Melina überlegte. Sie fuhr sich dabei durch die Haare. Nach einigen Sekunden der Stille, lachte sie dann auf. Sie klatschte vor Freude in die Hände. "Mein Bruder ist auf so einem Weg? Er ist schon so mächtig? Du überschätzt ihn ein wenig." Ihre Mimik verzerrte sich zu einem amüsierten Grinsen.
"Es mag sein, dass er eines Tages vielleicht ein großer Politiker sein wird aber bis dahin muss ich mir wohl noch keine großen Sorgen machen. Calvena, ich weiß, dass die Welt hier und da nicht sehr schön ist aber warum sollte ich mich damit beschweren? Mein Bruder ist außerdem weit weg, was ihm vielleicht ganz gut tut. Er ist ein wenig seltsam geworden, ob es etwas..."
Melina brach ab. Die Gedanken an den Tod ihres anderen Bruders kehrten zurück. War Sermo noch nicht darüber hinweg? Melina war es auch nicht wirklich, sie verdrängte es nur. Der Tod sollte für sie keine Bedeutung haben, denn sie liebte das Leben. Melina akzeptierte den Tod zwar als Teil des Lebens, ohne Tod kein Leben, aber häufig dachte sie nicht daran. Aus ihrem Gesicht entfloh kurz die Farbe, eine Strähne fiel ihr vor die Augen, die sie zur Seite strich. Sie seufzte. Ihr Geist musste wieder Abstand von dem Gedanken an ihren toten Bruder gewinnen. Es machte sie traurig, sehr traurig. Sie setzte ein gezwungenes Lächeln auf, nicht für Calvena, sondern für sich. Melina wollte sich wieder zum glücklich sein zwingen. Schnell wurde das Thema gewechselt. So schnell konnte Lebensfreude verschwinden oder etwa doch nicht? Eine gewisse Ernsthaftigkeit hielt schlagartig Einzug aber dennoch ganz konnte ihr die Lebensfreude nicht genommen werden. Sie lachte auch wieder: "Doch klein bin ich immer noch." Melina stand auf. "Schau' doch." Sie kicherte, lachte und freute sich wieder. Im Anschluss warf sie sich wieder auf die Kline. Der Gedanke an den Tod war zwar noch im Hinterkopf da aber spielte nach diesem Ausstoß an Freude nicht mehr die dominante Rolle. Ihr Bruder war sicherlich an einem besseren Ort. Er würde nicht wollen, dass Melina traurig war. Melina war eben Lebensfreude, Leichtigkeit und Freiheit.
Sie packte sich erneut das Kissen, um damit zu spielen. - Spielen konnte man es zwar nicht nennen, sie knetete es mehr oder minder durch aber für sie war es ein Spiel, eine Ablenkung. Es war die Energie, die in ihr kochte. Ein guter Beobachter konnte wohl erkennen, dass Melina etwas bedrückte und sie Ablenkung suchte. Sie hatte etwas in sich verschlossen, was nur selten nach Außen drang. Eine Traurigkeit, die sich nicht wahrhaben wollte.
"Cultus Deorum? Eine Romana, die ich einmal in den Thermen traf, wollte mich auch in den Cultus Deorum lotsen," erinnerte sie sich halblaut murmelnd. Mit ihren weiten Augen blickte sie Calvena nun direkt an. "Calvena, was meinst du? Was würde ich da machen? Schaffe ich das?" Melina wollte zumindest wissen, was man dort tat und was sie dort für eine Aufgabe hätte. Es gab ja sonst nicht viel für sie, was sie ein wenig ärgerte. Der Cultus Deorum wäre bestimmt eine interessante Alternative, hoffte das junge Mädchen.