse Krümel von seinem Bart nach unten flogen.
Sie schluckte ob des Spektakels. „Öhhhh... eher... nicht. Da halte ich es mit Arvinia...“, meinte sie, auch wenn der barbarische, krude Schmuck, den der Germane anbot, sie auf eine ganz seltsame Art und Weise faszinierte. Doch der Händler stieß sie, wie gesagt, ab.
Sie machte eine geschwinde 180-Grad-Drehung, wobei ihr Kleid ein bisschen dramatisch um sie flatterte, und blinzelte. „Was haltet ihr davon?“, meinte sie und deutete auf einen Laden, welcher direkt vor ihrem Blickfeld stand und orientalische Waren anbot. Diverser Kram, welcher nützlich sein konnte oder nicht, aber dennoch irgendwie charmant war. „Vielleicht gibt es dort Schmuck. Oder auch etwas komplett anderes, was deine Base noch nicht besitzt.“
Arvinia begann sofort, alle drei Patrizierinnen in das Gespräch einzubeziehen, was ja auch Sinn machte. „Dann sind wir wohl zwei Neulinge und eine gestandene Römerin. Hmm, gut...“, meinte Romana vor sich hin.
„Also, Tiberia Arvinia, was hast du dir denn vorgestellt? Hast du überhaupt keinen Plan?“, fragte sie erst einmal und musste lachen, als Arvinia den Ramsch erwähnte. „Das hätte genau so gut aus meinem Mund kommen können.“, lächelte sie. „Es gibt so viel, was überhaupt niemand braucht, hier am Markt zu kaufen. Aber vielleicht wäre das ja nicht ganz so abwegig? Mit einem Geschenk drückt man Wertschätzung aus. Es muss nicht immer was sein, was nützlich ist. Wäre es das, würden wir uns wohl gegenseitig Küchenutensilien, Werkzeuge und Federkiele schenken. Das kann es ja nicht sein.“, gab sie zum Bedenken. Den Namen Purgitius Macer hatte sie schon gehört. In Clusium sprach man von ihm in den höchsten Tönen. Ein wichtiger Mann. Obwohl nur Plebejer, konnte man es durchaus einsehen, dass eine patrizische Gens eine ihrer Töchter mit ihm verheiratete. Auch wenn keine Claudierin jemals jemanden anderen als einen waschechten Patrizier heiraten würde.
„Das ist wirklich nett von dir!“, freute sich Romana über die letzten Worte der Tiberierin. „Ich selber kenne Rom kaum, und ich schätze auch nicht, dass es Flavia Vera anders ergeht.“ Auch sie fand Arvinia sehr nett, vielleicht lag das unter anderem daran, dass sie eine ähnlich verwuschelte Frisur wie Romana hatte.
„Also, welche Richtung sollten wir einschlagen? Vielleicht sollten wir zu den Läden gehen, wo man wirklich nur absolut exotische Sachen sieht. Dort kann man wohl am Ehesten etwas finden, was deine Verwandte noch nicht kennt.“, schlug sie erst einmal vor.
Die Fremde bemerkte sie und grüßte zurück. Anscheinend hatte Romana nun –Asche über ihr Haupt! – die Verwirrung der anderen falsch interpretiert. Anscheinend kannte diese sich in Rom nun doch besser aus, die Verwirrung war vielmehr darauf zurück zu führen, dass Tiberia Arvinia, wie sie sich vorstellte, etwas suchte, ein Hochzeitsgeschenk.
„Oh, entschuldige.“, meinte Romana also ein bisschen kleinlaut, jedoch erhielt sie ihr freundliches Lächeln aufrecht. „Claudia Romana ist übrigens mein Name. Es freut mich, mit jemanden aus dem ehrenwerten Haus der Tiberier Bekanntschaft zu machen.“ Ein paar Floskeln in der Richtung mussten einfach sein, Romana war nicht lange genug am Land gewesen, um alles zu vergessen und zum Bauerntrampel zu werden. Obwohl, hie und da... na ja, lassen wir das.
Auf jeden Fall freute sich Romana, mit einer weiteren Patrizierin Bekanntschaft zu machen. Vielleicht war dies nun ein Fenster zur High Society von Rom? „Ein Hochzeitsgeschenk? Das ist aber nett. Und du denkst, du kannst da was hier am Forum finden?“ Romanas Blick schweifte unbewusst über die Stände, die Händler hier am Marktaufgebaut haben, während sie bemerkte, wie die Helmwipfel der Soldaten im Getümmel verschwanden. Die Auswahl war bei den Ständen hier groß, um nicht zu sagen, riesig. Wer sollte da noch wissen, wo man hingehen sollte? Sie verstand die ratlosigkeit der Tiberierin allzu gut.
Und, fast könnte es nicht besser kommen, gesellte sich noch eine Frau zu ihnen. Ebenfalls eine Patrizierin! Da hatten sich ja die drei Richtigen getroffen. Romana tat es Arvinia gleich und wandte sich an die Fremde. „Salve! Es scheint tatsächlich so zu sein, dass ich da einem Missgeschick erlegen bin. In Wirklichkeit bin ich die Einzige, die neu in Rom ist. Ich heiße übrigens Claudia Romana.“, fügte sie hinzu, als sie bemerkte, dass sich die Tiberierin ebenfalls vorgestellt hatte.
EDIT: Den Gegebenheiten angepasst.
Hmm... warum jetzt eigentlich nicht?
Romanas Wege führten quer durch Rom. Nicht etwa, weil sie viel zu erledigen hatte, sondern eher, weil das Gegenteil der Fall war. Sie hatte nichts zu tun, null. Nun gut, den Garten der Villa Claudia nicht mit eingerechnet, doch ein geeigneter Gärtner ließ noch auf sich warten. Gut Ding brauchte Weile. Sie hatte einen sehr schweigsamen Sklaven mitgenommen. Wieso er so schweigsam war, war kein Geheimnis, der Kerl war viel zu simpel, um drei zusammenhängende Wörter in einen Satz zu gliedern. Aber schleppen konnte er, selbst wenn man es der dürren Figur ganz und gar nicht ansah.
Am Markt hatte sie durchaus ein bisschen eingekauft, aber nicht allzu viel. Sie war von Natur aus nicht sehr verschwenderisch, und sie hatte lieber ein paar qualitativ wertvolle Sachen als eine Menge von Dingen, die man gut und gerne als Müll bezeichnen könnte, welche ihr Zuhause vollstopften. Das musste nicht sein. Gut für den Sklaven, der heute keine allzu große Lasten schleppen musste.
Die beiden gingen also über das Forum. Es zog Romana jedes Mal magisch an. Die Rostra, die Sprecher... hie und da dachte sie sich, es wäre nicht schlecht, Senatorin sein zu können. Aber das waren Träume. Sie sollte sich darauf fixieren, was sie wirklich sein konnte – Vestalin. Und zwar oberste Vestalin. Die Macht, die jene besaß, übertraf die vieler Senatoren. Ja, das war so ein im Geheimen gehegter Traum von Romana. Jetzt musste man erst noch sehen, ob die Vestalinnen sie überhaupt aufnahmen... doch wieso nicht? Den Segen Vestas hatte sie ja.
Aus ihren Gedanken wurde die junge Claudierin gerissen, als ein Haufen von Soldaten ihren Weg kreuzte. CUler. Massive Kerle, die sogar Romana überragten. Romana seufzte und blieb stehen, um nicht in den Soldatenhaufen zu geraten. Sie blickte nach rechts und wurde einer Frau gewahr, welche ein bisschen hilflos herumstand. Zwar hatte sie nichts mit ihr zu tun, doch sah sie sofort den Patrizierhalbmond an den Schuhen der jungen Frau. Patrizierinnen sollten zusammenhalten.
Romana lächelte kurz in sich hinein, tat einen kleinen Seitschritt und drehte den Kopf zur Fremden hin. „Salve. Du scheinst ebenfalls neu hier in Rom zu sein?“, fragte sie freundlich. Anders konnte sie sich die Verwirrung der Frau nicht erklären.
Große Ankündigung:
Die Gens Claudia sucht einen Gärtner, der den Garten ein bisschen in Ordnung bringen kann!
Sim-On-Bedingungen:
Ein bisschen Gartenpraxis (muss nicht viel sein – wenn du ein absoluter Pfuscher bist, dann gibt das wenigstens einigen guten Schreibstoff :D)
Starke Nerven (die muss man einfach haben, wenn man mit einem Haufen Patriziern arbeitet :D)
Sim-Off-Bedingungen:
Keine Posts, die nur drei Sätze beinhalten
Ein bisschen regelmäßige Anwesenheit ist immer nett
Ein paar gute Ideen sind ebenfalls immer willkommen
Wenn dein Char etwas eigenwillig ist, umso besser!
Sim-On-Angebot:
Leistungsorientierte, großzügige Vergütung (quantum meruit)
Auseinandersetzungen mit rechthaberischen Patriziern
Sim-Off-Gebot:
Posts, die mehr als nur drei Sätze beinhalten
Einige Ideen zum Plot
Regelmäßiges RPG
Spaß am Spiel mit einer ziemlich schrägen Patrizierin und ggf. dem Rest des leicht durchgeknallten claudischen Haushaltes
Wer sich angesprochen fühlt davon, schreibe bitte eine PN!
EDIT: Jemand ist gefunden worden. Danke fürs Lesen!
Romana hatte ihre Ansage durchaus nicht ernst gemeint. Oder vielleicht doch ein bisschen...? Herausfinden konnte das niemand, nur Romana wusste es.
„Es scheint mir tatsächlich so!“, entgegnete sie auf den erstaunten Ausruf ihres Vetters. „Ist das lustig. Aber gut, die Villa benötigt es unbedingt, dass ihr wieder neues Leben eingehaucht wird!“, meinte sie in aller Entschlossenheit. Fast hätte sie jedoch ob des Fluches von Quintus verwundert, vielleicht leicht säuerlich dreingeschaut. Doch das wäre hypokritisch gewesen. Sie selbst fluchte hie und da, wenn ihr etwas nicht in den Kram passte, so sehr, dass sich gestandene Männer fürchten konnten. Auf den Mund gefallen war sie also durchaus nicht, da konnte sie es auch ihrem Vetter, welcher ohnehin nichts mit den Göttern zu schaffen hatte, nicht verbieten, nach Herzenslust verbal Dampf abzulassen. Denn dies Essenz seiner Aussage war richtig, Nachrichten von Rom nach Griechenland schienen tatsächlich nur zu tröpfeln statt zu fließen. Da war die Infrastruktur zwischen Rom und Clusium schon um vieles besser. Also nickte sie nur wissend und zustimmend. „Du wirst dich sicher wieder an Rom gewöhnen.“, tröstete sie ihn. „Es ist halt einfach eine Stadt wie keine andere.“
Ihr Vetter kommentierte in knappen Worten seine Meinung darüber, dass Romana in Clusium gewesen war. Natürlich kannte er ihre Großeltern nur peripher, und sie verübelte es ihm nicht, dass er sich vermutlich kaum mehr an deren Namen erinnern konnte. Vielmehr übel nehmen konnte man Lepidus‘ absolutes Banausentum, was Pflanzen anging. Doch sie merkte, dass das Thema ihrem Vetter unbehaglich war. Sollte es auch sein, dahcte sie sich. Man hat schon recht, wenn man sich schämt, dass man der schönen Mutter Natur nichts abgewinnen kann. Deshalb nickte sie nur knapp, als er ihre Worte echote, und ging stattdessen auf seine zweite Frage ein. „Meinen Großeltern geht es wieder gut, den Göttern sei Dank. Meine Großmutter – Plautia Messalla – hatte eine Grippe, doch die hat sie wirklich gut überstanden. Jetzt geht sie wieder, als ob nie was gewesen wäre. Sie kocht sogar wieder. Und zwar ganz köstlich. Mein Großvater – Gnaues Manlius Longinus – hat noch immer Gicht, doch ist es schon viel besser geworden. Ein Sacerdos Publicus in Clusium hat ihm eine... weiß nicht... Brühe oder so verschrieben. Aber sie wirkt.“, freute sie sich.
Es war klar, dass ihr Vetter wissen wllte, was ihr widerfahren ist. Und Romana wa nur allzu bereit, es ihm anzuvertrauen. „Vesta ist mir erschienen.“, sagte sie also, nachdem sie sich nochmals umgeblickt hatte. „Vesta! Stell dir vor! Auf einem Feld! Sie hat mir gesagt, ich sollte Vestalin werden! Hier in Rom!“ Sie blickte ihn mit großen Augen an, in welchem fanatischer Gotteswahn das freundliche Funkeln in ihren Augen abgelöst hatte. „Ich werde Vestalin. Morgen werde ich hingehen und vorstellig werden.“, sagte sie voller Überzeugung. „Meinem Vater habe ich schon alles erzählt, und er ist einverstanden.“ Das Feuer in ihren Augen schwand und wurde durch einen ruhigeren Ausdruck ersetzt. „Du glaubst mir doch, dass das echt war... oder?“ Sie erwartete sich nicht im Ernst eine ablehnende Antwort.
Die Aussage, dass ihr Vetter länger in Rom bleiben würde, veranlasste sie dazu, zu strahlen wie ein Hinigkuchenpferd. „Quintus! Das ist ja wunderbar! Dann willst du sicher eine Karrier starten, oder? Ain der Verwaltung? Als Priester? Oder gar als Senator?“, fragte sie, sie wollte alles wissen. „Wie dem auch sei, du wirst sicher noch einige Veränderungen erleben. Vater hat mir die Gartengestaltung anvertraut. Ich muss jetzt noch irgendeinen Gärtner auftreiben.“, sagte sie.
Romana hatte ihre Entourage zu Hause gelassen. Durchs morgentliche, verschlafene Rom war sie sich ganz alleine gewandelt. Der frühe Morgen war selbst für eine junge Frau eine sehr sichere Zeit. Die Trunkenbolde waren schon im Bett, und die Gauner waren noch nicht auf. Unbelästigt konnte man durch die Gassen gehen. Die einzigen, die man traf, waren vereinzelte Soldaten, die die junge Patrizierin freundlich grüßten, Geschäftsleute, die ihre Läden aufstellten, Bäcker, welche in ihren Stuben darauf warteten, dass ihre Brote fertig werden würden, und ein paar Saufköpfe, die sich in der Gosse ihren Rausch ausschliefen.
Das Atrium Vestae erhob sich markant aus den Gebäuden rund um das Forum Romanum. Romana musste nicht nach den Weg fragen, sie erkannte es sofort. In langen, schnellen Schritten eilte sie hin. Das Tor war verschlossen. Kurz blickte Romana auf das Gebäude hinauf. Vor Rührung und Verzückung musste sie sich die Tränen verkneifen. Dieses Hochgefühl, welches sie beim Anblick dieses Tempels erblickte, war... unvergleichlich. Deutlich langsamer schritt sie zum Tempel hin. Ob schon jemand auf war? Hoffentlich, sonst hätte sie den Weg umsonst gemacht.
Sie trat vor die Türe hin, blickte sich kurz um und klopfte dann an die Türe an, dreimal insgesamt. Nun würde sich zeigen, ob jemand da war. Die Götter konnten ihr nicht die Präsenz einer Vestalin verwehren.
[SIZE=7]EDIT: Feinheiten[/SIZE]
Romana fühlte die liebevolle Berührung ihres Vaters an ihrem Rücken. Fast konnte man glauben, ihr Vater wirkte dabei unbeholfen, als ob er sich nicht wohl fühle, seiner Tochter ein Zeichen von liebe zu erweisen. Doch Romana kannte ihren Vater, er war wie er war, und soweing wie er der perfekte Vater war, konnte sie sich einen anderen wünschen. Trotzdem dass es sie verärgert hatte, dass er so schnell, nachdem er damals, als Romana noch klein war und ihre Mutter verlor, so schnell eine Neue geheiratet hatte... und noch so einen Giftzahn dazu. Doch diese Frau weilte in Baiae und Romana konnte jetzt in Ruhe Zeit mit ihrem Vater verbringen.
Die Umarmung löste sich wieder, und Romana schmunzelte ihren Vater an, als dieser ihr die Verantwortung über den Garten übergab. Großartig, dachte sie sich innerlich. Endlich wieder ein bisschen Gartenpflege! Sie hatte schon geglaubt, nachdem sie Clusium verlassen hatte, sie würde nie wieder dazu kommen, sich um einen Garten zu kümmern. Doch dieser Alptraum, welches er für sie sicher gewesen wäre, trat nicht ein. Wegen ihres Vater, die Götter seien ihm geneigt.
„Gut. Ich werde mich darum kümmern.“, meinte sie und nickte ernsthaft. Sie würde einen Gärtner finden, und einen wirklich guten noch dazu. Sie würde sich überlegen, wie sie das anstellen würde. Auf jeden Fall freute sich sich schon darauf. „Ich glaube, mit Gärtnern kann ich gut umgehen. Mit jenen bin ich auf einer Linie.“, sagte sie.
Doch dann wurde das Gespräch auf eine viel ernstere Linie gelenkt. Romana wusste natürlich, dass ihr Vater sie fragen würde, ob ihr das ernst war. Sie spürte den Druck seiner Hände auf ihren Schultern. Fast war dies wie eine Metapher für die Last, die ihr die Götter aufgelegt hatten. Sie blickte ihn lange an, dann nickte sie. „Ich bin mir sicher. Ich nehme diese Pflicht mit Freuden an. Was ich gesehen habe, war sehr explizit. Es war eindeutig. Mir wurde aus himmlischen Rat befohlen, nach Rom zu gehen, da ich als würdig erachtet werde, das heilige Feuer zu bewachen.“ Stolz konnte man ihr anhören. Endlich etwas zu tun, was ihrem Leben Sinn verschaffte. Die moderne Psychologie hätte die Erscheinung Vestas, beziehungsweise Romanas Überzeugung, sie wäre ihr erschienen, sicher anders interpretiert als Romana. Doch Romana kannte Dr. Freud nicht, und selbst wenn, wäre sie niemals von ihrer Überzeugung abgekommen, dass ihr Vesta erschienen war. „Und ich kann mir wirklich nicht vorstellen, etwas anderes als Vestalin zu werden, nachdem ich darüber nachgedacht hatte. Ich kann mich nicht als gute Ehefrau sehen. Zudem gibt es in Rom keine ordentlichen Männer mehr. Dich ausgeschlossen.“, fügte sie eilig hinzu und lächelte.
Kurz schien Romana zu überlegen, dann nickte sie abermals. „Ich werde, wenn es dir nichts ausmacht, morgen zum Atrium Vestae gehen. Sicher werden die Vestalinnen wissen, was zu tun ist.“ Die Vestalinnen. Bald würde sie, wenn es nach dem Willen Vestas gehen würde, zu ihnen gehören.
Jetzt war es geschehen. Die andere Frau hatte sich umgedreht und blickte sie an. Jetzt konnte sie nicht mehr zurück. „Ähhh...“, fing sie an. Rhetorisch einwandfrei war so ein Anfang natürlich nicht. Romana überlegte, wie sie ihre Frage formulieren könnte, während ihre Augen unbewusst den Handbewegungen der Fremden folgten. Ohne Zweifel war sie Römerin, doch keine patrizische, sie war Plebejerin, wie es aussah.
„Also...“ Man konnte es Romana ansehen, dass es ihr etwas peinlich war, dies zu fragen. „Ich wollte dich fragen... als unabhängige Beobachterin... also, das ist meine Frage... findest du...“ Sie schluckte und fuhr fort. „Findest du mich furchterregend? Oder beunruhigend? Ich meine... so, dass man Angst kriegen könnte... v... vor mir?“ So, raus war der Satz, und Romana blickte Calvena mit einem Ausdruck in den Augen an, welcher weniger furchteinflössend als vielmehr beschämt wirkte. Sie fuhr mit ihren Händen aneinander und fingerte an einer Falte ihres gelben Kattunkleides herum. Sie konnte sich nur selber gratulieren, jetzt hatte sie sich wahrscheinlich selber zum Ziel des Spottes in halb Rom gemacht.
Vielleicht hätte sie nie so eine Frage stellen sollen. Vielleicht hätte sie den Mund halten sollen. Was würde nun kommen? Vielleicht würde die Fremde sie auslachen. Oder einfach sich mit dem Finger an die Stirn tippen und verschwinden. Beides war um einiges wahrscheinlicher, als dass die Fremde nun etwas ansatzweise Konstruktives sagen würde. Doch wissen konnte man nie. Jedoch war Romana auf die Reaktion der Frau schon ziemlich gespannt.
Es schien so, als ob die Fremde ihr tatsächlich ihre Geschichte nicht abkaufen würde, doch schien sie anständig genug zu sein, um nicht nachzubohren. Im Gegenteil, es schien fast so zu sein, als tat es ihr Leid, dass sie Romana gestört hatte. Sie zeigte sich durchaus verständnisvoll und entschuldigte sich sogar dafür, dass sie Romanas Kreise gestört hatte.
Nun hätten sich die Wege der beiden ja trennen können. Calvena hätte ihres Weges gehen können, und Romana den ihrigen. Nur war es aber so, dass Romana sich ein Hirngespinst erdacht hatte, welches ihr jetzt im Hirn festsaß. Sie musste etwas unternehmen, sie musste herausfinden, ob dieses Hirngespinst irgendeine Basis hatte. Sie hatte schon des Öfteren sich Gedanken um Sachen gemacht, die überhaupt nicht stimmten. Und jene Unsicherheiten hatte sie immer mit einem kleinen Gespräch bereinigen können. Wieso sollte das nicht hier, jetzt abermals passieren?
Also nahm sie sich ein Herz. Als sich die Frau verabschiedete und schon gehen wollte, atmete Romana tief ein und brachte ein: „Warte.“ hervor. Sie schluckte. Irgendjemand, der sie nicht kannte, sollte das feststellen können. Sie atmete abermals tief ein, dann fragte sie die Frau: „Entschuldigung... kann ich dich etwas fragen. Es... ist eigentlich nichts. Überhaupt nichts. Nur eine kleine affige Frage. Aber würde es dir etwas ausmachen?“ Sie lächelte die Frau einnehmend an, während sie sich innerlich durchaus nicht wohl fühlte.
Unwillkürlich fuhr sie abermals mit ihrer rechten Hand durch ihr Haupthaar, hinten am Nacken seitwärts. Der Rest von Frisur, den sie damit noch hatte, wurde damit ruiniert, doch Romana dachte gar nicht daran. Fast tat es ihr schon Leid, dass sie jene komplett fremde Frau mit einer solchen Frage belasten würde. Aber jetzt war es schon zu spät, jetzt musste sie dazu gerade stehen. Also blickte sie die Fremde aufmerksam an und wartete auf ihre Antwort.
Tief durchatmen. So. Alles ist wieder in Ordnung. Nichts ist passiert. Es war doch nichts schlimmes, redete sich Romana ein. Du solltest stolz darauf sein, dass du kein Zwerglein bist, Romi! Es ist nichts schlimmes, wenn man sich von der Masse abhebt.
Nun, das wusste sie ja, und sie hatte es sich schon lange abgewöhnt, sich selber zu verdammen ob ihren Hang zur Hochaufgeschossenheit. Doch dies war nicht das, was sie kurz, für eine Sekunde, um die Nerven gebracht hatte. Es war der Blick in den Augen der Mutter gewesen. Fast, als ob Romana eine Barbarin wäre. Schaute sie so grauenerregend aus? Flösste sie den Leuten... Furcht ein? Quatsch, dachte sie. Es war einfach nur eine dumme Pute, die ihre Kinder nicht richtig erziehen konnte. Und sowieso, seit wann scherte sie sich darum, was die Leute sagten? Sie hätte sich auslachen können, wenn sie darüber nachdachte.
Gerade wollte sie gehen, da kam noch, bei den Göttern, eine Frau hinzu,w elche sie fragte, ob alles in Ordnung war. Das hatte zu ihrem Glück noch gefehlt. Doch gleichzeitig sah sie eindeutig, dass die andere es gut mit ihr meinte. Deshalb lächelte sie ihr freundlich zu. „Oh, danke. Es ist sehr nett von dir, dass du fragst. Aber keine Sorge, keine Sorge, alles in Ordnung mit mir. Wirklich.“ Sie nickte der Fremden freundlich zu, um ihr zu verdeutlichen, dass sie es wirklich so meinte. „Es war nur so, dass... ach was. War nichts Wichtiges.“, versicherte Romana ihr. Sie wollte eine wildfremde Frau jetzt nicht mit ihren Problemen belasten. Viele Leute fanden an ihrem Aussehen etwas zu bemäkeln, das war nichts Außergewöhnliches.
Kurz blickte sie die Frau an. Sie holte tief Luft, fast, als wollte sie etwas sagen, doch dann ließ sie es wieder sein. Sie setzte abermals zu einem Satz an, zu einem anderen als jenen, den sie schon in den Raum stellen hatte wollen. „Verzeih, wenn ich dich beunruhigt habe oder so. Es war wirklich nichts!“ Sie versicherte das der Fremden, wie es ihr jetzt erst auffiel, jetzt schon zum dritten Mal... verdächtig oft, doch ihre Worte konnte sie nicht mehr zurück nehmen.
„Mama!“
„Komm. Man zeigt nicht mit den Fingern auf die Leute, Lucius!“
„Nein, Mama! Schau mal! Ist die Frau groß!“
„Lucius, das sagt man nicht!“
„Aber schau, Mama! Ist die groß! Warum ist die so groß? Mama, sag doch!“
Deutlich hörte Romana die Stimmen hinter sich. Sie gehörten einem Jungen, vielleicht 4 oder 5, und einer Mutter. Und, was spätestens jetzt klar wurde... der Kleine meinte sie. Claudia Romana. Niemanden sonst in der Menschenmenge am Forum Romanum.
Romana drehte sich um und blickte die beiden an. Sie merkte, dass ihr die Röte ins Gesicht gestiegen war, und das Unbehagen so heftig wie selten an ihr nagte. Die Frau blickte an Romana etwas furchtsam hinauf. Dies musste drei Gründe haben. Erstens die Worte ihres Sohnes, zweitens die Schuhe von Romana, die eindeutig ihren patrizischen Stand kennzeichneten, und drittens das Erscheinungsbild von Romana. Ja, sie war eine große Frau, damit hatte sie sich schon lange abgefunden, und mittlerweile machten ihr Scherze in der Richtung auch nichts mehr auf. Doch an empfindlichen Tagen konnte so etwas schon... weh tun wäre der falsche Ausdruck, aber es konnte doch ihre Stimmung ein wenig verleiden. Dass die Fremde mit ihre Kind Romana dazu anblickte, als ob die junge Patrizierin gerade dabei wäre, sie offen zu bedrohen, setzte Romanas leichter Gekränktheit noch ein Sahnehäubchen auf.
Sie strich sich mit ihrer Hand fahrig durch das wirre Haar, um von ihren negativen Gefühlen abzulenken und meinte mit einem aufgesetzten Lächeln: „Ist schon in Ordnung. Das ist halt so, weil ich immer mein Essen aufgegessen habe. Wenn du das auch tust, dann wirst du auch groß und stark, Kerlchen.“ Sie versuchte so ihre Verlegenheit mit einem kleinen Späßchen zu überspielen. Doch dies misslang, als der Kleine sie noch immer verwundert anblickte und keinen Ton rausbrachte. Die Mutter lächelte gequält. „Äh... haha...“, brachte sie hervor.
Die Situation war für alle Beteiligten so unangenehm, dass Romana wenig Grund sah, sie aufrecht zu erhalten. „Guten Tag noch...“, meinte sie mit der festesten Stimme, die sie hervorbringen konnte, drehte sich um und eilte davon. Schleunigst.
Romana ging schnellen Schrittes quer über das Forum und kam dann endlich zu stehen, als sie nicht weitergehen konnte, weil eine Säule vor ihr stand. Sie lehnte sich an diese an und atmete tief durch. Sie konnte sich doch von einem solchen Kinkerlitzchen nicht runterziehen lassen! Das ließ sie doch sonst nicht zu! Es handelte sich doch nur um ein kleines, unwissendes Kind. Es war nichts passiert, rein gar nichts. Gleich würde es besser werden.
Die hoch gewachsene junge Frau löste sich von der Säule, nicht ohne sich jedoch nicht an jener abzustützen. Gleich würde es besser werden. Fast war sie schon beschämt, dass sie so reagiert hatte. Sie war einfach leicht aus der Ruhe zu bringen. Gedankenabwesend schüttelte sie den Kopf.
Reserviert
„Das macht gar nichts, Träumer bleibt Träumer!“, lachte Romana zurück, froh, dass sie das herz ihres Vetters mit ein wenig Heiterkeit erfüllen konnte. Es war ein gutes Gefühl, die Welt mit ein wenig Fröhlichkeit zu beglücken.
„Gestern?“, fragte sie erstaunt. „Da hast du mich gerade verpasst. Ich bin heute am Vormittag angekommen.“ Es war doch seltsam. Da tat sich wochenlang nichts in der Villa Claudia, und mit einem Mal kamen gleich zwei aus fernen Orten an. „Gibt es vieles Neues zu sehen? Nun ja... aber ich meine, du warst viel länger in Griechenland als ich in Mittelitalien. Da hat sich für dich sicher viel mehr verändert.“ Ihre Mutmaßung wurde von einem Schulterzucken untermalt.
Dass Lepidus sofort mit ihrem Vorschlag einverstanden war, erfüllte Romana nochmals mit einem gewissen Maß an Glück. Im Spaß hackte sie sich bei ihrem Vetter ein. „Dann gehen wir, oder?“, meinte sie und lenkte ihre Schritte zum Weg hin. Zwar war der Pfad gesäumt von Pflanzen von verschiedenster Art, doch Romana zwang sich dazu, sich auf ihren Vetter zu konzentrieren. „Ja, ich bin tatsächlich weggegangen. Nach Clusium, weißt du, zu meinen Großeltern.“ Sicher wusste Lepidus um den alten Manlier und der alten Plautierin Bescheid. „Ich habe mich etwas um sie gekümmert, weil es ihnen so schlecht ging. Es ist wirklich sehr schön dort. Eine wundervolle Flora und Fauna!“, meinte sie lächelnd, wohl wissend, dass ihren Bruder kaum etwas weniger interessieren konnte als „Grünzeug“. Das Lächeln schwand jedoch, als sie nun sagte: „Und dort ist mir dann auch etwas passiert... aber ich sage es dir nur, wenn du mir versprichst, dass du es niemanden weitererzählst!“ Ihre Augen huschten schnell nach links und rechts. „Sonst halten mich alle für verrückt.“ Zumindest die, die es jetzt noch nicht tun, dachte sich Romana und musste kurz lächeln.
Sie antwortete auf seine letzte Frage. „Ja, das habe ich schon gesehen. Ich denke, sie geht ganz gut voran. Aber ich denke, du kennst deine Base gut genug, um zu wissen, dass ich, was Pflanzen angeht, immer etwas zu mäkeln habe. Den Rest finde ich aber gut! Ich hoffe, die Renovierung ist bald fertig.“
Roman konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als ihr Vater eine Bemerkung über ihre Größe machte. Es musste ziemlich schwer sein für einen vater, kleiner zu sein als die eigene Tochter. Da war es noch gut, dass ihr Vater es mit Humor nahm und nicht anfing, mit irgendwelchen Witzen daherzukommen. Romana hatte durchaus einen guten Sinn für Scherze, aber hie und da war es einfach so, dass sie sich in ihrer Haut nicht ganz wohlfühlte und sich wünschte, sie würde nicht jedes Mal, wenn sie durch die Straße ging, hervorstechen wie ein bunter Hund. Es wäre einfach von Zeit zu Zeit besser, wenn es ein bisschen... nun ja... weniger Romana gäbe. Aber sie konnte nichts daran machen.
Romana lächelte, als sie sah, dass ihr Vater ihrem Redeschwall nicht mehr mitkam. Es war kein herablassendes oder gar bemitleidendes Lächeln, sondern ein verständnisvolles. Es war ja wirklich so, dass sie manchmal einen Käse daherplauderte, bei dem wenige Leute mitkamen, und dann noch so schnell, dass keiner mehr eine Chance hatte, noch irgendetwas zu verstehen. "Oh Vater!", lachte sie und umarmte denselbigen erst einmal.
Sie ließ ihren Vater ausreden und entgegnete dann langsam, mit sanfter Stimme, gegenfügig ihrem Vater Zeit zum Antworten lassend.
„Da hat vieles nicht gepasst.“ Sie lugte nochmals hinauf. „Ich will gar nicht wissen, wie es im garten aussieht. Vorstellen kann ich es mir ja.“ Ihr Blick schweifte herum im Atrium. Sie runzelte kurz die Stirn. Pflanzenkenner sahen sofort, dass hier einiges im Argen lag. Eine kleine Fächerpalme stand im Schatten herum, während Lampionblumen, welche Nachtschattengewächse waren, in grellsten Sonnenschein herumstanden. Sie schüttelte kurz den Kopf, ganz ungläubig und leicht fassungslos. „Wir sollten wirklich einen neuen Gärtner suchen. Weisßt du was? Ich kann ja nach einen suchen. Dann hast du nicht so viel Arbeit!“, schlug sie vor.
Sie atmete kurz ein und aus. Was sie jetzt sagen würde, würde wichtig sein. „Und ja, jetzt zu etwas Wichtigeren.“, wechselte sie also das Thema. „Weißt du... ich bin, in Clusium, über ein Feld gegangen, und ich habe...“ Sie brach ab. Das fröhliche Lächeln, welches sie noch gerade vorhin im Gesicht gehabt hatte, erstarb langsam, so, als würde ihr die wahre Bedeutung des Ereignisses jetzt erst bewusst werden. „Ich habe... ich habe sie gesehen.“ Ihre Stimme sank zu einem Flüstern ab. Sie hob ihre Hände. Sie zitterten leicht. „Ich habe sie gesehen.“ In ihre Augen trat ein Glanz, welcher von niemanden genau bestimmt werden konnte. Ihre Stimme klang auf einen Schlag wie von weit weg. „Sie ist mir erschienen. Vesta.“ Das Lächeln einer komplett Geistesabwesenden legte sich auf ihre Lippen. „Vesta ist mir erschienen. Und sie hat mir gesagt, ich soll... muss... habe die Pflicht... zu den Vestalinnen zu gehen.“
Sie atmete schnell aus un ein, als ob sie gerade gerannt wäre. Ihre Hände senkten sich. „Ich muss Vestalin werden.“ Ihre Stimme klang wieder normal. Ihre Augen sahen wieder wie üblich aus. Das Zittern hörte auf. Nur das Lächeln blieb. „Stell dir vor, Vater... sie ist mir erschienen und hat mir gesagt, ich soll Vestalin werden!“, meinte sie, als ob sie das zum ersten Mal zu ihrem Vater sagen würde. Sie schloss das Spektakel mit einem fragenden „Ich darf doch?“ ab.
Da war eine... Bewegung. Zwischen den traurig herunterhängenden Pflanzen konnte sie sehen, wie e seine Bewegung gab. Als der Mann, welchem jene Bewegung zuzuschreiben war, sich ihr näherte, wurde die Vermutung zur Gewissheit.
„Vater!“, rief Romana, lachte auf und eilte ihm entgegen. Schon wollte sie ihm beide Hände reichen, als Zeichen der Liebe und des Respekts – da erkannte sie, dass ihr Vater etwas in der Hand trug. Was war das? Ein Stab. Verwundert blickte Romana auf den Stab, dann auf den Mann, welcher ihn mit beiden Händen trug. „Bist du unters Militär gegangen?“ Die Frage wurde von einem schiefen Lächeln begleitet. „Benutzt du den Stab, um die ganzen kaputten Pflanzen hier niederzuhauen? Ich meine, die sind ja schon seit Wochen nicht mehr gegossen worden!“, rief sie und zog an einem herunterhängendem Gewächs. Das war keine gute Idee gewesen. Das Gewächs, ausgetrocknet wie es war, brach ab, und ein Blättergewirr ging auf Romana nieder. „Ai!“, rief sie aus und hob beide Hände in die Höhe, um die Pflanze abzuwehren. Das Grünzeug landete zum größten Teil auf dem Boden, und zu einem kleineren Teil in Romanas Haar. Hastig strich sie sich durch ihr Haupthaar, doch gelang es ihr nicht, alles zu entfernen.
Fassungslos blickte sie nach oben. Auf dem ersten Blick sah sie, dass die Pflanzen, welche in einigen Krügen am Gebälk über dem Atrium angebracht waren, vertrocknet waren. Eine Art von Zorn flimmerte in ihren Augen auf. Sie wandte sich an ihren Vater. „Sag... was für einen Kurpfuscher von Gärtner hast du dir denn da eingestellt? Die Pflanzen, die armen Pflanzen!“, rief sie aus und warf, Gartenliebhaberin die sie war, ihre Arme in die Luft, als ob sie den größten Verlust ihres Lebens erlitten hätte.
„Du hast recht mit dem Wirrwarr... ich will ja gar nicht wissen, wie es im Garten ausschaut!“, rief sie aus. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich, mit ihrem Vater, schon den unfähigen claudischen Gärtner feuern und einen neuen anstellen. „Hast du schon einmal gedacht, den Gärtner zu wechseln?“
Nachdem sie jene Frage gestellt hatte, kam ihr zu Bewusstsein, dass ihr Vater sicher wissen wollte, was sie hierher getriben hatte, zurück nach Rom. „Achja! Zuerst mal: Schöne Grüße von Gnaeus Manlius Longinus und Plautia Messalla, meinen Großeltern in Clusium.“ Und deinen ehemaligen Schwiegereltern. Doch dies wollte sie nicht sagen. „Du brennst schon sicher darauf, zu erfahren, wieso ich hier bin. Ich werde es dir sagen... aber halte dich fest!“, riet sie ihrem Vater. Ein bisschen spannend sollte das Ganze schon gemacht werden.
Tatsächlich schien sie ihn ein bisschen erschreckt zu haben – was ja auch, ein bisschen, ihre Absicht gewesen war. Ihr Vetter blickte sie an, als ob er aus allen Wolken gefallen wäre. Gerade wollte Romana anfangen, die Beleidigte zu spielen, weil er anscheinend ihr Gesicht vergessen hatte, doch Quintus konnte sich gerade noch rechtzeitig erinnern. „100 Punkte!“, gab sie neckisch zurück und lächelte breit.
„Natürlich habe ich dich sofort erkannt. Jetzt sag mir mal eines. Wieviele Glatzköpfe in deinem Alter und von deiner Größe rennen in Rom herum?“ Sie legte den Kopf leicht schief. Ja, ein Hang zu einer gewissen Körpergröße war bei den Claudiern schon vorhanden. Und, bei den Männern, zur Glatzköpfigkeit.
Wobei sie natürlich wusste, dass Lepidus seine Haare rasieren ließ, aus welchen Gründen auch immer. Sie dachte sich immer insgeheim, Haare würden ihm gut stehen. Aber sich Quintus Lepidus ohne Haare vorzustellen war ziemlich unmöglich. Er hatte wohl zu lange in Griechenland gelebt. Ihre Großmutter hatte immer gesagt, die Griechen würden die Kinder Italiens verderben. Obwohl ihre Großmutter natürlich gegenüber den Griechen ein bisschen verbittert war, weil diese jeden einzelnen Krieg gegen die Etrusker, ihren Vorfahren, gewonnen hatten, hatten die Ansichten ihrer Großmutter schon ein bisschen auf sie abgefärbt.
„Keine Sorge!“, wiederholte sie erstaunt. „Denkst du, ich wäre besorgt, du könntest mir als Gartenfan Konkurrenz machen?“, lächelte sie und erwiderte die Umarmung ihres Vetters. Als sie sich lösten, merkte Romana, dass Quintus irgendwas wegschnippte. Was war dies? Na ja, egal. Viel wichtiger war es, dass sie wieder ihren Vetter traf. „Mich freut es auch, ganz gewaltig!“, meinte sie ganz inbrünstig. „Wie lange ist es her? Keine Ahnung.“, gab sie zu und lächelte beschämt. „Natürlich mag ich dich begleiten. Wohin sollen wir gehen?“ Sie nickte seitlich auf einen Pfad durch den Garten, diese Geste war als Frage gemeint. „Da scheint es ganz nett zu sein. Was denkst du?“
Quietschend ging die Tür zum Atrium auf. Zuerst lugte ein Kopf hervor (in erstaunlicher Höhe, muss man schon sagen), und dann kam der Körper zum Vorschein. Es war Romana, welche nicht ein einziges Mal gezögert hatte, sich vielleicht gewundert hätte, wo das Atrium sei, als sie es aufsuchte. Direkt war sie dorthin geschritten. Es war absolut einmalig, wieder hier zu sein. Die Fresken... die Bilder... das Wasser, welches sich im Becken im Atrium spiegelte. Wundervoll.
Doch etwas fehlte hier. „Vater?“, rief sie und drehte sich herum, um die eigene Achse, hoffend, ihren Vater zu finden. „Vater?“, wiederholte sie. Wo war er bloß? Hatte er das Atrium kurz verlassen, oder versteckte er sich hinter einem der Büsche, welche hier herumstanden, um dann herauszuspringen und sie zu überraschen? „Ich bin es, Romana!“, rief sie, trotz des Umstandes, dass es sehr unwahrscheinlich wäre, dass ein Vater sein Kind vergisst.
Romana beobachtete, wie die Sklavin nach einer Kiste griff. „Nein, nein!“, rief sie und fuchtelte mit ihren Armen herum, um Abweisung auszudrücken. „Das macht Saud schon selber. So wie ich ihn kenne, ist er ein echter Kavalier!“ Sie warf ihrem Sklaven ein sehr nettes Lächeln zu, welches seinen aufkeimenden Groll erstickte, sodass er sich daran machte, ein großes Gepäcksstück zu schultern. „Aber, pssst, Sklavin, hast du nicht noch einen Sklaven, der Saud helfen könnte? Und jemanden, der mir schon mal ein Zimmer einrichtet?“, fragte sie noch die Sklavin mit einem gewissen verschwörerischen Unterton.
„Also ist Vater im Atrium? Hmm, dann gehe ich einmal dort hin. Ich nehme einmal an, bei den Kisten ist alles in Ordnung, oder? Das ist es wohl. Ausgezeichnet.“, sagte sie, sich die Frage selber beantwortend und der Sklavin keine Zeit für eine eigenständige Beantwortung lassend.
„Ach ja, noch was. Viel Glück dabei, die Farbspritzer wegzubringen. Hoffentlich sind die Waschmethoden hier in Rom besser als in Etrurien.“, meinte sie noch, leicht schmunzelnd, bevor sie der Sklavin nochmals zunickte und dann mit langen, leichten, federnden Schritten das Vorzimmer verließ, um das Atrium aufzusuchen. Wo das war, wusste sie noch. Ihr Väterchen würde dort sein, was für eine Freude würde es werden, ihn wieder zu sehen!
Der Wind fuhr über die Flur. Ruchlos blies er Romanas Haar durcheinander. Versuche, ihr sowieso schon von Haus aus wirres Haar mit beiden Händen zu schützen, erwiesen sich als erfolglos. Wäre sie zuhause geblieben, wäre ihr Haar noch in Ordnung, und nicht dem Untergang geweiht.
Doch der jungen Claudierin war, wenn sie ehrlich sein wollte, der Wind egal. Sie war sehr, sehr gut gelaunt. Rom war genau so schön, wie sie es noch in Erinnerung hatte. Viel hatte sich nicht geändert – ein Kaiser war gegangen, der andere war gekommen, ein paar Häuser wurden niedergerissen, andere aufgebaut. Doch im Grunde war Rom noch immer Rom, und Romana war stolz darauf, nach einer solch großartigen Stadt benannt zu sein. Vor allem, da es so wunderbare Gärten hatte, wie jener, durch den sie nun gerade durchwandelte.
Ihr fuchsfarbenes Haar wehte ihr nun rund um ihr Gesicht herum, es war aussichtslos, etwas dagegen zu tun. Lieber ging sie in Deckung. Ein Seitenschritt, und schon stand sie hinter einer Mauer, leise aufatmend. So ein Gescher. Sie strich sich die Haare zurecht... was nicht ganz gelingen wollte. Das Höchste der Gefühle war, dass sie es schaffte, ihr Gesicht frei zu bekommen. Sie sollte wirklich mal zum Barbier gehen!
Nun, da die Haare ihr Gesicht nicht mehr blockierten, sah sie eine Gestalt weiter drüben, zwischen einem Blumenbeet und einigen Bäumen. Das war doch... sie grinste verschmitzt, setzte sich ein bisschen verstohlen in Bewegung und näherte sich ihm sich vorsichtig, bis sie direkt hinter ihm stand.
„Quintuuuuuus!“, rief sie aus und lachte. „Du auch hier? Bist du am Ende zum Blumenkind mutiert?“