Trotz der beruhigenden Worte ihrer Schwester, war sie sich immer noch unsicher, ob sich ihr großer Bruder nun freuen würde. Ihre Zweifel waren nicht ganz unberechtigt, schließlich konnte man das Verhältnis zwischen den Familienmitgliedern, als unterkühlt bezeichnen. In den letzten zehn Jahren hatten sie ihn nicht einmal zu Gesicht bekommen und auch ihre Mutter hatte sich nur wenig bemüht, den Graben zu überwinden. Es war alle wie aus heiterem Himmel gekommen. „Ich glaube kaum, dass wir ihn überfordern werden“, griff sie dann den Faden wieder auf. „Wir sind gut erzogen worden, recht selbstständig und neigen nicht mehr ganz so oft zu wilden Streichen“, zählte sie auf. Kurz kicherte sie. Oftmals war sie die treibende Kraft gewesen und hatte Narcissa zu allerlei Unfug angetrieben. Den Hang zu Übermut hatte sie auch bisher nicht ablegen konnte. Anscheinend hoffte ihre Mutter, dass sie nun in Rom endlich mal vernünftig wurde. In dieser Hinsicht war Narcissa ein klein wenig anders. Diese war so etwas wie der ruhende Pol und die Vernunft in Person. Aber nicht immer. Ihr gelang es immer wieder ihre Schwester aus ihrem Schneckenhaus zu locken.
Schließlich kam das Thema unweigerlich auf Heirat. Sie vermutete ja stark, dass auch dies einer der Gründe war, warum sie nun in die Weltmetropole sollten. In Terentum hatte es nicht wirklich geeignete Kandidaten für die beiden Mädchen gegeben. Im Gegenteil, es war eher eine fruchtlose Suche gewesen. „Ich glaube kaum, dass er uns gleich nach unser Ankunft schon geeignete Ehemänner auf uns warten“, machte sie ihnen Mut. Der Gedanke umgehend verheiratet zu werden, behagte ihr überhaupt nicht.
Die Kutsche wurde langsam und sie drängte sich nun dicht an Narcissa heran um auch aus dem Fenster zu sehen. Staunend sah sie sich die hoch aufragende Mauer an. Nun wurde sie etwas nervös, es war so groß. Größer als sie sich hätte vorstellen können. „Bona Dea“, murmelte sie und ließ sich wieder auf ihren Platz sinken. Schließlich lächelte sie schief. „Rom...“, murmelte sie und blickte weiterhin hinaus. Ihre Kutsche war nicht das Einzige Gefährt auf der Straße, noch viele andere Menschen strömten in die Stadt. Vor einer Taverne kam die Kutsche zum halten. Die Mauern Roms erhoben sich vor ihnen und bis zum Stadttor war es nicht weit.
Nervöse Vorfreude zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Endlich da“, sagte sie erleichtert. Staunend nahm sie alles in sich auf. Noch hatten sie die Stadt nicht direkt betreten, aber es war schon deutlich, dass sie sich nicht mehr auf dem Land befanden. Einmal drehte sie sich um die eigene Achse. „Wir sind da“, sagte sie nun wesentlich begeisterter und enthusiastischer. Am liebsten wäre sie sofort los gezogen, nur um sich dabei auch noch hoffnungslos zu verlaufen.
Aber erst einmal wollten sie sich frisch machen, den Staub von der Reise weg waschen und etwas Essen. Viele Blicke folgten ihnen, als sie sich ihren Weg in die Taverne suchten. Zwillinge waren ein seltener Anblick, auch in Rom. Zumal sie nicht gerade hässlich oder mitgestaltet waren. Im Gegenteil, sie waren ein reizender Anblick.
Der Gastraum an sich war recht einfach aber gemütlich. Zielstrebig suchten sie sich einen Platz in einer Ecke und steckten dann auch gleich die Köpfe wieder zusammen. Auf den Vorschlag ihrer Schwester hin, zeigte sich ein leicht spitzbübisches Grinsen. „Ohja, lass uns laufen“, ging sie sofort darauf ein. Doch ein Räuspern von Lysandra zeigte ihnen an, dass diese die Idee nicht für allzu gut hielt.
„Dominas, es wäre besser, wenn ihr wartet“, sie machte eine kurze Pause, denn sie sah, dass sie mit diesem Vorschlag auf wenig Gegenliebe stieß. „Aber ich sehe schon, ihr lasst euch nicht aufhalten. Dann lasst mich zumindest einen Führer suchen. Besser, als wenn wir uns verlaufen!“ schlug die Sklavin vor. Lysandra war Mitte Dreizig und hatte jahrelang im Dienst einer alten zickigen Matrone gestanden. Die Zwillinge waren hingegen sanfte Lämmer, aber hin und wieder reichlich Gedankenlos. Hin und wieder bremste sie die jungen Frauen in ihren Tatendrang. Sich Kopfüber in ein Abenteuer stürzen konnte mitunter ziemlich böse ausgehen.
Flora nickte nur auf den Vorschlag hin und Lysandra nahm dies als indirekten Befehl auf, sich sofort auf die Suche nach einem geeigneten Stadtführer zu machen. Sie stand auf, ging zum Wirt und sprach mit diesem. Derweil brachte den beiden Mädchen eine dürre Sklaven heißen Würzwein. Dankbar nahm Flora ihren Becher und nippte daran. Wärme durchströmte sie, Zimt und Nelken kitzelten ihren Gaumen. Lysandra kam mit einem Lächeln zu ihnen zurück. „Der Sohn des Wirtes wird uns direkt zur Villa Aurelia führen. Nur empfiehlt dieser uns auch die Sänfte.“
„Wir wollen laufen“, sagte Flora bestimmt. Sie hatte es satt die ganze Zeit zu sitzen, die Kutschfahrt war ihr schon gehörig auf die Nerven gegangen. Die Sklavin seufzte ergeben, zumindest würden sie sich nicht allein in das Gewimmel der Stadt begeben.
Nicht viel später machten sich die Zwillinge, gefolgt von Lysandra und begleitet von einem jungen Burschen auf zum Stadttor. Ein wenig mussten sie sich gedulden, da außer ihnen noch andere Menschen dort hin ein wollten. Bedrängt wurden sie zu ihrem Glück nicht, der Halbmond an ihren Sandalen, war dahingehend ein gutes Mittel um sich Leute auf Abstand zu halten. Ein Soldat hielt sie kurz auf, glotze die Mädchen an, welche sich so ähnlich waren wie ein Ei dem anderen und fragte sie kurz wohin sie wollten. Fast schon ungeduldig ließ er sie dann passieren, denn ein Händler mit großem Wagen versperrte hinter ihnen die Straße. Kurz viel der Schatten des Tores auf sie und dann waren sie hindurch und standen Mitten auf einer der Straßen Roms.
Sim-Off:In Rom ist es tagsüber verboten mit der Kutsche zu fahren, deswegen hab ich das etwas anders bei mir formuliert