Beiträge von Aurelia Flora

    „Den Glauben der Römer, deren Kulte und Riten werde ich dir näher bringen. Denn Flora wird sicherlich den Göttern bald ein Opfer darbringen und dann solltest du zumindest wissen was du tust. Manchmal reicht ein kleiner Fehler aus, dass ein Opfer nicht angenommen wird…“, flüsterte Lysandra der Mitsklavin zu. „Das ist Quintus Flavius Flaccius, ein Freund unserer Herrin. Sie haben die letzten Spiele gemeinsam besucht und auch gewettet. Es ist gut, dass sie den Vorschlag gemacht hat ihn einzuladen...“, auch sie senkte ihre Stimme noch ein wenig mehr, damit sie die Herrschaften nicht störten. „Sieh zu und lerne ein wenig“, erklärte sie, als das Opfer unten in der Arena seinen Lauf ging. Der Ochse musste sein Leben lassen und sein Blut färbte den Sand dunkelbraun.


    Das Opfer wurde schweigend verfolgt, die kurze Begrüßung und ein Gespräch für später aufgeschoben. Gespannt wartete man auf die Litatio und als diese verkündet wurde, brach wieder Jubel aus. Endlich konnten die Spiele beginnen. Avianus’ Worte waren nur eine reine Formsache. Kaum hatte der Aurelier das Rund der Arena verlassen, wurden auch schon die ersten Tiere los gelassen. Löwen gegen Panther, Strauße und sogar ein Nashorn und andere exotische Tiere gegen den Menschen. Ein Bär aus den tiefsten Wäldern Germaniens riss einem der Gladiatoren den Kopf förmlich von den Schultern. Das Publikum war begeistert, tobte und schrie und verlangte nach mehr Blut.
    Der Aufmarsch der Gladiatoren begann. In polierten Rüstungen und mit glitzernden Waffen begrüßten sie die Menge und sorgten für Jubelstürme.


    Das Spektakel ließ sich bequem aus der Loge beobachten. Es gab zahlreiche Erfrischungen und auch Leckereien. „Dann sollten wir unsere Treffen vielleicht einmal an einen anderen Ort verlegen“, schlug sie vor. „Soweit ich weiß nicht. Aber wir bekommen sicherlich die Gelegenheit zu Fragen. Avianus wird sich sicherlich die Spiele auch aus der Loge ansehen wollen.“

    Es war eigentlich zu erwarten gewesen, dass Tiberius Durus ihr einen Besuch abstatten würde. Schließlich galt es die Vorbereitungen zur Hochzeit zu treffen. Gästeliste, Speisenabfolge, Opfer für Iuno und noch viele unzählige andere Kleinigkeiten sollten und mussten abgesprochen werden. Anscheinend war der Tiberier nun aus Syrien zurück gekehrt und es viel damit zusammen, dass sie ihre Trauerzeit beendete. Erst vor wenigen Tagen hatte sie sich vor die Tür gewagt. Hatte die Familie bei den Gladiatorenspielen von Avianus vertreten. Etwas das sich als Fehler heraus gestellt hatte, sie war noch nicht soweit gewesen, sich wieder unter Menschen zu wagen. Doch in Gesellschaft von Flavius Flaccus hatte sich dann doch ein wenig Freude an diesem Spektakel gefunden. Die Ablenkung hatte ihr gut getan, sie ein wenig auf andere Gedanken gebracht. Doch wirklich den Tod ihrer Schwester hatte sie noch nicht verkraftet, aber sie nahm zumindest am Leben der Familie wieder Teil. Auch wenn sie recht wortkarg war und vor sich hin brütete.
    Im Schatten auf einer Kline lag sie im Garten und blätterte eher Lustlos in einer Schriftrolle herum. Zuletzt hatte Narcissa dieses Schriftstück in den Händen gehabt. Sie hatte diese in deren Zimmer gefunden und versuchte auf diese Weise ihre Schwester ein wenig wieder lebendig zu machen. Doch es war vergebens. Narcissa war fort und hatte nur Leere zurück gelassen. "Domina", räusperte sich eine der Sklavinnen. "Du hast Besuch.... dein Verlobter der ehrenwerte Consular Manius Tiberius Durus wartet in der Exedra auf dich!" Ein erwartungsvoller Blick ruhte auf ihr, während sie seufzend die Schriftrolle sinken ließ. "Ich werde gleich kommen!" sagte sie und gab Lysandra neben ihr einen Wink. Die Leibsklavin begann sofort an ihr herum zu zupfen, richtete Kleid und fasste die Locken im Nacken zusammen. "So kannst du ihn begrüßen!" versicherte Lysandra ihr und auch die andere Sklavin nickte zustimmend. "Bildhübsch bist du domina!" Flora machte eine abfällige Geste. Sie schlief schlecht, dass war ihr auch anzusehen, aber Lysandra wusste davon abzulenken.


    Nur wenig später betrat sie dann die Exedra. "Salve Tiberius! Welche Überraschung", begrüßte sie ihren Verlobten. Er war alt geworden, während seiner Reise. Ein etwas erschreckender Anblick für ein so blutjunge Frau. Dennoch überspielte sie es mit einem charmanten Lächeln.

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    Das Kompliment des Flaviers war Balsam für ihre gemarterte Seele. Seine Worte waren aufrichtig und indirekt fühlte sich auch Lysandra ein wenig geschmeichelt, denn sie war es ja gewesen, der es gelungen war die Zeichen von Kummer und schlaflosen Nächten fast gänzlich aus den Zügen der Aurelier verschwinden zu lassen. Aber was zählten schon die Gefühle einer Sklavin. Es war doch viel interessanter dass Flora ein wenig umschmeichelt wurde und dadurch vom Tode Narcissas abgelenkt wurde. "Danke", lächelte sie auf diese Bewunderung hin. "Auch du siehst fabelhaft aus", erwiderte sie ihrerseits und zeigte dann ein kleines freches Grinsen. "Wie Schade... und ich hatte gehofft, diesmal würde es nur einen Sieger geben!" schmunzelte sie und folgte seinem Blick hinunter in die Arena. Bisher hatten sie Beide ihren Wetteinsatz der letzten Wette leider nicht einlösen können. Erst der überhastete Aufbruch von Mantua zurück nach Roma und dann auch noch Narcissas Tod. Sie hatte gänzlich vergessen und verdrängt, dass sie ihm noch einen Ausflug auf sein Landgut schuldete und er ihr ein Gedicht. Flora würde gerade jetzt eine Menge dafür geben, einfach Rom den Rücken zu kehren und alles hinter sich zu lassen. Sei es auch nur für wenige Tage. Doch aus Gründen des Anstandes konnte sie nicht einfach so diesen kleinen Ausflug mitmachen. Sie brauchte eine Matrona die sie begleitete und Anstandsdame spielte. Nicht dass sich irgendwelche unzüchtigen Dinge zwischen ihnen abspielten. Schließlich war sie ja verlobt. Was nur keiner außer Lysandra wusste, dass sie nicht mehr unschuldig war.
    "Es ist gut, dass er geliebt und gefeiert wird", stimmte sie Flaccus zu. Unten in der Arena wurde nun der Ochse in die richtige Position gebracht, damit der Opferstecher zuschlagen konnte. Erwartungsvoll beobachtete sie nun das Opfer.

    Während Lysandra davon wuselte, wurde es unten in der Arena spannend. Der Ochse, welcher für makellos befunden wurde, wurde nun zum Altar geführt. Die vielen Sklaven, die die Worte Avianus‘ weitertrugen forderten die Menge auf nun still zu sein. Die Gespräche verstummten, doch gab es einige Weinselige, die ihre Zungen nicht wirklich hüten konnten und durchaus noch ein paar unangebrachte Worte miteinander tauschten. Dennoch senkte sich eine erwartungsvolle Stille über das Amphitheatrum. Nichts sollte das Opfer für den Genius des Kaisers stören. Der Klang der Flöten wurde weit getragen, aber wohl in den höheren rängen kaum noch zu vernehmen. Vielmehr galt die Musik dazu, den Umgebungslärm ein wenig zu übertönen, damit das Opfer ungestört von statten gehen konnte.
    Floras Aufmerksamkeit richtete sich, nachdem sie ihre Sklavin los geschickt hatte, erst einmal dem Rund der Arena, obwohl sie schon neugierig war, ob Flaccus ihre Einladung annahm. Es dauerte auch nicht lange, da kehrte Lysandra auch schon zurück und teilte ihr mit, dass der Flavier sich gern zu ihr gesellen wollte. In der Zwischenzeit fand der Ochse seinen Tod und es dauerte dann auch nicht lange, als sich Flaccus ankündigen ließ. Die Sklaven ließen ihn direkt durch.


    Derweil hatte sich Flora erhoben und es war ihr durchaus gelungen ein ehrliches Lächeln auf ihre Züge zu zaubern. Trotz der Umstände, freute sie sich Flaccus wieder zu sehen. „Salve Flaccus! Es freut mich, dass du meine Einladung angenommen hast!“ Sie machte eine einladende Geste. „In Gesellschaft machen Gladiatorenspiele doch ein wenig mehr Spaß!“

    Lysandra war über ihre eigene Courage verwundert. Sie gehörte sonst nicht zu den Frauen die Handgreiflich wurden, aber es war nun einmal Spätabends und Rom wimmelte nur so von Halunken, Beutelschneidern, zwielichtigen Gestalten und anderem Gesindel. Sie hatte einfach gehandelt, einfach weil ihre Herrin ja sonst niemanden dabei hatte, der sie beschützte. „Ich werd dich gleich Hühnchen…“, schleuderte Lysandra Aretas an den Kopf. Der sollte ruhig versuchen ihr die Federn zu rupfen.
    „Sei doch endlich Still!“ befahl Flora dann ihrer Sklavin, weil sie es schon kommen sah, dass Lysandra dem Kerl der sie so erschrocken hatte die Augen auskratzen würde. Die Sklavin verstummte und setzte dann doch eine kleine Schuldbewusste Miene auf. Sie hatte den Urbaner nicht treffen wollen, nur den Halunken. „Wir haben nicht vor weg zu laufen“, erklärte Flora. „Wir haben nur Wahlwerbung gemacht… und der da hat uns erschrocken!“ erklärte sie. Sie schob sich die Kapuze aus dem Gesicht und setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. „Das ist nicht verboten!“ mischte sich Lysandra dann ein.

    Erschrocken wirbelten die beiden Frauen herum, als sie so unvermittelt angesprochen wurden. "Du solltest doch aufpassen!" fauchte sie Lysandra an. Erschrocken und auch perplex starrte sie den Kerl vor sich an. Irgendwie kam er ihr ja bekannt vor, doch sie kam gar nicht dazu, sich zu überlegen, woher. Denn einer der Töpfe Farbe zerschellte zu ihren Füßen und sie konzentrierte sich viel mehr darauf keinen Spritzer abzubekommen und nur einen Augenblick später, warf Lysandra mit dem anderen Topf Farbe. Flora war völlig überrascht davon, dass ihre Sklavin sie so vehement verteidigte.


    Lysandra hörte ihre Herrin gar nicht. Vor Schreck hatte die Sklavin den ersten Topf, der mit der roten Farbe, direkt auf die Sandallen des Mannes fallen gelassen. Den Zweiten hielt sie dann plötzlich wie ein Wurfgeschoss in der Hand. "Wag es ja nicht meiner Herrin ein Haar zu krümmen", fauchte diese wie eine Löwin und warf dann den Topf mit der blauen Farbe nach Aretas.
    Es war später Abend, die Schatten in den Gassen tief und Aretas hatte ihnen einen gehörigen Schrecken eingejagt. Lysandra glaubte einen Halunken vor sich und wollte nicht zulassen, dass er Hand an Flora legte. Sie könnte sich das niemals verzeihen, wenn der Aurelia etwas zustieße. Schließlich war sie diejenige gewesen, die sich diesen Unfug ausgedacht hatte. Da hatte sie ihre Herrin aufheitern wollen und dann lief das auch noch schief. Die sonst so besonnene Lysandra in der Rolle der Unruhestifterin. Warum nur hatten sie nicht noch einen großen kräftigen Sklaven mitgenommen, der ihnen Gesindel vom Leib hielt.


    Dass sich hinter Aretas nun ein Urbaner positionierte bemerkten die beiden Frauen erst nachdem der Topf geworfen war. Jetzt steckten sie wirklich in der Klemme... Daran wegzulaufen dachten sie nicht. Sie hatten ja auch nicht damit gerechnet, plötzlich erwischt zu werden.


    Sim-Off:

    Wen denn nun die Farbe trifft lasse ich offen. Sie dürfte auf jeden Fall herum spritzen und sicherlich beide Männer ein wenig ein sauen 8) Lysandra hat übrigens auf Aretas Kopf gezielt

    In einen großen Umhang gehüllt, hatte sich doch glatt Flora von ihrer Leibsklavin zu Unfug anstiften lassen. Lysandra hatte sie aus ihrer Trauer reißen wollen und hatte am Abend plötzlich vor ihrer Tür gestanden, mit zwei verschiedenen Töpfen mit Farbe und einem dicken Pinsel. "Komm Flora, wir gehen Wahlwerbung für deine Verwandten machen!?!" Ungläubig hatte sie ihre Sklavin angesehenen und nicht glauben wollen, was diese ihr gerade unterbreitete. "Ach komm schon, das ist nicht wirklich verboten, das tut jeder!" erklärte diese ihr und versuchte die alte lebenslustige Flora anzusprechen. "Wir können keinen Ärger bekommen!" versicherte die ihr dann noch und hielt ihrer Herrin den Pinsel unter die Nase. Etwas zögerlich hatte sie sich dann doch dazu hinreißen lassen, ein wenig Werbung zu machen.


    So schlichen die beiden Frauen in der Abenddämmerung durch Rom und bepinselten die Wände, an denen schon unzählige Schriftzüge zu lesen waren. Lysandra hielt immer die Augen offen, während Flora die Wände beschmierte. Dabei war Lysandra aber mehr als nur unaufmerksam. Viel lieber schaute sie dabei zu, wie ihre Herrin die Sprüche an die Wände malte. "Pass auf das du dein Kleid nicht bekleckerst", flüsterte Lysandra ihr zu. "Dann kauf ich halt ein Neues!" "Aber einer der anderen Sklaven könnte diese sehen und dann seine Schlüsse ziehen..." "Du hast doch gesagt, wir machen nichts verbotenes!" "Das schon, aber ich weiß nicht wie es deinen Verwandten gefällt, wenn du Wände beschmierst... das macht keinen guten Eindruck...", druckste die Sklavin herum.
    Wie Flora es satt hatte ständig an ihre Pflichten als aurelische Tochter erinnert zu werden. "Halt doch den Mund!" Ihre gute Laune war plötzlich wieder verflogen und sie starrte wütend die Schriftzüge an. "Lass uns nach Hause gehen!" meinte sie bedrückt. Für einen winzigen Augenblick hatte sie Narcissas Tod verdrängen können, doch nun hing dieser wieder wie ein dunkler Schatten über ihrem Haupt.

    SALVS PVBLICA SVPREMA LEX*


    Drum wählt Sextus Aurelius Lupus! Ihm liegt Rom am Herzen!


    Unter die eine Schmiererei wurde die Nächste gesetzt. Wieder Wahlwerbung.


    WAEHLT AVLVS TIBERIVS AHALA TIBERIANVS ZVM VIGINTIVIR - Nur er kann Rom würdig vertreten!!!!!!



    *Das öffentliche Wohl ist das höchste Gesetz.

    Ein Sklave stellte vor ihr eine kleine silberne Schale mit kandierten Früchten und Trauben hin. Ganz leicht verzog sie das Gesicht, nach Süßigkeiten war ihr nicht zu Mute. Ihre innere Unruhe schlug ihr auf den Magen. Die Anspannung hatte zwar ein wenig nachgelassen, seit dem Avianus das Rund der Arena betreten hatte, doch hatte sie nach wie vor das Gefühl, dass viele Blicke auf ihr ruhten. Vermutlich bildete sie sich dies ein, doch sie konnte sich der feierlichen Stimmung einfach nicht anschließen. Mehr denn je spürte sie die Leere die Narcissa hinterlassen hatte. Ohne sie hatte sie einfach keine Freude an diesem Spektakel. Es kam ihr so falsch vor hier zu sitzen und zu Leben, während die Asche ihrer Schwester irgendwo auf dem Landgut ihrer Mutter einen Platz gefunden hatte. Kurz biss sie sich auf die Unterlippe. Sie hatte nicht einmal die Möglichkeit bekommen, sich zu verabschieden. Tränen brannten in ihren Augen. Mit den Handrücken rieb sie sich über den Augenwinkel. Reiß dich zusammen, sagte sie zu sich selbst. Nicht hier!
    Kurz nippte sie noch einmal an ihrem Becher und lehnte sich leicht auf ihrer Kline zurück, während auch in der aurelischen Loge die Worte ihres Verwandten weiter getragen wurden. Jede Ablenkung von ihren eigenen Gedanken war ihr willkommen.
    Es war ein geschickter Schachzug, dass Avianus diese Spiele zu Ehren des Kaisers veranstaltete. Sie konnte von ihrem Platz aus erkennen, wie sehr die Menge von seinen Worten beeindruckt war und wie sie ihn feierten. Ein paar Männer hoben gefüllte Krüge. Sicherlich von der Volksspeisung mitgenommen. Mit starrer Miene folgte sie den Vorbereitungen zum Opfer. Bis Lysandras Stimme sie aus der Betrachtung riss.


    "Oh, domina, sieh nur, ist das nicht der Flavier mit dem du bei den letzten Spielen warst?" Sie deutete auf die flavische Loge. Floras ließ ihren Blick nun selber einmal über die Ränge gleiten und erkannte Flaccus. Kurz hob sie ihre Hand zu einem Gruß. Zum Zeichen, dass sie ihn gesehen hatte. Mit einem Mal kam ihr eine Idee. "Lysandra... geh doch hinüber und frage Flavius Flaccus ob er mir Gesellschaft leisten will!" Ein Gespräch mit dem jungen Poeten wäre Besser, als allein hier zu sitzen und in Kummer zu ertrinken.
    Die Sklavin sah sie überrascht an und nickte dann eilig. "Natürlich, domina!" sagte sie eilig und flitzte davon.



    Bei der flavischen Loge angekommen wandte sie sich an einen der dortigen Sklaven. Natürlich wurde sie nicht so einfach durchgelassen, aber sie konnte ihre Bitte schon einmal vortragen. "Meine domina, Aurelia Flora, lädt Quintus Flavius Flaccus ein, sich zu ihr zu gesellen und die Spiele gemeinsam aus der aurelischen Loge zu verfolgen!"

    Flora mochte sich nicht wohl in ihrer Haut fühlen, innerlich mochte sich auch alles dagegen sträuben, weiter still sitzen zu bleiben und sich den neugierigen Blicken zu präsentieren. Aber sie war nun einmal eine Aurelia, sie würde aus Pflichtgefühl ihre Familie würdevoll vertreten. Sobald sich ihr die Gelegenheit ergeben sollte, würde sie diesem Spektakel dem Rücken kehren. Nach Feiern war ihr nicht zu Mute. Aber man musste dem Pöbel schließlich zeigen, dass an den Gerüchten, die Götter zürnen den Aurelii, nichts dran war. Dass sie nachwievor eine der mächtigsten Familien Roms waren und sich durch nichts erschüttern ließen.
    Hoffentlich ließ sich wenigstens Lupus noch blicken, dann würde sie sich davon stehlen können. Nigrina würde wohl nicht kommen, deren Schwangerschaft war schon weit fortgeschritten und dieser Aufregung wollte sie sich sicherlich nicht aussetzen. Nicht dass sie das Kind bei blutigen Kämpfen bekam. Dieser Gedanke hatte kurz etwas Erheiterndes. Auf diese Weise wären die Spiele wohl noch lange in aller Munde.


    Veleda hatte anscheinend verstanden, was Flora ihr hatte sagen wollen. Veleda gehörte zum Haushalt der Aurelia und sie sollte zumindest in der Öffentlichkeit davon überzeugt sein, dass es keine bessere, mächtigere und einflussreichere Gens wie die Aurelii gab. „Ich weiß nicht wer gegeneinander antritt“, gab sie zu und warf dann einen fragenden Blick den anderen anwesenden Sklaven zu. Irgendeiner würde sicherlich wissen, was Avianus geplant hatte. Welche Gladiatoren er ausgewählt hatte. Eine Antwort erhielt sie nicht, denn kurz verstummten die unzähligen Gespräche und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf das Rund der Arena. Die großen Tore wurden aufgezogen und Avianus präsentierte sich einem siegreichen Feldherrn gleich der Menge. Jubel brandete auf, denn sein Auftritt war beeindruckend. Er wirkte wie ein junger Gott, strahlend und prachtvoll. Bestimmt lagen ihm in diesem Augenblick die Herzen der jungen Frauen zu Füßen.
    Erleichtert konnte Flora ein wenig aufatmen, nun lag keine Aufmerksamkeit auf ihr, alle Blicke hatten sich in die Arena gerichtet. Kurz nippte sie an ihrem Becher und klatschte auch etwas zaghaft in die Hände.


    Lysandra konnte sich nur mit Mühe vom Anblick des Aureliers auf dem Wagen lösen. Sie folgte Veledas Fingerzeig und nickte dann. „Ja, das ist das Opfertier. Die Götter sollen von diesem Tag schließlich auch etwas haben. Du bist mit den römische n Riten nicht vertraut?“

    Zu den öffentlichen Spielen ging man weil man sehen und gesehen werden wollte. Klatsch und Tratsch standen im Mittelpunkt, die ölglänzenden Kämpfer waren nur das Sahnehäubchen. Die untersten Ränge waren bevölkert von Senatoren und einflussreichen Männern. Nur wenige Frauen fanden sich in dem Publikum wieder und auch nur in den vereinzelten Logen. Ganz oben drängte sich das neugierige Weibsvolk und die Sklaven. Es war also kein Wunder, dass die Menschen gafften, als sie die Loge der Aurelia betrat, zumal ihr rotes Kleid mit dem goldenem Schmuck seine Aufmerksamkeit erregte. Es war nicht Gehässigkeit, sondern nur der Wunsch einmal einen Blick auf die schönsten jungen Frauen Roms einen Blick zu werfen. Und dennoch kam es ihr so vor, als würde man sich das Maul über sie zerreißen. Unruhig drehte sie den Becher zwischen ihren Fingern umher. Es war noch zu früh, viel zu früh.
    „Natürlich werden die Spiele die Avianus ausrichtet eindrucksvoller sein, wie die des Claudiers“, trotz dem mulmigen Gefühl, gelang es ihr dennoch sehr überzeugt zu klingen. Sie glaubte, was sie da sagte. Man hatte sicherlich nichts dem Zufall überlassen. Schließlich ging es an diesem Tag darum das wankelmütige Volk für sich einzunehmen. Dafür scheute man keine Kosten und Mühen. „Ich weiß nicht… sein Sieg schien mir nahe. Sein Gegner war ein Germane, groß und etwas zu langsam… aber der Kampf war enttäuschend. Die beiden Kämpfer haben viele Möglichkeiten einen Treffer zu landen vergehen lassen. Am Ende hat der Claudier Beide zum Sieger ernannt…“, berichtete sie. Dieses Ende hatte für einigen Unmut gesorgt. „Der Claudier wusste sich zu inszenieren. Er kam gut weg. Doch bin ich davon überzeugt, dass es Avianus besser machen wird.“ Eigentlich hatte sie ja helfen wollen, wenn einer ihrer Verwandten Spiele ausrichtete, doch Narcissas Tod hatte solche Pläne und Vorstellungen vollkommen überschattet und auch zu nichte gemacht.

    Die aurelische Sänfte mit ihrem wertvollen Inhalt drängelte sich durch die dicht gedrängten Menschenmassen. Immer wenn es eine Volksspeisung gab und Gladiatorenspiele oder ein Wagenrennen veranstaltet wurde, dann strömten die Menschen durch die engen Straßen Roms, bildeten Knäul und pöbelten herum, wenn sie gestoßen wurden. Doch die Sänfte suchte sich ihren Weg, gut ausgebildete custodes stießen einige der besonders sturen Bürger aus dem Weg, wenn sie denn keinen Platz machen wollten. Langsam und gemächlich erreichte sie schließlich einen der Eingänge des Amphitteatrum Flavium, einer jener Eingänge die nur den patrizischen und senatorischen Familien freigehalten wurde und der zu den einzelnen Logen der einflussreichen Familien führte. Veleda und Lysandra hatten bei ihr in der Sänfte sitzen dürfen, sie hatte ein wenig Mitleid mit den beiden Sklavinnen und wollte nicht, dass diese sich durch die vielen Zuschauer drängen mussten. Außerdem konnte sie sich auf diese Weise weiter mit Veleda unterhalten und ein wenig näher kennen lernen.


    Zu ihrer eigenen Überraschung war sie anscheinend eines der ersten Familienmitglieder, das seinen Platz in der Loge genau im Zentrum einnahm. Zwar wuselten bereits einige der aurelischen Sklaven umher und stellten Erfrischungen bereit, aber von den Verwandten war noch keiner zu sehen. Avianus würde wohl erst nach dem er die Spiele eröffnet hatte dazu kommen. Kaum betrat sie die Loge, hatte sie das Gefühl, dass sich unzählige Blicke auf sie richteten, Köpfe zusammen gesteckt wurden und Finger auf sie deuteten. Flora hatte plötzlich das Gefühl, dass es keine so gute Idee gewesen war, an diesem Spektakel teil zu nehmen. Sie kam sich vor wie auf dem Silbertablett vor. Flora konnte sich lebhaft ausmalen, dass man über sie redete, ihren Verlust und auch ihre Verlobung. Mit einem Male war es ihr wieder zu viel. Kurz hatte sie auch das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Warum nur hatte sie sich von ihren Sklavinnen überreden lassen. Sie suchte sich einen Platz im Schatten, dort wo sie nicht auffiel. Sie wollte nicht im Mittelpunkt stehen. Nah am Ausgang, damit sie still und heimlich gehen konnte, wenn sie es nicht mehr ertragen konnte. Einer der Sklaven reichte ihr einen Becher mit Saft. Ihre Miene war starr und maskenhaft. Die Lebendigkeit, die sie noch im Gespräch mit Veleda gezeigt hatte, war verschwunden. Kurz strich sie sich über das rote Seidenkleid, nervös und angespannt. Ihre Finger spielten mit den güldenen Armreifen und entlockten den Schmuckstücken leises klimpern.
    Lysandra bemerkte diesen Stimmungsumbruch sofort und warf Veleda einen ratlosen Blick zu. Es war offensichtlich, dass Flora sich in ihrer Haut nicht wohl fühlte. Schließlich versuchte sie sich an einem sehr gezwungen wirkendem Gespräch mit Veleda. „Du warst also noch nie bei Gladiatorenkämpfen? Dann wirst du staunen, solche Kämpfe hast du noch nie gesehen. Das ist nicht irgend ein Hauen und Stechen sondern ein ästhetischer Kampf, in dem alles können der besten Gladiatoren gezeigt wird! Domina Flora war bei Spielen des Claudius Menecrates, aber er hat nur seine eigenen persönlichen Sklaven antreten lassen… Die Kämpfe waren zu schnell zu Ende und die Kämpfer nicht gut ausgebildet. Ein eher enttäuschendes Spektakel. Aber diese Spiele werden ganz anderes. Aurelius Avianus weiß was das Volk sehen will und lässt nur die Besten Kämpfer gegeneinander antreten!“ Lysandra geriet ein wenig ins Schwärmen und hoffte dass Flora auch noch den einen oder anderen Eindruck der letzten Kämpfe diesem Gespräch beitrug. Doch die Aurelia saß nur mit starrer Miene da und starrte hinunter in die sandige leere Arena. Mit den Gedanken ganz wo anders. „Domina, du hattest doch einen Favoriten bei den letzten Kämpfen, wer war das noch gleich?“ versuchte Lysandra Flora mit am Gespräch zu beteiligen.
    Nur langsam sickerten die Worte zu Flora durch. „Ich… weiß es nicht mehr… ein Nubier… aber es war ein Unentschieden!“ Unsicher sah Flora ihre Sklavin an. Sie hätte nicht her kommen sollen.

    Es brachte sie auf andere Gedanken sich auf die Sklavin zu konzentrieren. Dass diese sich wie ein überflüssiger Gegenstand vorkam, ahnte sie nicht. Denn Sklaven waren wie Gold ein Statussymbol und Arbeit gab es in einer so großen Villa genug. Es überraschte Flora, dass Veleda so viele Sprachen beherrschte. Nur wenige Römer konnten von sich behaupten drei Sprachen in Wort und Schrift zu beherrschen. „Woher kannst du das?“ fragte sie nach. Nun war ihre Neugierde geweckt. Für einen Moment war doch tatsächlich ihr Kummer verschwunden und die alte aufgeweckte Flora kam zum Vorschein. „Kannst du auch singen oder ein Instrument spielen?“ Vielleicht verbarg sich in dieser grobschlächtigen Germanin ein wahres Multitalent mit einer schöngeistigen Seele. Ihre Mutter hatte sicherlich die Sklavin blind erstanden, hatte nur gewollt, dass die Sklavin eigensinnig ist und nicht ob sie verborgene Talente hat. Bisher hatte sie gedacht, dass Veleda so etwas wie eine Spionin ihrer Mutter war, die Lucretia Lucilla regelmäßig Bericht über ihre Tochter erstattete. Auch einer der Gründe, warum sie nichts hatte von Veleda wissen wollen. Ihre Mutter hatte gern die Kontrolle. Es hatte ihr ja schon wiederstrebt ihre Töchter nach Rom zu schicken. Aber es war notwendig gewesen, weil sich in Terentum einfach keine passende Partie hatte finden lassen. Natürlich konnte es immer noch sein das Veleda Lucretia Lucilla treu ergeben war und nur eine Rolle spielte. Die Germanin würde sich ihr gegenüber noch beweisen müssen und zeigen, ob es wert war, ihr zu vertrauen.
    Für den Moment zählte aber nur die Ablenkung, die Veleda mit sich brachte. „Du bist keine geborene Sklavin“, stellte sie dann noch fest.
    Lysandra derweil drückte der Mitsklavin noch die Schatulle mit den Schmuckstücken in die Hand. „Ich werde die Sänfte herrichten lassen“, erklärte sie und räumte Spiegel, Kämme und Duftöle fort.


    Nur wenig später stand die Sänfte dann auch schon bereit und es ging zu den Gladiatorenspielen. Dass es womöglich noch zu früh war, würde sie erst später bemerken.

    Mit geschickten Fingern und ruhiger Hand, rückte Lysandra den Locken ihrer Herrin zu Leibe. Noch vor Wochen hätte sich Flora nicht freiwillig darauf eingelassen, die Haare so kurz zu tragen. Sie reichten ihr zwar noch kurz über die Schultern, aber bedeckten nicht mehr den ganzen Rücken. Dieser kleine Unfall auf der Hochzeit von Prisca schien nun doch so etwas wie ein Segen zu sein, auch wenn die Sklavinnen des Haushaltes am eigenem Leib hatten erfahren dürfen, dass man in bestimmten Situationen lieber den Mund hielt, anstatt eine Meinung zu äußern. In einem Wutanfall hatte Flora glatt veranlasst, dass alle Sklavinnen kurze Haare zu tragen haben. Eigentlich war es nicht mal eine schlimme Strafe, aber jede Frau war eitel, auch eine Sklavin und auf lange Haare legten alle Frauen viel wert.
    Die Locken fielen und ringelten sich auf den feuchten Fliesen. Kritisch besah sich Flora im Spiegel. Sie war nach wie vor Flora, glich Narcissa immer noch bis in die Haarspitzen und doch war der eigene Anblick nicht mehr ganz so schmerzlich. Dennoch presste sie die Lippen kurz zu einem schmalen Strich zusammen, als eine Welle Kummer über sie herein brach. Nur um sich abzulenken ließ sie ihren Blick auf das Spiegelbild von Veleda gleiten. „Welche Fähigkeiten besitzt du?“ fragte sie die Sklavin. Bisher hatte sie keine Ahnung wozu diese eigentlich gut war. Sie hatte sie nicht kennen lernen wollen, aber im Augenblick eine willkommene Abwechslung.
    Lysandra nahm eines der Kleider und hielt es fragend in die Höhe, ein Kleid aus nachtblauer Seide, Veleda war so weitsichtig gewesen, auch in Betracht zu ziehen, dass Flora womöglich in Trauerflor auf die Straße wollte. Eine ganze Weile betrachtete sie das Kleid. Es passte zu ihrer Stimmung, düster und schwermütig. Doch konnte sie es wirklich an einem Tag wie diesen tragen? Schließlich hatte sie ja auch eine gewisse Verantwortung und wollte Avianus auch nicht den Mittelpunkt streitig machen. Ganz langsam schüttelte sie den Kopf. „Das rote mit den goldenen Spangen“, meinte sie dann. Lysandra half ihr in das Kleid, zupfte an ihr herum und legte dann auch noch einen passenden Gürtel um. Danach wurde ihr Haar mit kleinen goldenen Spangen hochgesteckt, passend dazu goldene Kreolen und eine Unzahl an schmalen goldenen Armbändern. Etwas Rouge auf den Wangen ließ sie nicht ganz so blass erscheinen und Kohle betonte ihre grünen Augen. So hergerichtet würde sie sich tatsächlich unter Menschen trauen, auch wenn sie eigentlich am liebsten allein in ihrem Zimmer sich versteckt hätte. „Wunderschön, domina!“ beteuerte Lysandra.

    Ganz leicht schürzte sie die Lippen und funkelte die Veleda an. Für eine Sklavin die sie kaum kannte war sie reichlich vorlaut und aufdringlich. Von Lysandra ließ sie sich ja auch noch einiges gefallen, aber die Germanin ging eindeutig zu weit. Kein Wunder das ihre Mutter ihr diese zum Geschenk gemacht hatte. Veleda war so etwas wie Prüfung, um zu sehen, ob sie endlich erwachsen geworden ist. Doch für die Erziehung einer Sklavin hatte sie ihm Augenblick keine Nerven. Flora wollte doch nur ihre Ruhe haben.
    Auch Veleda schien es besser wissen zu wollen und kam mit ihrer traurigen Lebensgeschichte daher. Es war ich völlig schnuppe, was die Germanin alles bereits erlebt hatte und deren Ratschlag klang reichlich hohl in ihren Ohren. Flora wusste es besser, als diesen Phrasen Glauben zu schenken. Ihr Leben selbst in die Hände nehmen und das Schicksal selbst schmieden. Hah! Veleda hatte gut reden. Was verstand sie schon von den Traditionen und Wertvorstellungen der patrizischen Familien? Was verstand sie von den römischen Tugenden? Scheinbar nicht viel, denn sonst hätte sie sich ihre klugen Worte verkniffen.
    Eine Aurelia tat was man von ihr erwartete, ob sie damit glücklich wurde, spielte keine Rolle. Viel wichtiger waren das Ansehen und der Einfluss der Familie. Was sie sich für sich selbst wünschte war nur nebensächlich. Welche Möglichkeiten hatte sie schon? Eigentlich nur die, dass sie sich fügen musste. Sie könnte natürlich einfach weglaufen, doch wohin? Alleine würde sie kaum zu recht kommen und bestimmt würde keiner ihrer Angehörigen sie so einfach laufen lassen, sondern alles daran setzen, sie wieder zurück zu bringen.
    Kurz warf sie Lysandra einen Blick vorbei an Veleda zu. Diese stand da und hoffte inständig, dass sie endlich wieder zur Vernunft kam. Die Sklavin sah auch mitgenommen und etwas erschöpft aus und irgendwie alt. Wann war Lysandra so alt geworden? Auch sie hatte Narcissas Verlust schwer getroffen, doch im Gegensatz zu ihr keine Zeit für Selbstmitleid und Trauer. Flora bekam ein kleines bisschen ein schlechtes Gewissen. Kurz biss sie sich auf die Unterlippe, dann seufzte sie tief. „Erst ein Bad…“, gab sie dann leise nach. Es würde ihr nicht schaden, wenn sie ein wenig Ablenkung suchte. „Und eine Massage!“ fügte sie hinzu. Wenn schon, dann richtig. „Und du hältst den Mund“, fügte sie noch in Richtung Veleda hinzu.



    Lysandra war ehrlich überrascht dass Veleda mit ihrer Art Erfolg gehabt hatte. Sie lächelte Veleda zu und änderte ihre Meinung ein wenig über die Germanin. Bisher hatte diese sich ja ganz gut angepasst, auch wenn sie ein loses Mundwerk hatte. „Das Bad haben wir schon vorbereitet!“ erklärte sie und lief dann voraus.


    Im Bad ließ sie sich Zeit, Lysandra und Veleda hatten dafür gesorgt, dass sie nicht gestört wurde. Frisch gebadet und in einem leichten Duft aus Rosen gehüllt, sah die Welt dann doch schon ein kleines bisschen anders aus. Zwar war sie nachwievor in Trauer und Niedergeschlagen, aber sie hatte wieder einen Blick für sich selbst. Das erste was ihr auffiel, als sie in den Spiegel blickte, war dass sie blass war und dass ihr die Locken wirr ins Gesicht fielen. „Lysandra… kannst du mir die Haare wieder ein wenig kürzen?“ fragte sie dann. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie gefiel sie sich mit den kürzeren Locken. Sie wollte wohl auch nicht ständig an Narcissa erinnert werden, wenn sie sich selbst betrachtete. „Natürlich domina…“, Lysandra war mehr als nur überrascht, was diesen Wunsch anging. „Veleda kann ja in der Zwischenzeit nach einem passendem Kleid schauen…“, schlug Lysandra vor, während sie nach einer Schere griff.

    Zunächst war Veleda so gar keine Hilfe. Stumm wie ein Kleiderständer stand die Germanin da und beobachtete diese Szene. Lysandra gab sich redliche Mühe und verzweifelte ein wenig an der Teilnahmslosigkeit ihrer Herrin. Ihr fehlte Flora, ihre fröhliche lebendige und unbeschwerte Art. Die junge Frau die vor ihr saß, hatte nur wenig mit der Aurelia zu tun, die sie kannte. Es war zum Verzweifeln. Überrascht zuckte die Sklavin dann zusammen, als Veleda sich doch noch einmischte und einen ganz anderen Ton anschlug. Sie hatte ja gewusst, dass die Germanin Ärger machen würde.


    Flora blickte mit leicht trotzigem Blick zu Veleda auf und schürzte die Lippen, als diese begann auf sie ein zu reden. „Was weißt du schon“, fauchte sie. Flora drehte den Kopf wieder zum Fenster, wurde dann aber überrumpelt, als die Sklavin Eigeninitiative bewies und ihr einfach die Decke wegnahm. „Hey! Was fällt dir ein?“ sie kam auf die Beine und ballte die Hand aufgebracht zur Faust. Es wäre ein leichtes Veleda eine Ohrfeige zu verpassen, doch Flora konnte sich vor der Wahrheit in den Worten der Sklavin nicht verschließen. Auch wenn sie es gern täte. Vielleicht hatte man zu viel Rücksicht auf sie genommen. Narcissa hätte sie schon längst einfach aus dem Zimmer in den Garten gezerrt und gefragt, ob sie sich so ihr Leben vorstellte. Zurück gezogen und trauernd. Es würde ihre Schwester nicht wieder bringen, wenn sie weiterhin so tat, als würde das Leben nicht weiter gehen. Es war leicht einfach sich zu verstecken. Doch was gab es schon worauf sie sich freuen konnte. Sie war verlobt, mit einem Mann der ihr Großvater sein könnte. Ein Leben als Zuchtstute wartete auf sie und sie hatte nicht mal ihre Schwester an ihrer Seite, der sie ihr Leid klagen konnte und verstand wie schrecklich das Leben einer patrizischen Tochter war. Deren einzige Aufgabe es war, zu heiraten und Nachwuchs zu werfen. Verbittert presste sie ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Schmollend und mit verschränkten Armen warf sie sich wieder in den Sessel und starrte dumpf brütend wieder aus dem Fenster. „Wie ich es hasse, den Erwartungen immer gerecht zu werden…“, grollte sie finster vor sich her.


    Lysandra atmete erleichtert und lautlos auf. Anscheinend zeigten Veledas Worte Wirkung. Flora schien so langsam wieder die Alte zu sein. Dieser schmollende Ausdruck war fast typisch für die Aurelia und immer hin eine andere Reaktion, als ein leerer Blick.

    „Domina!“ Lysandra trat vorsichtig an ihre Herrin heran. „Ich weiß du würdest dich am liebsten weiterhin in deinem Zimmer verstecken… aber so wird das nicht ewig weiter gehen können. Avianus hat Gladiatorenspiele ausgerichtet und ich bin mir sicher, es würde ihn freuen, wenn du ebenfalls die Familie repräsentieren würdest...“ Es wurde Zeit, dass Flora ihre Trauer überwand und sich nicht mehr so melodramatisch und kindisch aufführte. Aber sie hütete sich davor, dies laut zu sagen. Einen Wutausbruch wollte sie nicht provozieren, deshalb mied sie auch Worte wie: Pflicht, Ehre und Verantwortung, damit würde sie die Aurelia sicherlich nicht aus ihrem Zimmer bekommen. Kurz warf sie Veleda einen Blick zu. Die beiden Sklavinnen hatten sich irgendwie zusammen gerauft und gemeinsam beschlossen ihre Herrin heute aus dem Zimmer zu locken. „Veleda hat noch nie Galdiatoren gesehen...“, das war ein fadenscheiniger Grund, aber alles was Flora dazu bringen konnte, endlich mal wieder sich ein wenig her zu richten und auszugehen, war ihr recht. Kurz gab sie nickend der Germanin ein Zeichen, sie sollte ruhig auch ein wenig die Domina bearbeiten.
    Eher teilnahmslos warf Flora Veleda einen kurzen Blick zu. Ein Geschenk ihrer Mutter, bisher hatte sie sich für die Sklavin nicht interessiert. Doch jetzt fasste sie diese etwas genauer ins Auge. Groß, blond und mit markanten Zügen.
    „Wir suchen dir eines deiner schönsten Kleider heraus… das Bad hast du für dich allein und wir machen aus dir die schönste Frau von Rom. Das Volk wird bewundert zur aurelischen Loge blicken!“ Ein wenig schmeicheln und an die Eitelkeit der Aurelia zu appellieren dürfte wohl auch nicht schaden. Jedenfalls hoffte es Lysandra. Erwartungsvoll sah sie ihre Herrin an, mit einem leichten Lächeln auf den Zügen.


    Ganz leise seufzte Flora, ihr Blick glitt wieder hinaus in den Garten. Sie wollte nicht, sie wollte allein sein. Lysandra ging ihr mit ihren Bemühungen auf die Nerven. Warum nur konnte die Sklavin sie nicht einmal in Ruhe lassen. Ständig wuselte sie um sie herum, brachte essen, zupfte an ihren Haaren herum und plapperte dabei auch noch unermüdlich auf sie ein. Dabei wollte sie nichts hören, nicht hören, dass das Leben weiter ging. Die ersten Tage nach dem sie erfahren hatte, dass Narcissa Tod war, hatte sie nur in ihrem Bett verbracht und geweint. Mittlerweile waren Wochen und Monate vergangen und sie geisterte durch ihr Zimmer. Den Verlust immer noch wie einen dumpfen Schmerz in der Brust spürend. Es war so absurd, dass das Leben weiterging und dass niemand so zu trauern schien, wie sie. Es war fast so, als hätte die Familie nur einmal kurz Anteil genommen, nur um dann den Alltag wieder aufzunehmen. Aber vielleicht hatte Lysandra auch recht und sie sollte auch wieder an diesem Alltag teilnehmen. Vielleicht konnte sie den Schmerz dann leichter ertragen. Doch es behagte ihr nicht, gleich an so einem großen Spektakel Teil zu nehmen. Leicht zog sie sich die dünne Decke über die Schultern. Sie saß in einem Korbstuhl am Fenster und hatte die Beine an den Körper gezogen. Sie trug nur ein dünnes Nachthemdchen.


    „Sieh nur, deine Locken sind auch ein gutes Stück wieder gewachsen…“, plapperte Lysandra einfach weiter und gab ihr keine Gelegenheit zu grübeln. Flora hob die Hand und fuhr sich durch die dunkle Haarpracht. Doch schon nach wenigen Fingerbreit kam sie nicht weiter, die Locken waren verfilzt und zerzaust. Irgendwie wurde ihr nun erst jetzt bewusst, wie lange sie die Welt schon ausgesperrt hatte.