Beiträge von Iullus Quintilius Sermo

    Heute war ein guter Tag. Sermo war mit dem richtigen Bein aufgestanden, hatte die frühen Morgenstunden mit gutem Frühstück und später in der Bibliothek der Schola Atheniensis verbracht und hatte sich dann im Laufe des Tages auf die Straße begeben, um zunächst das Forum Romanum aufzusuchen.
    Er trug eine schlichte dunkelrote Tunika, welche ihn jedoch im Gewimmel nicht sonderlich auffallen ließ. Sein Haar war wie immer ordentlich kurz geschnitten, ebenso bot sein Bart einen gepflegte Anblick.
    So schlenderte der junge Quintilier gelassen durch das Gedrängel, immer eine Hand auf seinem Geldbeutel, und immer ein wachsames Auge auf seine Umgebung. Er war gut gelaunt und erfreute sich daher am bunten Treiben in den dicht gefüllten Straßen Roms. Überall brachten Händler ihren Plunder an den Mann und an jeder Ecke saß ein jämmerlicher Bettler, der um eine milde Gabe wimmerte. Eine grell geschminkte Lupa tauchte direkt neben Sermo auf und hakte sich kokett bei ihm ein. Sie präsentierte ihr tiefes Dekolleté und den prallen Busen, der in Verbindung mit ihrem schlanken Körper ganz nach Sermos Geschmack war. Doch ihm stand nicht der Sinn nach körperlichen Freuden. Er wimmelte die Spielgefährtin schmunzelnd ab und kontrollierte sogleich ob sein Geldbeutel noch an Ort und Stelle war. Jap, das war er und so konnte er unbesorgt weiterschlendern.


    Zitat

    Original von Aurelia Prisca
    Gerade wollte Prisca sich wieder dem Schmuckhändler zuwenden, als irgendwer oder irgendetwas gegen Saba stieß und die Sklavin durch den Schubser gegen die Aurelia prallte. "Oh bitte verzeih Herrin!", entschuldigte sich Saba schnell und zupfte hastig die keicht verknitterten Falten des Kleides wieder zurecht. "Kannst du denn nicht aufpassen?!", zischte Prisca etwas ungehalten über die Schulter zurück, wobei sie natürlich ihre Sklavin meinte ….


    Auf dem Forum angelangt glitt der Quintilier zwischen den unterschiedlichsten Ständen hindurch, warf hier und dort flüchtige Blicke auf die Auslagen und besah sich derweil viel intensiver das ganze hübsche Weibsvolk, das sich zu den Ludi auf der Straße blicken ließ. Da waren große, kleine, schlanke, füllige, helle, dunkle, reiche, arme, schöne und hässliche Frauen soweit das Auge bicken konnte. An einem Schmuckstand angekommen prüfte Sermo gerade die Qualität eines Silberringes - rein interessehalber, nicht dass er sich so etwas einfach leisten könnte, wollte, oder müsste - als er aus dem Augenwinkel jemanden auf ihn zugerannt kommen sah. Sofern man das "rennen" nennen konnte, denn in der Menschenmenge war es eher ein Schieben und Rempeln, wenn man schnell voran kommen wollte. Es handelte sich um einen Burschen, der vor einem wütenden Frauenzimmer davonrannte. Und ausgerechnet dieser Kerl erwischte Sermo mit voller Wucht und warf diesen einige Schritte in entgegengesetzte Richung.


    Natürlich waren die beiden Streithähne längst wieder weg, als Sermo sich gefangen hatte und wieder aufrecht stand. Schnell sah er sich um und sondierte die Lage. Hatten noch andere unter seinem Fall gelitten? Neben ihm fing eine Frauenstimme an zu keifen und ließ ihre Wut an einer Begleiterin aus. Die aufgeregte Dame schien höherer Herkunft zu sein, wie Sermo feststellte und ging mit der anderen in gewohntem Befehlston um. Abrupt mischte er sich ein. "Entschuldige werte Dame, doch deine Begleiterin trifft keine Schuld. Ich war wohl etwas unaufmerksam in dem Gedränge..." Sermo warf einen näheren Blick auf die junge Dame und befand sie für attraktiv und elegant. Sie hatte etwas Herrschaftliches, vermutlich entstammte sie wohlhabendem und einflussreichem Hause und war daher ohnehin ein Leben als Herrin gewohnt. Der junge Quintilier deutete eine Verbeugung an und schickte sich zu einem verhaltenen Lächeln an. "Wenn ich mich vorstellen darf: Quintilius Sermo, werte Dame. Sagt, wie kann ich meinen Fehler wieder gut machen?"

    Innerlich frohlockte der Quintilier. Der Sklave sah verängstigt aus und schien sich seiner selbst nicht sicher zu sein. Offenbar irritierte Sermos Direktheit den Mann, der sich ganz klar ertappt fühlte. "Warum schreibst du so etwas - Sermo zeigte auf die frisch gekritzelten Worte - an eine Wand?" Konnte der Sklave nur das schreiben? Oder wollte er der Welt kundtun, dass er derjenige war, der er war? Oder war ihm schlichtweg nichts besseres eingefallen? Seine Vorschreiber waren da zum Teil wesentlich kreativer gewesen. Sermos linke Augenbraue wanderte gen caelum*, während die andere gegensteuerte. Mehr Skepsis ausdrückend denn fragend sah er also den Bithynier an. Der Abstand zwischen ihnen - sie standen immerhin jeder noch immer auf der jeweils anderen Straßenseite - kam ihm nun außerdem zu groß vor, weshalb er ein paar langsame Schritte auf den Sklaven zu tat, ohne jedoch bedrohlich zu wirken.

    "Eine reizende junge Dame sagst du?" Sermo musste schmunzeln. Vielleicht konnte er noch etwas mehr aus seinem Vetter herauskitzeln. "Und wie nennt sich diese junge Dame? Ich hoffe doch sie hat sich nicht in die Prügelei eingemischt. Er zwinkerte Valerian amüsiert zu und biss dann herzhaft in den Hähnchenbollen, den er zuvor in die Soße getunkt hatte. Das Fett lief heraus und tropfte auf den Boden vor der Cline, doch das würde Diomedes später gewiss aufwischen.
    "Ich bin davon überzeugt, dass es mir gefallen hätte," schmatzte der junge Quintilier weiter. "Ich bin in Griechenland liebend gern ins Theatrum gegangen und schaue mir auch besonders gern Wettkämpfe oder Gladiatoren an. Demnächst finden doch wieder die Ludi Romani statt, da werde ich auf jeden Fall mit von der Partie sein."

    Melina schien verstanden zu haben. Auch wenn sie nicht gerade glücklich aussah, sie hatte offenbar seinen Standpunkt begriffen und würde hoffentlich seine Worte beherzigen. So knuffte Sermo die kleine Schwester und lächelte aufmunternd. "Keine Sorge, eine Modeschnepfe wirst du schon nicht. Nicht, solange ich hier noch etwas zu sagen habe." Er grinste, musste er sich die freche Quintilia doch im modischen Kleidchen, mit hochgesteckten Haaren und frommem Gesichtsausdruck vorstellen, was ihm irgendwie unvorstellbar komisch vorkam. "So, jetzt wollen wir etwas essen. Ich habe einen unglaublichen Kohldampf!" Wie bei seiner Ankunft im alten neuen Heim waren als Vorspeise Oliven und Brot mit einer würzigen Soße serviert worden. Dazu gab es allerdings keine gefüllten Weinblätter und Eier, sondern kleine Teigtaschen, wahlweise gefüllt mit Hackfleisch und Gemüse. Sermo bedeutete Melina sich zu bedienen und nahm sich selbst eine Teigtasche, die er sich genüsslich in den Mund schob. Als er geschluckt hatte, stellte er fast beiläufig eine Frage, die ihm schon die Ganze Zeit auf der Zunge brannte. "Sag mal...wo hast du dich denn nun eigentlich die ganze Zeit herumgetrieben? Wie hast du überlebt und mit wem warst du unterwegs?" Interessiert sah er die Jugendliche an, die von Fortuna übermäßig gesegnet zu sein schien.

    Sermo schaute nachdenklich drein. Er war ja gerade erst in Rom angekommen, sollte er dann schon wieder ausfliegen? "Ich werde wohl eine Stelle hier in der Stadt suchen," entschied er daher. "Aber du hast recht, ich werde erst einmal eine Nacht drüber schlafen und mich dann umhören. Immerhin bin ich heute erst hier angekommen." Er grinste leicht und biss vom zarten Fleisch ab, das die Soße so verfeinerte. So herrschte einen Moment Stille, denn beide hatten den Mund voll und Sermo wusste auch nicht so recht was weiter sagen. Um das Gespräch wieder aufzunehmen verfiel er wieder in weniger gehaltvolles Plaudern. "Sag, wann stehen die nächsten Schauspiele an? Irgendein besonderer Kampf, ein sehenswertes Theaterspiel, wo man die ansehnlichen Damen Roms betrachten kann?" Ein Grinsen unterstrich seine Frage. Seit Wochen hatte er nur Lysandra gehabt, die zwar ein tolles Weibsbild war, jedoch immer noch eine Lupa. Mit der konnte er sich nicht in der Öffentlichkeit sehen lassen, wenn er Höherem zustrebte. Sermo brauchte Frischfleisch. (:D)

    Ertappt! Ihre Blicke trafen sich und Sermo erkannte deutlich die Angst in den Augen des Mannes. Und jetzt wusste er auch weshalb. Der Mann, der sich Phaeneas der Bithynier nannte, war Sklave. War er entlaufen? Wem er wohl gehörte? Der Mann wurde hektisch, man konnte ihm ansehen, dass er hier eigentlich nicht hingehörte. Seine Tunika ließ Sermo auf einen Haussklaven der Oberschicht schließen, denn so gut waren keine Feld- oder Werksklaven gekleidet.


    Tja, dumm gelaufen. Der heimliche Beobachter war entdeckt worden. Doch der heimliche Kritzler war ebenfalls enttarnt. Hauptsächlich aufgrund seiner eigenen Handschrift, die ihn komplett selbst verriet. Sofern er überhaupt so hieß. Womöglich hieß er doch ganz anders. War ja auch egal, Sermo hatte nun zwei Möglichkeiten. Einfach gehen; Oder ein Gespräch beginnen. Denn es herrschte für einen Moment eine peinliche Stille, die selbst der Krach aus einer naheliegenden Tischlerei und ein vorbeihechelnder Straßenköter nicht stören konnten.


    "Phaeneas. Salve" begann der Quintilier zaghaft. "Du stammst aus Bithynien?" Das war zwar mehr eine Feststellung denn eine Frage, doch irgendwie musste er ja anfangen.

    Brabbel, kicher, blubb, hallte es in Sermos Kopf wider. Natürlich würde Melina ihm Schande bereiten. Dessen war er sich so sicher wie der Fakt, dass am nächsten Tag die Sonne aufgehen würde. Er ertrug ihr Geplapper mit steinerner Miene und hob letztendlich die Augenbrauen, als er ihre abschließenden Worte vernahm. Sermo war kein Mensch für Sentimentalitäten. Er legte seiner Schwester den Arm um die Schulter und sah ihr einen Moment lang schweigend in die Augen. Dann seufzte er leise.
    "Melina...ich weiß nicht warum du damals weggelaufen bist." Pause. Sermos Blick blieb an einem Spatz hängen, der im Garten herumhüpfte. "Und um ehrlich zu sein ist es mir auch egal." Er sah sie wieder an. "Aber eins will ich dir sagen." Jetzt wurde sein Blick ganz ernst und der Griff um Melinas Schulter fester. Mit der freien Hand hob Sermo das Kinn seiner Schwester an und fixierte ihren Blick. "Du bist eine Quintilia. Du Tochter eines Offiziers, den du stolz machen wirst. Du wirst lernen, dich in der Gesellschaft ordentlich zu verhalten. Wie eine Dame!" Er betonte das letzte Wort besonders, da er wusste wie wenig Melina ihre weiblichen Züge mochte. "Ich will keine Ausreißergeschichten mehr hören, kein über-die-Stränge-schlagen, keine Peinlichkeiten. Du bist eine Quintilia und wirst die Familienehre achten und erhalten! Klar soweit?" Er lockerte den Griff um die Schulter und entließ ihr Kinn dem Einfluss seines Zeigefingers, doch sein Blick haftete noch immer in dem ihrigen. Dem Quintilier war diese Sache todernst. Er war seiner Gens vollkommen loyal und erwartete selbiges ebenso von seinen Geschwistern, Vettern, Basen, Onkels, Tanten, ja selbst von den Sklaven der Familie! Wer der Familie schande bereitete, war es eben nicht länger wert, den Namen der Quintilier zu führen. Im Fall seiner Schwester wollte er das natürlich umso mehr verhindern, denn er liebte Melina und hoffte, dass sie mit der Rückkehr in die Casa wieder zur Vernunft kommen würde. Mochten die Götter ihn erhören, dass sie der Schwester Beistand leisteten auf ihrem Weg zur Dame der römischen Gesellschaft!

    Der große Bruder labte sich an der Freude, die Melina ausstrahlte. Er hatte seine kleine Schwester ins Herz geschlossen und war unglaublich glücklich, dass er sie nun wieder hatte. Aber das würde er so deutlich natürlich nicht zeigen. "Du siehst wundervoll aus," lobte er schmunzelnd und nickte anerkennend. Immerhin war sie wieder sauber und man konnte ihre Schönheit erkennen. Dennoch war sie ein freches Gör und kannte offenbar keinerlei Benehmen. Sermo verdrehte die Augen und seufzte, als sie sich so stürmisch auf den Wein stürzte. "Tz tz tz, wo sind nur deine Manieren geblieben? Zauberhaftes Aussehen gleicht schlechtes Benehmen leider nicht aus, meine Liebe." Er nahm ihr die Kanne aus der Hand und stellte sie zurück auf den Tisch. "Setz dich zu mir, wir müssen reden." Er wies auf den Platz, der neben ihm auf der Bank noch frei geblieben war, und wartete mit unbewegter Miene. Er hatte einige Fragen und ebenso viele ernste Ansagen zu machen. Mit diesem Wildfang wollte und musste er jetzt sofort einige wichtige Dinge klarstellen, bevor sie sich zur sehr an ihre Umgebung gewöhnte und ihren eigenen Willen überwiegen ließe.

    Der Weinbecher in der Hand des jungen Quintiliers schwenkte leicht hin und her. Nachdenklich lauschte er den weiteren Worten des Vetters, der in seiner Position offenbar überdurchschnittlich viel Kontakt zur Oberschicht Roms genießen durfte. Sermos Augenbrauen wanderten gen Haaransatz. "Ich bin beeindruckt. Du weißt ja gut bescheid über die Verhältnisse. Jetzt habe ich einiges worüber ich mir Gedanken machen muss." Er schmunzelte und nahm einen Schluck Wein zu sich. "Nun, wie meine Entscheidung letzten Endes aussehen mag; Fest steht für mich, dass ich mich irgendwie beweisen muss, um für den Ordo Senatorius zugelassen zu werden. Und das ist nur durch Fleiß und Ehrgeiz zu erreichen. Ich werde die nötigen Kurse bestehen und mir eine Arbeit suchen. Vorzugsweise eine, wo ich nicht im Fahrwasser eines bejubelten Mannes mitschwimme, sondern bei der ich selbst Erfolge vorweisen kann. Die Frage ist: In Rom selbst? Oder würde ich auch eine Stelle in der Regionalverwaltung nehmen? Was würdest du mir raten?" Sermo wusste es wirklich nicht. Er würde wohl in den nächsten Tagen die Archive büffeln müssen und die verschiedenen Verwaltungen analysieren müssen, um einen geeigneten Posten zu finden.

    Quintilius Sermo hatte Diomedes damit beauftragt, den Garten für das gemeinsame Mahl vorzubereiten. Zu den Steinbänken, die ausgiebig mit Kissen gepolstert worden waren, hatte der Sklave noch einen Beistelltisch hinzugefügt. Die Vorspeise war bereits serviert worden, von der Sermo sich allerdings nur ein paar Oliven genommen hatte. Dazu hatte er erneut stark verdünnten Wein reichen lassen. Die Sonne war bereits auf ihrem Weg zum Horizont, die Vögel zwitscherten nur noch verhalten dem Sonnenschein entgegen und die Geräusche von der Straße drangen nur gedämpft bis hierher. Eine Zeit lang genoss er die Ruhe. Er ließ sich den Wein schmecken und wartete geduldig auf die junge Schönheit, die endlich wieder ihren Weg in die Fittiche der Gens gefunden hatte. Was für ein schöner Tag!

    "Ich meinte meinen Vater. Der war doch Tribun bei der zweiten." Sermo grinste verschmitzt. Dass Valerian kein Verwaltungsmensch war, konnte er sich bildlich vorstellen. Ein wild mit dem Gladius in einem Haufen Papyri herumstochernden Praetorianer musste unglaublich amüsant wirken. (:D)


    Der Bericht über die politische Situation war äußerst interessant. Sermo registrierte mit Genugtuung, dass sein Vetter die Lage offenbar gut im Blick hatte und als Praetorianer recht nahe am Geschehen war. Perfekt, so ging er nicht völlig blind auf das Schlachtfeld der Intriganten und Verschwörer. "Dass der Kaiser nicht mehr in Rom weilt habe ich wohl der Acta entnommen. Wichtiger sind für mich die Interessen und Eigenheiten der Mächtigen. Der Vescularius scheidet für mich schon einmal aus, ein unbeliebter Mann kann nicht lange bestehen, wenn er keine Rückendeckung genießt. Da klingen die Namen Aelius oder Prudentius schon viel süßer in meinen Ohren. Sie beide scheinen von Makeln unbehaftet zu sein und zudem hohes Ansehen genießen zu können. Oder vielleicht doch der Tiberius?" Sermo hatte laut zu denken begonnen. Während dessen wurde der Hauptgang serviert, der ebenso köstlich duftete und aussah wie die Vorspeisen.


    Der junge Quintilier nahm sich vom Hühnchen und knabberte daran, nachdem er es in eine der soßen gedippt hatte. "Mhh, fohrzüglisch! Diomedesch, dasch ischt gutesch Fleisch." Kauen, Schlucken, Nachspülen. So lernte man das als Kind bereits. Als der Mund wieder leer war, fuhr Sermo fort. "Ich denke, ich sollte mich mal bei diesem Prudentius Balbus vorstellen, was meinst du? War er nicht auch einst bei den Praetorianern? Ich meine seinen Namen einmal in der Acta erwähnt gesehen zu haben. Wobei Aelius Quarto als Consular und Bruder des Kaisers...hm, eine schwierige Wahl."

    Nach einiger Zeit kam Sermo wieder. Er klopfte kurz an, öffnete die Tür halb und steckte seinen Kopf herein. "Na, bist du endlich sauber? Hier, ich habe dir eine frische Tunika mitgebracht. Die ist zwar von mir und vermutlich zu groß, aber besser als dein Lappen da." Er lächelte gütig und zog sich dann auch schon wieder langsam in Richtung Flur zurück. "Ich erwarte dich unten im Garten. Dann gibt's auch was zwischen die Zähne, hast ja bestimmt Hunger." Damit musste sie sich zufrieden geben, denn er wollte nicht länger im Balneum stehen, während seine Schwester unbekleidet im Bad lag. So zog er die Tür wieder zu und ließ den Garten für die Cena vorbereiten.

    Melinas Bewunderungen des Bades ließ Sermo unkommentiert. Er schmunzelte über ihren Schmollmund, der sie dem ganzen Dreck und Schmodder in ihrem Gesicht zum Trotz zauberhaft aussehen ließ. Zum Thema Bart entgegnete er gerade besserwisserisch: "Das ist momentan so Mode..." als sie ihn ins Becken stieß. "WOOAAHHAAA!" Er ruderte wild mit den Armen und versuchte das Gleichgewicht zu halten, was ihm in dem Wasserbecken noch gerade eben gelang. Er kam rutschend und breitbeinig stehen und musste sich mit den Händen im Wasser abfangen, um nicht nach hinten über zu kippen, während ein ungehöriger Fluch über seine Lippen kam. Mit nasser Tunika kam er wieder in aufrechten Stand und strafte seine Schwester mit einem bitterbösen Blick. "Herzlichen Glückwunsch du Furie. Ich verschwinde jetzt. Wenn ich wiederkomme bist du gewaschen und gekämmt." Er stakste an ihr vorbei, jedoch nicht ohne ihr neckend in die Seite zu pieksen. "Dreckspatz!" spottete er noch über die Schulter und schloss dann schnell die Tür in berechtigter Angst vor Wurfgeschossen.

    "Familientradition, ja. Ich tanze allerdings aus der Reihe." Allerdings hatte Sermo sich einiges vorgenommen. Aber er hatte keine Ahnung wie die Lage in Rom war und wer als Patron zur Verfügung stand. "Einen Patron habe ich noch nicht. Allerdings habe ich keinerlei Vorstellungen, was für Möglichkeiten sich mir momentan bieten. Wie steht es denn um die Politik in der ewigen Stadt?" In Erwartung einer ausführlicheren Antwort - denn die politische Lage ließ sich sicherlich nicht in zwei Sätzen beschreiben - griff er nun auch zum Brot und aß dieses mit der Soße. Der Wein ergänzte die Vorspeise, die allerdings langsam zur Neige ging. Bald würde der Hauptgang folgen, der mittlerweile wohl auch fertig sein müsste.

    Das Leben war nicht einfach für sie? Das hatte Sermo sich auch denken können. Einfach so wegzulaufen, allein durch die Welt zu rennen. Welche ein Wahnsinn! "Das glaube gern..." murrte er daher nur und erwiderte auf ihre zweifelbehafteten Fragen nur ernst: "Schht! Davon später." Sermo freute sich zu sehr, seine verloren geglaubte Schwester wieder zu haben, als dass er sich jetzt ihr wirres Gerede über ihre Entscheidungen und Taten der Vergangenheit anhören wollte. Das konnte er später auch noch lange genug und würde es auch müssen. Doch für ernste Worte war noch Zeit genug und so schwiegen sie auf dem weiteren kurzen Weg zum Balneum.

    "Hier ist es," meinte Sermo schlicht, als er sein Schwesterchen ins Balneum geführt hatte. "Diomedes, ihn hast du ja schon kennen gelernt, heizt schon einmal das Wasser an." Er schloss die Tür und ging zum Becken, wo er eine Klappe in der Wand öffnete, durch die sofort ein Wasserstrahl herausschoss. Ein kleiner Wasserfall füllte also langsam das Becken, während Sermo sich wieder seiner Schwester zuwandte und auf die verschiedenen Utensilien wies, die in einem Regal an der Seite standen. "So, hier findest du alle nötigen Reinigungsmittel. Olivenöl, Toilettenbesteck, sogar germanische Seife." Er warf einen abwertenden Blick auf Melinas Äußeres und fügte scherzend hinzu: "Deinem Aussehen nach zu urteilen ist dir aber wohl seit langem entfallen, wie man diese Utensilien zu benutzen hat." Fies lachend machte er sich bereits auf Schläge seiner zierlichen Schwester gefasst.

    Natürlich mochte sie keine Küsse. Was hatte Sermo sich nur dabei gedacht? Er wollte gerade schon die Augen verdrehen, da entschuldigte Melina sich für ihr verhunztes Erscheinen. Bei Iuno, jetzt fing sie auch noch an zu weinen! Sermo war von so vielen Emotionen völlig überrumpelt und blickte hilflos zu Diomedes, der jedoch ebenso hilflos die Achseln zuckte. Der Quintilier hielt seine Schwester also fest im Arm und versuchte zu trösten. "Ist ja schon gut, ich bin ja bei dir. Ich versprech's...du wirst nicht mehr allein sein." Es dauerte noch seine Zeit, dann waren die Tränen endlich verronnen und Sermo konnte das Mädchen, das er so vermisst hatte, wieder aus seiner Umarmung entlassen. Er versuchte die Situation etwas aufzulockern.
    "Bei den Göttern, du siehst wahrlich aus wie ein dreckiger Straßenköter. Los, geh dich erst einmal waschen!" Er grinste schief und legte einen Arm um Melinas Schulter, um sie zum Balneum zu führen. "Diomedes, ein warmes Bad. Pronto!" polterte er frohgemuts und stakste dann mit dem Schmutzfink im Arm durch die Casa. Später würde der Sklave dann auch noch den Boden wischen müssen, doch das bemerkte Sermo nicht.

    "Ist mir eine Ehre. Die Casa bietet hungrigen Quintiliern schon immer Obdach," lachte Sermo und biss ebenfalls in ein Ei mit der würzigen Soße, während sein Vetter zu berichten begann. Als der geendet hatte, war es an Sermo sein Vorankommen zu erläutern. "Nun gut, dann mal zu mir. Was gibt es zu berichten? Meine Jahre in Griechenland waren lehrreich, ich habe viele Erfahrungen gemacht, die mich weitergebracht haben. Ebenso erging es meinen Brüdern. Wir haben mittlerweile allesamt Achaia verlassen. Ich weiß inwieweit du im Bilde bist, deshalb will ich dir unser dreier Weg aufzeigen. Lupercus, unser Ältester, ist zur Legio I Traiana gegangen. Ich habe ihm geschrieben, doch bisher keine Antwort erhalten. Keine Ahnung wie er sich dort macht. Und Valentinus ist ebenfalls bei der Legion, allerdings nicht in Italia. Er ist nach Aegyptus gegangen, ins sandige Nikopolis. Ihm werde ich im Laufe der nächsten Tage ebenfalls Nachricht schicken." Er machte eine Pause, um seinen Gaumen mit Wein zu befeuchten und kam dann auf sich selbst zu sprechen. "Ich hingegen bin hier, wie du siehst. Die Reise war erträglich, mein Schiff hat keinerlei Unglück erlitten und meine Gesellschaft war...nunja unterhaltsam. Ansonsten geht es mir gut, danke der Nachfrage. Ich bin körperlich und geistig wohlgeformt und hoch ambitioniert aus Achaia zurückgekehrt und möchte nun mein Wissen einsetzen, um etwas daraus zu machen. Am liebste in der Politik." Damit hatte er vorerst genug erzählt und tat sich an einem weiteren gefüllten Weinblatt gütlich, das er genüsslich zerkaute.

    Und der kam auch bald in Begleitung des Sklaven zurück. Er hatte gerade die verschiedenen leerstehenden Cubicula zeigen lassen um sich, denn momentan lebten nur er und Valerian in der Casa. Als Diomedes von der Ankunft seiner vermeintlichen Schwester berichtete, war er sofort ins Atrium gestürmt. Er hatte Melina schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen, seit er nach Athen aufgebrochen war. Und dann stand sie da wirklich vor ihm. Unglaublich wie groß wie geworden war! Trotz der schlabberigen Tunika erkannte man doch ihre Weiblichkeit. Sermo war absolut nicht überrascht, dass seine Schwester völlig abgewrackt aussah und vermutlich auch völlig mittellos war, denn so kannte er sie. Ungehörig, frech, starrsinnig, von schlechtem Benehmen. Ihrer beider Eltern müssten sich ihrer schämen, wären sie noch unter den Lebenden.


    Einen Augenblick lang stand er wie erstarrt da und musterte das Mädchen, das er noch als kleine Nervensäge in Erinnerung hatte. "Ja, das ist sie," meinte er dann zu Diomedes, der an seiner Seite geblieben war. "Melina..." Er tat einen Schritt vorwärts und breitete die Arme aus, um die kleine Schwester in Empfang zu nehmen. "Willkommen zurück." Mehr brachte er nicht heraus, denn ein Kloß hatte sich seines Halses bemächtigt und verhinderte jedwede weitere Rede. Er schloß die schmuddelige Quintilia in seine Arme und drückte ihr einen Kuss aufs fettige Haar.

    "Allerdings, ich habe einiges vor. Aber setz dich doch erst einmal, bist ja gerade erst angekommen. Mach's dir gemütlich." Dass er seinem Vetter - dem Hausherrn der Casa Quintilia - einen Platz anbot und ihn hier willkommen hieß, ließ Sermo schmunzeln. Im Grunde genommen war es ja immer noch ihrer aller Casa, womit er seine Geschwister und die ganzen anderen entfernten Vettern, Cousinen, Onkel und Tanten meinte. Denn hier war der Mittelpunkt, nicht nur weil Roma bekanntlich der Mittelpunkt der Welt war, sondern auch als Ankterpunkt für seine Gens.


    Valerian hatte sich der Rüstung entledigt und sich zu ihm gesetzt. Sermo hatte sich auf seine Cline zurückbegeben und erwiderte erheitert: "Oh ja, Diomedes ist ein ausgezeichneter Koch! Diese gefüllten Weinblätter sind köstlich, ganz zu schweigen von der Soße für die Eier. Ich bin gespannt auf den Hauptgang, wenn der genauso gut wird...Junge ich freue mich wieder hier zu sein." Er grinste wieder breit und bediente sich wieder an den Oliven, die er so liebte. "Also, erzähl mir von deinem Werdegang. Ich weiß aus deinem letzten Brief nur noch, dass du aus Germania hergekommen warst und den Praetorianern beigetreten bist. Wie geht es meinen Cousinen in...Mo...Mogotiace?" Unsicher und verärgert über seine eigene Unwissenheit runzelte er die Stirn und trank einen Schluck Wein. "Und wie ergeht es dir bei den Leibwächtern unseres glorreichen Imperators?"