Beiträge von Germanica Sabina

    Kein Wunder das Milo sie nicht verstand. Sie verstand sich ja selbst gerade nicht. Es erschien Sabina richtig in Selbstmitleid zu zerfließen, weil die ganze Welt ganz offensichtlich gegen sie war. Nicht einmal Milo wollte zu ihr stehen, sondern machte sich viel mehr Gedanken, wie er den Besten Eindruck bei ihrem Vater hinterlassen konnte. Das war so ungerecht. Dabei hatte sie gehofft, dass wenigstens Faustus auf ihrer Seite war.
    Sabina schniefte und wischte sich über das tränennasse Gesicht. Sie hatte ihn mit ihren Tränen erweicht. Es war keine Absicht, sie hatte ihn nicht erpressen wollen. Die Tränen waren von ganz allein gekommen. Noch einmal schniefte sie. Tja, was wollte sie. Das er sie in Schutz nahm natürlich! Das würde sie ja auch machen. Doch leider hatte er recht, so einfach wie sie es sich vorstellte, war es dann aber auch nicht. Wieder sackten ihre Schultern ein bisschen herunter. „Lass mich nur hierbleiben!“ bat sie schließlich leise. „Und geh nicht zu meinem Vater! Ich will nicht nach Germanien. Wer weiß wann wir uns dann jemals wieder sehen würden.“ Ihr Blick war schon beinahe flehentlich.

    Sabina wusste, dass es nicht wirklich nett war, ihm auf diese Weise ein schlechtes Gewissen einzureden. Aber ihr blieb nichts anderes übrig. Sie wollte einfach nicht nach Germanien und einzig hier bei ihm würde man sie wohl nicht suchen und vermuten. Und wenn doch, Faustus würde sie niemals verraten! Ein bisschen war sie enttäuscht, als er sagte, er müsse einen guten Eindruck hinterlassen. „Nein, ich versteh dich nicht!“ gab sie eingeschnappt zurück. „Es ist dir also wichtiger was mein Vater von dir denkt, als das was ich von dir denke?“ Ob beabsichtigt oder nicht, sie wollte einfach nicht verstehen was er meinte. Sie fand es einfach nur ungerecht, dass er anscheinend auf der Seite ihres Vaters stand. Dann konnte sie ja gleich direkt sich freiwillig in eine Kutsche nach Germanien setzen, wenn nicht einmal ihr bester Freund ihr helfen wollte. Schmollend verschränkte sie die Arme vor der Brust. Schon wieder liefen ihr ein paar Tränen über die Wangen. Die ganze Welt hatte sich gegen sie verschworen. Mit gekränkter Miene sah sie ihn an. Warum nur musste er immer das Richtig tun? Sabina wollte nicht die Gründe warum man sie fort bringen wollte. Sie wollte eigentlich nur, dass er Verständnis hatte und ihr Schutz gewährte. Aber sie wurde bitter enttäuscht. Er redete nur davon, dass er ihrem Vater erzählen musste, wo sie war. Schließlich wollte sie ihm auch gar nicht mehr zuhören, stattdessen starrte sie nur frustriert eines der Mosaike an. Wann war Faustus so verdammt erwachsen geworden? Wo war ihr Freund der für jedes Abenteuer zu haben war. Plötzlich war er so erwachsen und vernünftig und wollte das Richtige tun. Vermutlich dachte er schon an seine politische Karriere und wollte gerade deshalb bei ihrem Vater Eindruck schinden.
    Da sie ihm nicht zuhörte, entging ihr auch die Bedeutung seiner letzten Worte. Sie starrte einfach nur finster einen Punkt an der Wand an und war beleidigt.

    Dass er unentschlossen war, konnte sie ihm ansehen und sie nutzt es für sich aus. Mit ihrem traurigen Blick zerbrach sie seinen Wiederstand. Ein schlechtes Gewissen würde sie deshalb nicht haben. Sie würde ihm auch helfen, wenn er in Not war. So war das unter Freunden!
    Sabina lächelte schwach, als er nachgab und gewillt war ihr Obdach zu gewähren. Doch ihr Lächeln verblasste direkt, als er eine Bedingung stellte. Warum nur musste er so verdammt anständig sein? Sie zog einen Schmollmund, als er ihr mit strenger Miene deutlich machte, dass sie sich nicht würde ewig bei ihm verstecken können. „Wenn ich nach Hause gehe, dann werden sie mich nach Germanien schicken! Willst du das?“ fragte sie ein wenig aufgebracht. Das war sicherlich nett, dass sie ihm auf diese Weise ein schlechtes Gewissen einredete und unter Druck setzte. Aber ihr war jedes Mittel recht um noch ein paar Tage mehr heraus zu schinden. „Vor meinem Vater musst du dich nicht fürchten …“, versicherte sie ihm dann eilig. „Er wird nur Böse auf mich sein …“ Und deshalb wollte sie erst recht nicht nach Haus zurück.

    Recht hatte sie! Auch ihm würde es nicht gefallen, wenn er einfach so fortgeschickt werden würde. Und er gab es zu. Sie kannte ihn eben sehr gut. Er konnte ihr nichts vormachen.
    Sabina sah ihm fest in die Augen. Sie wusste, dass sie ihn überrumpelte und auch überorderte. Aber er war ihr bester Freund! Er musste ihr helfen und konnte sie doch nicht einfach im Stich lassen, wenn sie seine Hilfe brauchte. Sie würde für ihn dasselbe tun. Ohne nachzudenken oder zu zweifeln. „Ich will nicht nach Hause und ich kann sonst nirgendwo hin! Calvena würde mich auch direkt nach Haus schicken und Albas Eltern ebenfalls! Bitte, Faustus! Ich will nicht zurück! Ich will nicht nach Germanien! Lass nicht zu, dass sie mich in die Provinz schicken! Dann sehen wir uns nämlich wieder ewig nicht!“ sagte sie leise bettelnd. Jetzt hätte sie wieder heulen können, doch diesmal versuchte sie die Tränen zurück zu drängen. Man sollte sie nicht für eine Heulsuse halten. „Bitteeee, Faustus!“

    „Würde es dir denn gefallen, nach Germanien geschickt zu werden?“ fragte sie ein wenig eingeschnappt. Als ob Milo Luftsprünge machen würde, wenn man ihn in die Provinz zu den Barbaren schickte. Ausgerechnet Germanien. Da gab es nur Wälder und stinkende Menschen.
    Wieder dauerte ein Weilchen bis sie sich beruhigt hatte. Das war einfach nur ein furchtbarer Tag. Noch schlimmer konnte es eigentlich kaum werden.
    „Ich bin fort gelaufen …“, gab sie leise zu. Ein wenig ängstlich sah sie Faustus an. Er würde sie doch hoffentlich nicht wieder zurück schicken. „Kann ich bei dir bleiben?“ fragte sie und sah ihn aus großen verweinten Augen bittend an. Sie wollte nicht wieder nach Haus. Da würde sie es einfach nicht aushalten können. Man würde sie wohl auch erst mal einsperren, weil sie einfach verschwunden war. Das würde noch jede Menge Ärger nach sich ziehen. Lieber wollte sie sich erst mal verstecken und Faustus würde sie nicht einfach so weg schicken. Hoffte sie wenigstens.

    Zitat

    Original von Faustus Helvetius Milo


    Kurz zeigte sich ein kleines erleichtertes Lächeln. Faustus glaubte ihr, dass es nicht ihre Absicht gewesen war zu lauschen. Weil sie dies getan hatte, hatte sie auch irgendwie ein schlechtes Gewissen, doch die Wut und der Kummer darüber, dass man sie nach Germanien schicken wollte, überwog. Schnell wurde ihre Miene wieder bedrückt und kurz drückte sie ihr Gesicht in ihre Arme. Das war einfach nur furchtbar ungerecht! Da hielt sie sich an all die dämlichen Regeln und gab sich alle Mühe auch mit Laevina auszukommen und dann wurde sie doch noch bestraft.
    Ganz schwach nickte sie. „Sie haben es fest abgemacht!“ Davon war sie überzeugt. Auch wenn sie sich nicht ganz so sicher war, dass es tatsächlich so gewesen war. Vieles hatte sie sich aus den Worten ihres Vaters und Serranas zusammen gereimt. Die Worte ließen aber auch keinen anderen Schluss zu. Sie sollte nach Germanien, an dieser Tatsache gab es nichts zu rütteln.
    „Das ist so ungerecht …“, schluchzte sie und brach wieder in Tränen aus.

    Sanft aber bestimmt wurde sie zu der Sitzgruppe geführt. Sie folgte der Berührung beinahe willenlos. Noch immer war sie gänzlich aufgelöst und einfach nur dankbar, dass sie bei Faustus ein offenes Ohr für ihren Kummer gefunden hatte. Sabina setzte sich in einen der Korbstühle, ihre Beine zog sie dabei an und betete den Kopf auf den Knien.
    Ganz leicht wiegte sie auf seine Frage hin den Kopf. Es war kein Ja und auch kein Nein. Sie wollte nicht zugeben, dass sie ihren Vater und Serrana belauscht hatte. Sabina hatte ja auch nicht absichtlich gelauscht, es war Zufall gewesen. „Nicht direkt …“, gab sie dann ein wenig Kleinlaut zu. „Ich hab gelauscht …“, fügte sie noch ein bisschen leiser hinzu, wieder schniefte sie und wischte die Nase an dem Ärmel ihrer Tunika ab. „Ich wollt nicht lauschen, ehrlich! Ich wollte mit Serrana reden und da hab ich mitbekommen, was die Beiden sagten“, erklärte sie dann eilig. Nicht dass ihr Freund nun einen falschen Eindruck von ihr hatte. Es war nicht ihre Art ihren Vater zu belauschen oder ein anderes Familienmitglied. Schließlich wollte sie ja auch nicht, dass man sie belauschte. Sie hasste es, dass Laevina ihr ständig hinter her spionierte und in ihren Sachen herum schnüffelte. Sie wusste dass die Großtante immer mal wieder ihre Sachen durchwühlte. Schließlich fiel es ihr auf, wenn etwas nicht an seinem abgestammten Platz lag. Aus diesem Grunde hatte sie ein sicheres Versteck für die Dinge die ihre Tante nicht sehen sollte.

    Faustus war einfach der Beste. Er stellte keine Fragen oder bedrängte sie. Stattdessen nahm er sie einfach in den Arm und tröstete sie. Sie hatte gut getan zu ihm zu laufen und sich hier verstecken zu wollen. Niemand würde sie hier vermuten und ihr Freund würde sie auch nicht verraten. Schluchzend drückte sie ihr Gesicht gegen seine Brust. Bei Faustus fühlte sie sich geborgen und sicher. Ein schönes Gefühl, weil sie ihm blind vertrauen konnte.
    Es dauerte eine Weile bis sie sich beruhigt hatte. Sie schniefte leise und wischte sich dann noch einmal mit dem Ärmel über das Gesicht. Aus rotgweinten Augen sah sie dann zu ihm auf. „Vater will mich nach Germanien schicken“, sagte sie mit belegter Stimme. Das war die Erklärung. Schlicht und einfach. Eine Tatsache die ihre Welt erschüttert hatte und sie dazu gebracht hatte einfach weg zu laufen. Um ihrem Vater zuvor zu kommen. Wenn sie weg war, dann konnte er sie nicht nach Germanien verschleppen! So einfach war das. Auch wenn ihr unüberlegtes Handeln wohl noch weitreiche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Doch so lange sie verschwunden blieb, würde sie auch keinen Ärger bekommen. Noch mal schniefte sie.

    Leise schniefte sie und noch einmal wischte sie sich über das Gesicht. Bestimmt sah sie furchtbar verheult aus. Doch Faustus würde sich daran nicht stören. Er würde Verständnis für sie haben. Ganz bestimmt! Nach kurzem Warten wurde sie hinein gebeten. Plötzlich fühlte sie sich unsicher. Auch weil es ihr ein bisschen peinlich war, dass sie ihren besten Freund so überfiel. Aber auf der anderen Seite wusste sie nicht wo sie sonst hin sollte. Schließlich gab sich Sabina einen kleinen Ruck und wagte sich hinein. Ein Bild des Jammers war sie, wie sie da vor ihm stand. Gegen ihren Willen liefen ihr auch direkt wieder Tränen über die Wange. Dabei war sie sonst keine solche Heulsuse.

    Die Aussicht auf einen Ausflug mit Faustus ohne lästige Begleitung versetzte sie direkt in Hochstimmung. Sie war fest davon überzeugt, ihren Vater überreden zu können. Schließlich würde ja Milos Tante, die sich augenblicklich nicht in Rom aufhielt, sie begleiten. Offiziell. Inoffiziell würde seine Tante zu dem Zeitpunkt gar nicht in Rom sein.
    Ein wenig trübte sich ihre gute Laune, weil ihr Freund sich nun verabschieden wollte. Eilig erhob sie sich, wusste sie doch, dass sie ihn wohl nicht aufhalten würde können. Kurzerhand umarmte sie ihn. „Komm recht bald wieder, sonst fällt mir noch die Decke auf den Kopf“, verabschiedete sie sich mit einem frechen Grinsen. „Und bring Bestia mit!“ rief sie ihm in Erinnerung, dass er ihr etwas versprochen hatte.

    Sabina war froh, als die Tür ihr geöffnet wurde und der Sklave dahinter keine Fragen stellte. Auch wenn er sie reichlich verwundert anschaute. Mühsam rang sie sich ein Lächeln ab. Es wirkte mehr gequält als dankbar. Für ein richtiges fröhliches Lächeln war sie viel zu niedergeschlagen.
    Eilig huschte sie an Wulfried hinein ins Haus. Eine Wegbeschreibung brauchte sie nicht. Oft war sie hier gewesen und kannte jedes Zimmer. Schließlich hatten sie und Faustus oft genug hier Verstecken gespielt. Diesmal würde sie sich hier auch wieder verstecken. Nur war es kein Spiel, sondern bitterer ernst. Schließlich war sie weg gelaufen. Weil ihre Stiefmutter sie nach Germanien verbannen wollte. In ihren Augen kam es jedenfalls einer Verbannung gleich. Es war dort kalt und dort lebten Barbaren. Ein raues abweisendes Land. Sabina hatte keinen Zweifel, Serrana war diejenige die aus Angst und Furcht Rom verlassen wollte.


    Kurz strich sie sich ihr Kleid glatt und wischte sich noch mal übers Gesicht, dann klopfte sie an. Milo würde sie nicht weg schicken. Ihr Freund würde sie in den Arm nehmen, trösten und ganz bestimmt bei sich aufnehmen. Faustus war ja schließlich der (inoffizielle) Hausherr.


    Sim-Off:

    Ach was, du störrst nicht ;)

    Vom Circus Flaminius zum Mons Esquilinus musste sie einmal quer durch Rom laufen. Es war Fluch und Segen zugleich, dass ihr bester Freund am anderen Ende der Stadt wohnte. Die Strecke erschien ihr unendlich weit, auch weil sie nicht langsamer wurde, sondern die ganze Zeit rannte. Aber man würde sie wohl kaum bei den Helvetiern vermuten. Wohl eher bei Alba, die ja nur in derselben Straße wohnte. Doch weil man sie eben als erstes bei ihrer Freundin vermutete, würde sie nicht bei dieser sich verstecken. Außerdem würden deren Eltern sie direkt nach hause schleifen. Schließlich waren die Germanica und die Novellia Nachbarn. Kein gutes Versteck.
    Bei Faustus hingegen würde sie sich sehr lange verstecken können. Milo würde sie niemals verraten und außerdem war er ganz allein in dem großen Wohnsitz der Helvetia. Die Gefahr dass jemand ihrem Vater verraten würde, wo sie war, war also gering. Außerdem würde Faustus sicherlich für ihre Lage Verständnis haben. Niemals würde er sie fortschicken.


    Sabinas Füße trommelten auf den Boden. Manchmal stolperte sie auch, denn ihre Sandalen waren für so einen schnellen Lauf wenig geeignet. Hübsch waren sie anzusehen, aber irgendwie nicht wirklich praktisch. Das ärgerte sie, wollte sie doch schnell ihr Ziel erreichen. Flink wich sie den ersten Morgenschwärmern aus. So mancher Sklave mit Handkarren warf ihr einen verdutzen Blick zu, wenn sie an ihm vorbei flitze. Es war eben sein sonderbarer Anblick. Ein so junges Mädchen das durch die Straßen rannte, als sei Cerberus persönlich hinter ihr her. Sabina war ja auch auf der Flucht.


    Ihre Flucht endete aber recht bald. Atemlos und aufgelöst erreichte sie die Casa Helvetia. Bevor sie anklopfen konnte, stützte sie erst einmal ihre Arme auf ihren Knien. Japsend schnappte sie nach Luft. Erst nachdem sie ein wenig zur Ruhe gekommen war, klopfte sie zögernd an. Plötzlich war sie sich nicht mehr so sicher, ob ihr Entschluss wegzulaufen so gut war. Doch Sabina war kein Hasenfuß der kurz vor dem Ziel einfach aufgab. Sie würde nicht wieder freiwillig zurück gehen!
    Sie schniefte, erst jetzt fiel ihr auf, dass sie schon wieder oder immer noch weinte. Eilig wischte sie sich mit dem Arm über das Gesicht. Besser wurde es dadurch nicht. Der Sklave der ihr öffnen würde, würde sie bestimmt seltsam anschauen.

    Schluchzend drückte sie das Gesicht in ihr Kissen. Das war so ungerecht. Warum nur, behandelte man sie wie ein kleines Kind ohne eigenen Willen. Wenn ihr Vater oder Laevina oder Serrana etwas beschloss, dann musste sie sich fügen. Aber diesmal nicht! Nach Germanien wollte sie nicht. Da kannte sie doch niemanden. Nur hier hatte sie ihre Freunde. Wieder schluchzte sie und drückte das tränennasse Gesicht ins Kissen.
    Doch was konnte sie schon machen? Man würde sie wohl zwingen und dann würde sie Germanien fest sitzen. Ein verwegener Gedanke schlich sich in ihren Kopf. Was wäre, wenn sie nicht da war … dann würde niemand sie zwingen können. Etwas erschrocken über ihren eigenen Übermut setzte sie sich auf und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. Einen Moment lang saß sie reglos da, während sie einen Entschluss fasste. Warum nicht einfach fort laufen? Wenn sie nicht da war, musste Serrana allein nach Germanien und sie konnte in Rom bleiben. Sabina wusste auch, bei wem sie sich verstecken konnte.
    Sie sprang auf, fest entschlossen diesem Plan Taten folgen zu lassen.


    Ich will nicht nach Germanien


    kritzelte sie auf ein schmales Stück Papyrus. Mehr nicht. Sollte ihr Vater sich doch den Kopf zerbrechen. Sie würde ganz bestimmt nicht so dumm sein und ihm einen Hinweis darauf geben, wo sie sich verstecken würde. Keine zehn Pferde würden sie nach Germanien bringen. Niemals! Kurz sah sie sich in ihrem Zimmer um, sollte sie etwas mitnehmen? Kleider oder ihre geliebte Puppe? Sabina entschied sich dagegen. Eilig schlüpfte sie in ihre Sandalen, dann schlich sie sich aus ihrem Zimmer. Sie kannte genug Verstecke wo sie sich verbergen konnte, wenn ein Sklave vorbei kam. Doch die Sklaven waren wohl alle anderweitig beschäftigt. Ungesehen kam sie die Treppe hinunter und in den Garten. Da sie wusste das Gundhraban sie nicht raus lassen würde, würde sie eben den Weg über die Mauer nehmen. Ein alter Baum stand nah genug, dass sie einfach hinüber klettern konnte. Dass sie sich die Schienbeine dabei aufschürfte bemerkte sie nicht. So schnell sie konnte, wollte sie das Haus verlassen. Damit niemand die Gelegenheit bekam sie gegen ihren Willen nach Germanien zu verschleppen.
    Sabina hatte einige Übung auf Bäume zu klettern. Diesen Weg aus dem haus wählte sie öfter, wenn sie ungesehen hinaus gelangen wollte. Schnell hatte sie die Mauerkrone erreicht, von da aus gab es nur einen Weg hinab: springen. Leichtfüßig landete sie auf der Straße, dann lief sie los.

    Leise huschte sie von ihrem Zimmer, zu dem gemeinsamen Cubiculum ihres Vaters und der Iunia. Serrana war bestimmt schon auf. Bestimmt würde sie auch nicht stören, auch wenn es noch ungewöhnlich früh war. Aber es war wichtig. Es konnte einfach nicht warten. Überrascht stellte sie fest, dass die Tür nicht verschlossen war. Sie stand einen kleinen Spalt offen und sie konnte Stimmen hören. Einmal ein tiefes Brummeln und dann hellerer sanfterer Tonfall.
    Kurz biss sie sich auf die Unterlippe. Unentschlossen ob sie bleiben sollte oder gehen. Unruhig trat sie von einem Bein aufs andere.
    Ihren Vater und seine Frau wollte sie nicht belauschen. Nicht nur, weil es sich nicht gehörte, sondern auch weil sie befürchtete, dass ihr Vater und Serrana mal wieder herum schmusten. Und dabei wollte sie ganz bestimmt nicht stören! Ein wenig konnte sie ja noch warten. Später würde Serrana bestimmt für sie Zeit haben. Gerade als sie beschlossen hatte zurück in ihr Zimmer zu gehen, da schwebte ein Wort zu ihr herüber, dass sie an Ort und Stelle stehen ließ. Germanien. Hinfort war das schlechte Gewissen, die Neugier war geweckt und sie wollte nun wissen, was da besprochen wurde. Ganz vorsichtig brachte sie ihr Ohr näher an den schmalen Spalt und hielt gespannt den Atem an. Rom verlassen, konnte sie ein paar Wortfetzen ihres Vaters aufschnappen. Das bedeutete doch nicht, was sie befürchtete? Dass man sie nach Germanien schickte, weil es nun etwas ungemütlich in Rom werden konnte. Aber das machte es doch spannend! Außerdem waren hier ihre Freunde. Sie wollte nicht fort. Das Herz schlug ihr bis zum Hals vor Aufregung und aufsteigender Wut. Wut darüber, dass man über ihren kopf hinweg entschied und ihr wohl keine Wahl lassen würde. Serrana und ihr Vater sagten noch mehr, doch das hörte sie nicht wirklich. Dafür spann sie sich ihre eigenen Gedanken zusammen und konnte sich sehr gut ausmalen, wie dieses Gespräch weiter ging. Bestimmt wollte Serrana unbedingt Rom verlassen! Die Iunia war ein verdammter Hasenfuß! Ein Feigling!
    Wieder biss sie sich auf die Unterlippe, diesmal um aufsteigende Tränen nieder zu kämpfen. Ganz bestimmt nicht würde sie ihre Stiefmutter in die Provinz begleiten. So lautlos wie sie gekommen war, huschte sie davon, zurück in ihr Zimmer, wo sie sich heulend auf ihr Bett warf.

    Als Sabina die Augen an diesem Morgen aufschlug, hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas anders war. Zumal dieses etwas sie geweckt hatte und so sehr sie sich auch bemühte, sie glitt nicht wieder hinüber in den Schlaf. Plötzlich war sie einfach hellwach. Selbst der Versuch zu ergründen was anders war, misslang. Die junge Germanica lag einfach hellwach in ihrem Bett. Mit einem Seufzen gab sie das grübelm und den Versuch wieder einzuschlafen auf. Da sie irgendwie auch nicht mehr im Bett liegen bleiben wollte, schwang sie die schlanken Beine aus dem Bett. Ihr Nachthemd zog sie sich über den Kopf und ließ es direkt an Ort und Stelle fallen. So früh am Morgen drohte noch keine Inspektion von Laevina. Die einzige Zeit des Tages in der sie nicht unter Beobachtung stand und tun und lassen konnte was sie wollte. Laevina ließ sich immer erst zum Frühstück blicken. Als Letzte natürlich, denn sie durfte sich ja solche Vorrechte heraus nehmen. Missmutig verzog Sabina das Gesicht. Einfach nur ungerecht, dass alle tun durften was sie wollten und sie sich immer an strenge Regeln halten musste. Ungerecht!
    Eilig kramte sie eine ihrer Lieblingstuniken, eine gelbe mit Borte, heraus und schlüpfte hinein. Kurz sah sie in den Spiegel und zog eine weitere Grimassen. Sie war flach wie nen Brett! Während ihre Freundin Alba bereits einen kleinen Busen hatte, sah sie noch aus wie nen Junge. Alba hatte ihr anvertraut dass es Tränke gäbe die das ändern würden. So wirklich geglaubt hatte sie es ihrer Freundin nicht. Schließlich hatte Serrana gemeint, das läge in der Natur der Dinge. Sie bräuchte ja nur Geduld haben. Kurz schnaubte sie durch die Nase. Ihre Stiefmutter hatte gut reden. Die konnte Kleider mit tiefem Ausschnitt tragen ohne das es albern und kindisch wirkte.
    Nach noch einem weiteren kritischen Blick in den Spiegel wandte sie sich davon ab und klaubte ihr Nachthemd vom Boden. Verwundert schaute sie das Stück Stoff in ihren Händen an. Da waren drei kleine Blutstropfen drauf. Dieser Anblick verwirrte sie. Sie Schüttelte das Hemd aus und wurde noch ein bisschen verwirrte. Sie würde es wissen, wenn sie ausgerechnet an dieser Stelle einen Kratzer hatte. Erst nach einem Moment dämmerte ihr, was dies bedeutete.
    Mit leisem Unbehagen dachte sie an das Gespräch über Bienchen und Blümchen mit ihrer Stiefmutter zurück. Das war ein ganz furchtbar peinliches Gespräch gewesen. Aber Serrana hatte ihr so einiges erklärt, auch was geschah, wenn sie tatsächlich und wirklich zur Frau wurde. „Oh“, formten ihre Lippen überrascht. Dann warf sie das Nachthemd achtlos wieder auf den Boden. Sabina kniete sich neben ihrem Bett hin und tastete darunter nach ihrer Schatzkiste. Eine Kiste voller Kinkerlitzchen: glitzernden Glasperlen, schön geformten Steinen und anderen Dingen die ihr am Herz lagen. Unter dem ganzen Krimskrams hatte Sabina das versteckt, was sie genau für diesen Moment dort aufbewahrt hatte. Ein kleines Stückchen Vlies.


    Einen Moment später huschte sie aus ihrem Zimmer, sie musste JETZT mit ihrer Stiefmutter reden.

    Leicht zog sie einen Schmollmund, als Milo Faustus mal wieder unbedingt die Stimme der Vernunft sein musste. „Das bisschen Ärger …“, winkte sie ab. Es machte ihr tatsächlich nicht viel aus, wenn sie sich mal wieder mit Laevina oder ihrem Vater überwarf. Das passierte ständig! Auch weil sie nicht einsah, dass für sie strenge galten und alle anderen tun durften, was sie wollten. Doch Milo wollte nichts davon hören und war vehement dagegen, dass sie ihren Vater die Unwahrheit erzählte. Sabina seufzte und gab damit klein bei. Seit wann war ihr Leben so kompliziert gewonnen? Das war einfach nur unfair. Ihre Miene hellte sich auf, als er ihr dann einen Vorschlag unterbreitete und auch eine Möglichkeit wie sich ihr Ausflug umsetzen lassen würde. Leicht legte sie den Kopf schief, dann grinste sie. „So machen wir es!“ rief sie begeistert aus und überlegte sich bereits, wie sie ihren Vater überzeugen konnte diesen Ausflug zu genehmigen.
    „Bestia wird es bei mir gut haben … überlass es mir … Vater und Serrana sind sicher froh, wenn jemand anderes einen Tag mal auf die Zwillinge aufpasst!“ grinste sie breit und recht zuversichtlich. Sie fand Gefallen daran ihre Geschwister gegen Bestia einzutauschen und sei es nur für einen Tag.

    Es wäre sicherlich ein schöner Ausflug, einen Tag in Ostia zu verbringen. Den aufmerksamen Blicken ihres Vaters, ihrer Tante und Serrana zu entkommen. Nur würde sie wohl nicht allein mit Milo diese kurze Reise unternehmen dürfen. Irgendwer würde sie begleiten müssen, nur um den Anstand zu wahren. Sie seufzte, aus dem abenteuerlustigen Funkeln in ihren Augen wurde eine leicht betrübte Miene. „Allein dürfte ich eh nicht …“, Sabina klang unzufrieden. Diese ganzen Regeln wie sie sich zu benehmen hatte nahmen ihr bei vielen Dingen den Spaß. Schließlich gab es eine Menge Dinge die eine junge Dame nicht tun durfte. Auf Bäume klettern, sich mit Jungs raufen, bei einem Weit-Spucken-Wettbewerb mitmachen und andere Dinge die total lustig waren. „Ich könnte auch einfach sagen ich bin einen Tag bei Alba …“, so schnell wollte sie dann diese Pläne doch nicht aufgeben. „Würde nicht auffallen, wenn ich einen Tag nicht da bin“, sie zeigte ein kesses Grinsen. Da war wieder dieses Funkeln in ihren Augen.
    „Ich würde Bestia doch niemals schlecht behandeln … hast du etwa Angst, dass er mich dann mehr mag wie dich? Ach komm schon, einen Tag mit meinen Geschwister und ich kümmere mich dann dafür um Bestia!“ versuchte sie ihn zu überreden. Schließlich mochte sie den Hund auch sehr. Sie hatten ihn ja gemeinsam gefunden. Nur hätte sie ihn nicht behalten dürfen. Ihr Vater wollte keine Hunde im Haus haben.

    „Zwerg, du hast mich vergessen“, beschwerte sich Sabina aus dem Hintergrund. Schließlich war sie schon fast eine Dame! Sabina mochte es ganz und gar nicht vergessen zu werden.
    Schnell war es aber vergessen, dass Vic sie nicht vorgestellt hatte. Stattdessen spitzte sie die Ohren. Bisher hatte sich Valerian leider etwas bedeckt gehalten mit einer Erklärung warum er denn ihre Großtante nach Hause begleitet hatte. Erst als ihr Vater dazu kam, erfuhr sie mehr. „Oho!“ machte sie mit einem Grinsen. Tante Laevina war also mitten in den Unruhen dabei gewesen. Sonst neigte doch nur sie selbst zu solchen waghalsigen Abenteuern. Sabina musste kichern. Diese Vorstellung fand sie irgendwie lustig. Wohl als einzige, denn ihr Vater sah nur wenig begeistert aus. Er hatte denselben Ausdruck auf dem Gesicht, wenn seine älteste Tochter etwas angestellt hatte.


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    Gundhraban Türsklave


    “Aha!” machte der Germane erst einmal nur. „Ein Bote“, fügte er trocken hinzu. Kurz kratzte er sich am Kopf. „Dann komm mal rein! Ich bring dich zum Senator“, brummte er schließlich und ließ den Sklaven ins Haus. Er führte den Mann direkt ins Arbeitszimmer.