Abermals schenkte Narcissa ihrer Schwester ein leises Lächeln. Sie beschrieb sie absolut zutreffend. Aber eines ließ sie nicht zu: „Du wirst nicht den Kopf allein hinhalten, Flora! Das kommt gar nicht in Frage! Mit-gehangen, mit-gefangen!“
Sein Körper neben ihr war warm. Irritiert nahm die junge Aurelia die Erkenntnis wahr, die unvermittelt in ihr Bewusstsein einsickerte. Er wollte was nicht? Hier sein? Zum Spielball dreier unternehmungslustiger Patrizerinnen werden? Ein leises schlechtes Gewissen beschlich sie, das nur noch zunahm, als sie bemerkte, wie sie auch den Duft seines Körpers schlagartig wahrnahm. >Du wirst Vestalin,wenn alles nach Plan läuft, Mädchen!< rief sie sich zur Ordnung und schrieb diese eigentümlichen, sehr intensiven und dadurch besonderen Eindrücke dem Umstand ihrer eigenen Erfahrungslosigkeit zu.
Ein Lächeln grüner Augen, ein Nicken, dann ergab sie sich vertrauensvoll in seine Obhut. Er brachte die Tiere dazu anzulaufen, er ermutigte sie und auf einmal zogen sie wie von einer Wespe gestochen an und brachten den Grund unter bebenden Hufen zum Vibrieren. Staub wallte um sie auf, verfing sich in ihren Haaren. Narcissa spürte den Fahrtwind in ihrem Gesicht, auf ihrer Haut. Zuerst war es ungewohnt, viel schneller als auf einem einzelnen galoppierenden Pferd; Es brachte ihr Herz dazu wie verrückt gegen sein Gefängnis aus Rippen zu schlagen. Die erste Wende. Da war sie, die Freiheit. In einer langen Bahn lag sie verheißungsvoll vor ihnen.
Aretas ließ sie für die Dauer eines Atemzuges los – verwirrt, ihres Haltes auf einmal beraubt, sah sie zu ihm empor -, aber nur, um sich unmittelbar hinter sie zu stellen. Da war sie wieder, die Wärme, jetzt noch intensiver. Er wies sie an, sich an den Zügeln festzuhalten, sie tat es indem sie kurz vor seinen Fingern nach dem Leder griff und ihn dabei gerade noch so streifte. Dann war scheinbar alles um ihn herum geschehen, er wurde als Fahrer eins mit den Tieren, die an seiner Leine liefen und Narcissa ließ sich von seiner Begeisterung anstecken, dem Fahrwind, dem wirbelnden Staub, die Marken, die an ihr vorbeirauschten. „Das ist großartig!“, stimmte sie lachend gegen den Wind an, ob er es nun hörte oder nicht und strahlte mit der Sonne am Himmel um die Wette.
Der Wagen absolvierte die zweite Runde und die Pferde kamen halb steigend zum Stehen. Ziemlich zerzaust stand sie vor ihm, die Lippen immer noch zu einem begeisterten Grinsen gezogen. „Das war toll!“, brach sie nun endgültig aus ihrer Zurückhaltung heraus. „Ich verstehe deine Liebe - zu dem hier...“, Sie wies auf den Wagen. Was es bedeutete. Einssein, Freiheit; Hier unten vergaß man alles, kam es nur noch auf Fahrer und Tier an. Die Welt da draußen konnte ruhig machen was sie wollte. Die junge Aurelia berührte flüchtig seinen Oberarm, „Danke!“, sagte sie lächelnd und ergriff seine Hand, um von seinem Wagen herunterzusteigen.
„Einfach großartig! Phänomenal!“ Ihre Beine waren noch immer etwas weich. Ihre Schwester stand schon in den Startlöchern. Sie umarmte sie selig und gesellte sich dann zu Faustina, die inzwischen ihr Gewand wieder gewechselt hatte und von ihnen drei wohl den saubersten Eindruck machen würde. Narcissa war es gleich. Die Tunika, die sie trug war ohnehin etwas älter und sie machte sich nicht so sehr aus modischem Firlefanz.
edit: Absätze eingefügt