Langweilig....eintönig und langweilig....Laevina war es mittlerweile derart langweilig, dass sie tatsächlich angefangen hatte, hin und wieder ein wenig in der Bibliotheca zu stöbern, eine Entwicklung, die sie selbst höchst beunruhigend fand, schließlich gab es doch wenig unwichtigeres als verstaubte Schriftrollen...
In den ersten Tagen und Wochen nach der Abreise ihrer Enkelin Serrana und deren Ehemann und Stieftochter war die alte Germanica regelrecht aufgeblüht und hatte sich mit ungebremster Begeisterung der Restauration und Neu-Organisation des Familienanwesens gewidmet. Müßiggang und Nachlässigkeit wurden in tagelanger verbissener Kleinarbeit ebenso unerbittlich verfolgt und ausgerottet wie Staub und Spinnweben, und es hatte einige Zeit gedauert, bis Laevina mit dem Ergebnis endlich zufrieden gewesen war.
Mittlerweile lief in der Casa Germanica alles seit Wochen wie am Schnürchen, die Sklaven erledigten schnell und klaglos ihre Arbeit, und jeder noch so versteckte Winkel des Hauses war absolut klinisch rein. Ein durchaus wünschenswerter, in den Augen der alten Dame eigentlich perfekter Zustand, aber die schlichte Überwachunstätigkeit begann diese zunehmend anzuöden.
Mit besonderem Interesse nahm Laevina daher den Brief ihrer Enkelin entgegen und machte sich an die Lektüre.
Zitat
Original von Iunia Serrana
Ad
Germanica Laevina
Casa Germanica
Roma
Salve Großmutter,
entschuldige bitte, dass ich dir erst jetzt schreibe, aber in den letzten Wochen und Monaten ist soviel passiert, dass ich nie genug Ruhe hatte, um mich hinzusetzen und einen Brief aufzusetzen.
Ich weiß, dass du in dieser Hinsicht, wie auch in jeder anderen besonders hohe Maßstäbe ansetzt, aber ich hoffe doch, dass du vielleicht darüber hinwegsehen wirst, wenn du die neuesten Geschehnisse erfährst.
Iuno hat ihre schützende Hand über mich gehalten, und dank ihrer Hilfe und Gnade habe ich vor einigen Wochen zwei gesunde Kinder zur Welt gebracht, einen Jungen und ein Mädchen. Beiden geht es gut, sie wachsen und gedeihen, und auch ich habe mich mittlerweile vollständig von der Niederkunft erholt.
Leider sind wir schon geraume Zeit nicht mehr in Mantua, wo eine furchtbare Seuche ausgebrochen ist, sondern auf dem Landgut, das meiner Freundin Tiberia Septima gehört. Du wirst dich sicher noch an sie erinnern, sie war auf unserer Hochzeit Calvenas und meine Pronuba, und hat damals alles ganz wundervoll für uns organisiert.
Und jetzt gibt es endlich die Möglichkeit, ein wenig davon wieder gut zu machen. Quintus und ich werden mit den Kindern bald nach Rom zurückkommen, und Septima wird mit ihrem Sohn eine Weile bei uns in der Casa Germanica wohnen, da ihr Mann, Aurelius Ursus, als Legat in Mantua natürlich unabkömmlich ist.
Würdest du so nett sein, und alles für unsere Ankunft und die unserer Gäste vorbereiten? Ich weiß, dass ich mich dann um nichts mehr sorgen muss, weil alles perfekt sein wird, und dafür danke ich dir jetzt schon, auch wenn wir vermutlich schon bald wieder unterschiedlicher Meinung sein werden.
vale bene und mögen die Unsterblichen dich behüten,
Serrana
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Nach den ersten beiden Sätzen brach sie weder in lautstarke großmütterliche Begeisterung aus, sie strahlte nicht einmal über das ganze Gesicht. Trotzdem wären einem aufmerksamen Beobachter vielleicht das plötzliche Funkeln in ihren Augen und die Tatsache, dass sich ihre Mundwinkel minimal nach oben bewegten, aufgefallen, denn auch wenn sie sich das niemals würde anmerken oder gar eingestehen würde, so war Laevina in diesem Moment sowohl erleichtert als auch ausgesprochen erfreut.
Ganz offenbar hatte Serrana mehr Glück gehabt als ihre Mutter und gleich zwei gesunde Kinder auf die Welt gebracht, ein Wunder eigentlich, wenn man bedachte, wie wehleidig und zimperlich dieses Mädchen den großmütterlichen Bemühungen zum Trotz doch Zeit ihres Lebens gewesens war! Zwei Kinder, und damit gleich die zweifache Chance, dass die Gens Germanica auch in Zukunft blühen und gedeihen und einen angemessenen Anteil an der Geschichte Roms nehmen würde.
Natürlich war es eine bodenlose Frechheit, dass die Kleine erst jetzt schrieb und dann direkt mit einer Forderung herbei kam, aber da sie wider Erwarten so schnell ihre Pflicht und Schuldigkeit als römische Matrone erfüllt hatte, war Laevina Willens, ausnahmsweise einmal großzügig zu sein, zumal es ja auch darum ging, sich einer Patrizierin gegenüber keine Blöße zu geben.
"QUADRATA!!!" schallte es nur Sekunden später weit hörbar durch die Casa. "Sedulus und meine Enkelin kommen heim und bringen Besuch mit. Sieh zu, dass du das faule Gesindel von Sklaven zusammen trommelst, es gibt viel zu tun, und wir wollen uns unter gar keinen Umständen vor diesem blaublütigen Weib blamieren. "ZACK ZACK!!!"
Endlich floss nach geraumer Zeit wieder Adrenalin durch Laevinas Adern, und es fühlte sich herrlich an!