Vielen Dank euch allen!!!!
Damit habe ich ehrlich gesagt gar nicht gerechnet (ich hatte vielmehr versucht diesen Tag still und heimlich über mich ergehen zu lassen^^")!
FLORA, du bist verrückt;) *diekleinegroßeschwesterganzdollknuddel*!!!
Vielen Dank euch allen!!!!
Damit habe ich ehrlich gesagt gar nicht gerechnet (ich hatte vielmehr versucht diesen Tag still und heimlich über mich ergehen zu lassen^^")!
FLORA, du bist verrückt;) *diekleinegroßeschwesterganzdollknuddel*!!!
„Sie haben dich allein gelassen?!“, Vor Empörung rutschte Narcissa etwas höher und umfasste die Armlehnen. Sie konnte es kaum glauben. Cimon! Ausgerechnet Cimon! Eigentlich hatte sie eine gute Meinung von ihm gehabt, hatte nur Gutes gehört. Dass der Nubier nun aber so eine Unverantwortlichkeit an den Tag legte, dass passte nicht zu ihm. >Aber er hat schon einmal so unverantwortlich gehandelt<, ging es ihr grimmig durch den Kopf. Dieses Verhalten war nicht nur unverantwortlich, unvernünftig, sondern eigentlich schon fast untragbar. E hatte nicht nur sich, sondern auch ihre geliebte Schwester in Gefahr gebracht! Wenn das nicht ein Zeichen dafür war, dass ihn in gewissen Momenten, bei gewissen Gegebenheiten einfach jegliches Verantwortungsbewusstsein verließ, dann wusste sie auch nicht.
„Nein Marei, du hast vollkommen richtig gehandelt!“, versuchte sie das Mädchen zu beruhigen. Sie mussten sich in Gegenden aufgehalten haben, die nichts für Kinder waren. Dunkle, finstere Gassen. Wo sollte sich eine getürmte Sklavin auch sonst verstecken, wenn nicht in den tiefsten Eingeweiden der Stadt?
„Und es war klug von dir, den beiden eine...äh...Nachricht zu hinterlassen..“ Es war natürlich sehr fragwürdig, ob die beiden – falls sie zu zweit zurück kämen – auch verstehen würden, aber der gute Wille zählte.
„Also hast du auch keine Idee, wo diese Sklavin und Cimon hingegangen sein könnten?“, erkundigte sich die Aurelia, obschon sie die Antwort eigentlich kannte. Sonst wäre das Mädchen den beiden ja schließlich hinterher. Aber sie sah es als ihre Pflicht an nochmals nachzuhaken. Vielleicht sollten sie zu Titus und ihm berichten, was geschehen war. Allerdings liefen sie dann Gefahr, dass Cimon eine Strafe dafür ereilte, Marei allein gelassen zu haben.
„Warum hat er dich denn überhaupt mit in diese Gegend geschleppt?“
In der Tat gab es in der Villa niemanden, den man als Greisen bezeichnen konnte. Marcus war wohl der älteste. Aber als „alt“ war der eigentlich auch nicht zu bezeichnen...Theophilus, einer ihrer Lehrer in Terentum war „alt“ gewesen. Mit einem langen, weißen Bart, der ihm bis über die Brust gereicht hatte und noch längeren Haaren, die er sich stets mit einem Lederband zurück gebunden hatte. Bei Mareis Vorstellung eines alten Menschen musste sie jedoch grinsen. Das Bild, dass das Mädchen zeigte, war nicht gerade zum Ruhme gedacht.
Ohne zu wissen, dass Marei auch deshalb zustimmte, weil sie der Meinung war, dies ihr gegenüber tun zu müssen, hob Narcissa das Mädchen – wie federleicht sie doch war – vorsichtig auf den Rücken der Stute, während das Tier erstaunlich ruhig stehen blieb.
Kein Wunder, dass Epicharis dem Mädchen groß vorkam. Die Stute zählte zwar nicht zu den größten, aber mit einem Meter fünfundfünfzig Widerristhöhe, musste sie jedem Kind groß vorkommen.
„Greif ruhig zu! Es tut ihr nicht weh“, ermutigte Narcissa sie und nahm wieder den Strick auf. Die Stute schlug unruhig mit dem Schweif, trat von einem Huf auf den anderen.
„Ruhig Mädchen“, wisperte Narcissa ihr zur und streichelte über die Flocke auf Epicharis Stirn. Zu Marei gewandt meinte sie: „Sie stand eine ganze Weile...jetzt wo ihr wieder ein wenig Bewegung vergönnt ist, kann sie es wohl kaum abwarten...Alles klar da oben? Fühlst du dich gut? Keine Angst?“,
Narcissa kannte das Funkeln in den Augen des Claudiers. Schon einmal hatte sie es gesehen. Auch ihr Vetter Titus war hin und weg, sprach er über die Ewige Stadt. Es musste etwas sein, dass allen römischen Bürgern, die in dieser Stadt geboren waren, gemein war. Das unsichtbare Band, dass sie mit dieser alten Stadt verband, egal welche Schrecken und welche Schande die Straßen heimsuchten. Heimat.
„Du warst in Athen und Alexandria?!”, Narcissa konnte ihre Begeisterung nicht verbergen. Schon allein die Nennung dieser Städte brachte ihre Fantasie in Wallung. Alexandria, die Hauptstadt der Provinz Aegypten verwandelte sich in in ihrer Vorstellung in das Mekka der Exotik und der Abenteuer. Ein Traum an würzigen, süßen Düften, verhüllte Frauen in langen Röcken, klingelnde Bändchen um nackte Fußgelenke und Fackeltanz. Er hatte es gesehen und die junge Aurelia kam nicht umher, ihn dafür ein wenig zu beneiden. Ihr bisheriges Leben war – gelinde gesagt – von ländlicher Langeweile geprägt gewesen. Das stimmte natürlich nicht ganz, denn die aurelischen Zwillinge hatten das Landgut in Terentum kräftig aufgemischt und die Bewohner mit ihrem Unsinn regelmäßig in den Wahnsinn getrieben. Dennoch, viel gesehen hatte sie mit ihren zarten 17 Jahren noch nicht und das wurde ihr jetzt erneut schmerzlich bewusst. Wieder war es die Entscheidung der alten Lucilla gewesen, die ihre Töchter bereits kurz nach der Geburt aufs Land geschafft hatte, um sie von den Einflüssen der „Intrigen und Unmoral” in Rom zu bewahren und ihnen eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Damit hatte sie durchaus Erfolg gehabt. Die Schattenseite war, dass sich die Mädchen regelmäßig wie dumme Landeier vorkamen. Das war auch jetzt so. Und gerade vor Lepidus wollte sie nicht wie ein „dummes Landei” wirken.Neben ihm fühlte sich Narcissa auf einmal furchtbar klein.
„Sieben Jahre! Das ist eine lange Zeit! Ich kann mir vorstellen, dass du da einiges gesehen hast”, entgegnete sie lächelnd und gab sich dabei den Anschein von ruhigem Selbstbewusstsein. Ihr Blick glitt – ihrer Meinung nach vollkommen unauffällig – zu ihm hinüber und sie sahen sich geradewegs in die Augen. Jedoch nur für den Hauch eines Wimpernschlags. Sich ertappt füllend wandte die Aurelia errötend rasch wieder auf die Straße. Irritiert bemerkte sie, dass ihr das Herz eine Spur schneller gegen den Brustkrob pochte.
„War es dein eigener Wunsch dort zu studieren?”, während sie einfach so tat, als sei nichts geschehen – was war denn auch schon passiet?! – glaubte sie ihre Gelassenheit zurückzugewinnen.
Wie Lepidus gesagt hatte, gab es hier oben tatsächlich ein paar Stände, nämlich dort, wo die Straße etwas abflachte. An einen Stand mit Gewandungfideln trat sie näher heran und besah sich die Auslage. „Ich würde mich auch gern einmal die anderen Provinzen anschauen”, erklärte die junge Aurelia, während sie eine Spange aufnahm und sie betrachtete. Es war ein sehr filigran gearbeitetes Stück von schlichter Schönheit in Silber gehalten mit einem tiefblauen Stein in der Mitte. Aber Narcissa sah es nicht richtig, denn all ihre Sinne, jedes bisschen ihrer Aufmerksmakeit war auf den Claudier neben sich konzentriert. „Vor allem Alexandria und Athen scheinen mir erstrebenswert. Die Bibliotheken dort sollen fantastisch sein. Ich würde mich freuen, wenn du mir bei nächster Gelegenheit mehr über deinen Aufenthalt dort erzählen könntest.” Lächelnd sah sie auf. „Ich bin neugierig!” Die Bitte zielte noch auf etwas anderes ab. Die junge Aurelia hoffte darauf, dass das nicht das letzte Mal war, dass sie sich begegneten.
„Ja, meine Schwester Flora und ich. Der Aedil Aurelius Corvinus ist ein naher Verwandter”, bestätigte sie. Obschon es tatsächlich die Absicht der alten Lucilla gewesen war, ihre Töchter zu verheiraten, den beiden Schwestern gefielen die Pläne der Mutter nicht sonderlich. Sie selbst fühlten sich noch viel jung, um an die Hand eines Mannes gegeben zu werden, dabei waren sie im besten Alter, um zu ehelichen. „Ich nehme an, du engagierst dich ebenfalls rege in der Politik?”, sie lächelte. Sie konnte ihn sich gut vorstellen, wie er auf der Rostra stand und eine eloquente Rede hielt. Vorsichtig legte sie die Spange zurück auf den Auslagentisch.
Wie Lepidus von dem Claudier sprach, kam es ihr so vor, als sprächen sie von einer ganz anderen Person. Damals war der Mann wenig zuträglich gewesen. Auf dem Weg in die Kneipe hatte er die Mädcehn angesprochen, begleitet von seinen Kumpanen, die wohl schon einige Liter Wein gekippt hatten. „Tatsächlich? Ich bin ihm zu kurz begegnet, um über ihn eine fundierte Meinung haben zu können”, Ohne es auszusprechen, ließ die Aurelia durchblicken, dass sich der Claudier bei dieser Zusammenkunft nicht gerade von seiner besten Seite gezeigt hatte. „Wir sind uns auf dem Markt begegnet. Er war zusammen mit seinen Freunden unterwegs". Es tat dabei nichts zu Sache, dass sich der Claudier auf ziemlich unverschämte Weise an die Zwillinge heran gemacht hatte. Sie wollte Lepidus’s Verwandten keine unlauteren Absichten unterstellen.
Der Kerl gehörte anscheinend zur verschwiegenen Sorte. Natürlich ärgerte sich Lysandra darüber, dass der andere Sklave es ihr so schwer machte, auf ihren Schützling aufzupassen. Wenn die Götter es für richtig halten. Auch die Götter irrten sich. Und falls dieser Patrizier ein Lump war, dann galt es ihre Narcissa vor Scahden zu bewahren. „Hör mal….”, sie strauchelte: „Wie ist dein Name?....” Lysandra wartete seine Antwort jedoch nicht ab.
„Ich glaube, wir sind uns einige darüber, dass diese Unterhaltung mehr als „nett” ist, oder?” Auch dieses Mal fuhr die Sklavin fort, nachdem sie rasch in Bosid Gesicht geschaut hatte. „Und so wie ich das sehe, wird die Zeit kommen, da wird meine domina mich um Informationen über deinen dominus bitten. Und was soll ich dir dann sagen?...” Sie legte eine kurze Pause zwischen ihre Worte. „Wäre es da nicht von Vorteil, jetzt ein paar lapidare „Grundinformationen” auszutauschen, um etwas bei der Hand zu haben, sollte einer der Herrschaften fragen? Ich möchte von dir ja nicht wissen, was er zum Frühstück isst, sondern nur, ob er ein anständiger Mensch ist….” Aufmerksam wie sie war, ließ sie Narcissa, die nun zusammen mit Lepidus an einem Marktsstand stand, während ihres Gespräches mit dem Sklaven nicht außer Augen.
Narcissa mochte keine Abschiede. Noch nie. Sie machten sie stets schweigsam und zurückhaltend. Vor allem, wenn sich Menschen verabschiedeten, die sie gern hatte, wie es bei der Tiberia und Titus der Fall war. Die Villa kam ihr jetzt schon leerer vor, dabei waren sie noch nicht einmal fort. Auch die anderen schien der Abschied wehmütig zu stimmen, auch wenn sie es schafften, sich einen heiteren Anschein zu bewahren. Versprechen wurden ausgetauscht. Natürlich würden sie die beiden besuchen kommen! Schon allein um Septima etwas Gesellschaft zu leisten. In einem Soldatenlager konnte es bestimmt unglaublich langweilig werden.
Erschrocken fuhr Narcissa zusammen, als ihr Cousin sie so plötzlich von hinten in die Arme nahm und ihnen jeweils einen Kuss auf die Wange drückte. Irritierend war das schon, auch wenn sie sich in der Vergangenheit immer gut verstanden hatten, aber schließlich hatten sie sich eine ganze Weile nicht gesehen. Zumindest seinen Charme hatte er in all der Zeit nicht verloren und Flora ließ es sich auch nicht nehmen ihn zu necken. In der Tat, erschien er ihr wie ein Wolf im Schafspelz. Bei ihm war wohl Vorsicht geboten – schon allein aus dem Grund, weil er sie beide wie zwei kleine Mädchen herzte und sie nicht voll zu nehmen schien.
Sie fing Priscas Blick auf, mit dem die Aurelia die Szenerie beobachtete. Bevor sie nach Rom gekommen waren, hatten sie hin und wieder über Briefe zueinander Kontakt gehabt, seit ihrer Ankunft hatte es aber keine Gelegenheit gegeben, sich mit ihr auszutauschen.
Die Abschiedsgesellschaft wandte sich dem zu, weshalb sie eigentlich zusammengekommen war. Septima und Ursus machten sich auf den Weg. „Kommt gut nach Mantua!“, rief Narcissa noch und gesellte sich damit in die Reihe der Winkenden ein. Sie würden sich bald wieder sehen, da war sie sich sicher. Ein kurzer Blick in Floras Gesicht bestätige ihr, dass auch sie den denselben Gedanken gehabt hatte...
Sie hatte es gewusst! Nach allem was sie am veränderten Verhalten der Aurelia beobachtet hatte, war das nun der Beweis für ihre Vermutungen. Die Luft schien förmlich von all den Geheimnissen zu summen, die in den Ecken versteckt lagen, als Flora dann streng ihr Versprechen einforderte, nichts nach außen zu tragen, was in diesen vier Wänden gesprochen wurde. Immerhin stellte die domina es ihr noch frei zu gehen, wenn sie wollte. Aber natürlich war Lysandra nichts ferner, als jetzt das balneum zu verlassen. „Ich verspreche es domina Flora, so wahr ich hier stehe und bei den Göttern, welche die Hand schützend über uns halten...“,
Flora versuchte selbstbewusst zu wirken, aber Narcissa konnte ihrer Schwester ansehen, dass sie sich nicht wirklich selbstbewusst fühlte. Das brachte eine Saite in ihr zum Schwingen, die ihr, ohne dass sie einen rechten Grund dafür finden konnte, einen Schauer der Angst über den Rücken jagte und die feinen Härchen auf ihren Unterarmen aufstellte. Narcissa konnte dieses Gefühl nicht festmachen. Schon oft hatte es Momente gegeben, da hatte ihr Flora Dinge anvertraut, die für ihr Ebenbild ungeheuerlich waren. Aber dieses Mal...
„Was ist geschehen, Flora?“, sie sagte es ruhig, aber ihre Zunge fühlte sich dabei so trocken wie Schmirgelpapier an.
Es war immer schwierig den Wald im Ganzen zu sehen, wenn man umgeben war von schlanken Stämmen, die ihre düstere Krone über einen ausbreiteten. Der Mensch war kein objektives Wesen, sondern getrieben von Leidenschaften und Gefühlen, die den Verstand vernebelten. Da war es schwierig Urteile zu fällen. Narcissa war in der Tat frei von all dem. Was aber nicht hieß, dass es ihr leicht fiel, ihm zuzureden. Sie mochte den Aurelier, dessen Abgründe sie noch nicht einmal erahnt hatte. Die Schluchten, die in einem Menschen lagen, konnten mit unter sehr tief und noch finsterer sein. Und niemand, wirklich niemand, konnte auch nur erahnen, zu was man alles selbst fähig war. Während Narcissa Tiberius lauschte, war es genau diese Frage, die durch ihren Kopf wanderten. >Zu was bist du fähig<. Ihr Blick glitt forschend über sein Gesicht. Er besaß nicht die Züge eines Mannes, der zu einem Mord fähig war. Andererseits wurde manch sanftmütiger Mann zum Mörder, von dem man es niemals im Leben erwartet hätte. Verbrechen war etwas, das man niemandem ansehen konnte. Bei Tiberius wollte sie es sich absolut nicht vorstellen. Es beruhigte sie, dass er bei seinen eigenen Worten so gezögert hatte, bedeutete es doch, dass ihm allein schon der Gedanke daran, einen Schreckensschauer einjagte. Etwas schien ihn davon abzuhalten. Dass es Furcht war, das glaubte sie nicht. Die Tat an sich hielt ihn zurück, was bedeuten würde, sich auf eine Ebene mit den Tätern zu stellen. Andererseits sah Tiberius es als seine ganz persönliche Aufgabe an – es war etwas persönliches, andernfalls läge ihm nicht so viel an der Gleichgültigkeit eines Richters. Eine Zwickmühle.
„Ich verstehe, was du meinst, Tiberius“, entgegnete Narcissa und erwiderte den ernsten Blick ihres Verwandten. „Aber letztendlich geht es doch nur um das: um Gerechtigkeit und um deinen Seelenfrieden. Egal wie du dich entscheidest, Gerechtigkeit wird dir zuteil werden – aber dein Gewissen wird leiden.“ Sie hielt einen Atemzug inne, ließ ihre Worte im Raum wirken. „Sieh her...Wenn du dich persönlich rächst, dann wirst du dir vorwerfen, dich auf ihr Niveau begeben zu haben. Wenn du dich in die Hände eines Richter begibst, dann wirst du stets damit zu kämpfen haben, dass der Mord an deinem Vater zu einem unpersönlichen Fall geworden ist. Das ist nun einmal die Aufgabe eines Richters. Er ordnet die Dinge, stellt sich zwischen Täter und Opfer.“ Narcissa konnte sich vorstellen, dass dem Verwandten das Szenario, das sie ihm zu Füßen ausbreitete nicht gefiel. Wie auch. Egal, wie man es drehte und wendete – es war niemals gut. Aber es konnte auch niemals mehr „gut“ werden. Der Mord hatte Gräben in Tiberius hinterlassen und diese Zeichen würde er sein ganzes Leben mit sich tragen. Auch wenn Narcissa es nicht aussprach, so hoffte sie, dass er den Weg des öffentlichen Prozesses einschlagen würde.
„Ich bin nicht in der Lage zu sagen, mach dies oder das, Tiberius“, fuhr sie sanfter fort. „Ich sage es so, wie ich es sehe. Du solltest dich für einen Weg entscheiden. Und das bald. Denn irgendwann frisst es dich auf oder dir wird die Entscheidung genommen.“
Es dauerte einen Moment, bis Narcissa bemerkte, dass sie nicht mehr allein im Garten war. Mit einem Vergiltext und einem Weidenkorb bewaffnet, hatte sie sich in einer Ecke des hortus verzogen, genoß die Frühlingssonne auf der Haut. Irgendwann musste sie jedoch zwischen den Zeilen eingenickt sein, sodass sie nicht mitbekam, wie sich ein kleines Sklavenmädchen behände über die Mauer schwang. Erst als sich Marei laut die Brunnenstatue anklagend Luft machte, schreckte die junge Aurelia aus ihrem leichten Dösen auf und schreckte in die Höhe. Noch verwirrt und schläfrig, strich sie sich mit den Händen über das Gesicht. "Marei?", fragte sie.."Warum schreist du so? Was ist los?"
Narcissa nickte abwesend, ganz und gar auf die Hände des Sklaven konzentriert, die eine Schriftrolle neben die andere setzten. Der Mann hatte schöne Hände, wie ihr jetzt erst auffiel. Feingliedrig und schlank. Es gab Dinge, an denen es nichts zu rütteln gab. Der Platz einer römischen war im Haushalt an der Seite eines ehrbaren Ehemannes, eine Horde Kinder im Schlepptau, den Götterdienst im Kopf. Es gab Gründe weshalb alles so geordnet war. Jung wie sie jedoch war, erschien ihr diese Aussicht reichlich mickrig. Sie träumte noch von den Sternen, dem Leben, der Welt, der Liebe. Und war diesbezüglich, obschon sie nicht auf den Kopf gefallen war, naiv.
Irgendwie schien sich tatsächlich alles um die Ewige Stadt zu drehen. Jeden Römer zog es früher oder später hierher, als wohne der Stadt eine geheimnisvolle Kraft inne, die ihre Bürger zu sich rief, wie das Licht Motten anzog. So zumindest kam es Narcissa vor, als die Decima ihr Antwort gab. Zurück nach Rom. Auch sie selbst hatte es hierher gezogen. Auch wenn Terentum nicht gerade zu den exotischsten Plätzen der Welt gehörte. Dennoch, so sehr ihr Rom auch gefiel – Terentum war ihre Heimat. Man kkonnte viele Zuhause haben. Aber eben nur eine Heimat. So konnte sie es Seiana zumindest ein klein wenig nachempfinden, wobei Alexandria für sie dann doch einmal in eine andere Kategorie gehört. Das war Abenteuer. „Könntest du es dir vorstellen eines Tages nochmals dort hinzuziehen; Oder vielleicht noch einmal ganz wo anders hinzugehen?”, erkundigte sie sich.
Etwas ging in der Frau vor, das konnte Narcissa deutlich sehen. Für den Hauch eines Atemzugs schloss Seiana ihre Augen und als sie sie wieder öffnete, da spielte ein Lächeln um ihre Lippen. Sie konnte nicht sagen warum, aber es ließ die junge Aurelia für einen Moment stutzen, innen halten. Eine leise Stimme in ihrem Kopf wisperte leise, dass das nicht ganz zu dem Bild passte, dass sie bisher von der Decima gewonnen hatte. Es war wie ein klitzekleiner Schönheitsfehler in einem ansonsten makellosen Gemälde. Da war etwas. Ein Mensch hinter dem Menschen. Sie wagte nicht recht, sie darauf anzusprechen. Immerhin war Narcissa nur eine Kundin. Vielleicht irrte sie sich auch und es war etwas ganz anderes. Vielleicht die Schriftrolle? Gerade eben war Seianas Blick über den Titel gehuscht. Unwillkürlich überzog eine sanfte Röte ihre Wangen, die sogleich noch eine Nuance zunahm. „Oh…ähm…”, stolperte es ihr über die Lippen. Was für eine qualifizierte Antwort, Narcissa! Ein solches Angebot hatte sie nicht erwartet. „Ja…gern – wenn du Zeit hast?…Etwas Wasser für mich – und Evander”, fügte sie mit einem Blick auf den Custodes hinzu: „wäre nicht schlecht. Es war draußen ganz schön warm und wir sind schon eine Weile unterwegs…”, Sie lächelte. „Oh und…die Schriftrolle würde ich nehmen…” Wie auf ein Zauberwort trat der Sklave, der sich die Zeit über eher im Hintergrund gehalten hatte näher und reichte seiner Herrin den Lederbeutel mit den Münzen, aus welchem die Aurelia die geforderte Geldsumme herauszählte und sie dann der Decima übergab.
Tiberius schien zwischen den Stühlen festzusitzen. Eingeklemmt zwischen dem Damals und dem Wunsch nach vorn zu schreiten. Es folgte ihm wie ein dunkler Schatten auf leisen Sohlen. Je heller ihm die Sonne ihm ins Gesicht lachte, desto finsterer wurde das Gespinst hinter ihm. Machte sich sprungbereit, um im nächsten Moment wieder über ihn herzufallen. Zumindest das war es, was die junge Aurelia auf seinem müden Gesicht las.
„Das hast du nicht“, erwiderte sie ihm rasch, vielleicht eine Spur zu schnell und versuchte dabei so überzeugend wie nur irgend möglich zu klingen. Woher sollte er auch ahnen, dass seine Worte bei ihr absurde Ängste auslöste. Verfluchte Empathie. Schon ihre Mutter hatte immer gesagt, sie nehme sich die Dinge zu sehr zu Herzen. Jetzt in diesem Moment aber, wollte sie auf gar keinen Fall wie ein kleines 17-jähriges, verschrecktes Mädchen wirken. Nicht neben ihm, der trotz aller Verzweiflung, die in seinen Zügen lag, dennoch durch und durch Stärke ausstrahlte. Woher er diese Stärke nur nahm? Natürlich, er war ein Mann, da erwartete man Stärke...aber selbst die Welt der tapfersten und härtesten Mannes der Welt konnte ins Schwanken gebracht werden, rüttelte man nur an den entsprechenden Stellen. Ein leiser Glanz legte sich über seine Augen, ließ sie heller werden, während seine Züge in Regungslosigkeit verharrten. Zweifelsohne hat er das schon gehört, ging es Narcissa durch den Kopf, aber sie kam nicht umhin zu glauben, dass ihr Worte etwas in ihm anrührten. Zumindest hoffte sie das.
Was er ihr aber dann offenbarte, das nahm ihr für einen kurzen Augenschlag den Atem. Bilder eines blutüberströmten Tiberius über einem am Boden liegenden Mann flatterten durch ihre Gedanken wie aufgeregte Vögel. Sie blinzelte und blickte dem Verwandten ins Gesicht, der offensichtlich obschon seiner eigenen Worte stockte. Als sie in seinen Augen jene bedrückende Last las, die sein Leben immer und immer wieder niederdrückte, da war ihr klar, dass er jedes einzelne Wort, so wie er es sagte auch so meinte.
Wäre er dazu in der Lage gewesen, dann hätten die Mörder seines Vaters sicherlich schon lange das letzte klägliche bisschen Luft aus ihren Lungen gehaucht. So aber...nicht nur sie befand sich in einem Korsett familiärer Ansprüche. Auch er tat es. Nur war sie sich nicht so sicher, ob sie in seinem Fall sogar froh darüber war. Narcissa wollte ihn sich nicht als Mörder vorstellen müssen. Natürlich hätte er alles Recht der Welt dazu gehabt, seinen Vater zu rächen...aber diese Bilder!
„Ich verstehe“, antwortete sie. „Du wirst nicht ruhen können, bis diese grauenvolle Tat vergolten ist...“, Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Narcissa sah ihn mit schmalen Lippen an. Nicht empört oder abgeneigt, sondern nachdenklich. Wenn du weißt, wo sie sich aufhalten, warum handelst du dann nicht?,
„Ich habe von des Consuls Bemühungen gehört...“ Noch war sie sich nicht sicher, ob er diesen Weg in Betracht zog, oder eher geneigt war, sich Gerechtigkeit auf anderen, dunkleren Wegen zu verschaffen. Für sie klang es, als sei ein gerichtlicher Prozess eher so etwas wie eine Notlösung für ihn.
„Wenn du weißt, wo sich diese Kerle aufhalten – warum machst du dann keine Meldung an die entsprechende Stelle? Warum zögerst du dein Leiden hinaus?...Denn das ist es, das du tust: du leidest...“ Erneut berührte sie ihn flüchtig am Arm zum Zeichen ihres Mitgefühls.
„Nun, auf dem Teppich habe ich auch noch nicht geschlafen“, entgegnete Narcissa und schmunzelte bei dem Gedanken daran, was Lysandra wohl für ein Gesicht machen würde, würde die Leibsklavin sie eines Tages mitten auf dem Teppich vor ihrem Bett anstatt darin vorfinden. „Aber ich glaube Stroh und Heu würde ich einem Teppich in jedem Fall vorzuziehen.“ Alles kleines Mädchen hatte sie das öfters gemacht. Meistens dann, wenn Kummer an ihrer kleinen Seele genagt hatte. Der Stall hatte etwas beruhigendes mit all den Geräuschen und dem unverkennbaren Duft.
Mareis Wangen verfärbten sich zart rot. Bisher hatte sie das Mädchen noch nie in Verlegenheit gesehen und war der Meinung gewesen, dass es schwierig war, Marei überhaupt verlegen zu machen. Sie gehörte ja nun nicht unbedingt zu den schüchternsten Kindern. Ganz im Gegenteil, frech war sie und neugierig. Und manchmal fehlte ihr auch das Taktgefühl. „Danke für das Kompliment, Marei“, erwiderte sie lächelnd.
Unsicher sah Marei zwischen ihr und der Stute hin und her und kam dann zu ihr herüber. Die Vorstellung auf einem Pferderücken zu sitzen machte das Mädchen nervös. Ihr Lippen waren ganz schmal. „Das ist eine interessante Vorstellung“, schmunzelte sie. „Aber nein, keine Leiter – das machen nur die ganz alten Herrschaften“, oder Lysandra. Es war das erste und letzte Mal gewesen, dass die Leibsklavin ihnen zu Pferd gefolgt war. Narcissa zwinkerte Marei verschmitzt zu. „Das war sehr aufmerksam von dir. Die beiden haben Steigbügel benutzt“, erklärte sie „ – wir machen das aber viel einfacher. Ich hebe dich einfach auf ihren Rücken und du kannst dich in ihrer Mähne festhalten...Na, was meinst du?“ Aufmunternd sah sie auf das Kind herab.
Unbemerkt in all der Aufregung war die Leibsklavin zurück ins balneum gehuscht. Gerade in jenem Augenblick, als Narcissa ihre Schwester endgültig freigegeben hatte. Einen ersten Ausruf der Empörung angesichts einer vollkommen durchnässten Narcissa in voller Gewandung, die schwer und dunkel an ihrem Körper hing und sämtliche weiblichen Rundungen preisgab, würgte sie hinunter und machte stattdessen ein reichlich zerknirschtes Gesicht.
„domina – ich hatte den Eindruck, dass es dir nicht gut geht...woher konnte ich denn ahnen, dass deine Schwester gleich mit samt ihrer wertvollen Pala in das Becken springt“, versuchte sie es in einem bemüht ruhigen Ton. Aber sie war nicht gelassen. In diesem Moment sah sie sich im Recht. Mit Flora stimmte etwas nicht.
Narcissa war dagegen gar nicht in der Lage überhaupt einen Gedanken an Lysandras Überreaktion zu verschwenden. Es geschah selten, dass sie ihre Umgebung so vollkommen ausschaltet. Doch jetzt kreiste ihre Aufmerksamkeit allein um Flora. „Aber geht es dir auch wirklich gut?“ Forschend blickte sie ihrer Schwester ins Gesicht. Was sie nicht aussprach, dass würde sie in ihren Zügen lesen können. Klar und deutlich. So ganz konnte sie an einen Totalirrtum der Leibsklavin nicht glauben. Zumeist irrte sich Lysandra im Bezug auf die Zwillinge nur geringfügig. Aber warum, um alles in der Welt hatte sie nichts bemerkt? Der Gedanke trübte ihre Erleichterung. Normalerweise spürte sie doch instinktiv, was Flora umtrieb!
Der Mann wollte offensichtlich hoch hinaus und verbummelte nicht einen wertvollen Atemzug. Verständnisvoll nickte Narcissa. „Ja, das ist wahr. Als Mann sollte man das können...Und der Kurs ist bestimmt auch interessant.“ Bei Gelegenheit, so nahm sie sich vor, würde sie selbst einmal den Weg zur schola einschlagen. Vielleicht gab es auch einen Kurs, der für sie von Interesse war. „In unserem Fall scheint es tatsächlich so zu sein“ Lächelnd neigte sie ein klein wenig den Kopf und stutzte dann, als sich die Tiberia einschaltete, als sie gerade erklären wollte, woher sie sich denn kannten. Irritiert schloss sie die sinnlichen Lippen, die sie gerade geöffnet hatte, um die Worte in die Luft zu entlassen. Kommt es mir nur so vor, oder möchte sie nicht, dass ich...? Der Gedanke war absurd. Immerhin hatte die Erklärung der zwei Kurskameraden, die noch einen kleinen Spaziergang zusammen unternahmen in ihren Ohren sehr plausibel geklungen und schließlich war es keine Schande mit einem Aurelier verheiratet zu sein. Vor allem nicht mit Titus. „Unsere Familien stehen sich äußerst nahe...“, erklärte die junge Aurelia dann diplomatisch. Doch erst als sich das letzte Wort in den Satz gefügt hatte, wandte sie sich wieder an den Germanica.
„Es scheint mir, als würden wir uns vornehmlich beim Einkaufen über den Weg laufen“, scherzte sie – rasch in Septimas Richtung: „Wir sind uns einst auf dem großen Markt hier in Rom begegnet. Es war das erste Mal, dass Flora und ich in Rom unterwegs waren...“ Noch immer überschwappte sie ein leises Gefühl der Aufregung, wenn sie an diesen Tag zurück dachte. Da war alles noch so neu gewesen.
„Aber nein, dieses Mal hatte ich eigentlich nicht vor, etwas zu erstehen...“ Aus diesem Grund hatte sie ja auch Lysandra mitgeschleppt. Sie würde das Taschengeld der jungen Frau schon zusammen halten.
Es war wieder nur so ein Gefühl, dass Narcissa überkam. Will sie mich los werden? Während ihre Gedanken in leiser Verwirrung baden gingen, blieb ihr Gesicht davon vollkommen unberührt. „Tatsächlich? Dort oben war ich bisher noch nicht...“, entgegnete sie. „Ihr haltet mich nicht auf. Im Gegenteil“, Ein Lächeln erhellte ihre Züge. „Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich mich euch gern ein kleines Stück anschließen...“ Aufmerksam betrachtete sie Septima. Aus irgendeinem Grund wisperte ihr eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf zu, dass es der Tiberia alles andere als recht war, sie nun mitzuschleppen. Noch war es nur eine Vermutung, deren Ursprung sie nicht kannte. Aber diese Vermutung konnte leicht erhärtet werden. Nämlich dadurch, dass Septima Narcissa verweigerte, sie und Aculeo ein Stück zu begleiten.
Ich melde mich aus Reisegründen für die nächste woche als abwesend - Flora wird Narcissa wieder einmal mitschleppen...verzeih übrigens, dass ich heute nicht mehr dazu komme, den Flora Thread zu schreiben - ich muss heute endlich mal nach Hause kommen und schlafen, bevor es morgen los geht-.-"....
Als der Germanica ankündigte, sich nun verabschieden zu wollen, da erhoben sich die beiden Schwester wie es der Anstand gebührte von ihrem Platz.
"Die Freude ist auf unserer Seite", entgegnete Narcissa lächelnd und neigte anmutig den Kopf. Zu der Äußerung der Etikette schwieg sie lieber. Sie konnten es sich hinsichtlich ihrer Familie nicht leisten nach außen hin einfach nur sie selbst zu sein. Eine Patrizierin hatte für gewöhnlich zwei Gesichter. Das äußere, das sie der Welt zeigte und das innere, das ein Geheimnis blieb und nur ganz wenigen Menschen zu Teil wurde. Aber sie rechnete es dem jungen Mann an, so pur zu sein und das so vollständig nach außen zu vertreten. Ein bisschen machte es sie auch neidisch.
"Man sieht sich immer drei Mal im Leben, heißt es das nicht?" Dann wies sie einen der umstehenden Sklaven an, dem Herrn doch den Weg zu weisen. Marei wurde immer noch von einem Lachanfall geschüttelt...
Dieser Cimon schien wirklich überall zu sein. So viel Präsenz hatte sie dem dunkelhäutigen Sklaven, den sie bisher nur einmal persönlich gesprochen und sonst immer nur als Schatten Titus´ - oder Floras - wahrgenommen hatte, gar nicht zugetraut. Damit hörte und sah sie sogar mehr von ihm als von dem maior domus dieses Hauses. Brix hieß er, ihrem Wissen nach. Der Nubier schien hier für viele Menschen dagegen eine spürbare Rolle zu spielen. Auch für die kleine Marei. "Ich kann mir vorstellen, dass es sich auf Teppichen nicht so gut schläft...Für dein Alter bist du aber sehr selbstständig."
Narcissa hakte den letzten Metallhaken am Halfter der Stute ein. "Pferde legen sich nur ganz selten hin. Das kommt daher, weil sie in freier Natur oft vor Feinden flüchten müssen. Da würde es viel zu lange dauern, aufstehen zu müssen", erklärte sie dem Kind, das eilfertig voran gesprungen war, um ihrer Bitte nachzukommen.
Sie bedachte Marei mit einem Lächeln, als diese Epicharis wie eine Katze zu locken suchte.
Das Klappern der Hufeisen hallte durch die Stallgasse, als Narcissa die Stute an den anderen Pferden vorbei auf Marei zu führte, die schon zum Haupttor vorgeflitzt war. Als die zwei Stallburschen sie kommen sahen, wollten sie wie schon zuvor, aufspringen und ihr zur Hilfe kommen. Für gewöhnlich zeigten sich hier keine Patrizierinnen und wenn doch, dann hatte man ihnen die Pferde herzurichten. Dabei mussten sie es doch eigentlich wissen, dass die aurelischen Zwillinge zumindest sehr wohl allein mit ihren Pferden zurecht kamen. Immerhin war Flora schon einige Male hier gewesen. Erneut bedeutet sie ihnen also sitzen zu bleiben und schritt an den beiden jungen Männern vorbei, die Stute und Herrin mit einiger Verwunderung hinterher blickten.
Die Sonne auf der Haut war einfach herrlich. Einen kurzen Atemzug lang blinzelte Narcissa, weil ihre Augen nach dem Zwielicht im Stall einfach nicht mehr an die Helligkeit gewöhnt waren. Auch Epicharis schnaufte neben ihr.
Vor ihnen eröffnete sich ein kleiner, von einer Mauer umgebener Hof. Hier waren sie geschützt von den Blicken da draußen. Narcissa führte das Pferd eine Runde im Kreis und wandte sich dann an Marei, die geduldig wartete: "Na, hättest du Lust, ein wenig auf ihrem Rücken zu sitzen, während ich sie führe?", bot sie dem Mädchen an.
Verzeih die Verspätung!
Seiana hatte der Aurelia einiges an Erfahrung voraus. Die junge Frau befand sich noch in jenem Abschnitt ihres Leben, in welchem sie noch entscheiden konnte, welchen Weg sie letztendlich einschlagen würde. Ob das im oder gegen den Sinn ihrer Familie war, das war noch offen, auch wenn sie selbst glaubte, dass es diesbezüglich keinerlei Spielraum gab. Schließlich zeigte das das Beispiel der Frauen um sie herum. Das war wohl auch der Grund, weshalb sie eine solche Faszination für die Decima empfand, die ihr auf sie einen äußerst selbstständigen Eindruck machte.
„Es ist beruhigend, was du da sagst...“, antwortete Narcissa etwas verhalten. Hinter zwei X-en am Ende des Artikels wollte sie sich nicht verstecken – andererseits wollte sie sich aber auch nicht mit dem Klatsch und Tratsch befassen, sondern mit wichtigen Themen.
„Und es klingt nach jeder Menge Arbeit für die lectoren“, fügte sie mit einem Lächeln an.
Der Sklave hatte nun auch die letzte Schriftrolle auf dem Tisch vor ihr platziert. Eine weiße Rolle neben der anderen. „Das ist verständlich. Zumal du auch nicht „Mal kurz“ nach Alexandria reisen kannst. Man ist bestimmt eine ganze Weile unterwegs...Warum hat es dich denn wieder nach Rom zurückgezogen?“, Aufmerksam wandte Narcissa den Blick auf die Schriftstücke und schon nach wenigen Atemzügen blieb sie an einem Autoren hängen. So war es immer. Im Grunde fand sie in jeder Bücherhandlung etwas, dass sie interessierte. Dieses mal hatten ihre Augen eine Schrift Sapphos entdeckt. Etwas überraschend war es schon, ausgerechnet diese Griechin hier zu finden, war ihre Kunst doch etwas – manche Römer würden sagen – anrüchig und gewiss nichts für junge tugendhafte Römerinnen. Kurz sah sie zu der Decima auf, die sie aus unlesbaren Augen heraus beobachtete. Ja, warum eigentlich nicht? Als hätte die Selbstständigkeit der Frau sie angesteckt, beschloss sie dieses Mal nicht darauf zu achten, was sich eigentlich gehört hätte – nämlich nach einer anderen Schriftrolle zu suchen -, sondern das zu tun, wonach ihr der Sinn stand. Sozusagen eine kleine Rebellion – die eigentlich ziemlich unsinnig war, denn gegen wen, sollte sich diese richten. Die Leibsklavin Sophie hatte sie nicht begleitet und einmal zu Hause würde sie mit der Schriftrolle ohnehin in ihrem Zimmer verschwinden. Aber das machte nichts, das Hochgefühl zählte. „Mich würde diese hier interessieren...“, antwortete sie Seiana und deutete dabei auf die entsprechende Sappho-Schrift. „Wie viel möchtest du dafür haben?“
"Baden"..."Haarewaschen"...die banalen Worte hingen einen Moment lang bedeutungslos in der Luft, bis sie dumpf in Narcissas Verstand eindrangen. Dort drehten sie erst noch eine Runde, ehe sie eine Reaktion auf Narcissas Gesicht auslösten. Zunächst absolut verdutzt, glich sie nun einem nassen Pudel der reichlich dämlich aus der Wäsche glotzte.
"Wie?", fragte sie gedehnt, jetzt reichlich unsicher angesichts des verwirrten Gesichts ihrer Schwestern und lockerte etwas ihren Griff.
"Du wolltest nicht...?" Automatisch fiel sie in Floras Kopfschütteln ein.
"Nicht!" Es machte Klick- und sie drückte Flora wieder heftig an sich. Dieses Mal jedoch nicht aus Furcht, die jüngere könne sogleich einen neuerlichen Suizidversuch starten, sondern aus purer überschäumender Freude darüber, dass sie sich geirrt hatte. Der andere Zwilling war die Leidtragende.
"Flora! Bona dea - bin ich froh!", stieß sie hervor und entließ Flora dabei aus ihrer Umarmung. "Lysandra hat mir vielleicht Angst gemacht! Sie sagte, ich solle sofort ins Bad, mit dir stimme etwas nicht...und als ich dich dann so sah" Lächelnd schüttelte sie über ihre eigene Kurzschlussreaktion den Kopf und strich sich dabei die klatschnassen Haare aus der Stirn..."Ich dachte gerade, du versuchst dich zu ertränken..."
Narcissa entging nicht, dass Flora eigentlich nicht die Kinder beobachtete – sondern jemand ganz anderes. Nach der Dummheit – anders war es nicht zu nennen – war sie aber immerhin klug genug das zu kaschieren. Auch ihr Blick glitt kurz hinüber zu dem dunkelhäutigen Sklaven. Es war das erste Mal, dass sie ihn sah, nach jenem aufreibendem Gespräch im balneum. Im Moment war sie froh, dass sie ihn ignorieren konnte, denn sie hatte keine Ahnung, wie sie sich verhalten sollte, wenn sie das nächste Mal allein auf ihn treffen sollte.
Auch sie war überrascht, als sie unweit von sich, eine weibliche Stimme sich nach den Wahlen in Ägypten erkundigen, vernahm. Das war eindeutig unüblich, weckte aber ihr Interesse. Das Gesicht wurde dazu auch sogleich vorgestellt. Iunia Axilla. Sie lächelte den beiden zu, während Flora ihre Vorstellung übernahm.
Den beleibten Herrn, der sich durch die Menge schob, nahm sie nur aus dem Augenwinkel heraus war, erst als Tiberia ihrer Schwester den Namen des Mannes zu wisperte, geriet er für einen Moment lang in ihr Bewusstsein und verschwand dann auch sogleich wieder...
Schon im nächsten Moment schallte ein lautes “Litatio!“ über das Atrium hinweg. „Das Opfer wurde angenommen...“, meinte sie begeistert zu Flora, als wüsste diese nicht, was dieser Ausruf bedeute und stieß ihr sanft in die Seite.
Rom war das größte, das Narcissa bisher gesehen hatte und zumindest für den Moment war sie noch viel zu sehr damit beschäftigt die Schönheiten der Ewigen Stadt zu bestaunen, dass sie die Elendsviertel nur ganz periphär wahrnahm. Vielleicht auch, weil sie sich ein wenig vor jenen dunklen Gegenden Roms fürchtete. Der düstere, ominöse Ruf der Subura war schließlich weit über die Stadtgrenzen Roms bekannt. Raub, Mord und Todschlag geschahen dort in den finsteren, verwinkelten Gassen. Das war bei weitem kein Ort an dem sich eine wohlerzogene junge Frau aufhalten sollte.
„Wenn dem einen etwas gegeben wird, muss es einem anderen zuerst weggenommen werden”, bemerkte Narcissa und überraschte sich selbst mit dieser Unbedachtheit, mit welcher sie das ihm gegenüber aussprach. Immerhin war sie eine Frau, zudem noch jung und hatte sich für politische oder soziale Angelegenheiten und Konflikte nicht zu interessieren. Schon ihre Mutter hatte sie deswegen stets angefahren: Mädchen, das ist für dich absolut nicht von Belang. Und nicht nur ihre Mutter schien das so zu sehen, wenn sie an ihr letztes Gespräch mit ihrem Verwandten Marcus Aurelius Corvinus zurück dachte, der ihre Frage nach dem Stand der Politik hier in Rom einfach übergangen und sie stattdessen an ihre Cousine verwiesen hatte, um mehr über die gesellschaftlichen Geschehnisse, sprich Tratsch und Klatsch, in Erfahrung zu bringen. Von Meinungsäußerungen gegenüber Männern konnte da also gar nicht erst die Rede sein. Allerdings hatte Narcissa auch nicht vor es zurückzunehmen und wartete stattdessen neugierig darauf, ob er sich dazu äußern, oder es einfach in der Luft hängen lassen würde.
„Warum hast Du Rom verlassen? Wie lange warst Du denn weg? Bist Du hier in Rom geboren?” Abrupt hielt Narcissa inne und schlug verlegen die Augen nieder. Viel, viel zu schnell, tadelte sie sich selbst in Gedanken, als sie bemerkte, dass sie den armen Kerl regelrecht mit Fragen durchlöcherte und ihm wie eine plappernde Quelle gar keine Möglichkeit ließ zu antworten. „Verzeih Lepidus”, meinte sie und blickte wieder zu ihm auf, „Manchmal, da kann ich mit meiner Neugierde nicht an mir halten…Es ist für mich interessant zu hören, wo Menschen, denen ich begegne schon überall waren, was sie gesehen haben…” Vor allem letzteres.
Im nächsten Moment winkte sie ab. „Alles hat eine Schattenseite. Auch Rom…du schreckst mich nicht ab”, erklärte sie frohen Mutes. Und schließlich hatte sie sich an der Stadt noch nicht satt gesehen. Das würde vielleicht noch kommen. Irgendwann einmal. „Aber so gesehen ist Terentum wirklich ruhig. Obschon wir auch einen großen Markt haben und ein alljährliches Frühlingsfest, bei dem Händler von überall her in die Stadt strömen”, erzählte sie und die Begeisterung für dieses Ereignis war ihr regelrecht anzusehen. „Manchmal kommen auch Schauspieler – und hin und wieder können wir auch mit einem Brand aufwarten”, lächelte Narcissa ihn charmant an.
Narcissa folgte seiner Geste. Weniger Menschen und Marktstände. Das klang gut. Auf die Dauer mochte sie es nicht, wenn zu viele Menschen um sie herum waren Zustimmend nickte sie und die beiden verließen den sonnengesprenkelten Platz, gefolgt von den beiden Sklaven, die ein paar Schritte hinter ihnen gingen. Schlagartig wurde es etwas frischer, als sie in den Schatten der Häuser gerieten.
Narcissa musste schmunzeln, als der Claudier fragte, ob sie denn in der Villa Aurelia wohnte. „Ja. Der Aedil hat meine Schwester und mich bei sich aufgenommen.” Es war nicht absichtlich, dass sie nicht erwähnte, dass es sich bei dieser Schwester um einen Zwilling handelte. „Und wir werden jetzt einige Zeit bei ihm wohnen” bis…Nicht einmal in Gedanken wagte sie diesen Satz zu beenden. Der eigentliche Grund, weshalb ihre Mutter zugestimmt hatte, ihre Töchter gehen zu lassen, hatte nichts damit zu tun, dass sie mal etwas anderes hatten sehen sollen, sondern mit nüchterner Familienpolitik.
„Oh! Ich habe übrigens schon einen deiner Verwandten getroffen…Claudius Brutus”, kam ihr plötzlich in den Sinn. Dass das aber alles andere als eine für den Mann sprechende Begegnung war, verschwieg sie lieber. Hoffentlich würde sie dieses Mitglied der claudischen Familie nicht so bald wiedersehen. Ganz anders stand es mit diesem hier…Unauffällig betrachtete sie ihn hin und weder aus dem Augenwinkel heraus. Narcissa konnte nicht leugnen, dass sie sich in seiner Gegenwart wohlfühlte.
Lysandra, die hinter ihrer domina und dem Claudier herschritt, ließ die beiden Herrschaften indessen keinen Moment aus den Augen, stets bereit einzugreifen, falls es nötig war. Es gefiel ihr nicht, dass sich Narcissa auf diesen Spaziergang eingelassen hatte. Überhaupt, wie sich das Mädchen im Bezug auf den Claudier verhielt. Schließlich wusste sie rein gar nichts über diesen Mann. Noch nicht. Kurzerhand beschloss die resolute Leibsklavin, dass es Zeit war, das zu ändern.
„He du!”, sprach sie den Sklaven neben sich an – zugegebenermaßen etwas harsch. Als sie es merkte, versuchte Lysandra aber, etwas freundlicher zu klingen. „Kannst du mir vielleicht etwas über deinen Herrn erzählen? Wie alt ist er? Was macht er? Was für ein Mensch ist er?” Vielleicht war es unklug diese Fragen so direkt zu stellen, aber Lysandra, immerhin doch schon etwas älter, hatte im Moment einfach nicht die Nerven um den heißen Brei zu reden…