Beiträge von Aulus Tiberius Ahala Tiberianus

    "Ach....." war der wenig beeindruckende erste Kommentar, der Ahala entrutschte, nachdem der Flavier schließlich sein Geheimnis gelüftet hatte. Pisos dramatische Gestik und Mimik machten deutlich, wie überaus wichtig und gehaltvoll er seine Nachricht fand, und daher bemühte Ahala sich nach kurzer Irritationsphase um einen der gebührend beeindruckenden Gesichtsausdruck, während er sich innerlich ausnahmsweise einmal sein Väterchen herbei wünschte. Aber das war weit weg und stiefelte gerade vermutlich über seine syrischen Ländereien. Eine mögliche Berufung zu den Vestalinnen, ja warum musste denn sowas ausgerechnet an ihm hängenbleiben, wo ihm diese Thematik wie auch Frömmigkeit im Allgemeinen doch so fern lagen wie der sprichwörtliche Sack Mehl in Cappadocia.
    "Das...ähm...ist wirklich beeindruckend, eine große Ehre, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll." brachte Ahala dann mit bemerkenswerter Aufrichtigkeit hervor. Jetzt sah ihn auch noch die Kleine an, als habe er (ausgerechnet...) die Antwort auf alle Fragen dieser Welt in petto...gnaaaa...."Weißt du, Caerellia, falls du wirklich ausgewählt werden solltest, dann wärst du eine der wichtigsten Frauen in Rom. Jeder würde dir dann den höchsten Respekt entgegen bringen und auf alles hören was du sagst." Puh, was ein Schmuh...Ahala machte ein Päuschen, um sich ein paar weitere warme und hoffentlich kinderfreundliche Worte zurecht zu legen, als seine junge Verwandte Faustina plötzlich das Atrium betrat. Aus den unterschiedlichsten Gründen hatte sich bislang noch nie die Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihr ergeben, trotzdem freute der Tiberius sich, als er Faustinas blonden Haarschopf erkannte. Eine Frau, hervorragend! Ein wenig ungebremst emotionale weibliche Begeisterung ob der flavischen Neuigkeiten würde sich jetzt sicher gut machen. "Du störst überhaupt nicht, liebe Faustina, komm doch bitte zu uns. Stell dir vor, Flavius Piso hier hat uns gerade eröffnet, dass unsere Caerellia realistische Chancen hat, zur Vestalin ausgewählt zu werden."

    Hätte er auch nur ansatzweise geahnt, dass es bei dem Zusammentreffen im Atrium um "sensible Gespräche" ging, dann hätte Ahala garantiert einen riesigen Bogen um eben dieses gemacht, denn derartige Dinge waren nun so gar nicht seins.
    Dummerweise war der Sohn des Hauses jedoch nicht nur gänzlich ahnungslos sondern auch noch einigermaßen verkatert und schlurfte daher entspannt und alles andere als dynamisch auf seinem Weg ins hauseigene Balneum ins Atrium. Beinahe wäre er am Eingang in ein junges Mädchen, der Kleidung nach zu urteilen eine der Sklavinnen, hineingelaufen. Hübsche kleine Schnecke, komisch, dass ihm die bislang noch gar nicht aufgefallen war...
    Ahala bedachte die Dunkelhaarige mit einem fröhlichen und bereits etwas wacheren Grinsen, wurde dann jedoch durch den Aufmarsch im Atrium abgelenkt. Das kleine Mädchen hatte er, Verwandschaft hin oder her, bislang nur flüchtig hin und wieder zu Gesicht bekommen, was ihm nicht unlieb war, denn auch Kinder waren nicht wirklich seins. Stellte sich nur die Frage, was der ebenfalls anwesende Flavier von der Kleinen wollte, für eine Heirat war diese ja nun wirklich noch ein wenig zu jung, und hatte der Flavier nicht vor kurzem erst die höchst appetitliche Aurelia Prisca geehelicht?
    Ahala wollte gerade in seiner Stellvertreterfunktion als Hausherr ein paar warme Begrüßungsworte an den Gast loswerden, als er mit einem Ohr noch die Bemerkung eines männlichen Sklaven mitbekam, der sich ebenfalls im Atrium herumlümmelte. Eigentlich war er ja ein umgänglicher und nicht von allzu vielen Standesdünkeln beleckter Mensch, aber dass ihn das Hauspersonal einfach weglog, stieß ihm nun doch sauer auf.


    "Ach, ich bin nicht im Haus? Das ist aber schade. Dann würde ich vorschlagen, dass du dich auf den Weg in die Stadt machst und mich suchen gehst, damit ich unseren Gast gebührend in Empfang nehmen kann. Und tauch bloß nicht wieder hier auf, bevor du mich nicht gefunden hast."


    Ahala machte eine auffordernde Kopfbewegung zum Ausgang hin und wandte sich dann dem Flavius und seiner jungen Verwandten zu.


    "Salve, Flavius Piso und willkommen in der Villa Tiberia. Nimm doch bitte Platz. Darf ich erfahren, was uns das Vergnügen deines Besuches verschafft?"

    Nun, so wie die Dinge lagen, führte wohl kein Weg an einer baldigen Kandidatur und einem deutlichen Anstieg an Arbeit und sonstigen Mühen vorbei...Und damit nicht genug: sollte Ahala tatsächlich gewählt werden, dann würde es auch wesentlich mühsamer werden, ungestört seinen bevorzugten meist nächtlichen Freizeitaktivitäten nachzugehen. Ahala unterdrückte einen selbstmitleidigen Seufzer,raffte dann jedoch alle Entschlossenheit und Selbstdiziplin zusammen. Raus kam er aus dieser Nummer nun eh nicht mehr, ohne es sich mit seinem Senior dauerhaft zu verderben, also machte er halt das Beste draus. Schließlich hatten es, nach allem was man so hörte, schon ganz andere Blindgänger in die Politik geschafft, warum sollte es also ausgerechnet ihm nicht gelingen?


    "Oja, wenn einer jedem in dieser Stadt ebenbürtig ist, dann wohl Vater." stimmte er dem Purgitius aus voller Überzeugung und frei von jeder Ironie zu. Denn auch wenn Ahalas alter Herr in seinen Augen ein pedantischer, humorfreier und staubtrockener alter Knochen war, so musste der Iunior doch neidlos anerkennen, dass dieser Knochen sich bislang verdammt erfolgreich durch die Niederungen der römischen Politik gebissen hatte, und davon konnte man tatsächlich eine Menge lernen.


    "Senator Corvinus ist ja leider verstorben, bevor mein Tirocinium fori offiziell beendet war, auch wenn nur noch wenige Wochen gefehlt hätten. Glaubst du, dass das in den Augen der Öffentlichkeit eventuell ein Problem werden könnte?"

    Dankbar ließ sich Ahala auf dem angebotenen Platz nieder und schnaufte innerlich erst einmal durch. Seiner sonstigen Entspanntheit zum Trotz war er tatsächlich ein wenig nervös und umso erleichterter, dass der Consul einen recht umgänglichen Eindruck machte, was ihm die Entscheidung erleichterter, diesem gegenüber so offen und ehrlich wie möglich zu sein.


    "Nun, wie du dir vermutlich denken kannst, wünscht sich mein Vater, dass ich in seine politischen Fußstapfen trete. Ich möchte ihm diesen Wunsch auch wirklich gern erfüllen, allerdings sind sie für einen auf diesem Gebiet bislang so gut wie unerfahrenen Mann wie mich doch über alle Maßen groß. Mein leiblicher Vater, Tiberius Celus, hat es vor seinem Tod bis zum Quästor gebracht, und ehrlich gesagt, wäre ich schon sehr froh, wenn ich es soweit bringen würde. Vater hat mir geraten, bei einer der nächsten Wahlen für das Amt des Vigintivir Litibus Iucandis zu kandidieren. Würdest du mir das auch empfehlen? Bislang beschränken sich meine politischen Erfahrungen ja auf ein Tirocinium fori beim ehrenwerten Senator aber leider verstorbenen Aurelius Corvinus."


    An dieser Stelle machte Ahala erst einmal ein Päuschen und sah Purgitius Macer abwartend an. Vielleicht schickte dieser ihn ja direkt wieder heim und befreite ihn damit vor weitergehenden Verpflichtungen und Anstrengungen. Der alte Durus würde eine derartige Entwicklung allerdings vermutlich nur wenig witzig finden, und ein aufrichtig und dauerhaft verärgerter Senior war noch weniger reizvoll als ein dauerhafter Anstieg von Ahalas (bislang zugegebenermaßen kaum existenten) Arbeitspensum.

    Es war ein elend langer und ebenso langweiliger Tag gewesen, der schließlich sogar Ahalas recht konstant gut gelauntes Gemüt angenagt hatte. Seit der alte Durus beschlossen hatte, dass es nun endlich an der Zeit für seinen Filius war, die Bühne der römischen Politik zu betreten, wurde es für diesen zunehmend schwieriger, sich zumindest ab und an unbemerkt oder mit einer guten Ausrede versehen aus der Villa Tiberia abzusetzen. Statt den lieben langen Tag in den Thermen bei Sport und sonstigen Annehmlichkeiten zu verbringen, plante Ahala jetzt brav seine Antrittsbesuche bei römischen Honorationen, die ebenso hochwichtig wie sein Vater, und vermutlich auch ähnlich alt und ebenso wenig unterhaltsam waren, zumindest wenn es nach Ahalas Maßstäben ging.
    Wobei man Durus strenggenommen eigentlich einen recht hohen Unterhaltungsgrad zugestehen musste, welcher junge Römer aus gutem Hause konnte schließlich einen Senior sein eigen nennen, der den gewaltsamen Umsturz des Praefectus Urbi plante, und das in aller Seelenruhe?
    Und das war auch der Grund, warum sich der doch leicht schockierte Iunior am heutigen Abend allen guten Vorsätzen zum Trotz endlich mal wieder einen Ausflug nach seinen Vorstellungen gegönnt und sich auf den Weg in eine günstig gelegene Taverne gemacht hatte, die er von früheren Unternehmungen noch in allerbester Erinnerung hatte. Miefige Luft und miefige Gäste, billiger Wein und in den meisten Fällen ebenso preisgünstige Damen, und das Beste überhaupt: Würfel!
    Ahala hatte den schmuddeligen Schankraum kaum betreten, da stieg seine Laune nach einer gefühlten Ewigkeit wieder steil nach oben. Mit einem breiten Grinsen und deutlich beschwingter als während seiner Pflichtübungen einige Stunden zuvor näherte er sich den bereits gut besetzten Tischen. Spätestens jetzt war aus Aulus Tiberius Ahala Tiberianus der Weinhändler Sparsus geworden, ein Pseudonym, das der Tiberier in der letzten Zeit recht gern bemühte, als eine kleine Hommage an seinen größten Gläubiger daheim in Syracusae, der vermutlich nach wie vor nicht allzu gut auf ihn zu sprechen war.
    Ahala ließ seinen Blick über die anwesenden Gäste schweifen, und sein Grinsen wurde noch ein wenig breiter, als er ein bekanntes Gesicht entdeckte.


    "Raghnall, altes Haus! Bist du schon wieder pleite, oder geht noch was? Ich kann doch sicher noch einsteigen, oder?" Ohne eine Antwort der übrigen Männer abzuwarten, versetzte Ahala dem Gallier, den er von einigen früheren durchzechten und vor allem durchspielten Nächten kannte, einen jovialen Schlag auf den Rücken und ließ sich ohne viel Federlesens auf einem Schemel neben diesem nieder. Er liebte diesen Moment, in dem noch alles vor ihm lag, der Weinkelch und die Geldbörse voll, der Kopf noch klar, und der restliche Körper von einer unterschwelligen Spannung erfüllt, die sich im Laufe der Nacht noch um einiges erhöhen würde.

    Als die Tür sich öffnete, war Ahala versucht, dem leicht derrangiert wirkenden Sklaven die Kombination aus langen warmen Bädern und einem ausgiebigen Sportprogramm ans Herz zu legen, die sich bei ihm selbst und seinem körperlichen Wohlbefinden immer wieder aufs Neue sehr bewährte. Da ihm dann jedoch noch gerad rechtzeitig einfiel, dass einem Türsklaven vermutlich deutlich weniger Freizeit zur Verfügung stand als ihm selbst, hielt Ahala lieber die Klappe und beschränkte sich auf ein freundliches Grinsen.


    "Salve. Ich bin Aulus Tiberius Ahala Tiberianus, der Sohn des ehrenwerten Consuls Tiberius Durus und würde gern beim ebenso ehrenwerten Vinicius Hungaricus vorsprechen. Er ist der Patron meines Vaters, und ich möchte mich ihm vorstellen."

    Ahala folgte dem Türsklaven von der Porta zum Tablinum und ging mit einem Lächeln auf den amtierenden Consuln zu.


    "Salve, Purgitius. Ich danke dir sehr, dass du mich bei all deinen sonstigen Verpflichtungen so kurzfristig empfängst." Dass einer der drei wichtigsten Männer in Rom derart unwichtiges Kroppzeug wie ihn empfing, war tatsächlich alles andere als selbstverständlich, auch wenn es bei der Terminabsprache vermutlich nicht geschadetet hatte, dass Ahala zumindest auf dem Adoptivweg auch von einem Consul und einem Verwandten von der Ehefrau des Purgitius abstammte.
    "Wenn es dir recht ist, und du ein wenig Zeit hast, würde ich dich gern in ein oder zwei Dingen um deinen Rat bitten."

    Ahala, der Zeit seines Lebens von Berührungsängsten jeglicher Art in Bezug auf gesellschaftlich unter ihm stehende Menschen frei gewesen war, grinste den Türhüter freundlich an.


    "Salve, ich bin Aulus Tiberius Ahala Tiberianus und habe einen Termin mit Consul Purgitius Macer."

    Kaum war sein Senior zu seiner Stippvisite nach Syria aufgebrochen, machte sich Ahala seinerseits gestriegelt und gespornt auf den Weg zur Villa Vinicia, um beim Patron seines Vaters vorstellig zu werden.
    Natürlich war der Versuchung groß gewesen, die auf Wochen vermutlich sturmfreie Bude auf andere Weise aktiv zu würdigen, aber Durus hatte doch recht deutlich gemacht, wieviel ihm daran lag, dass sein Sohn sich um den selben Patron bemühte, dessen Klient auch er selbst war. Und da es die nicht zu unterschätzende Gefahr gab, dass Ahala diesen Programmpunkt über der Vielfalt der diversen Ablenkungen dieser Stadt irgendwann aus den Augen verlor, hatte er sich entschlossen aktiv zu werden, bevor ihn sein Gedächtnis eventuell im Stich ließ. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er pünktlich zur Salutatio eingetroffen war, hob er die Hand und klopfte an die Porta.

    Zwei Tage nach den Saturnalia, auf denen Ahala einen ersten artigen SmallTalk mit dem Ehemann seiner Verwandten Albina gehalten hatte, fand er sich wie besprochen an dessen Casa zum Gesprächstermin ein. Ein wenig nervös war der sonst doch meist recht entspannte Tiberius schon, denn auch wenn Purgitius Macer ein Freund seines Vaters war und darüber hinaus einen recht umgänglichen Eindruck machte, so war er doch immerhin der amtierende Konsul und damit, neben dem allseits so geschätzten Praefectus Urbi, der zur Zeit wichtigste Mann in Rom.
    Ahala räusperte sich kurz, zupfte ein wenig an seiner tadellos sitzenden Toga herum und klopfte dann kurz entschlossen an die Porta.

    Und wieder galt es, nicht allzu viel Begeisterung anlässlich der letzten väterlichen Bemerkung durchscheinen zu lassen. Ahala beschränkte sich daher auf ein kryptisches Brummen und behielt seine entspannte Miene bei, obwohl in seinem Innern jetzt allmählich ein Kampf zwischen seinem gut ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb und dem Teil seines Wesens entbrannte, der in der geplanten väterlichen Verschwörung so etwas wie ein Spiel sah. Ein verdammt gefährliches Spiel, ja, aber nichtsdestotrotz ein Spiel, das gerade aufgrund seines völlig offenen Endes noch einiges mehr an Reiz gewann. Und hatte Ahala erst einmal Blut geleckt, dann schreckte ihn erfahrungsgemäß auch ein überhaus hoher Einsatz nicht mehr ab, ganz im Gegenteil...
    Als wolle er diese Gedanken auf diese Weise schnell wieder wegwischen, fuhr sich der junge Tiberius ein paar mal energisch durch die Haare und nickte seinem Vater dann zu. "Bitte gib mir Bescheid, wenn das Ganze konkretere Formen annimmt und du meine Hilfe brauchst. Wenn es dir recht ist, werde ich mich jetzt zurückziehen und ein wenig für meine Studien tun." Mann oh Mann, heute nacht würde es aber ein verdammt großer Krug Wein werden müssen...

    "Mir? Oh, danke der Nachfrage, mir geht es gut." antwortete Ahala fröhlich und durchaus wahrheitsgemäß. Sicherlich wären ihm persönlich andere Dinge eher in den Sinn gekommen, als sich mit Feuereifer in den Aufbau einer politischen Karriere zu stürzen, aber davon einmal abgesehen ging es im prima. Er führte ein wesentlich luxuriöseres Leben als daheim in Sicilia, hatte mehr Geld zur Verfügung als er verspielen konnte, und die Ansprüche seines Adoptiv-Vaters waren bis dato auch nicht unerfüllbar gewesen. Ganz abgesehen davon, dass vor allem das nächtliche Rom Dinge zu bieten hatte, von denen man in Syracusae vermutlich noch nie gehört hatte, und die Ahala gern und oft für sich in Anspruch nahm.
    "Ich kann mich wirklich nicht beklagen." folgte daher auch gleich die nächste zutreffende Aussage. "Vater hat sich mir gegenüber in vielen Belangen bislang sehr großzügig gezeigt, und vielleicht gelingt es mir ja, ihm von jetzt an ein wenig zurück zu geben." Natürlich war es illusorisch, in die riesigen Fußstapfen eines Tiberius Durus treten zu wollen, aber irgendwo würde sich sicher auch ein passendes Einstiegsloch für einen Tiberius Ahala finden lassen! "Hast du vor deiner Ehe eigentlich auch hier in der Villa Tiberia gelebt?" hakte dieser jetzt nach und sein Blick ging zwischen Albina und deren Gatten hin und her. Eigentlich wusste er doch nach wie vor recht wenig über den römischen Teil seiner Familie, wie ihm gerade mal wieder bewusst wurde.

    "Aber gewiss doch, das versteht sich ja von selbst." kommentierte Ahala gleich zwei väterliche Anmerkungen auf einen Streich, musste sich jedoch ziemlich anstrengen, sich seine Erleichterung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Wenn er in irgendetwas von Natur aus gut war, dann darin, Stillschweigen über Dinge zu wahren, die der Rest der Welt nicht wirklich wissen musste. Und unauffällige Botengänge dürften auch kein wirkliches Problem sein, schließlich verfügte er ja über einen schier unerschöpflichen Fundus an unauffälliger Tarnkleidung für seine diversen Ausflüge in die Niederungen der römischen Gesellschaft...der umbrische Gemüsehändler würde sich da sicher anbieten oder auch der Färber vom Trans Tiberim....
    "Ein wenig Vorlaufzeit werden wir zur Planung ja sicher noch zur Verfügung haben, oder?" hakte er schließlich nach, im Hinterkopf nach wie vor die zwar kleiner werdende aber noch längst nicht verschwundene Hoffnung, die Pläne seines Adoptiv-Vaters würden sich in Wohlgefallen auflösen, bevor es wirklich ernst für sie alle wurde.

    "Fein, ich werde da sein." antortete Ahala erfreut, da sich dieser erste Schritt ohne allzuviel Aufwand hatte machen lassen und nickte dem Konsul zu, bevor er die noch hinzu kommende Arvinia begrüßte. Dass sein Vater diese sowie den Claudier sofort zur Seite bat, ließ im Hinterkopf des jungen Tiberiers leise aber unüberhörbar eine kleine Alarmzeichen ertönen. Ein Junggeselle und eine ebenfalls unverheiratete junge Frau im Einzelgespräch, das versprach nichts gutes, und Ahala sah sich instinktiv im Raum nach potentiell gefährlichen Kandidatinnen für seine eigene Person um. Erst als er ganz sicher war, dass keine geeignete Dame anwesend war, ließ er einen leisen Seufzer der Erleichterung hören und griff nach einem neuen Weinkelch. Zumindest für heute schien er mal wieder davon gekommen zu sein, es galt also, den Rest des Tages so gut und erfreulich wie möglich zu verbringen, schließlich standen Arbeit und Langeweile schon gestiefelt und gespornt vor der Eingangstür!

    "Mach dir mal nicht zu viele Gedanken, Vater. Der Zustand eines Beins könnte niemals so schlecht werden, dass er deine sonstigen Verdienste in irgend einer Weise trüben könnte." fiel Ahala ein, der sich bislang bei der Unterhaltung seines Adoptivvaters mit seiner Verwandten und deren Ehemann höflich im Hintergrund gehalten hatte. Ein wenig Schmeichelei war natürlich schon dabei, aber auch wenn Durus gänzlich andere Vorstellungen und Ideale hegte als er selbst, so hatte Ahala doch durchaus Respekt vor dessen scheinbar unermüdlichen Energie und Selbstdisziplin. "Es freut mich, dich wieder einmal zu sehen, liebe Albina, in den letzten Monaten hat sich ja leider viel zu selten die Gelegenheit dazu ergeben." sagte er mit einer kleinen galanten Verbeugung an die Gattin des Konsuls gerichtet und wandte sich dann ebendiesem zu. "Entschuldige bitte, dass ich mich so einfach in euer Gespräch einmische, werter Purgitius, aber wäre es dir recht, wenn ich dich in den nächsten Tagen einmal in deinem Haus aufsuchen würde? Ich denke nämlich, dass es an der Zeit ist, bei den nächsten Wahlen allmählich in die Fußstapfen meines Vaters zu treten und auch ein paar politische Erfahrungen zu sammeln."

    Ahala hatte sich von den bisherigen knapp über zwanzig Jahren seines Lebens bisher maximal einige Minuten gedanklich mit den Geboten der Mos Maiorum bewusst auseinander gesetzt und beobachtete daher mit einiger Faszination, wie sein Adoptiv-Vater auf dieses Thema einstieg. Leuchtende Augen, unübersehbaren Pathos und Leidenschaft in Stimme und Körperhaltung, in diesem Moment war von dem doch bereits etwas angeschlagenen und leicht übergewichtigen älteren Herrn kaum noch etwas zu sehen. Bei dem jungen Tiberius hatte bislang eher die Aussicht auf Dinge wie eine vielversprechende Würfelpartie, eine attraktive Frau oder ein ausführliches Gelage in netter Gesellschaft eine derartige Reaktion auslösen können, aber vielleicht verschoben sich die Prioritäten ja unausweichlich mit wachsendem Alter und nachlassenden körperlichen Fähigkeiten.... Ein Grund mehr, jetzt und hier die Jugend und das tadellose Funktionieren aller Körperfunktionen so gut wie möglich zu genießen und ebenso ein Grund, alles dafür zu tun, den gegenwärtig doch sehr gemütlichen und luxuriösen Lebensstandard gut abzusichern und nicht gegen ein unrühmliches Ende am Fuß eines Felsens oder im besten Fall auf einer abgelegenen kleinen Insel einzutauschen. Und da sein Senior ganz offensichtlich nicht von seinem Vorhaben abzubringen war, würde Ahala wohl nichts anderes übrig bleiben als so gut wie möglich zu dessen Gelingen beizutragen, denn sonst würde das süße Leben schon nur zu bald endgültig vorbei sein... Und wie immer, wenn es um etwas Verbotenes ging, begann sich nun auch das altbekannte Kribbeln bemerkbar zu machen, mit dem sich die Spielernatur des jungen Tiberius schon häufiger zu Erkennen gegeben hatte.


    "Nun, du mit deinen langjährigen Erfahrungen wirst das zweifellos besser beurteilen können als ich." sagte Ahala schnell, um Durus nicht noch mehr Wasser auf seine frenetische Altherrenmühle zu schütten und sich weitere Vorträge über die Mos Maiorum anhören zu müssen, wo man doch besser zu praktischen Erwägungen übergehen konnte. "Die Frage, die mich jetzt in erster Linie bewegt, ist, was ich konkret machen kann, um deine Sache zu unterstützen."

    Mist, verdammter! Er hatte zwar im Grunde selbst nichts anderes erwartet, trotzdem hatte die Aussicht, jetzt einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, in diesem Augenblick etwas ausgesprochen reizvolles, zumindest in Ahalas Augen. Durus hingegen wirkte ungemein entspannt angesichts seiner umstürzlerischen Pläne, derart entspannt, dass er sich von seinem Sekretär irgendeinen langweiligen Kram vorlesen ließ, von dem er vermutlich noch entspannter wurde! Unglaublich, und da hatte der junge Tiberier immer vermutet, er selbst sei abgezockt, aber gegen den Alten war er ja der reinste Waisenknabe. Ob die Aussicht, ihren Sohn durch ihr Handeln geradewegs in den Mittelpunkt einer Staatsverschwörung auf höchster Ebene zu schieben, seine Mutter damals wohl von ihrem Bettelbrief an seinen jetzigen Adoptiv-Vater abgehalten hätte? Vermutlich kaum, denn Tiberius Durus hätte sich vermutlich durch das komplette Atrium Vestae schänden und metzeln müssen, um in den Augen der Servilia Caesonina seinen gottgleichen Status einzubüßen... Fein, seine Mutter hatte ihren Willen bekommen, und er musste jetzt sehen, wie er aus der Nummer mit halbwegs heiler Haut wieder herauskam. Ansonsten würde er im schlimmsten Fall demnächst von dem selben Felsen geworfen, von dem sein früherer Saufkumpan Archias vor einiger Zeit gehüpft war, und so hatte er sich seine Zukunft in Rom nun beim besten Willen nicht vorgestellt. Stress, schön und gut, aber das doch nun wirklich nicht!


    "Nun, ähm..." Ahala räusperte sich erneut und rang innerlich nach den richtigen Worten. "Du kannst dich natürlich auf mich verlassen, auch wenn meine Möglichkeiten natürlich verschwindend gering sind." Hübsche Formulierung, nur leider gänzlich ungeeignet zum Herauswinden aus der Zwickmühle, wie Ahala schnell bemerkte. "Ich frag mich nur, ob es nicht vielleicht auch Mittel und Wege gibt, um die derzeitigen Probleme auf eine etwas weniger..ähm...sagen wir radikale Weise zu lösen. Immerhin warst du vor nicht allzu langer Zeit Consul, und dein Einfluss in Rom ist nach wie vor immens."

    Ahala hatte keine Ahnung, aus welchem Werk der Sklave seines Vaters gerade vortrug, aber die Worte klangen derart langweilig, dass sie vielleicht sogar seine so ungewohnt angespannten Nerven ein wenig einschläfern konnten. Er ließ sich etwas steifbeinig neben seinem Senior auf dem angebotenen Platz nieder und räusperte sich dann vernehmlich.


    "Nun, ähm...ich will dich wirklich nicht lange aufhalten, es ist nur...Ich denke schon seit einiger Zeit über diese Cena nach, zu der vor ein paar Tagen all diese Senatoren geladen waren. Öhm...vergib mir, wenn ich so direkt nachhake, aber hast du ernst gemeint, was du an dem Abend vorgeschlagen hast?" Eigentlich war er ja schon auf das Schlimmste gefasst, aber noch bestand ja die winzige Hoffnung, dass Durus ih mit einem Schenkelklopfen und einem Lachen über einen Scherz oder ein schlichtes Missverständnis aufklären würde...

    Kurz nach erfolgreicher Beendigung des Opfers fand sich schließlich auch Ahala bei den Feierlichkeiten ein. Komische Sache, im väterlichen Haushalt mit der üblichen Freizeit-ich gehör zum einfachen Volk-Tarn-Tunika herumzulaufen, aber an den Saturnalia war ohnehin nichts wie sonst. Der junge Tiberius streifte bestens gelaunt durch die bereits anwesenden Gäste und auch wenn viele der anwesenden Frauen ausgesprochen nett anzusehen waren, konnte doch keine seine Aufmerksamkeit gleich derart auf sich ziehen wie der Tisch mit den würfelnden Sklaven. Ahala warf einen sehnsüchtigen Blick hinüber zu der lärmenden und lachenden Runde, einen zweiten hin zu seinem deutlich weniger lärmenden und auch nicht wirklich lachenden Adoptiv-Vater und seufzte leise in sich hinein. Nein, sicher war sicher, seiner Lieblingsbeschäftigung konnte er sich immer noch später und an einem weniger beobachteten Platz hingeben. "Io Saturnalia!" posaunte er schließlich heraus, nachdem er bei Durus und dessen aktuellen Gesprächspartnern angekommen war. Ah, das waren doch der amtierende Konsul und seine Gattin, eine Tiberia, die Ahala zum letzten Mal auf der Beerdigung seines hochdotierten aber nichtsdestotrotz unbekannten Verwandten Vitamalacus gesehen hatte. Vergnügt grinste er einmal in die Runde und griff dann erstmal zu einem Becher Wein.

    Einige Tage nach der denkwürdigen Cena, die Ahala einen nicht unbeträchtlichen Teil seines normalerweise kaum zu erschütternden Seelenfriedens und ebenso etliche Stunden seiner ohnehin meist nur knapp bemessenen Nachtruhe geraubt hatte, raffte dieser sich schließlich dazu auf, seinen Senior endlich auf diese mehr als heikle Sache anzusprechen. Wer hätte gedacht, dass sein alter Herr offenbar noch umtriebiger war als er selbst, wenn auch auf ganz andere und sicherlich bei weitem gefährlichere Weise? Aber wer wusste es schon: vielleicht war dem guten alten Durus an besagtem Abend ja auch nur eins der gefüllten Eier schlecht bekommen und kurzfristig aufs Gemüt geschlagen, und er hatte seine Überlegungen längst wieder ad acta gelegt.


    "Salve, Vater, hättest du eventuell einen Augenblick Zeit für mich?" fragte Ahala, nachdem er am Zugang zur Exedra stehen geblieben war, vielleicht sogar in der Hoffnung, dass Durus ihn wieder fort schicken würde.