Beiträge von Iunia Serrana

    "Du musst auch nicht auf mich verzichten. So schnell wirst du mich nicht los." antwortete Serrana lächelnd und sah Calvena überrascht hinterher, als diese plötzlich in den Nebenraum lief um dann mit zwei Kleidern auf dem Arm zurückzukehren. War sie tatsächlich größer als ihre Freundin? Das war Serrana irgendwie noch gar nicht aufgefallen. Ihre leichte Verwirrung verwandelte sich jedoch recht schnell in Bestürzung, als Calvena weitersprach und sie sah ungläubig auf die beiden Kleider hinab, die nun plötzlich in ihren eigenen Armen lagen.


    Andächtig und auch ein bisschen sehnsüchtig fuhr sie mit dem Finger über den seidenweichen Stoff, schüttelte dann jedoch den Kopf. "Oh nein, das kann ich doch nicht annehmen. Diese Kleider sind wunderschön aber auch viel zu wertvoll. Wenn sie dir zu lang sind, dann solltest du sie einfach kürzen lassen, das würde sich bestimmt lohnen." Serrana sah wieder auf und stellte fest, dass sie angesichts dieser mehr als großzügigen Geste ihrer Freundin ernsthaft Gefahr lief, zum dritten mal an diesem Tag in Tränen auszubrechen.

    Serrana lächelte, als sie Labeos Zwinkern sah, dennoch schüttelte sie vehement den Kopf. "Dann bin ich jetzt umso glücklicher, dass die Geschichte glimpflich ausgegangen ist. Die Vorstellung, dass jemand zu Schaden oder sogar zu Tode hätte kommen können, weil ich mir den falschen Platz zum lesen ausgesucht habe, ist wirklich ziemlich schrecklich."


    Für einen Moment lang blickte sie in Richtung der Gasse, in welcher der unangenehme Bularchus verschwunden war, dann wandte sie sich Livianus zu und fragte neugierig:


    "Woher kennst du diesen Mann eigentlich?"

    Ob Sedulus etwas verbrochen hatte? Nun, aus Serranas Sicht ganz sicher nicht, aber in Laevinas Fall sah die Sache schon ganz anders aus.
    "Nein, natürlich hast du das nicht." antwortete Serrana sofort, doch in ihrer Stimme schwang ein ganz kleines bisschen Besorgnis mit. "Und sobald Großmutter weiß, dass du ehrenvolle Absichten hast, wird sicher auch alles in Ordnung sein. Aber meistens vermutet sie zuerst immer das Schlechteste in allen Menschen, und wenn sie wüsste, dass wir schon...also, ich meine,...uns geküsst haben und so....dann würde sie sicher durchdrehen...Sie ist da ziemlich empfindlich, seit das damals mit meinen Eltern passiert ist. "


    Dass, was Sedulus dann jedoch sagte, ließ der Iunia einen riesigen Stein vom Herzen fallen, und allmählich breitete sich wieder ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Er erwartete also gar nicht von ihr, dass sie sich änderte? Das war ja zu schön um wahr zu sein...


    "Na gut, dann mach ich das ganz einfach." sagte sie erleichtert und lächelte ihn an. "Und wenn das wirklich stimmt, dann hab ich ja auch noch ein bisschen Zeit um erwachsen zu werden, das ist schon ziemlich beruhigend." Am liebsten hätte sie Sedulus jetzt noch einmal geküsst, aber hier die Initiative zu ergreifen, traute sich Serrana dann doch noch nicht.

    Als Septima so heftig auf ihre Bemerkung reagierte, war es nun Serrana, die überrascht war. "Ähm, doch, eigentlich schon." antwortete sie dann mit einem verlegenen Lächeln. "Ich weiß natürlich, dass das albern ist, aber ich glaube, das wäre es mir wert gewesen." Nun war sie vor einigen Wochen aus gutem Grund auch noch deutlich weniger eitel gewesen, aber das musste sie Septima ja nicht unbedingt auf die Nase binden. Serrana lächelte, als die junge Tiberia ihr kurz den Arm um die Schultern legte, denn irgendwie freute sie sich über diese kameradschaftliche Geste. Bei der dazugehörigen Bemerkung fror dieses Lächeln jedoch sofort ein wenig fest und Serrana sah Septima erschrocken an.


    "Findest du, dass ich aussehe wie ein Junge?" fragte sie mit zunehmender Unsicherheit in der Stimme. Natürlich war Serrana klar, dass sie selbst nicht so eine strahlend schöne Erscheinung wie Septima war, aber wie ein Junge wollte sie nun auch nicht gerade aussehen. Fast automatisch warf sie zuerst einen Blick auf die Tiberia und deren gute Figur, die durch die perfekt geschneiderten Kleider noch betont wurde und sah dann an sich selbst herunter. Nein, mit beeindruckenden weiblichen Formen würde sie da auch nichts ausgleichen können, dafür war ihr Körperbau viel zu zierlich. Serrana seufzte schicksalsergeben und beschloss, sich mit diesem deprimierenden Thema lieber nicht weiter zu beschäftigen. Da kam das Thema mit den neu hinzugezogenen Verwandten schon ganz günstig.


    "Das hört sich aber nett an." griff sie den rettenden Strohhalm sofort auf. "Wie ist er denn so dieser Celsus?" Während die beiden jungen Mädchen ein paar Schritte weitergingen, überlegte Serrana, wie sie ihre neuen Familienmitglieder am besten beschreiben konnte.
    "Ja, stell dir vor, im Moment sind wir sogar zu viert. Silanus und Brutus sind vor kurzem aus Germanien heimgekommen, wobei Brutus erst als Erwachsener in die Gens aufgenommen worden ist. Und Silanus arbeitet im kaiserlichen Palast, ihm gehört die Casa Iunia. Und dann ist da noch Axilla, meine Cousine. Die lebt eigentlich in Alexandria, bleibt aber bis zum Sommer hier in Rom und ist furchtbar nett."


    Und Neuigkeiten gab es so einige in Serranas Leben, aber gerade die spannendsten durfte sie leider nicht erzählen und überlegte deshalb fieberhaft, auf welches andere Thema sie ausweichen konnte. "Oh, ich fürchte, da gibt es gar nicht so viel zu erzählen." plauderte sie dann los. "Ich hab in den letzten Tagen und Wochen sehr viel für meine Prüfung gelernt. Sogar an den Saturnalien, aber die Sklaven hatten natürlich frei und haben gefeiert. Und wie war es bei dir?" Eine so schillernde Persönlichkeit wie Septima führte ja sicherlich ein wesentlich spektakuläreres Leben als sie selbst.

    "Ich bin die Erste, die etwas erfahren wird? Das finde ich gut, ich bin nämlich schon furchtbar neugierig." sagte Serrana vergnügt. Dass Calvena sich Gedanken um ihre näherkommende Hochzeit machte, war vollkommen normal, aber die Iunia war felsenfest davon überzeugt, dass ihre Freundin alle im Vorfeld vielleicht auftauchenden Schwierigkeiten bravourös bewältigen würde. Schließlich kannte sie Calvena jetzt schon eine ganze Weile und wusste, wie stark diese sein konnte.


    Bevor sie endgültig aufstand, umarmte sie ihre Freundin noch einmal kurz aber innig und strich ihr dann kurz mit der Hand über den Arm. "Unsinn, du warst nicht dumm. Du hast nur Angst um jemanden gehabt, der dir sehr viel bedeutet. Und und so etwas kann ich mittlerweile nachvollziehen. Vielleicht können wir uns demnächst ja noch mal in Ruhe über alles unterhalten, das fände ich sehr schön. Und einkaufen hört sich gut an, wenn es einigermaßen preiswert ist. Das, was daheim an Kleidern in meiner Truhe liegt, kann wirklich niemanden vom Hocker reissen. Ich glaub die Sachen waren schon langweilig und unmodern, als ich noch in Nola gelebt habe."

    "Ja, das ist sicher keine schlechte Idee." antwortete Serrana auf Axillas Überlegung, Duccius Rufus einen Brief zu schreiben und nickte bekräftigend mit dem Kopf. "Schaden kann es auf keinen Fall, und auch wenn dein Bekannter dir nicht weiterhelfen können sollte, wird er sich doch sicher freuen etwas von dir zu hören. Und jetzt sollte ich wohl wirklich mal langsam aufbrechen, zu Fuß ist es ein ganz schönes Stück bis zur Casa Germanica..."


    Serrana erhob sich von der Bank, hob vorsichtig das Päckchen mit dem Kleid vom Atriumbeckenrand auf und ging dann noch einmal zu ihrer Cousine zurück. "Vielen Dank, dass du eben für mich da warst, als es mir nicht gut ging. Das hat mir wirklich sehr geholfen. Und natürlich auch für all die...ähm...Dinge, die du mir erklärt hast. Jetzt komme ich mir tatsächlich nicht mehr ganz so dumm vor." Sie drückte Axilla noch schnell einen Kuss auf die Wange und ging dann Richtung Ausgang, drehte sich kurz vorher jedoch noch einmal um und zwinkerte, bevor sie endgültig aufbrach. "Bis zur Cena heute abend bin ich sicher wieder zurück, dann erfährst du alles, was ich herausgefunden habe. Bis später."

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    Sergia Chaerea
    Casa Sergia
    Roma


    Liebe Sergia Chaerea,


    Ich fühle mich sehr geehrt, dass du mich zu deiner geplanten Feier eingeladen hast und werde sehr gern kommen, um mit dir und all den anderen Gästen die Verlobung von Furia Calliphana und Iulius Centho zu feiern.


    Vale,
    Iunia Serrana

    "Ich will dir da ja nichts vorschreiben, aber vielleicht solltest du es so schnell wie möglich machen." sagte Serrana nachdenklich. "Wenn ich Großmutter irgendetwas beichten musste, war ich auf jeden Fall immer froh, wenn ich es hinter mir hatte..."


    Mit einer gewissen Erleichterung sah sie, dass Sedulus plötzlich wieder lächelte. Die Vorstellung, mit ihm bald vielleicht eine gemeinsame Familie zu haben, war immer noch ziemlich ungewohnt, aber irgendwie war dieser Gedanke auch sehr schön.


    "Ja, meinst du?" fragte sie ihn und lächelte ebenfalls. "Dann will ich mal lieber alles tun, damit das auch so bleibt."


    Serrana hatte insgeheim gehofft, dass Sedulus die aufsteigenden Tränen in ihrem Gesicht nicht bemerken würde, weil sie sich nicht noch alberner fühlen wollte, als sie es ohnehin schon tat. Als er dann aber doch nachhakte und dabei auch noch nett war, gab ihr das den Rest und die ersten beiden Tränen rollten langsam ihre Wangen herunter.


    "Ja, mag sein, aber ich komme mir gerade so furchtbar dumm vor. Ich will mich ja nicht mehr benehmen wie ein Kind, aber ich hab ständig das Gefühl, dass ich es trotzdem tue. Und es ist furchtbar schwer, plötzlich so ganz anders zu sein und sich anders zu benehmen..." Besser konnte sie es beim besten Willen nicht erklären. Serrana schniefte ein wenig, stellte dann aber zu ihrer Erleichterung fest, dass zumindest der Drang zu weinen nachgelassen hatte und seufzte erleichtert.

    Serrana überlegte einen Moment lang dann zuckte sie ein wenig entschuldigend mit den Schultern. "Ich fürchte, den besten Zeitpunkt um Großmutter irgendetwas zu erzählen gibt es nicht. Am besten achtest du darauf, wann sie einigermaßen gute Laune hat und versuchst es dann. Wenn sie ohnehin bereits wütend ist, hat sie normalerweise überhaupt keine Geduld und springt einem direkt an den Hals..."
    "Und was Silanus betrifft..." an dieser Stelle folgte ein weiteres Schulterzucken "...wenn ich ehrlich bin, kenne ich ihn eigentlich so gut wie gar nicht, obwohl wir jetzt unter einem Dach leben. Aber ich glaube, er ist ziemlich fleissig und auch ehrgeizig, daher würde ich es ihm wünschen, dass er auch weiterhin erfolgreich bleibt."


    Die Bemerkung über ihre möglichen zukünftigen Kinder war Serrana ohne großes Nachdenken entschlüpft, und erst als Sedulus noch mal nachhakte, wurde ihr bewusst, was sie da gerade wie gesagt hatte. Natürlich hatte sie damit ihrer beider Kinder gemeint, nur war der Gedanke von einem "wir" immer noch ein wenig ungewohnt.
    Aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass Sedulus sich durch diese Bemerkung gekränkt fühlte.


    "Ich....ich...meine die Kinder, die wir zwei vielleicht irgendwann mal haben werden...also...zusammen meine ich." erklärte sie ein wenig stotternd, in der Hoffnung das Missverständnis aufklären zu können. "Zumindest hoffe ich, dass die Götter uns welche zugestehen werden."


    Und auch die Malerei kam ihr plötzlich nur noch albern und kindisch vor, vermutlich ließ Sedulus sich darauf ohnehin nur ein, um sie nicht zu kränken. Wie konnte sie auch auf die Idee kommen, mit einem erwachsenen Mann und Senator Kinderspiele zu spielen...
    Serrana biss sich auf die Unterlippe und fühlte sich furchtbar unreif. Warum konnte sie sich denn nicht ein wenig erwachsener benehmen, wie er es sicher von ihr erwartete? "Nein, es sind Buchstaben." sagte sie dann leise und spürte, wie ihr plötzlich Tränen der Scham in die Augen zu steigen drohten. "Aber du brauchst nicht weiterzuraten, es ist ohnehin nicht wichtig. Nur etwas was mir gut gefallen hat, weil es wie ein gutes Omen aussieht."

    Serrana hörte Venusia aufmerksam zu, während diese von ihrer scheinbar großen und vor allem jungen Familie erzählte, dann ging ihr Blick ein wenig sehnsüchtig in die Ferne. "Das hört sich schön an. So eine Familie hätte ich auch gern. Ich hatte jahrelang nur meine Großeltern, und die waren alles andere als jung..."


    Dann schnitt die junge Duccia jedoch ein anderes Thema an, das Serrana sofort interessierte und ihre ein wenig wehmütige Stimmung sofort wieder vertrieb. "Es freut mich, dass dir deine Verwandten keine größeren Steine in den Weg gelegt haben. Gibt es denn große Unterschiede zwischen einer römischen und einer germanischen Hochzeit?" fragte sie neugierig nach. "Ich muss zugeben, dass ich von den germanischen Traditionen überhaupt keine Ahnung habe."

    Unter Sedulus Blick fiel es Serrana gleich ein wenig schwerer, ihr neutral höfliches Lächeln beizubehalten und es wurde automatisch ein wenig breiter.


    "Oh, ich weiß nicht, meinst du, dass das nötig..." setzte sie gerade an, als plötzlich auch Calvenas Verlobter Valerian zu der kleinen Gruppe trat und ihr anbot, sie nach Hause zu geleiten.


    "Das ist aber sehr großzügig." sagte sie überrascht und sah sich dann automatisch in Richtung der Küche um. "Wer weiß, ob ich jemals wieder einen Prätorianer als Begleitschutz bekomme, also nehme ich das Angebot gern an. Ich müsste aber noch schnell meine Sklavin aus der Küche abholen, die wartet da auf mich."
    Und kaum hatte sie die Worte zuende gesprochen, als auch schon Calvena plötzlich neben ihr auftauchte, sich bei ihr einhakte und sie Richtung Ausgang dirigierte. Serrana warf noch einen letzten Blick zurück, dann war das Atrium auch schon aus ihren Blicken entschwunden.

    Ob die Öffentlichkeit nun etwas von ihrer Verbindung und zukünftigen Heirat erfuhr oder nicht, war Serrana eigentlich herzlich egal. Im Falle ihrer Großmutter sah das Ganze da schon etwas anders aus.


    "Nun, meinetwegen brauchen wir es niemandem zu erzählen." sagte sie wahrheitsgemäß. "Aber bei Großmutter sollten wir lieber eine Ausnahme machen. Die wird es sicher nicht herumposaunen, aber wenn wir sie erst mit allen anderen informieren wird sie garantiert mehr als sauer sein..."


    Und schon wieder ritt er auf der angeblichen Bedeutungslosigkeit ihrer Gens rum, was sie sogar von dem schönen Wort "Hochzeit" ein wenig ablenkte. "Mein Vetter Silanus arbeitet immerhin in der kaiserlichen Administration." erklärte Serrana hartnäckig. "Und seine Karriere ist sicher noch nicht zu Ende. Und vielleicht werden meine Söhne ja mal hohe Posten innehaben. Die haben dann zwar einen anderen Namen, aber immerhin auch ein wenig iunisches Blut."


    Serrana schwelgte einen Moment lang in Zukunftsträumen, dann brachte sie seine Aufforderung, ihr Muster noch einmal zu zeichnen, in die Realität zurück.


    "Na schön, ich bin gespannt, ob du es rausfindest. Und wehe, du schummelst!" sagte sie und zeichnete ganz langsam erst die Umrisse eines S und dann eines E auf Sedulus' Brust, um das Ganze dann in Spiegelschrift auf der anderen Seite zu wiederholen. Dann sah sie ihn gespannt an.

    "Hm, wenn du meinst....dann denke ich am besten einfach nicht mehr darüber nach. Ich werde ja noch früh genug merken, wie dein Onkel reagiert." antwortete Serrana, um dann jedoch noch einmal etwas unsicher nachzuhaken. "Und was ist, wenn er es absolut nicht will? Musst du dich dann nicht seiner Entscheidung beugen? Schließlich ist er doch dein Onkel..."


    Und dass ihre Familie plötzlich nicht mehr wichtig für Rom sein sollte, wollte Serrana immer noch nicht auf sich sitzen lassen. "Es ist doch vollkommen egal wie lange das her ist." entgegnete sie trotzig. "Den Namen meiner Gens wird man immer kennen, schließlich hat sie den ersten Consul der Republik gestellt. Und das ist genauso wichtig wie Geld oder Einfluss." Im Grunde war ihr selbst klar, dass das, was sie da gerade von sich gab ein wenig weltfremd war. Aber wenn Serrana auf eine Sache nichts kommen ließ, dann war es der Name ihrer Gens.


    Und jetzt hakte Sedulus auch noch einmal wegen der Malerei nach... Serrana spürte, wie sich die Röte auf ihren Wangen noch ein wenig vertiefte, aber dummerweise fiel ihr auch keine weniger peinliche Erklärung ein.


    "Fragen darfst du ruhig, aber ich werd es dir nicht verraten." antwortete sie dann schließlich und sah mit einem spitzbübischen Lächeln zu ihm hoch. "Aber wenn du willst, dann schreibe ich es nochmal, vielleicht kommst du dann von alleine drauf."

    Serrana hatte gar nicht damit gerechnet, dass es Frauen gab die sich ernsthaft für Politik interessierten. Bei ihr war das ja ähnlich, auch wenn sie es manchmal vorzog, über lang vergangene Zeiten und deren Helden nachzudenken, da ihr die Phantasie in diesem Fall mehr Spielraum ließ.


    "Ja, das mit dem Mäuschen kenne ich." antwortete sie mit leuchtenden Augen. "Ich hab ja auch schon mit dem Gedanken geliebäugelt mich dort verkleidet einzuschleichen, aber ich fürchte, man würde mir recht schnell ansehen, dass ich kein Mann bin..." Septimas Frage, ob sie daheim schon alles erfahre, irritierte Serrana im ersten Moment, dann schüttelte sie den Kopf. "Oh nein, da erfahre ich im Grunde gar nichts. Mittlerweile wohne ich dort zwar nicht mehr allein, und mein Verwandter Iunius Silanus arbeitet sogar in der kaiserlichen Administration, aber den sehe ich leider viel zu selten, um ihn nach irgend etwas zu fragen. Ich glaube, er hat zur Zeit sehr viel zu tun".
    Als Septima ihr dann erklärte, um wen es sich bei "Manius" handelte, schaute Serrana die junge Tiberia überrascht an. Natürlich besaßen auch Consuln und Pontifices ein Praenomen, aber dass man sie einfach damit titulierte, schien der Iunia schon ziemlich gewagt. Andererseits gehörte Septima ja auch zur Familie des Consuls, und wenn sie ihn schon nicht so anredete, wer dann?


    "Ja, lass uns ein wenig zusammen über das Forum gehen." stimmte Serrana zu, nachdem sie interessiert Septimas Zusammenfassung des aktuellen Tagesgeschehens zugehört hatte. "Auf irgendetwas interessantes stoßen wir bestimmt, das ist hier ja fast immer so."

    Du liebe Güte, eigentlich war das Fest schon so gut wie vorbei und ein Großteil der Gäste gegangen, und dennoch konnte man fast Gefahr laufen zum guten Schluss noch die Übersicht zu verlieren. Serrana verabschiedete sich herzlich von Claudia Romana, die die Casa Germanica dann auch recht schnell verließ, vermutlich nicht ohne ihre am heutigen Abend ganz spezielle Duftnote noch ein bisschen in den Straßen Roms zu verteilen. Dann trat noch einmal kurz der Senator in mittleren Jahren zu ihrer Gruppe, bei dem es sich vermutlich um Calvenas Großonkel Avarus handelte. Serrana betrachtete ihn mit einer gewissen Neugier, denn irgendwie war ihr Interesse an der Familie ihrer Freundin an diesem Abend doch deutlich angestiegen. Nachdem sie sich auch von den beiden Tiberierinnen verabschiedet hatte und diese bereits in Richtung Ausgang aufgebrochen waren, erwiderte Serrana die Umarmung ihrer besten Freundin und strahlte diese dankbar an.


    "Das war wirklich ein ganz wundervoller Abend, Calvena, und du warst eine hervorragende Gastgeberin. Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte und dass du mir diese wundervollen Sachen geliehen hast. Ich werde sie daheim reinigen und wieder herrichten lassen, dann bringe ich sie dir sofort zurück." Auf Calvenas Frage nach Adula nickte Serrana bestätigend. "Ja, natürlich hab ich sie mitgebracht, ich werde sie mal schnell selbst suchen gehen, du brauchst sie nicht holen zu lassen." Im Grunde war ihr natürlich klar, dass Adula sich bereits den ganzen Abend in der Küche aufhielt und auf sie wartete, aber so hatte sie immerhin einen Vorwand, um ein letztes Mal durch die Räumlichkeiten der Casa zu gehen und nach jemand ganz bestimmtem Ausschau zu halten.


    Serrana drückte Calvena noch ein letztes Mal und und machte sich dann auf die Suche. Kaum im Atrium angekommen wurde sie auch schon fündig, aber leider war Sedulus nicht allein sondern ins Gespräch mit einem ihr unbekannten, ein wenig fülligen Mann vertieft. Serrana nickte dem Unbekannten freundlich zu und lächelte Sedulus dann an.


    "Ich wollte mich nur schnell verabschieden, Senator Germanicus Sedulus. Es war wirklich ein sehr schönes Fest, und es hat mich sehr gefreut Gast sein zu dürfen. Ich wünsche euch..." an dieser Stelle nickte sie auch dem Unbekannten noch einmal zu,"....noch einen schönen Abend. Valete."


    Nach diesen Worten wandte sich Serrana endgültig Richtung Küche, gab der dort wartenden Adula ein Zeichen, und gemeinsam verließen Herrin und Sklavin das Haus in Richtung Casa Iunia.

    Serrana war es mittlerweile gewöhnt, mit nackten Füßen auf dem kühlen Steinboden zu stehen, deshalb nahm sie die Kälte schon gar nicht mehr wirklich wahr. Doch obwohl sie Pluto in seiner Funktion als Dis Pater genauso verehrte wie alle anderen Götter auch, fühlte sie sich in seinem Tempel bei weitem nicht so wohl wie in dem der Minerva. Gleichgültig wieviel sie dort manchmal auch zu tun hatte, empfand sie doch immer ein unglaublich angenehmes Gefühl von Ruhe und Frieden. Auch dieses Heiligtum hier strahlte Ruhe aus, und trotzdem hatte sie das Gefühl, als würde nur ganz knapp unter der Oberfläche noch etwas anderes liegen.


    Als Axilla sie dem sich nähernden Aedituus vorstellte, neigte Serrana mit dem Respekt, den sie höherstehenden Priestern grundsätzlich entgegenbrachte den Kopf und erwiderte dann dessen Gruß. "Salve. Ich möchte dir danken, dass du meiner Cousine bei diesem Opfer zur Seite stehst."


    Serrana betrachtete das Opfertier nur aus der Entfernung, schließlich war es ja Axillas Opfer und nicht das ihre, auch wenn sie die Gründe dafür vollkommen unterstützte. In nicht allzuferner Zukunft würde sie Minerva selbst ein Tier opfern müssen, um ihre Ausbildung zur Priesterin abschließen zu können, allerdings würde das weiß und weiblich und vermutlich auch ein ganzes Stück kleiner sein. Und wenn dieses Tier dann genauso ruhig sein würde wie dieser Ochse, dann könnte sie mehr als zufrieden sein.


    Als ihre Cousine dem Aedituus eine Frage stellte, sah auch Serrana diesen neugierig an. Einem Opfer an Dis Pater hatte sie bislang noch nicht beigewohnt, und auch wenn die Rituale in den Tempeln der einzelnen Gottheiten doch große Ähnlichkeiten aufwiesen, konnte es durchaus auch Unterschiede geben.

    Eigentlich bezweifelte Serrana stark, dass es irgendetwas gab, das ihre Großmutter wirklich ruhigstellen konnte. Aber an Sedulus' Argumenten war natürlich etwas dran, und sie konnte nur hoffen, dass er damit Recht behielt. Im Gegensatz zu ihr selbst, die Ämterbezeichnungen wie Senator oder Curator eher ein wenig einschüchterten, würde Laevina von ihnen vielleicht tatsächlich besänftigt werden.


    Und was das Wörtchen "einschüchternd" betraf: Sedulus' Onkel hatte Serrana bei den Fontinalia zwar nur sehr kurz und eher aus der Ferne gesehen, aber irgendwie fiel der auch unter diese Kategorie.


    "Meinst du, dass er mich vielleicht nicht haben will?" fragte sie daher mit neu aufkommender Nervosität, die jedoch einen Augenblick später durch etwas anderes verdrängt wurde. "Hey, ich selbst mag ja vielleicht nicht besonders bedeutend sein, aber meine Familie ist es durchaus!" protestierte Serrana empört und straffte sich automatisch. "Wir Iunier haben vielleicht schon bessere Zeiten gesehen, aber das heißt noch lange nicht, dass wir unwichtig wären. Oder zählen für deinen Onkel nur Geld und Macht?"


    Während sie auf Sedulus einsprach, hatte sie automatisch das Malen eingestellt, doch als er jetzt deswegen nachhakte, wurde Serrana ein wenig rot. Bereits vor einiger Zeit war ihr aufgefallen, dass die ersten beiden Buchstaben ihrer jeweiligen Namen identisch waren, und seitdem bemalte sie alles mit einem SE und dessen gespiegelter Version. Aber solche Kindereien einem erwachsenen Mann zu erklären, war der Iunia dann doch ein bisschen zu peinlich.


    "Ähm, nichts weiter, das sind nur Buchstaben." Und mit diesen Worten wedelte sie ein wenig über seine Brust, als wolle sie Kreide von einer Tafel wischen.

    Serrana fühlte sich in Sedulus' Armen ausgesprochen wohl und ein kleiner Seitenblick auf den Weg vor und hinter ihnen zeigte ihr, dass sie im Moment noch ungestört waren. Vielleicht ließen sie so ja noch ein paar Augenblicke herausschlagen. "Ja, das ist sie allerdings." antwortete sie lächelnd, aber ihr Gesichtsausdruck wurde gleich wieder etwas ernster, als sich das Gespäch ihrer Großmutter zuwandte. "Auch wenn es manchmal ziemlich schrecklich gewesen ist, hat Großmutter Laevina immerhin zehn Jahre lang für mich gesorgt, deshalb hast du vermutlich Recht." murmelte sie nachdenklich und malte geistesabwesend mit dem Finger ein kleines Muster auf seine Brust. "Und ich kann leider überhaupt nicht abschätzen, wie sie auf diese Neuigkeit reagieren wird, in dieser Hinsicht ist sie wirklich unberechenbar."

    "Ja, natürlich, das macht Sinn." pflichtete Serrana ihrer Freundin zu und lächelte diese ein weiteres Mal l aufmunternd an. Sie selbst befand sich im Moment noch in einem wundervollen rosaroten Schwebezustand, in dem man sich noch um nichts weiter kümmern müsste. Angesichts der konkreten Planungen, die Calvena bevorstanden, würde sie allerdings vermutlich genauso nervös werden. "Gib mir einfach Bescheid, wenn es soweit ist, dann komme ich her. Und mach dir bis dahin nicht so viele Sorgen, es wird schon alles glatt gehen und du wirst eine ganz wundervolle Hochzeit feiern." Serrana trank noch einen Schluck Saft und spürte, wie sie allmählich müde wurde. Der bisherige Tag war zwar kaum mit körperlicher Arbeit verbunden gewesen, doch langsam forderten die vielen gefühsmäßigen Hochs und Tiefs der letzten Stunden, die Serrana in ihren Unterhaltungen mit Axilla und Calvena durchlebt hatte ihren Tribut.
    "Ich glaube, ich werde jetzt auch mal wieder aufbrechen." sagte sie daher und rieb sich leicht mit der Hand über die Augen, denen man die viele Weinerei des heutigen Tages hoffentlich nicht mehr ansah und sah dann noch mal in Richtung des mitgebrachten Päckchens. "Möchtest du vielleicht noch schnell nachschauen, ob mit dem Kleid und dem Schmuck auch alles in Ordnung ist?"