Beiträge von Germanica Laevina

    Normalerweise hatte sie dank ihres gesunden Selbstbewusstseins, das sich auch in Körperhaltung und -sprache widerspiegelte, keinerlei Schwierigkeiten, auch größere Gesprächspartner zu beeindrucken, doch in Romanas Fall stieß selbst Laevina an ihre Grenzen und sie äugte ein wenig resigniert zu der Claudia hinauf.
    Deren plötzliches Besuchsangebot überraschte und erfreute sie dann zu gleichen Teilen, denn zur Zeit langweilte sie sich daheim mal wieder ganz enorm, und darüber hinaus war eine Vestalin im Bekanntenkreis ein nicht zu unterschätzender Prestigegewinn.


    "Oh, selbstverständlich darfst du. Es wäre eine Ehre für unser Haus und für mich ganz besonders, denn in meinem Alter erfährt man normalerweise nicht mehr allzuviel Aufmerksamkeit von anderen." Es sei denn, man sicherte sich diese auf andere Art und Weise, und in dieser Hinsicht hatte es der alten Germanica noch nie an dem nötigen Erfindungsreichtum gemangelt.
    Und es wurden noch tausende Frauen erwartet? Was für ein Glück, dass sie so früh dran war, so wie es aussah, würde sie wohl wieder weg sein, bevor die größten Herden schnatternder Weiber den Tempel bevölkerten. Laevina hatte seit über 30 Jahren nicht mehr an den Vestalia teilgenommen, aber damit konnte sie jetzt schlecht hausieren gehen. "Aber natürlich weiß ich das, meine Liebe." flötete sie daher, schritt routiniert mit ihrem Teller zum Herdfeuer, spulte schnell das entsprechende Gebet ab und kehrte dann entspannt zur Claudia zurück, als hätte sie in ihrem ganzen Leben nichts anderes getan. Ah, da am Eingang war ja auch Serrana! Ihre Enkelin unterhielt sich gerade mit der jungen Dunkelhaarigen und einer Rothaarigen, die Laevina auf irgendeiner Feier schon mal gesehen hatte. War das nicht eine Furia? Serrana sah für Laevinas Geschmack ein wenig zu blass aus, aber immerhin schien sie erfolgreich gesellschaftlichen Smalltalk zu betreiben und benahm sich nicht wie ein verschrecktes Kaninchen, was Laevina zu einem zufriedenen Kopfnicken veranlasste.


    "Deine Kollegin da macht einen etwas ramponierten Eindruck. Meinst du, sie übersteht den Tag mit tausenden frommen Römerinnen überhaupt?" fragte Laevina dann mit einem Seitenblick auf die Lartia.

    "Salve, werte Claudia Romana." erwiderte Laevina mit für sie ungewohnter Freundlichkeit den Gruß der jungen Vestalin, die es, im Gegensatz zu den meisten anderen Frauen, geschafft hatte, das Wohlwollen der alten Germanica zu gewinnen. Wirklich eine patente junge Dame mit erfreulich traditionellen Ansichten, nur schade, dass sie ihre Energien daran verschwendete, wie eine weisse Wachtel durch die Gegend zu laufen. "Nun..,"begann sie, den Blick auf dem mitgebrachten Teller, "da hätten wir Brot, ein wenig Kuchen und Käse von meinem Landgut in der Campania. Der ist wirklich hervorragend, du solltest ihn beizeiten auch kosten." Gut, dass Vesta eine Vorliebe für einfache Kost hatte, von teureren Bestandteilen ihrer Vorratskammer hätte sich Laevina nämlich nicht allzu gern getrennt. Ganz abgesehen davon, dass sie auch keine Lust gehabt hätte mit einem Teller voller Otternasen und kandierter Schweinsohren durchs Städtchen zu laufen wie die Schankmagd in irgendeinem dekadenten Lupanar.
    Jetzt fiel ihr Blick auf die reichlich angeschlagene Vestalin hinter Romana, und die Augenbraue der alten Germanica wanderte leicht indigniert ein wenig nach oben. Bei jeder anderen Berufsgruppe hätte sie auf eine ausschweifende Orgie getippt, aber das konnte man in diesem Fall wohl ausschließen. 'Wenn sie schon von ein bisschen Sauce zusammenrühren so zusammenklappt, dann ist es wohl besser, dass sie hier bei den Wachteln eingetreten ist und sich nicht um einen richtigen Haushalt kümmern muss.' dachte Laevina, wie üblich frei von jeglicher Art des Mitgefühls, und wandte ihre Aufmerksamkeit dann wieder der Claudia zu. "Wieviele Damen werden denn in etwa am heutigen Tag erwartet?"

    Äusserlich unbeeindruckt von ihrem barfüßigen Marsch durch die halbe Stadt betrat Laevina den Tempel der Vesta und stellte zu ihrer Freude fest, dass sie eine der ersten Damen war, die den Weg hierher gefunden hatten. Nicht etwa weil sie Angst gehabt hätte, etwas von der Veranstaltung zu verpassen, die sie wie alle religiösen Riten und Zeremonien für abergläubischen Firlefanz hielt, sondern um sich einen guten Beobachtungsposten für die Ankunft der übrigen Damen der Gesellschaft zu sichern. Den durchaus schmerzhaften Weg ohne Schuhwerk hatte sie dabei notgedrungen in Kauf genommen, schließlich war es für eine Germanica Laevina undenkbar, sich in der Öffentlichkeit auch nur die kleinste Blöße zu geben oder irgendeine Schwäche zu offenbaren. Und ausserdem galt es der jüngeren Generation als leuchtendes Vorbild voranzugehen, die in ihren Augen ohnehin viel zu verweichlicht war.
    Eigentlich hatte Laevina ja mit ihrer Enkelin Serrana gemeinsam zum Tempel laufen wollen, aber die Kleine hatte sich unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand stundenlang in ihrem Cubiculum eingesperrt und ihr durch die geschlossenen Tür zugerufen, dass sie etwas später nachkommen würde. Ohnehin hatte sie bereits seit geraumer Zeit das Gefühl, dass ihr ihre Enkelin nach Möglichkeit aus dem Weg ging, ein Umstand, der nicht nur unbegreiflich sondern natürlich auch eine Frechheit war!
    Würdevoll und kerzengerade wie immer schritt Laevina langsam durch den Tempel auf Claudia Romana zu, die sie aufgrund ihrer immer aufs Neue beeindruckenden Körpergröße problemlos wiedererkannt hatte. Hatte sie die junge Dunkelhaarige, an der sie gerade vorbeikam eigentlich schon einmal irgendwo gesehen? Nein, ganz sicher nicht, denn Laevina vergaß niemals ein Gesicht, das von irgendeiner Bedeutung war, und dass diese Frau zu einer der besten Familien Roms gehörte, konnte man schon an ihrer Aufmachung sehen. Die alte Germanica schenkte der weitaus Jüngeren ein höfliches Kopfnicken und ging dann langsam weiter auf die Claudia zu.

    Als es an der Tür klopfte, war Laevina gerade damit beschäftigt, eine der Haussklavinnen beim Staubputzen in ihren Gemächern zu beaufsichtigen. In den Augen der alten Germanica war Staub der Anfang vom Ende, ein sicheres Indiz für Disziplinlosigkeit und Dekadenz und daher wäre sie auch nie auf die Idee gekommen, einen Sklaven unbewacht zum Putzen in ihr Reich zu lassen. Und ihre Wachsamkeit zahlte sich aus: ihre Gemächer waren immer tadellos sauber und frei von jedem noch so kleinen Staubkorn, auch wenn der eine oder andere Sklave ein wenig zittrig zu Werke ging, während Laevina selbst entspannt in ihrem Schaukelstuhl saß und jede Bewegung mit Argusaugen beobachtete.
    Wer der Besucher wohl sein mochte? Zweifellos ein Mitglied der Familie, denn alle anderen Hausbewohner klopften wesentlich zögerlicher an ihre Tür.


    "Ja bitte?"

    Ach herrje, jetzt musste der Hahn im Haus auch noch das Gefieder sträuben und unter Beweis stellen, dass er ein echter Gockel war... Laevina ließ Sedulus mit unbewegem Gesicht ausreden und verzog bei seiner unterschwelligen Drohung keine Miene. Wilde Tiere, ha! Mit irgendwelchen Bestien umzugehen war vermutlich sogar angenehmer als die aktuellen Querelen mit einem komplett verwöhnten Kleinkind!
    Aber leider, LEIDER gehörte die Casa Germanica ja nicht ihr, und so musste Laevina notgedrungen gute Miene zum bösen Spiel machen und Sedulus das Gefühl vermitteln, in diesem Konflikt eine wirklich wichtige Rolle zu spielen.


    "Nun denn," begann sie mit betont ruhiger Stimme, "ich bin versehentlich auf eins der Spielzeuge deiner Tochter getreten, die hier überall im Atrium verstreut liegen. Eine relativ schmerzhafte Erfahrung, wenn ich das mal nebenbei erwähnen darf, was das Kind auch noch mit einem höchst trotzigen und uneinsichtigen Benehmen quittiert hat. Und zur Krönung des Ganzen hat sie mir dann eine dieser dreckigen Schneckenhäuser an den Kopf geworfen! Ehrfurcht und Respekt vor dem Alter erhoffe ich mir in diesem Haus ja kaum noch, aber ein Mindestmaß an Erziehung dürfte doch wohl zu erwarten sein!"

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    Quadrata


    In letzter Zeit ließ dieses Monstrum von Germane die Porta wirklich häufig ohne Bewachung, wie Quadrata wieder einmal feststellte, als sie das Klopfen hörte. Aber ihr konnte das im Grunde nur recht sein, auf diese Weise erfuhr sie, und dadurch natürlich auch ihre Herrin Laevina, immerhin als erste, wer die Casa Germanica betrat oder auch verließ.


    "Ja, bitte?" fragte sie, nachdem sie die Tür geöffnet und einen kurzen Blick auf die herrschaftliche Sänfte geworfen hatte.

    Obwohl sie ausgesprochen zufrieden mit der Entwicklung des Gesprächs war, bedankte sich Laevina bei Avarus und Sedulus jeweils nur mit einem knappen Kopfnicken. Es war zwar alles andere als selbstverständlich, dass ihr Enkel in diesem Haus so ohne weiteres aufgenommen worden war, aber dennoch sah sie keinen Anlass, jetzt in überschwengliche und damit undisziplinierte Bekundungen von Freude oder gar Glück auszubrechen. Der erste Schritt war getan, alles Weitere würde man sehen, sobald Verres erholt und vorzeigbar war.


    "Geh nur, mein Junge. Es wird Zeit, dass du ein Bad nimmst und anständige Kleidung an den Leib bekommst. Wir werden sicher später bei der Cena Gelegenheit haben, uns weiter zu unterhalten."

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    Quadrata



    Forsch wie immer klopfte Quadrata an des Senators Türe und öffnete sie genau zwei Sekunden später.


    "Domine, im Oecus wartet ein gewisser Gaius Terentius Primus auf dich." Und da sie noch nie mehr als zwei Sätze am Stück mit Sedulus oder einem anderen Mitglied der Familie gesprochen hatte (natürlich mit Ausnahme von Laevina), schloss die alte Sklavin die Tür direkt wieder und machte sich auf den Rückweg zu ihrer Herrin.

    Diesmal fiel Laevinas Nicken schon etwas deutlicher aus. Ihrer Meinung nach sprach es für den Jungen, dass er sich nicht einfach ins gemachte Nest setzte, sondern sich selbst etwas erarbeiten wollte. Zumal man auch nur durch Eigeniniative wirklich wachsen und an innerer und äußerer Stärke gewinnen konnte, Verres' antriebsarmer Großvater Vindex war da ein gutes und abschreckendes Gegenbeispiel gewesen. Der hatte sich Zeit seines Lebens auf den Lorbeeren der anderen ausgeruht und war geauso bedeutungslos in den Orcus gefahren wie er auf die Welt gekommen war.
    Trotzdem freute es die alte Germanica, dass Sedulus ihrem Enkel Hilfe anbot und daher bedankte sie sich bei ihm mit einer kleinen, kaum wahrnehmbaren Neigung des Kopfes.

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    Quadrata


    Während der grobschlächtige Riese, der normalerweise das Tor hütete, für kleine Germanen unterwegs war, hatte Quadrata die Gunst der Stunde genutzt, um mal wieder als erste einen potentiellen Besucher des Hauses in Augenschein zu nehmen.


    "Ja, bitte?" fragte sie den dunkelhaarigen Mann, nachdem sie die Porta einen Spalt breit geöffnet hatte.

    Laevina beschloss, sich fürs erste nicht in das Gespräch zwischen Verres und den beiden Senatoren in ihrer Familie einzumischen. Schließlich waren es Avarus und Sedulus, von denen ihr Enkel die wichtigen Dinge würde lernen können, und daher war es wichtig, dass er diesen ersten Kampf allein ausfocht. Da er sich jedoch ihrer Meinung nach bislang ganz wacker schlug, nickte die die alte Germanica kaum wahrnehmbar mit dem Kopf und lauschte dann weiter der Unterhaltung der drei Männer.