Beiträge von Aurelia Narcissa

    Flora verschluckte sich, prustete, keuchte, hustete und versuchte sich aus Narcissa Griff zu befreien. Wasser spritzte auf und ganze Wellen schwabbten klucksend gegen den Beckenrand. Für einen Außenstehenden musste es so aussehen, als versuche die eine die andere zu ertränken. Das absolute Gegenteil war der Fall. Hier war eine Schwester, die glaubte, ihr Ebenbild wolle Suizid begehen und das musste sie um jeden Preis verhindern.
    Und als sich das Wasser um sie herum wieder beruhigte und Flora nicht mehr allzu oft husten musste, da war es eine verkehrte Welt, denn Narcissa war es, die ein so erschrockenes, getroffenes Gesicht machte, als sei sie diejenige gewesen, die versucht hatte sich eigenhändig zu ersäufen. Der Schock saß tief und ließ sich auch nicht dadurch mindern, dass Flora versichert hatte, ihr ginge es gut. Offensichtlich tat es das nicht. So kannte sie ihre Schwester nicht. Egal wie schwierig die Situation auch gewesen war, Flora war immer frohen Mutes gewesen und hatte auch sie damit aufgerichtet. Die Entdeckung, dass ihr Zwilling, ihre wahre Familie und beste Freundin zu SO etwas fähig war, ohne dass SIE etwas davon geahnt hatte – das erschütterte Narcissa in ihren Grundfesten. Sie war so verwirrt, dass sie den aberwitzigen Drang verspürte gleichzeitig in Tränen auszubrechen und lauthals zu lachen. Es war furchtbar. Der innere Druck entlud sich in einer vollkommen Narcissa-untypischen Reaktion.
    „BIST DU WAHNSINNIG GEWORDEN?!”, schrie sie Flora an und in ihrer sich überschlagenden Stimme lag aller Schrecken. Sie konnte ihn nicht für sich behalten, musste ihn teilen, auch wenn es – oder gerade weil es – Flora gewesen war, die ihn ihr wie ein Peitschenhieb aus dem Nichts ins Fleisch geschnitten hatte. Sie fühlte sich tief verletzt, dabei war es nicht sie selbst gewesen, die versucht hatte sich umzubringen…
    „WAS UM ALLES IN DER WELT TUST DU?!”

    "Gratuliere...", meinet Narcissa lächelnd an Celerina gewandt, als diese den Gallier schließlich ersteigerte und meinte es auch ehrlich. Das wichtigste war, dass er überhaupt zur Aurelia kam, da spielte es keine Rolle, wer letztendlich die Sesterzen für ihn ausgab.


    Von der Idee eines Frühlingsfestes zeigte auch sie sich begeistert. "Vielleicht können wir uns demnächst einmal zusammen setzen...", schlug sie vor und sah zu wie der Gallier von der Bühne herunter gezerrt wurde. Brix kümmerte sich um die Angelegenheit. Zu ihrer Schwester Flora geneigt meinte sie: "Na komm, wir sollten uns auch noch ein wenig umsehen auf den Märkten...."

    Zitat


    Original Titus Aurelius Ursus:
    Ursus zuckte mit den Schultern. "Laßt ihm ein paar Rennen Zeit, er wird sich schon machen. Der Junge hat durchaus Potential. Er braucht nur Zeit und Gelegenheiten. Schaut nur, er kämpft sich wieder vor."


    Narcissa nickte schweigend auf Titus Hinweis. Er hatte eindeutig mehr Erfahrung, was die Beurteilung des Potentials junger Fahrer ging als sie, war es doch ihr erstes Rennen. Und tatsächlich gab sich der Bursche die größte Mühe, sich vorzukämpfen und spornte seine Pferde noch einmal gewaltig an – zu schade, dass er dann doch auf den letzten Platz zurückfiel, als die Quadrigen über die Zielmarke hinwegpreschten. Das Rennen war vorbei und die Weißen hatten gewonnen.
    „Uh, armer Kerl…”, seufzte Narcissa, dass es fast unterging in dem aufbrandenen Jubel der Weißen. Der Circus war außer Rand und Band. Die Fans fielen sich gegenseitig in die Arme, nur im Block der Goldenen war es auffällig ruhig. Doch Narcissas Gedanken verweilten nicht mehr allzu lang bei der Niederlage der Aurata.
    „Sag Mal, Titus…meinst du, du kannst uns noch zu den Quartieren mit runter nehmen?”, fragte sie ihren Cousin und spürte ganz deutlich Lysandras Blick in ihrem Rücken. Die Leibsklavin hatte so viel Mühe darauf verwendet, sie zu Beginn des Rennens genau von dort fern zu halten….

    Unschuldig wie ihre Gedanken noch waren, sorgte dieser hautnah erlebte Bericht dafür, dass sich ihre Wangen mit einer zarten Röte überzogen. Der Ton wurde noch etwas intensiver, als unweigerlich der Gedanke durch ihren Kopf zog, dass es womöglich doch besser gewesen war, dass die Frau ihre Tochter verkauft hatte. Sonst hätte ihr wohl dasselbe Schicksal geblüht. Bei der Aurelia hatte sie es doch nicht einmal so schlecht. Aber eigentlich schämte sie sich für den Gedanken, denn was wog es schon, versorgt zu sein, wenn man dafür seine Freiheit verlor – Halt!, rief sich Narcissa selbst wortlos zu, als sie spürte, wie sie wieder in diesen inneren Zwist hineingezogen wurde, denn dieses Mädchen ständig auf einzigartige Weise in ihr auslöste. Sklaven waren wichtig und es war gut und richtig, dass es sie gab! Wieder war es das Mädchen selbst, dass sie ablenkte und ihr ein Grinsen auf die Lippen zauberte.
    „Da hast du Recht”, stimmte Narcissa ihr zu: „Ich bin auch sehr froh darüber, dass sie sich so gut um Epicharis gekümmert hat.” Es klang ja schon etwas albern, kindlich. Aber in der Welt eines Kindes besaß nun eben alles einen persönlichen Anstrich, konnten Füchse sprechen und unsichtbare Schildkröten in Villenecken leben…”Darfst du heute eigentlich auch mal länger aufbleiben, oder schickt dich Brix immer gleich ins Bett?”


    Raschen Schrittes erreichte Narcissa die Sattelkammer, vor der immer noch die beiden Burschen hockten und Lederzeugs schrubten. Als sie die junge Aurelia auf sich zukommen sahen, wollten sie schon aufspringen, doch Narcissa bedeutete ihnen lächelnd sitzen zu bleiben. In der Kammer roch es nach Leder, Seife und Schmiere. Rasch ging sie die Halfter durch, die an langen, krummen Nägeln an der Wand hingen. Da sie noch nie hier gewesen war, musste sie erst einmal nach Epicharis´ Halfter suchen, nahm es von dem Nagel, als sie es gefunden hatte und kehrte eilig zu Marei und der Stute zurück. Das Mädchen war ein stückweit zur Tür zurückgewichen. Lächelnd stellte sie fest, dass das Tier Marei schon vollkommen vereinnahmt hatte. So war es immer. Die Stute verlangte ganz schön viel Aufmerksamkeit. Zumindest dahin gehend war sie kein einfaches, unkompliziertes Pferd. Gerade noch so, flog Narcissa Mareis Frage entgegen. „Wir nehmen sie rauß auf den Vorhof und führen sie ein bisschen am Strick. Ich habe keine Ahnung, wann sie das letzte Mal draußen war und es ist nicht gut, wenn sie so lange steht….”, erklärte sie und trat nun neben Epicharis. „Na komm Mädchen…”, mit sanftem Druck brachte Narcissa das Pferd dazu, dass es von Marei abließ und ein Stück den Kopf hob, sodass sie ihr das Halfter, im Grunde ein einfacher zum Halfter geknüpfter Strick, über das weiche Maul und und die Ohre schieben konnte. „Dann wollen wir mal…”, sprach sie wieder halb an das Pferd, halb an Marei gerichtet. „Machst du bitte das Tor noch etwas auf, Marei?”,

    Septimas umherschweifender Blick, so dezent er auch war, entging Narcissa nicht. Nach wem sie suchte, war nicht schwer zu erraten. Ein Zwilling kam selten allein. Und tatsächlich waren die beiden zumeist unzutrennlich. Nur manchmal da zog es die eine von der anderen fort. Das aber auch wiederrum für nicht sehr lange. Heute war das jedoch nicht so. „Flora ist mit ihren Blumen beschäftigt, ich wollte aber nicht den ganzen Tag in der Villa zubringen und dachte, ich gehe etwas bummeln…”, antwortete Narcissa mit einem diskreten Hinweis für die Verwandte, wer denn da nun vor ihr stand und lächelte. Manchmal war es durchaus amüsant, das Flackern der Unsicherheit über die Gesichter ihrer Mitmenschen huschen zu sehen, wenn sie nicht entscheiden konnten, mit welchem der aurelischen Blümchen sie es zu tun hatten. Aber eben nur manchmal…


    „Ich wusste gar nicht, dass du noch in Rom weilst, Germanicus Aculeo, geschweige denn davon, dass du sogar einen Kurs belegst…”, richtete Narcissa das Wort nun an Aculeo, der sich bisher mit Äußerungen reichlich zurück gehalten hatte. Überrascht nahm sie auf, dass die beiden direkt von der schola kamen. Das gab Septima eindeutig mehr Farbe. Bisher hatte sie, obschon sie im selben Haushalt lebten, recht wenig mit der Tiberia zu tun gehabt – bis auf die eine oder andere Situation, von denen ihr zumindest eine schon beim bloßen Gedanken daran, die Röte auf die Wangen zurücktrieb.
    „Für welchen Kurs habt ihr euch denn eingetragen?”, fragte sie schnell, um die Bilder zu vertreiben…

    Die Sklavin blieb Narcissa eine Antwort schuldig und zumindest Tiberius schien nicht die Geduld zu haben, zu warten. Bis sie sich entfernt hatte. Das war eines jener Dinge, die sie an ihrem Leben als patrizische Tochter missfiel. Man war nie allein. Stets gab es Mithörer. Für den Moment jedoch, musste sie das ausblenden und sich auf Tiberius konzentrieren, denn dieser lehnte sich nun nach vorn und stützte das Kinn in seine Handflächen, als drücke in eine Last im Kreuz nieder. Er sah sie nicht an, während er seine Geschichte Stück für Stück erzählte. Düster hingen seine Worte in der Luft, malten ein Bild seiner Seele, die stark verwundet zu sein schien. Auch sie hatte ihren Vater verloren. Jung war sie gewesen, hatte aber nie eine wirkliche Beziehung zu ihm aufgebaut. Wenn er kam, dann war er der mann, der das Gesicht ihres Vaters trug, der Mann den sie Vater nannte, pflichtschuldig umarmte, aber nicht mehr. So war es ihr nicht sehr schwer gefallen, als er ging. Dann aber dachte sie an jenen Menschen, dessen Position in ihrem Herzen wohl vergleichbar war mit jener, die der alte Aurelius Regulus im Leben seines Sohnes eingenommen hatte. Und da war es Narcissa, als würde auch ihr ein scharfer Stich durchs Herz jagen. Flora zu verlieren. Das war ungeheuerlich. Sie waren eins. Die eine ohne die andere nur eine lahme, leblose Hälfte. Einem Impuls folgend berührte sie Tiberius am Arm, überwand jene letzte Distanz, und sah ihn mit großen grünen bewegten Augen an.
    „Tiberius”, Sein Name hing einen Moment gewispert im Raum. „Manche Grauen sind in unsere Herzen gebrannt. Sie lassen uns ein Leben lang nicht mehr los…Es muss furchtbar für dich sein”, sagte sie leise mit aufgewühlter Stimme. Obschon es nur der Hauch einer Ahnung gewesen war, hatte etwas bedrückendes nach ihr gegriffen. „Aber, Tiberius, ich bin mir sicher, du warst ihm kein schlechter Sohn. Es gibt Dinge, die passieren, weil sie so passieren sollen.” Ermordet, hallte es in ihrem Kopf und setzte sich als Schauer auf ihrer Haut fort. Das hatte sie nicht gewusst. Gab es denn eine schlimmere Art und Weise, einem einen geliebten Menschen aus dem Leben zu reißen? „Und ich glaube nicht, dass dein Vater wollte, dass du dich mit dem „Wenn…dann” quälst. Er hätte gewollt, dass du den Kopf hebst und nach vorne gehst und nicht stehen bleibst oder zurückblickst…” Wieder legte sich eine kurze Pause zwischen ihre Sätze. Sie musste ihre Worte mit Bedacht wählen. „Hat man denn jenen Menschen…den Täter…hat man ihn gefunden?”

    „Narcissa!” Überrascht öffnete die junge Aurelia die Augen und wandte den Kopf jener Richtung zu, aus welcher der aufgebrachte Ruf kam. Lysandra flog förmlich auf sie zu und noch während sie den hortus überquerte und zu dem Wiedenkorb herüber kam, in dem Narcissa dösend die Frühlingssonne genossen hatte, konnte sie die tiefe Beunruhigung im Gesicht der Leibsklavin sehen, die sich wie ein hässliches Tier in ihre Züge gegraben hatte.
    „Was ist denn?”, Alarmiert setzte sich Narcissa in dem Sessel auf. Lysandra war ja ganz außer Atem. So hatte sie die Sklavin nur sehr selten erlebt.
    „Narcissa…”, keuchte sie. In ihrer Aufregung vergaß sie ganz und gar die förmliche Anrede.
    „Deine Schwester ist im balneum. Ich glaube, du solltest nach ihr sehen….” Diese Worte genügten, um die junge Aurelia aus ihrem Sitz auffahren lassen und ohne eine Antwort zu geben, eilenden Schrittes dem Bad zuzustreben.


    Lavendel, der Duft von Rosenblüten und warme feuchte Luft schlugen ihr entgegen, als sie ohne anzuklopfen, von Sorge getragen, das balneum betrat. Umgehend setzte sich die Feuchtigkeit als kleine Tropfen auf ihrer Haut, ihrem Haar und der cremefarbenen Pala ab, die sie an diesem Tag. Lysandra hatte sich sichtlich Mühe mit dem Bad gegeben und besonders edle und beruhigende Düfte ausgewählt.
    Etwas irritiert stellte sie fest, dass sie wohl allein war. Von Flora war weit und breit nichts zu sehen. Hatte sich Lysandra etwa einen schlechten Scherz erlaubt? Zwar lag neben dem Becken ein frisches Handtuch und auch eine saubere Tunika, ihre Schwester aber konnte sie nirgends entdecken. Das Herz schlug ihr eine Spur schneller in der Brust. Wo war sie nur? Nach jenem Schrecken, den sie auf Lysandras Gesicht gesehen hatte, musste Narcissa sie möglichst bald finden.
    Sie trat näher an den Beckenrand heran, durchschnitt dabei unsichtbare Wolken aus Feuchtigkeit. Es war wirklich unglaublich schwül. Die Oberfläche des Wassers bewegte sich nicht, war ruhig wie Spiegelglas. Aber etwas stimmte nicht. Entgegen der offensichtlichen Ruhe in diesem Raum, blieb eine Feder in ihr alarmiert gespannt. Stirnrunzelnd tat sie noch einen Schritt


    -
    „FLORA!” Ihr Schrei hallte wie zehn hysterische Matronen von den Wänden und der Decke wider, Wasser spritzte zu allen Seiten auf, als Narcissa die Stufen ins Becken hinunter sprang und zu ihrer Schwester watete, die sie kopfunter im Wasser entdeckt hatte. Der Stoff ihrer Pala saugte sich voll, wurde schwer und zog sie nach unten, doch sie achtete nicht darauf. Kämpfte an, gegen den Stoff, der sie zurückhielt. Atemlos, obschon der kurzen Distanz, erreichte sie den Körper ihrer Schwester, zog ihn unter den Armen nach oben.
    „Flora! Floraaa!” Ihre angsgeschwängerte Stimme überschlug sich fast. „Sag doch was!!!’”, Ihr Herz schlug ihr wild gegen den Brustkorb, als wollte es sich frei kämpfen.

    "Siehts du Lysandra? Cimon kann es wohl besser beurteilen, welches Potential in ihm steckt", hielt Narcissa der Sklavin unter die Nase und sprang damit ihrer Schwester helfend dabei. Vermutlich lernte es die Leibsklavin nie, dass sie nun einmal ihren eigenen Kopf hatten. Und dieser eigene Kopf sagte jetzt ganz klar: Diesen Mann mussten sie als Custodes haben. Schon allein deshalb, weil sie glaubte, dass die Aurelia verglichen mit anderen gens noch den menschlichsten Umgang mit ihren Sklaven pflegte. Von den Ausschweifung Marcus´ hatte sie damals nichts mitbekommen.
    Sie selbst hatte keinerlei Erfahrung was das Ersteigern von Sklaven ging...von Menschen. Der Gedanke fühlte sich reichlich merkwürdig an - und es war nicht gerade hilfreich solche Gedanken dann zu haben, wenn man selbst im Begriff war genau dies zu tun. Abermals sah sie hinauf zu dme Gallier. Unbestreitbar, sie war neugierig. Neugierig was hinter dieser Stirn steckte.
    "Meinst du, wir haben genug Geld mitgenommen?", meinte sie in Richtung ihrer Schwester ohne den Blick von dem Mann zu nehmen. Die Gegengebote beunruhigten sie. Sie war von Natur aus recht schnell beunruhigt, empfindsam, sensibel.
    Lysandra hinter den beiden schnaubte. Es gefiel ihr ganz und gar nicht und dass Cimon ihnen half erst recht nicht.
    "Es ist nicht gut. Und es bleibt dabei...Dieser Kerl wird nur Ärger machen. Kraft und Potential hin oder her", Sie warf dem Nubier, der sie eigentlich hätte unterstützen sollen stechende Blick zu, als wollte sie sagen "Wie konntest du nur?"...Den beiden Schwestern hatte sie indessen nicht mehr viel zu entgegen. Sie waren die Herrinnen und eigentlich konnte sie schon froh sein, dass sie für ihre "Frechheit" ihre Bedenken geäußert zu haben, nicht bestraft wurde...

    Bücher und Schreiben. Schon immer hatte sich die junge Aurelia für derlei Dinge interessiert. In den Schriftrollen eröffneten sich ganze Welten. Sie konnte Schlachten miterleben, die stattfanden, als sie noch nicht einmal gedacht gewesen war. Schreiber waren es, die ihr diese Möglichkeit erst eröffneten, weshalb sie Autoren für gewöhnlich mit einem gewissen Respekt begegnete, egal was letztendlich für eine Person dahinter steckte. Ob Narcissa diese Person mochte oder nicht. Einmal davon abgesehen, dass sie die Ältere sympathisch fand, war es auch so etwas wie Ehrfurcht, das in der jungen Aurelia geweckt wurde. Für die Decima indessen schien es das natürlichste der Welt zu sein aktiv zu sein, zu arbeiten wonach ihr der Sinn stand. Sie hatte aber wohl auch noch nie die Erfahrung jener goldenen Leine gemacht, die ihr unsichtbar um den Hals lag und sich jedes Mal zuzog, wenn sie „mehr“ wollte, als ihr die patrizischen Gepflogenheiten zustanden. Betraf das nun eigene Geschäfte zu machen, was ihr ja schon von rechtlicher Seit versagt war, oder sich auch nur frei und allein durch die Stadt zu bewegen. Der Custodes stand immer noch wachend drei Schritte hinter ihr, als drohe ihr hier in diesem Buchladen eine Gefahr. Lächerlich.
    Aufmerksam hing sie an Seianas Lippen. Diese Frau erlebte. „Ob mich das Schreiben interessiert?“, wiederholte sie lächelnd mit gehobenen Brauen. „Ja, sehr! Ich schreibe...privat sehr viel...“, Da konnte sie immerhin schreiben was sie wollte, wie sie es wollte, sich anderes erträumen. „Es würde mich sehr reizen bei der Acta anzufangen...Ich weiß nur nicht...“ Sie überlegte, wie sie den Satz am besten zu Ende bringen konnte....“ob meine Verwandten sehr davon angetan wären, würde ich mich so öffentlich mit Politik beschäftigen.“ Sie erinnerte sich noch sehr düster an jenes erste Gespräch mit Marcus. Sie hatte sich nach den politischen Geschehnissen in der ewigen Stadt erkundigt und er hatte ihr Information zu gesellschaftlichen Tratschthemen gegeben – nein, noch nicht einmal das. Er hatte sie an Prisca verwiesen. Als wäre es nicht Sache einer Frau sich auch nur im Geringsten für Politik zu interessieren!


    „Ich kann mir vorstellen, dass du vor allem auch mit diesem Umzug jetzt einiges zu tun hast“, erwiderte sie dann verständnisvoll. „Warum verlegst du den Laden eigentlich von Alexandria nach Rom?“

    Narcissa konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Für gewöhnlich war sie die empfindsamere der beiden. Ihre Fähigkeit zur Empathie hämmte sie leider auch zu Weilen. Sie machte sich zu viel Gedanken.
    Keine Frage, dem Mann mochte es da oben nicht sonderlich gefallen. Unzählige Augenpaare waren auf ihn gerichtet, erforschten seinen feilgebotenen Körper. Die dachte zurück an die Versteigerung jener Germanin, die letztendlich von Marcus Aurelius Corvinus ersteigert worde war und den Weg in die Villa Aurelia gefunden hatte. Dieses Mal war es anders. Dieser Mann schien keine Angst zu empfinden. Was sie sah, das war Wut. Man hatte ihn noch nicht gebeugt oder gebrochen. Das übte eine gewisse Anziehungskraft aus. Und er sah ja wirklich nicht schlecht aus...Dass sich Cimon seiner annehmen konnte, das war ein gutes Argument. Als sich dann auch noch Lysandra in ihrer beglukenden Art einmischte, da war die Entscheidung eigentlich schon gefallen. Es geschah oft, dass die beiden Schwestern aus Trotz gegen die Leibsklavin handelten - einfach um ihre Dickschädel durchzusetzen.
    "Gut, versuchen wir es...", wisperte sie ihrer Schwester erfasst von einer Welle aus Euphorie und Aufregung zu. Das war auch der Grund, weshalb ihr die Anwesenheit ihrer Verwandten nicht auffiel. Schon hob Flora die Hand und gab ihr erstes Gebot ab. Zum Glück hatten sie heute etwas mehr Geld mitgenommen.
    Lysandra indessen musste sich zusammenreißen, den beiden nicht um die Kehle zu fallen. Was dachten sich die beiden nur?! Wollten sie sie in den Wahnsinn treiben, diese beiden Dickschädel - die Kobolde?! Das konnte nicht gut gehen. Ihr Kopf lief knallrot an und sie wechselte mit Cimon einen Blick - oder versuchte es zumindest, denn er schien den Gallier mit seinen Augen durchbohren zu wollen - als wollte er um Hilfe bitten. "domina! Wirklich! Die Familie wird nicht angetan davon sein, wenn ihr beide einen solchen Mann nach Hause bringt!....Cimon!" Sie sah noch einmal zu dem Nubier auf. "Sag ihnen, dass er nicht zum Custodes geeignet ist!", Vielleicht würden die Kobolde ja auf ihn hören!

    Narcissa warf ihrer jüngeren Schwester ein verschmitztes Grinsen zu. Natürlich hatte sie etwas gefunden. Sie fand immer irgendein Buch, das ihr gefiel. Neugierig kam sie zu Flora herüber und betrachtete die Armreife, die sie ihr entgegen hielt.
    "Sehr hübsch!", kommentierte sie. Die SChmuckstücke waren wirklich fein gearbeitet. Und da es sich lediglich um Halbedelsteine handelte, würde Lysandra ob des Preises auch keinen allzu großen Aufstand machen.
    "Ich finde du solltest sie nehmen! Sie passen gut zu deiner dunkelgrünen Pala..."


    Sie brachten den Handel zum Abschluss und schlenderten dann noch ein Stück weiter. Durch Zufall kamen die Zwillinge am Sklavenmarkt vorbei. Eigentlich mochte Narcissa diesen Teil des Marktes nicht sonderlich und machte für gewöhnlich einen gewissen Bogen darum. Die Menschen in den Käfigen rührten etwas in ihr, das sie angesichts von Sklaven eigentlich nicht empfinden sollte. Dazu kam der Dreck und der unangenehme Geruch der wie eine stinkige Wolke über dem Markt waberte. Titus Tranquilus, ein Herr der in ihr weniger Sympathie weckte, versteigerte gerade einen jungen, überaus hübsch anzusehenden Gallier. Offensichtlich war er etwas widerspenstig, denn der Herr der Sklaven versetzte ihm einen leichten Tritt, von dem er wohl hoffte, die Interessenten würden das nicht bemerken.
    Narcissa neigte ihrer Schwester das Ohr zu.
    "Einen eigenen Custodes zu haben, wäre nicht schlecht...", erwiderte sie, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Die Custodes der Aurelia waren allesamt unfreundlich, griesgrämig und tölpelhaft.
    "Aber er scheint etwas widerspenstig zu sein..." Natürlich erfasste Lysandra sofort, was da vor sich ging. Offensichtlich meldeten ihre Herrinnen Interesse an dem zum Verkauf stehenden Gallier an. Spontan fielen ihr gleich zwei Gründe ein, weshalb das absolut keine gute Idee war.
    Er war ein junger Mann. Und er sah definitiv zu gut aus. Da war es ganz unerheblich ob er ein widerspenstiger Zeitgenosse war oder lammzahm. Lysandra sah die Gefahr wie ein Wildpferd auf sich zu preschen. Dieser Kauf musste verhindert werden!
    "domina! Die Aurelia hat so viele Sklaven....da werdet ihr schon einen Custodes finden. Dieser Gallier wird euch nicht sehr von Nutzen sein. Seht, er ist eher zu handwerklichen Arbeiten geeignet. Wollt ihr seine Arbeitskraft vergeuden?", Lysandra redete sich um Hals und Kragen. Sie konnte das Gesicht dominus´ Manius Aurelius Orestes schon deutlich vor sich sehen. "Außerdem scheint er nicht sehr zahm zu sein...", fügte sie noch rasch hinzu, als wäre das ein schlagendes Argument.

    Der Claudier mochte die ewige Stadt offensichtlich nicht sonderlich. Mit großen überraschten Augen sah sie zu ihm auf. „Das klingt danach, als könntest du der Stadt überhaupt nichts abgewinnen...“, Für die junge Aurelia selbst war Rom immer noch der Inbegriff des Abenteuers, der Weltmetropole, die zugleich alt und jung war. Wenn sie zu den Tempeln im Tempelbezirk aufblickte, überkam sie ein ehrfürchtiger Schauer und wenn sie über die großen, menschenüberfüllten Märkte schlenderte, schlug ihr Herz höher bei all den fremdartigen Dingen, die es zu sehen gab. Und dann gab es noch die herrlichen Gärten, die im Frühling einfach wunderbar sein mussten, jetzt da alles zu blühen begann – zumindest hatte sie das gehört. Überhaupt gab es in Rom noch so vieles, das es zu entdecken galt. Und schließlich war es auch ihre Neugierde, ihr Sinn für Neues, gewesen, der sie hierher gebracht hatte. Bisher hatte es eigentlich nur zwei unangenehme Begegnungen gehabt...die eine damals mit einem Verwandten den Claudiers, Claudius Brutus und jene, der sie soeben entkommen war. „Aber ja, du hast Recht – es ist eine große Umstellung...Terentum ist bei Weitem nicht so interessant wie Rom...“


    Für den Bruchteil eines Atemzugs schien Lepidus zu überlegen, denn er sah sich um, als fürchte er irgendwelche Zuhörer – aber das bildete sie sich vermutlich nur ein. Und überhaupt hatte es auch rein gar nichts zu bedeuten, dass er an seiner Toga zupfte. Rein äußerlich war er die Ruhe selbst – und dennoch Narcissas Herz schlug einen Moment lang bis zum Hals und eine gewisse Gelassenheit überkam sie, als er sie fragte, ob sie ihn noch etwas begleiten wollte. Auf diese Frage hatte sie gehofft und Narcissa musste sich Mühe geben, ihre Freude darüber nicht allzu sehr nach außen zu tragen. Ihr strahlendes Gesicht war allerdings ein recht schlechter Bewahrer ihrer Geheimnisse.
    Auch Lysandra sah es und offen gestanden, war sie davon nicht sehr angetan. Der Claudier fand bei Narcissa unübersehbar Anklang, während er selbst scheinbar ganz ruhig blieb. Für sie ließ das nur eine einzige Schlussfolgerung zu. Narcissa gehörte zurück in die Villa.
    [SIZE=7]„domina...“, [/SIZE]neigte sich die Leibsklavin flüsternd zum Ohr ihrer Herrin und legte ihr dabei vertrauensvoll die Hand auf den Arm, [SIZE=7]„Du bist bestimmt müde, vielleicht sollten wir zurück zur Villa gehen...“ [/SIZE]Doch der jungen Aurelia war nichts ferner als das. Müde sein? Von wegen – nicht wenn diese leise Aufregung durch ihre Adern pulsierte.
    „Ach was, ich bin nicht müde...“, gab sie halblaut zur Antwort und blickte unmittelbar zurück zu dem Claudier, der noch immer ihre Entscheidung abwartete, eine Entscheidung, die schon gefallen war, bevor er sie gefragt hatte. Seine Antwort, entlockte ihr abermals als ein Lächeln. Konnte es sein, dass da vielleicht doch so etwas wie Interesse war? Anscheinend war er doch gewillt ihr zumindest etwas Zeit zu widmen.
    „Es würde mich sehr freuen, wenn ich dich etwas begleiten könnte“, erklärte Narcissa freudestrahlend„Außerdem wäre es sicher – in deiner Nähe laufe ich nicht Gefahr wieder belagert zu werden“, Letzteres galt eigentlich eher Lysandra, die sich zwar um ein knitterfreies Gesicht bemühte, aber doch etwas zerknirscht wirkte. Narcissa achtete nicht weiter darauf. Sie hatte jetzt viel wichtigeres zu tun. Ihre Aufmerksamkeit galt ungeteilt dem Mann vor ihr. Was um alles in der Welt passiert hier nur mit mir, fragte sich ein anderer Teil ihres Wesens erstaunt....

    Der Aurelier musterte sie einen Augenblick lang, als überlege er, ob sie würdig genug war, dass er sich ihr anvertraute. Narcissa konnte das Für und Wider, sein Winden in den braunen Augen lesen.
    Dann veränderte sich sein Ausdruck, wurde eine Spur weicher, aber nicht weniger ernst. Es war der Ausdruck eines Mannes, der sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Narcissa nickte, als er ihr einen Platz neben sich auf einer der umliegenden Bänken anbot. Innerlich freute sie sich darüber, dass Tiberius ihr so viel Vertrauen entgegen brachte. Sie mochte den jungen Mann und sah es deshalb auch nicht gern, dass er augenscheinlich, so sehr litt. Aus ihrer eigenen Erfahrung heraus, wusste Narcissa, wie gut es tat, sich anderen anzuvertrauen. Mit Flora hatte sie es da relativ einfach. Ihre Schwester war immer da, wenn sie sie brauchte. Über das Verhältnis zwischen den Brüdern Tiberius und Gaius wusste sie jedoch nicht sonderlich viel. Gaius hatte sie noch seltener gesehen, als Tiberius und eigentlich hatte sie zu jenem Aurelier nie eine wirkliche Beziehung aufbauen können.
    Einen kurzen Moment lang herrschte Stille, als sich Tiberius sammelte und dann schließlich zu einer Erklärung ansetzte. Sehr weit kam er jedoch nicht. Narcissa kam gerade noch dazu "Ah, sein Vater!" zu denken, als eine Frau das Wort an sie richtete. Sie war Narcissa gar nicht aufgefallen, aber sie musste wohl den Säulengang umrundet haben, während sie gesprochen hatten. Narcissa hatte sie hier noch nie gesehen, aber an der Art, wie sie sie beide begrüßte, konnte es sich nur um eine Sklavin handeln. Freundlich erwiderte sie den Gruß. "Salve!..." Sie spürte, wie die Wolke um Tiberius neben ihr wieder eine Spur finsterer wurde. Allzu viel Zeit wollte sie nicht verstreichen lassen, nicht dass er noch auf die Idee kam, seine Meinung zu ändern. Andererseits würde die Sklavin wieder schneller verschwinden, wenn sie gefunden hatte, was sie offensichtlich suchte. "Was suchst du?", erkundigte sie sich daher, als die Frau in die alea hinter ihnen schaute...

    Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    Es war sowieseo einfach eine große Freude, mit zwei so hübschen jungen Mädchen auf einem Fest zu erscheinen. "Wollen wir zuerst zu den Brautpaaren? Oder möchtet ihr euch erst ein wenig umschauen. Die Brautleute sind ohnehin sehr gefragt, es würde also nichts ausmachen, wenn ihr erst ein wenig schauen wollt."


    Hatte ihre Schwester Flora den Morgen damit zugebracht, ihren Kleiderschrank im Zimmer zu verteilen, hatte sich Narcissa damit abgemüht, sich Lysandras "Verschönerungen" vom Hals zu halten. Nicht, dass sie vor gehabt hatte, wie ein Bauertrampel auf der Doppelhochzeit zu erscheinen. Anders als Flora hatte sie sich recht schnell für ein blassfliederfarbenes Gewand entschieden, das mit einer silbernene, filigran gearbeitetn Gewandungsspange in Form eines Schmetterlings an Ort und Stelle gehalten wurde. Dazu eine dezente Hochsteckfrisur, Kohle, um die grünen Augen zu betonen und mehrere Silberarmreifen. Doch Rouge und rote Farbe für die Lippen? Narcissa hatte die Sklavin mit einer Mischung aus Zweifel und Abneigung angesehen.


    Jetzt betraten sie am Arm ihres Cousins Titus - der freilich dem Charme zwei Paar grüner, bittender Augen erlegen war und sie, obschon sie nicht eingeladen waren - das Atrium, in dem sich schon jede Menge Menschen drängten. Man hatte sich in Schale geworfen. Das eine oder andere Gesicht kam ihr durchaus bekannt vor. Sie entdeckte etwa Germanicus Aculeo unter den Gästen, der bei Septima stand. Auch ihr stand der Sinn mehr danach, sich erst einmal unter die Gäste zu mischen. Immerhin war das ja eigentlich auch der Hauptgrund gewesen, weshalb die Zwillinge unbedingt hatten mitgehen wollen - um neue Kontakte zu knüpfen. Sie schlugen den Weg in Richtung Titus´ Gattin ein. Dabei musste sie immer wieder ausweichen, weil ihnen plötzlich jemand vor die Füße trat....

    Auch Narcissa war an diesem herrlichen Tag unterwegs, um sich die Zeit mit ein wenig Bummeln zu vertreiben. In keiner anderen Stadt war das so gut möglich, wie hier in Rom, wo es an jeder Ecke Stände und Läden mit großen Auslagen und unterschiedlichsten Angeboten gab. Lysandra begleitete die junge Aurelia, gefolgt von einem germanischen Custodes, durch die menschengefüllten Straßen. Offensichtlich wollten auch noch andere das gute Wetter nutzen, um die Wintermüdigkeit abzustreifen.
    "Was sagst du dazu, Lysandra?", Narcissa hielt ihr eine filigran gearbeitete silberen Gewandungsspange entgegen. Sie hatte die Form eines Blattes und fasste einen grünen- Narcissa war sich nicht ganz sicher - Halbedelstein ein. Die Leibsklavin, die auch dazu abgestellt war, mit Argusaugen darüber zu wachen, dass die Zwillinge nicht ihr ganzes Taschengeld verschleuderten, runzelte die Stirn, als sie die Spange entgegen nahm, um sie genauer zu betrachten.
    "Sehr hübsch, domina. Aber hast du nicht schon eine ähnliche Spange?"
    "Ja schon, aber...",setzte Narcissa zum Widerspruch an, seufzte dann aber ergeben. "Na du hast Recht..." Bedauernd legte die junge Aurelia das Schmuckstück zurück auf den Auslagentisch.
    "domina! Seht! Dahinten kommt domina Septima!", Auf den Ausruf ihrer Leibsklavin hin, hob Narcissa den Kopf und sah in die Richtung, in jene Lysandra wies. Tatsächlich! Septima! Aber von wem wurde sie begleitet? Titus konnte es nicht sein. der war dunkehaarig und größer...Die beiden kamen näher, bahnten sich ihren Weg durch die Menschen. Jetzt erkannte sie. Der Germanica. Einen Moment lang runzelte sie die Stirn - der junge Mann suchte offenbar die Nähe zu Patrizierinnen- dann waren sie schon heran und Narcissa begrüßte sie lächelnd.
    "Salvete! Na, nutzt auch ihr das schöne Wetter?"

    Das Mädchen legte eine kleine fast schon akrobatische Einlage ein, was Narcissa ein Schmunzeln entlockte. Es fiel ihr etwas schwer mit dem rechten Auge zu zwinkern. „Nein, nicht überall. Als ich so alt war wie du, musste ich auch immer ins Bett gehen.” Die beiden Schwestern hatetns ich daran freilich nie wirklich gehalten. Gelang es ihnen nicht, sich nochmals hinaus zu schleichen, dann redeten sie noch stundenlang in der Dunkelheit miteinander und heckten neue Untaten aus. „Nur wenn Besuch da war, wurde eine Ausnahme gemacht und wir diurften etwas länger wach sein…”


    „Es dauerte mehrere Stunden”, antwortete Narcissa auf Mareis Interesse hin. Allmählich schien das Eis zu schmelzen. Sie war neugierig und weil sie noch so jung war, behandeltet sie auch Tiere wie Menschen, die sich freuten oder traurig waren. „Na, ich denke schon, dass sie sich über ihr Fohlen gefreut hat…sie hat sich sehr gut um Epicharis gekümmert”, In ihren Ohren klang es merkwürdig, aber sie wollte dem Mädchen keine Antwort schuldig bleiben. Und Narcissa wollte auch nicht fragen, ob Mareis Mutter jemals zu ihr gesagt hatte, dass sie sie lieb hatte. Dass eine Mutter ihr eigenes Kind verkaufte – dass war für sie immer noch völlig unvorstellbar!



    „Oh, du magst Blumen!”,
    stellte Narcissa fest. Dann würde sie Marei einmal zu Flora schicken. Ihre Schwester hatte auch ein Faible für Pflanzen und vielleicht machte es dem Mädchen Spaß draußen im Garten zu arbeiten. Besser als schwere Dinge schleppen zu müssen war das allemal. „Schneeglöckchen und…”, Sie grinste…” Hyazinthen….ja, die sind sehr schön!” Vielleicht wäre es ihr möglich dem Kind eine kleine Freude zu machen, indem man ihren Ehrentag – wenn auch heimlich, denn das würde sonst nur Aerger mit Lysandra geben – beging. Anscheinend hatte die Stute immer noch Appetit. Sie stupste Marei auf der Suche nach mehr Futter an. „Sicher…”, Narcissa nahm einen zweiten Apfel aus ihrer Tasche und teilte auch diesen in vier kleine Stücke, die sie dann an Marei weitergab. Tier und Mensch verstanden sich ganz gut. „Ich glaube, wir gehen ein wenig mit ihr rauß auf den Hof…”, meinte sie, als sie beobachtete, wie Marei der Sute abermals die Hand hinhielt. Und sie verließ die Box in Richtung der Sattelkammer.

    Narcissa schenkte ihrer Schwester ein breites Lächeln, als diese von der Hochzeit im Hause Germanica/Iunia sprach. Natürlich würden sie Titus bitten ihn mitzunehmen - und selbstverständlich würde er dieser Bitte auch statt geben. Da bestand kein Zweifel. Gegen die beiden Schwestern zusammen kam er einfach nicht an.


    Ihr entging nicht der höfliche Ton mit welchem ihre Schwester mit dem Germanica sprach. Floskeln, die man ihnen seit ihrer Kindheit eingbläut hatte. Sei diplomatisch, sei höflich! Die Mutter klang in ihrem Ohr. Was tatsächlich in diesem jungen Mann steckte, dass würde erst seine Amtszeit zeigen. Klugerweise bemerkte er, dass es auch auf seine Unterstützer ankam. Und die gewann man mit Charme. Die junge Aurelia neigte etwas den Kopf und betrachtete ihn neugierig. Schließlich schien er vornehmlich an ihrer Schwester interessiert zu sein, was ihr Zeit gab, ihn genauer zu studieren. Charme...hmm...Auf jeden Fall war der junge Germanica recht unsicher. Ein anderer Mann hätte sich an seiner Stelle wohl nicht so rasch entschuldigt - und eingestanden "unrömisch" zu sein. Wie ging denn so etwas? Er war doch nicht zum Römer durch Adoption geworden!
    Du kannst ganz ruhig sein, ging es ihr abermals durch den Kopf. Von Lysandra würde es später bestimmt noch ein Donnerwetter geben. Aber natürlich würde sie deshalb nie behaupten "unrömisch" zu sein. Flora war dann immerhin so freundlich ihm beizuspringen. Sie musste schmunzeln. "Ja, das ist wahr...es gibt hier in Rom einfach so vieles, das anders ist..."


    Offensichtlich war Marei sehr gern bei ihnen, da sie sogar ablehnte ein wenig Freiheit zu genießen.
    "Du kennst dich in Rom aus?", nahm Narcissa dankbar ihren Gesprächsfaden auf. Die Unterhaltung zwischen Aculeo und Flora ging zunehmend an ihr vorbei. "Dann müssen wir dich mal mitnehme, was?", Sanft strich sie Marei über das Haar.
    Tatsächlich fiel nun auch ihr auf, dass Lysandra schon eine ganze Weile fehlte. Anscheinend war das für das kleine Sklavenmädchen ein unhaltbarer Zustand. "Ich glaube nicht, dass wir sie gerade brauchen..."meinte sie mit einem Blick zu ihrer Schwester.

    „Uh ja! Die sind absolut lecker!”, brach es Narcissa spontan über die Lippen. Auch sie war schon in den Genuss der Fertigkeiten der aurelischen Köchin gekommen und war dabei förmlich hingeschmolzen. Seit sie hier in Rom waren, musste Lysandra noch mehr darauf achten, dass die Zwillinge nicht zu viele Leckereien aßen. Die beiden waren eben Leckermäuler.


    Es war etwas ganz besonderes für Narcissa gewesen, als das kleine Rappfohlen, damals noch namenlos, in einer eher ungemütlichen, stürmischen Nacht im Schein von einigen Fackeln das Licht der Welt erblickt hatte. Sie hatte es gar nicht glauben können, als Ragnar, der germanische Stallmeister, zu ihr gesagt hatte, dass das ihre Stute war, die sich auf wackligen, zittrigen Beinen hochkämpfte, beschützt von ihrer Mutter. Noch heute hatte sie den Geruch von frischem Stroh, vermischt mit Blut in der Nase, sah das kleine Wesen noch so deutlich vor sich, als wäre es erst gestern geboren worden, auch wenn Epicharis inzwischen ganz ausgewachsen war. „Ja, ich war bei ihrer Geburt dabei…”, antwortete sie mit einem Lächeln, als Marei sie regelrecht mit Fragen überhäufte. Natürlich wusste das ihre Mutter Lucilla nicht, denn sie hatte sich in den Stall geschlichen und dort die ganzen langen Stunden ausgeharrt, bis es denn endlich los ging. „Es war…es ist wirklich schwer in Worte zu fassen, „wie es war”. Unbeschreiblich, wenn sich Zentimeter für Zentimeter ein Wesen aus dem Mutterleib schiebt und du weißt, dass es neues Leben ist, dass da zur Welt kommt…” Sie war sich nicht ganz sicher, ob Marei das Gefühl, dass sie versuchte zu beschreiben, erfassen konnte. „An den genauen Tag erinnere ich mich leider nicht mehr so genau…Es war irgendwann im Herbst und es hat gestürmt.” Es war nicht das erste Mal, dass sie sich über Mareis Geburtstag unterhielten. Aber damals wie heute verspürte sie leise Wut darüber, dass Mareis Mutter offensichtlich so wenig Interesse und Sorge an und um ihre Tochter gehabt hatte, dass sie sie verkauft hatte. In welchen Umständen das auch immer passiert sein mochte. „Wann hättest du denn gern deinen Ehrentag?”, fragte sie sanft nach.


    Mit ein wenig Abstand beobachtete Narcissa lächelnd, wie Marei anscheinend die Furcht vor der Stute verlor. Das Tier gab sich auch sichtlich Mühe besonders vorsichtig zu sein, als spürte sie, dass das Mädchen zögerte, sich ihr zu nähern. Sie freute sich darüber, dass die beiden sich offensichtlich so gut verstanden. „Sie ist ganz früh an Menschen gewöhnt wurden und hat gelernt vorsichtig zu sein…”, Die Stute war freilich nicht immer so lammzahm. Wenn sie draußen in der Natur waren und Narcissa ihr die Zügel freigab, dann konnte auch Epicharis einiges Temperament entwickeln. Was den Sklavenhändler betraf, der sie an den Mann gebracht hatte, so musste es sich um einen besonders kreativen Vertreter seines Berufes gehandelt haben. Immerhin ließ der Spitzname tief blicken. Für zukünftige Ausflüge nach Rom, würde sie wohl häufiger auch auf Marei zurück greifen. Lysandras Orientierungssinn war nicht unbedingt der beste und sie war nun ja auch schon etwas älter und konnte, vor allem an sehr heißen oder kalten Tagen, nicht mehr so weit gehen, auch wenn sie versuchte die Zwillinge das nicht merken zu lassen. Die Stute indessen spitzte die Ohren, kaute zufrieden die restlichen Apfelstücke und stupste das Sklavenmädchen dann leicht mit dem Maul an, als wollte sie sie auffordern, ihr noch einen Apfel zugeben…

    Sim-Off:

    Kein Ding=)


    Seine Worte klangen, als wollte er bestätigen, dass er es tatsächlich war - obschon er unsicher war, beinnahe wie ein gehetztes Tier wirkte, das unruhig von Nische zu Nische sprang und einfach nur furchtbar müde aussahe. Er war es, aber nicht derselbe. Der unerschütterliche Optimist Tiberius Aurelius Avianus hätte niemals "Im Grunde kann mir niemand helfen" gesagt, was in ihren Ohren schon fast wie eine eingestandene Niederlage anmutete.


    "Ich kann Dir vielleicht nicht helfen - aber ich kann Dir zuhören", bot Narcissa ihm bestimmt an. "Und vielleicht ist Dir das schon eine Erleichterung". Insgeheim fragte sie sich natürlich, was es mit diesen alten Wunden auf sich, die so offensichtlich wieder aufgebrochen waren. Selbstverständlich hatte auch der in Terentum lebende Teil der Familie Nachricht über den Tod des Varus Aurelius Regulus erhalten und tief bewegt ihr Beileid bekundet. Das lag nun aber schon ein ganzes Jahr zurück. "Was beschäftigt dich?", hakte sie sanft drängend nach. "Beschäftigen" war dabei vielleicht nicht die beste Wortwahl. "Erschüttern" traf es da eher, wenn sie Tiberius so betrachtete...

    et Aurelia Flora....
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    Begeistert verfolgten die Zwillinge, wie die Wagen, die erste Runde begingen. Die Roten hatten einen Traumstart hingelegt und lagen nun weit vorn, dahinter blitzte Weiß durch Staub und auffliegenden Dreck auf. Narcissas Bedenken angesichts des Alters des Fahrers der Aurata schienen sich zu bestätigen. Die Goldenen lagen abgeschlagen auf dem hinteren Platz.


    Zitat


    Original von Titus Aurelius Ursus
    Nachdem Ursus noch seinem Fahrer und seinen Betreuern beigestanden hatte bei den Startvorbereitungen, suchte er seinen Platz unter den Zuschauern auf. Er entdeckte die Zwillinge und begrüßte sie erfreut. "Salvete, ihr beiden. Na, seid ihr mit allem gut versorgt? Sonst kann Cimon euch mit versorgen. Ist das eigentlich euer erstes Rennen?"


    Die Schwestern blickten etwas unwillig von dem Geschehen unten im Rennoval auf, als jemand sie durch den Lärm der jubelnden Menge ansprach. Den Menschen schien das Spektakel mehr als zu gefallen. Vor ihnen stand Titus, begleitet von Cimon, der sich dezent im Hintergrund hielt und wohl eine Erfrischung für ihren Verwandten vorbereitete. "Salve Titus!", erwiderten sie die Begrüßung strahlend und fast schon synchron. Offensichtlich hatten sie heute tatsächlich einen Zwillingstag erwischt. Etwas befremdet darüber tauschten Narcissa und Flora einen kurzen Blick.
    "Danke, wir haben alles...oder vielmehr wir bekommen noch...", antwortete Flora. Sie hatten Lysandra los geschickt, ihnen Wasser zu besorgen. "Wenn Lysandra durchkommt", fügte die junge Aurelia etwas besorgt hinzu. Bisher war die Leibsklavin noch nicht zurückgekehrt, was aber auch kein Wunder war bei den Menschenmassen, die sich am heutigen Tage im Circus tummelten.
    "Es ist unsere Premiere!", Man konnte Narcissa ansehen, dass sie begeistert war von dem was sie sah. "All die vielen Menschen, die Stimmung, die Pferde - einfach großartig! Marcus hat wirklich gute Arbeit geleistet!" Dann huschte jedoch ein Schatten über ihre Züge. "Meinst du, die Goldenen haben noch eine Chance weiter nach vorn zu kommen?", Vom Rennfieber ergriffen, litt sie regelrecht mit.


    Zitat


    Original von Publius Aurelius Imbrex
    "Flora, Narcissa. Es ist schön euch wiederzusehen, nachdem sich in den letzen Tagen nicht die Gelegenheit ergeben hat." Der Sklavenmarkt war vor einigen Tagen immerhin keine geeignete Umgebung, um ein weiterführendes Gespräch zu führen.


    Schon gesellte sich der nächste Verwandte hinzu - und natürlich wurde auch er von den beiden Zwillingen mit einem herzlichen "Salve!" begrüßt. Sie hatten Publius schon eine Weile nicht mehr gesehen.
    "Die Freude liegt ganz auf unserer Seite!", erwiderte Flora. "Wo warst du denn? Du warst wie vom Erdboden verschluckt...", erkundigte sie sich mit einem verschmitzen Lächeln auf den Lippen.