Beiträge von Iunia Serrana

    Noch vor Einbruch des Winters....das machte natürlich Sinn, trotzdem zog es Serrana bei diesen Worten leicht den Magen zusammen. Der Sommer war fast unmerklich in den Herbst übergegangen, und allzuviel Zeit würde nicht mehr bleiben. Und wenn Sedulus tatsächlich bald aufbrach, wann würde er dann zurückkommen? Mitten im Winter sicher nicht, also vermutlich erst im nächsten Frühjahr, und das erschien Serrana in diesem Moment noch unendlich weit weg. Sie war derart damit beschäftigt, in ihrem Kopf mögliche Zeitspannen durchzugehen, dass sie die Frage ihres Mannes zunächst erst gar nicht richtig mitbekam und ihn dann, als deren Bedeutung schließlich doch zu ihr durchdrang, überrascht ansah. "Mitkommen...wir? Oh...." Im ersten Moment war da nichts als freudige Aufregung, weil Sedulus ihr wider Erwarten anbot ihn zu begleiten, weil das bedeutete, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben Italia verlassen würde, weil eine solche Reise eine unglaublich seltene Gelegenheit war, aus dem täglichen Einerlei herauszukommen und neue Länder und Menschen kennenzulernen. Und dann, nach und nach, sickerten langsam andere Empfindungen und Gedanken in ihr Bewusstsein. Obwohl sie ihre Tochter nun schon eine ganze Weile auf dem Arm trug, spürte Serrana deren Haut plötzlich viel deutlicher auf ihrer eigenen, ebenso wie das Gewicht des kleinen Körpers auf ihrer Hüfte und bemerkte auf einmal, wie sich der Stoff ihrer eigenen Tunika ganz leicht im Rhytmus von Vinas regelmäßigem Atem bewegte. Dann ging ihr Blick hinüber zu Victorius, der mit so offensichtlicher Begeisterung die Aufmerksamkeit seines Vaters genoss, und schon war nichts mehr so einfach und klar, wie es noch vor wenigen Augenblicken ausgesehen hatte.


    "Quintus, das wäre wundervoll, du weißt ja, wie gern ich immer schon eine andere Provinz kennenlernen wollte. Aber ich glaube, die Kinder sind noch zu klein für so eine lange Reise. Valerian hat ja auch gesagt, dass er Rufus das nicht zugemutet hätte, wenn es nicht hätte sein müssen." Und diese Reise, zumindest was Serrana und die Kinder betraf, musste nicht sein, es war Sedulus, der in Germanien Dinge zu erledigen hatte, nicht sie. "Wenn einer von den beiden unterwegs krank würde, oder sonst irgendwas passieren würde, und das nur, weil ich unbedingt verreisen will, dann könnte ich mir das nie verzeihen." Von dem begeisterten Überschwang der ersten Sekunden war jetzt nicht mehr allzuviel übrig, und Serrana sah ihren Mann geknickt an. Es war ein schönes Gefühl gewesen, diesen Traum unerwartet erfüllt zu bekommen, aber Serrana wurde dennoch klar, wie sehr sich die Prioritäten in ihrem Leben in den Monaten, seit die Zwillinge auf der Welt waren, verschoben hatten. Vielleicht war das ja ein Zeichen, dass sie doch allmählich etwas erwachsener wurde...

    "Oh, das mache ich doch gern, wenn es zu deiner Orientierung beiträgt. Der Name meines Mannes lautet ....Quintus....Germanicus....Sedulus." antwortete Serrana spitz und jede einzelne Silbe deutlich betonend, während sie unter Wasser die Hände zu Fäusten ballte. Die Art von Wut, die sich gerade in ihrem Innern ansammelte, überraschte sie selbst vermutlich genauso sehr wie ihre Freundinnen und war ihr im Grunde fremd. Die Versuchung es sich leicht machen, und ihren Ärger einzig der moralischen Entrüstung und Missbilligung angesichts des so freimütig zur Schau gestellten Lebenswandels der Helvetia zuzuschreiben war groß, aber auch wenn Serrana sich alle Mühe gab, das zu verdrängen, so wusste sie im Grunde doch, dass das nicht der einzige Grund war. Die Helvetia verkörperte all das, was Serrana nicht war oder zumindest glaubte nicht zu sein. Sie war schön, schlagfertig und selbstbewusst und scherte sich ganz unverholen nicht im mindesten um die Meinung anderer. Und als wäre das nicht schon genug, legte sie auch noch eine deutliche Missachtung der Institution Ehe an den Tag, aus der Serrana wiederum einen großen Teil ihrer Sicherheit und Selbstbestätigung zog. Und jetzt saß diese da und wünschte sich plötzlich, Adula hätte die Amme in diesem vermaledeiten Wäschetrog ertränkt und ihrer Herrin damit jede Möglichkeit genommen noch pünktlich in den Thermen zu erscheinen. Serranas Verstand sagte ihr, dass es keinen Grund für die irrationialen Ängste gab, die gerade in ihr aufstiegen, aber dadurch verschwanden diese noch lange nicht. An der Aufrichtigkeit von Sedulus' Gefühlen für sie hegte sie keine Zweifel, aber hieß das auch, dass er mit ihr "zufrieden" war? Dass er kein über sie hinausgehendes Bedürfnis nach etwas oder jemand anderem hatte? Serrana wusste es nicht, wusste auch nicht, ob sie das überhaupt wissen wollte, und so beschränkte sie sich darauf, wie ein in Not geratener Igel die Stacheln gegen die vermeintliche Bedrohung aufzustellen. "Ach tatsächlich? Wie schön für dich." reagierte sie schließlich auf Phoebes letzte Bemerkung, die Frage, die ihr die meisten Magenschmerzen bereitete, geflissentlich ignorierend. "Dann können wir dieses Thema ja vielleicht als geklärt abschließen und uns wieder auf unser Bad konzentrieren. Dafür bin zumindest ich nämlich hergekommen."

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    Pedania Iunor



    Es war einer dieser Tage, an denen eine seltsame Ruhe über den Tempeln lag. Natürlich waren auch heute Gläubige gekommen, um der Göttin der Liebe und Schönheit huldigen und sie um ihre Hilfe zu bitten, doch während es so manches Mal zuging wie im Taubenschlag und das Heiligtum von unglücklich oder aber auch glücklich Verliebten nahezu überschwemmt wurde, waren heute nur ein paar gekommen. Ein Grund vermutlich, warum Pedania Iunor direkt auf die Frau aufmerksam wurde, die, begleitet von einer vollbepackten Sklavin, den Tempel gerade betreten hatte. Sie war offensichtlich noch sehr jung, ein nicht ungewohnter Anblick im Tempel der Venus, und ebenso offensichtlich sehr wohlhabend, so dass die alte Priesterin beschloss sich persönlich um ihr Anliegen zu kümmern. Liebeskummer vermutlich, denn trotz der über den Kopf gezogenen Palla war nicht zu übersehen wie hübsch die junge Frau war. Im Grunde war ihr das auch einerlei, die alte Priesterin stellte ihr Leben auch nach alll den Jahrzehnten treuer Dienste mit Inbrunst in den Dienst der Götter, und gutbetuchte Gönner waren jedem Tempel jederzeit willkommen.


    "Salve, bist du hergekommen, um der Göttin ein Opfer darzubringen?" fragte sie daher freundlich, von der gestrengen Art, mit der Pedania Iunor normalerweise ihre Discipuli unterrichtete, war nichts zu hören.

    Noch bevor Sedulus mit seiner Antwort fertig war, ahnte Serrana bereits worauf diese hinauslaufen würde und wünschte sich, dieses Thema gar nicht erst angeschnitten zu haben.
    Er wollte nach Germanien, schon vor Monaten, kurz nach ihrer Rückkehr aus Mantua hatte Sedulus bereits einmal die Sprache darauf gebracht, dann jedoch nie wieder darauf zu sprechen gekommen. Und Serrana war das mehr als recht gewesen, auch wenn sie sich durchaus der Tatsache bewusst war, das viele Römer mit auswärtigem Landbesitz diesen von Zeit zu Zeit aufsuchten um nach dem Rechten zu sehen. Sie wusste es, aber das Wissen half nicht das geringste gegen die Angst auf unbestimmte Zeit allein gelassen zu werden.
    Natürlich war diese Angst unbegründet angesichts eines großen Hauses voller Familienmitglieder und Bediensteter, aber sie war nichtsdestotrotz da, und Serrana biss sich instinktiv auf die Lippe, um nicht erneut so kindisch und unreif zu reagieren wie damals bei der Familiencena, als Sedulus zum ersten Mal von dieser Reise nach Germanien gesprochen hatte.


    "Nach Germanien...und....und wann würde das sein?" fragte sie mit einer Stimme, die sich all ihrer Bemühungen um einen ruhigen und entspannten Tonfall ein wenig krächzend anhörte.

    "Nun, ich nehme an, dass er genau deshalb noch einmal geheiratet hat, um leibliche Kinder zu zeugen, meine ich. Der einzige Sohn des Pontifex ist schließlich nur adoptiert und..." Serranas Tonfall senkte sich erneut, diesmal allerdings weil ihr das aktuelle Thema des Gesprächs so anrüchig erschien und nicht abgründig und gefährlich wie das vor wenigen Minuten. "man munkelt ja, dass seine erste Frau schwanger war, als sie ihn verlassen hat, aber nicht von ihm sondern von einem Liebhaber, stell dir das doch nur mal vor. Allein deshalb müsste man ihm schon wünschen, dass es mit dem leiblichen Erben noch klappt, jetzt muss die Aurelia nur noch dafür sorgen, dass....sein Docht am brennen bleibt, wie Großmutter es so schön beschrieben hat." Serrana, deren ohnehin nicht allzu ausgeprägter Phantasie es nicht eben leichtfiel, sich den gestrengen Tiberius bei der Ausübung seiner ehelichen Pflichten vorzustellen, begann zu kichern.

    Ein Blutvergießen....Serrana kicherte unwillkürlich bei dieser Übertreibung musste allerdings zugeben, dass sie keine Ahnung hatte, wie lange Adula die ständigen Zickereien und Verbalattacken von Seiten der Amme mit noch halbwegs gemäßigten Reaktionen beantworten würde. Und auch wenn die Amme bei den Kindern bislang gute Arbeit geleistet hatte, so würde Serrana sie doch niemals ansatzweise so wertschätzen können wie ihre hühnenhafte Leibsklavin, die von ihrem ersten Tag in Rom an immer verlässlich an ihrer Seite gewesen war.
    Einen Augenblick später standen die beiden Eheleute mit jeweils einem ihrer Kinder auf dem Arm beieinander, einer dieser eigentlich vollkommen unspektakulären Momente, die Serrana jedoch immer sehr zu schätzen wusste, weil er die Geborgenheit und das Zusammengehörigkeitsgefühl widerspiegelte, die sie in Gegenwart ihres Mannes und der Zwillinge von Anfang an immer gespürt und die ihr nach dem frühen Tod ihrer Mutter über viele Jahre gefehlt hatte. Fehlte nur noch Sabina, aber die war mittlerweile in einem Alter, in dem es einen eher von den Eltern und Geschwistern weg- als zu ihnen hinzog.


    "Eine Hochzeitsreise...." sagte sie dann und ihr Blick verlor sich ein wenig, als imaginäre Reiseziele vor ihrem inneren Auge auftauchten. "So etwas haben wir beide nie gemacht, dabei wäre ich so gern mal mit dir irgendwo hingefahren. Ich weiß ja, dass wir in Mantua waren, aber da war ich schon so furchtbar dick und konnte mich kaum noch bewegen..."

    "Ich werde Hirpina morgen zu Ursus' Villa schicken lassen, fragt sich nur, wie ich das Septima erkläre, ohne dass es undankbar erscheint." überlegte Serrana laut, und bückte sich dann, um ihre Tochter erneut auf ihre Hüfte zu setzen, denn Vina hatte bereits das eine oder andere Mal an der Tunika ihrer Mutter gezupft, diesmal erstaunlicherweise sogar ganz still und friedlich. Die diversen Kreiselrunden hatten sie offenbar erschöpft, denn kaum auf dem begehrten Platz angekommen, fielen der kleinen Germanica die Augen zu und ihre Arme sanken schlaff nach unten. Nachdem sie ihre Tochter sicherheitshalber ein wenig fester umfasst hatte, konzentrierte Serrana sich wieder voll auf ihren Mann und dessen Erzählung, denn dieser Teil der Geschichte seiner Familie war ihr noch vollkommen unbekannt. "Inspektionsreise? Was haben sie denn inspiziert? Und waren die beiden damals schon ein Paar? Dann müssen sie ja schon sehr lang zusammen sein..."

    "Nun, ich würde schon wollen, aber ich kann mir ja auch genauso gut ein richtiges Theaterstück ansehen." gab Serrana zu und sah dann zu dem Jungen hinüber, der seine Waren im Publikum feil bot, bevor sie nickte. "Oja, gern. Ein paar Nüsse hätte ich gern, falls er sowas hat." Als Sedulus auf den Praefectus Urbi zu sprechen kam, beugte sich Serrana unwillkürlich ein wenig vor um diesen besser sehen zu können und runzelte die Stirn. "Ein bisschen ist gut. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man annehmen, der Kaiser persönlich wäre heute hier anwesend. Aber lass uns lieber von etwas anderem sprechen, wann geht es denn nun endlich los mit den Kämpfen?" Nicht, dass Serrana eine überdurchschnittlich begeisterte Gladiatorenanhängerin gewesen wäre, trotzdem schienen ihr diese zur Zeit allemal ein angenehmeres und vor allem unverfänglicheres Gesprächsthema als der amtierende Stadtpräfekt.

    "Na hör mal, wie sprichst du denn mit mir, hat dir das etwa auch dieser Cimon beigebracht? Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, nach allem was du bisher über ihn erzählt hast, scheint er ein sehr gut erzogener Sklave zu sein." fuhr Serrana ärgerlich auf und musterte Marei mit strengem Blick, oder besser gesagt, mit der Art Blick, den sie für streng hielt. Marei hatte vermutlich Glück, mit dieser Gedankenlosigkeit an die sanftmütige Serrana geraten zu sein, bei deren Großmutter hätte diese Reaktion sicherlich schmerzhafte Konsequenzen nach sich gezogen. "Ich hab nicht gesagt, dass die Steine Schmuck ersetzen können, sondern dass sie eine Art Trostpreis sind, bis Vina alt genug ist, um den Wert von Schmuck wirklich schätzen und pfleglich damit umgehen zu können." erklärte sie dann noch ein wenig brummig, war jedoch wider Willen schon halbwegs versöhnt, als die kleine Sklavin ihr freudestrahlend den Blumenstrauß entgegen streckte. "Der ist wirklich schön geworden, Marei, ich bin sicher, meiner Tochter wird er auch gefallen."


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    Der kleine Germanicus war derweil viel zu sehr in seinem neuen Spiel gefangen, um irgendetwas von dem Gespräch zwischen Marei und seiner Mutter mitzubekommen.
    "Ja, no mall, Vic weit"! rief er beglückt von den neuen Erfolgserlebnissen und ließ sich anstandslos von Marei an der Hand führen, obwohl er mittlerweile auch ganz gern allein lief. Auf die Weise konnte man sich nämlich wesentlich leichter selbstständig und aus dem Staub machen, und wenn alle Stricke rissen, dann wurde halt ein Weilchen gekrabbelt. Jetzt gerade aber war es viel zu spannend, als dass Victorius hätte ausbüxen wollen, stattdessen sprang er dem anfliegenden Ball entgegen und warf diesen dann mit einem Juchzer zu seiner neuen Spielgefährtin zurück. "Marei prima!"

    "Mir wäre heute eine Geschichte mit einem guten Ende irgendwie lieber gewesen, aber das würde vermutlich nicht hierher passen." antwortete Serrana, nachdem die Theatergruppe mit ihrer Aufführung zum Ende gekommen war und kontrollierte, nachdem sie neben ihrem Mann auf der Zuschauertribüne Platz genommen hatte, den Sitz ihres Kleides. Nachdem sie bereits einige Tage über eine passende Garderobe nachgedacht hatte, war die Entscheidung schließlich zugunsten des zartrosa Kleides gefallen, das sie getragen hatte als Sedulus und sie sich auf den damaligen Ludi Romani nach dem denkwürdigen Zusammenstoß mit dem wildgewordenen Bären zum ersten Mal begegnet waren. Da Serranas Körper durch die Schwangerschaft inzwischen ein klein wenig fraulicher geworden war, hatte eine Sklavin die Nähte entsprechend angepassen müssen, Palla, Schmuck und selbst die Frisur mit den ins Haar geflochtenen Bändern waren jedoch fast genauso wie seinerzeit.


    Auch sie hatte eine Weile auf den benachbarten Rängen umgesehen, folgte dann jedoch dem Blick ihres Mannes, als sie dessen leisen Seufzer hörte.


    "Was ist denn? Oh..." Der Stadtpräfekt mit seinem goldenem Lorbeerkranz und all den Liktoren stieß vermutlich jedem sofort ins Auge, und Serrana dachte mit einigem Unbehagen an das Gespräch zurück, das Calvena und sie vor einiger Zeit im Garten der Casa Germanica geführt hatten. Noch hatte sich in dieser Hinsicht nichts wirklich konkretes getan, und wenn es nach Serrana ging, dann konnte das auch gern noch eine ganze Weile so bleiben, auch wenn Salinators Auftritt hier und heute auch ihr sauer aufstieß und diesem vermutlich gerade noch ein paar neue Gegner einbrachte.

    Serrana, die immer noch auf die Tür sah, durch welche die meist missgestimmte Hirpina entschwunden war, seufzte leise. "Ja, ich denke du hast Recht. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass Septima sie wieder zurück haben will, aber um des lieben Hausfriedens willen sollten wir uns von Hirpina trennen." Ein zweiter Seufzer. "Bleibt nur zu hoffen, dass wir schnell eine andere Sklavin finden, die sich gut mit Kindern auskennt und nicht gleich mit jedem anderen Sklaven in Streit gerät..." Der dritte Seufzer war kaum hörbar und rutschte Serrana aus Erleichterung heraus, weil Sedulus ihrer Leibsklavin deren kleinen Ausrutscher offenbar genauso wenig übel nahm wie sie selbst. Kurz darauf waren die Querelen innerhalb der Dienerschaft jedoch wieder ganz nach hinten gerückt. "In Africa warst du auch? Und warum war dein Onkel dort? Habt ihr euch dort zufällig getroffen?" Eine Menge Fragen auf einmal, und Serrana stellte nicht zum ersten Mal fest, dass sie nach wie vor eine ganze Menge über ihren Mann und dessen Vergangenheit noch nicht wusste.

    Serrana folgte Sedulus Blick und nickte dann. "Ja, sowas in der Art. Hirpina stammt von Septimas Landgut, und sie hat sie mir günstig überlassen, als es mit der Geburt plötzlich so schnell ging und dann auch gleich zwei Kinder zu versorgen waren. Vielleicht sollten wir sie besser zurückschicken, Adula gerät regelmäßig mit ihr aneinander, vor ein paar Tagen hat sie Hirpina in einen Wäschetrog geworfen, stell dir nur mal vor..." Der letzte Satz war Serrana ohne nachzudenken über die Lippen gerutscht, und jetzt wünschte sie sich, sie hätte ihn sich verkneifen können. Sie selbst war nach einer Standpauke zur Tagesordnung übergegangen, was wenn ihr Mann nun darauf bestand, dass Adula für diese Handgreiflichkeit bestraft wurde, auch wenn sich diese nur gegen eine andere Sklavin gerichtet hatte? Gut dass Sedulus gerade ein anderes Thema ansprach, vielleicht reichte das ja, um von dem vergangenen Hausdrama abzulenken.


    "Oh, Achaia, wie wunderbar, da möchte ich auch gern einmal hin." schwärmte sie aufrichtig aber ohne viel Hoffnung, denn römische Ehefrauen mit umfassendem Haushalt waren normalerweise nicht allzu reiseaktiv. "Erzähl doch mal, Quintus, wo bist du damals überall gewesen? Und wie lange ist das schon her?"

    Hirpina schnappte auf die Bemerkung ihres Herrn hinsichtlich ihres Namens hörbar nach Luft. Ein paar mal öffnete und schloss sich ihr Mund wieder, unschlüssig, ob er der Empörung seiner Besitzerin Ausdruck verleihen oder sich lieber daran erinnern sollte, wem sie gerade gegenüberstand und was dieser jederzeit tun konnte, wenn er sich über sie, seine Sklavin, ärgerte. Ein paar Schnapper waren noch zu hören, dann setzte sich der gesunde Selbsterhaltungstrieb des Kindermädchens durch und sie verließ mit einem ziemlich verschnupften "Natürlich, Domina" das Cubiculum, um im Balneum alles Notwendige vorzubereiten.


    "Meine Güte, ist das eine Ziege, wie sind wir nur an diese Amme geraten..." brachte Serrana mit einer Mischung aus Verwunderung, Amüsement und Ärger hervor, während ihr Mann sie wieder vom Boden hochzog, und zupfte den durch den Aufenthalt auf dem Fußboden etwas ramponierten Faltenwurf ihres Kleides wieder zurecht.


    "Was denn so, mal mit Ausnahme von mir?" Hinter dieser Frage steckte durchaus aufrichtige Neugier, schließlich hatte Sedulus, nach allem, was er Serrana bislang erzählt hatte, nicht gerade die typische Jugend eines Römers mit gutem Namen und wohlhabender Familie verlebt.

    "Ich kann mir gut vorstellen, dass deine Steinchen Sabina gefallen. Das klingt nach einem schönen Spiel für Mädchen, allerdings für solche, die schon ein bisschen größer sind als meine Kleine da oben." Serrana warf einen Blick hinauf und lächelte. "Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass Vina sie auch jetzt schon sehr mögen würde. Sie hat eine Schwäche für alles was bunt ist und glitzert, vermutlich wird man ihr später mit Schmuck viel Freude machen können. Und was die Blumen angeht..." Die einzelnen Beete mit ihren Sträuchern, Pflanzen und Blumen um sie herum waren offensichtlich mit viel Feingefühl und Sorgfalt angelegt worden, von Sedulus' Onkel, wenn Serrana sich recht erinnerte.
    "Senator Avarus hat ein besonderes Auge auf diesen Garten, daher solltest du vielleicht nur von den Blumen nehmen, die am Rand der Beete wachsen. Dagegen wird er sicher nichts einzuwenden haben, und du wirst sicher ein paar schöne Blüten zusammmenbekommen."
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    Victorius' Laune war in der Zwischenzeit wieder beträchtlich gestiegen, was wohl in erster Linie an Mareis anschaulicher Nachhilfearbeit lag. Wie weit der Ball nun plöztlich auch flog, wenn er ihn selbst warf...
    "Ball....gut!" jauchzte er beglückt und hüpfte ein paarmal auf der Stelle auf und ab, bevor er an der Hand des Mädchens hinüber zu dem neuentdeckten Spielzeug eilte, um sich dann direkt erneut in Positur zu stellen. Wenn es nach ihm ging, dann konnte dieses Spiel noch stundenlang so weitergehen, was für ein Glück, dass er in die Bibliotheca gekrabbelt war! "No mall!"

    Die beiden kleinsten Germanici jauchzten gerade um die Wette, als ihre gemeinsame Amme das Cubiculum betrat und mit einem fassungslosen Blick auf den sich um die eigene Achse drehenden Senator stehenblieb. "Bei den Göttern, Dominus,was machst du denn da? Wenn bei den beiden das Essen nun wieder hochkommt, bei Domina Laevina passiert das häufiger...Und es dauert ohnehin immer so lange sie zu füttern..." Sie postierte sich mit grimmigem Blick vor Sedulus und stemmte die Arme in die Hüften, während Serrana mit Mühe ein Lachen unterdrückte. "Lass gut sein, Hirpina, und bereite lieber das Bad für die Zwillinge vor, ich glaube, sie haben es beide nötig." Ein letzter kleiner Stein vervollständigte die Wehrmauer zwischen den beiden Türmen, dann streckte Serrana ihre Hand nach ihrem Gatten aus. "Hilfst du mir bitte hoch, Quintus, wenn du die beiden Kleinen abgesetzt hast? Falls dir die Armen von der ganze Schlepperei nicht vollkommen lahm geworden sind...."

    "Eine Umstellung? Oh ja, das war es allerdings, und manchmal ist es das heute noch, wenn ich ehrlich bin." nickte Serrana und dachte mit einer Mischung aus Belustigung und Unbehagen an all die unbekannten Situationen zurück, die sie in den Wochen und Monaten nach ihrer Ankunft in Rom häufig genug in Schrecken versetzt hatten, und es ab und zu sogar heute noch taten. Dass Daphne in diesem Zusammenhang das Schicksal bemühte, gefiel deren neuer Herrin ausserordentlich, denn Serrana war immer schon ziemlich abergläubisch gewesen, auch wenn sie selbst das selbstverständlich niemals so sehen würde.
    Sie ertappte sich dabei, dass sie die Vergangenheit der jungen Frau ihr gegenüber zunehmend interessierte, und das um einiges mehr, als es normalerweise, vielleicht mit Ausnahme von Adula, jemals der Fall gewesen war.


    "Wer war er denn?" rutschte ihr die nächste Frage heraus, bevor sie sich hätte verkneifen können. "Und was ist aus ihm geworden? Wurde er auch verkauft, oder ist er bei deinem früheren Herrn geblieben?" Die Möglichkeit, dass Daphnes ehemaliger "Schwarm" eventuell gar kein Sklave wie selbst gewesen sein könnte, kam Serrana nicht mal ansatzweise in den Sinn.

    "Ich weiß, dass die meisten Männer nicht treu sind, aber darum geht es auch gar nicht." entgegnete Serrana auf die Bemerkung ihrer Freundin und zog einen Flunsch. "Männer mögen sein, wie sie wollen, aber mir hat man beigebracht, Octavia, der Schwester des göttlichen Augustus, nachzueifern und nicht jemandem wie...wie Messalina zum Beispiel. Schließlich sind wir nicht nur uns selbst und unseren Vorlieben verantwortlich, sondern auch unseren Familien, das seht ihr doch wohl hoffentlich alle genauso." Normalerweise war Serrana derart konfliktscheu und harmoniebedürftig, dass sie sich, zumal bei einer fast Fremden, niemals aus eigenem Antrieb auf Konfrontationskurs begeben hätte, aber die Äusserungen der Helvetia kitzelten unweigerlich den unbeirrbaren Moralapostel aus ihr heraus.


    "Aber wenn es dir solchen Spaß macht, dich mit verheirateten Männern zusammenzutun, Helvetia, dann bitte schön, du wirst schon wissen, was du tust." Serrana richtete sich ein wenig im Wasser auf und reckte ihr Kinn angriffslustig in die Höhe. "Ich wäre dir allerdings sehr verbunden, wenn du meinen Mann aus deinen Überlegungen heraushalten könntest, in dieser Hinsicht bin ich, im Gegensatz du dir, nämlich alles andere als offen, auch wenn das in euer aller Ohren furchtbar spießig klingen mag." Derart groß war die moralische Empörung in diesem Moment, dass die von Prisca angeleierte Richtungsänderung des Gesprächs vorerst völlig an ihr vorbeiging.