Es war der Morgen nach ihrer Sponsalia, es war nun offiziell, sie würde Tiberius Durus heiraten. Wirklich wohl fühlte sie sich bei diesem Gedanken nicht, was wohl vor allem daran lag, dass ihr Verlobter ihr Vater oder gar Großvater hätte sein können. Es war ihr schon immer bewusst gewesen, dass sie aus politischen Gründen heiraten würde, aber sie hatte immer gedacht, dass es dann ein Mann sein würde, der nicht ganz so alt sein würde. Ein junger aufstrebender Senator. Der romantische Traum von dem Ritter in strahlender Rüstung in den sie sich unsterblich verlieben würde, war nur ein kleiner Tagtraum gewesen um der Realität zu entkommen. Aber die Wünsche und Erwartungen der Gens gingen immer den eigenen Bedürfnissen vor raus. So auch in diesem Fall. Narcissa war nicht dabei gewesen, dabei hätte sie ihre Schwester gern bei sich gehabt. Sie konnte nicht verstehen warum ihre Zwillingsschwester in Terentum geblieben war. Es war nicht die Art ihrer Schwester, sie an einem so wichtigen Tag allein zu lassen. Dabei wusste ihre Mutter und somit auch Narcissa, dass die Sponsalia an der Caristia stattfindet. Lucilla hatte ihr schließlich geschrieben, wie sehr sie sich über diese Verbindung freute und wie Stolz sie doch sei.
Noch ein wenig schlaftrunken saß sie vor ihrem Schminktisch und ließ sich die Haare bürsten, als ein Sklave den Kopf zur Tür rein steckte. „Da wartet ein Bote im Atrium. Er sagte es sei wichtig und er will dich sprechen!“ erklärte ihr. Verwundert blinzelte sie die letzte Müdigkeit davon. „Er will mich sprechen?“ „Ja, domina. Er hat sich als Marcus Asper vorgestellt!“ Marcus Asper war der Verwalter des Landgutes in Terentum. Ihre Mutter vertraute diesem Mann fast blind und wich ihr sonst auch nicht von der Seite. Ihr wurde flau im Magen, das verhieß nichts Gutes… war ihrer Mutter etwas zugestoßen? Die Jüngste war sie nun nicht mehr wirklich. Dies würde erklären, warum Narcissa noch nicht in Roma war. Wenn es Mutter nicht gut ging, dann würde ihre Schwester natürlich bei ihr bleiben. Und wenn es ihr erst seit einigen Tagen schlecht ging, dann würde eine Nachricht sie auch erst jetzt erreichen. Terentum lag schließlich nicht um die Ecke, sondern einige Tagesreisen von Rom entfernt. Selbst ein Bote, der sein Pferd oft wechselte würde bestimmt drei Tage benötigen. Eilig kam sie auf die Beine und schlug den Weg ins Atrium ein.
Lysandra folgte ihr wie immer wie ein Schatten, durch diese Neuigkeit auch ein wenig aus der Ruhe gebracht. Schließlich hatte sie die Zwillinge deren ganzes Leben lang begleitet. Sie schätzte und fürchtete Lucretia Lucilla. Diese Frau war, zumindest unter den Sklaven, nicht gerade für ihren Sanftmut bekannt, aber sie war immer gerecht gewesen. Vor ihr konnte man nur Respekt haben.
[Blockierte Grafik: http://i687.photobucket.com/albums/vv232/Aine_photos/af.jpg] Marcus Asper
Unruhig ging er auf und ab, man sah ihm die Strapazen seiner Reise an. Die Kleidung war staubig, die Augen lagen tief in den Höhlen und es schien, als habe er ein paar Falten dazu bekommen zu haben. Die Last des Lebens schien ihn nieder zu drücken. Für so einen ritt war er eigentlich nicht gemacht. Eine eindrucksvolle Erscheinung war er nicht, mit dem schütteren Haar und den hageren Gesichtszügen, aber es war nicht die äußerliche Erscheinung, sondern der kluge Kopf, der ihn zu einem unersetzlichen Mann an der Seite von Lucretia Lucilla machte. Seine Erfahrung und auch seine Weisheit wusste die ältere römische Dame zu schätzen.
Und genau aus diesem Grund eilte Flora durch die Gänge der Villa. Er konnte nur schlechten Nachrichten bringen. Ihre Mutter schickte ihre rechte Hand schließlich nicht einfach nur aus Freude an der Sache nach Rom. Es konnte eigentlich nur bedeuten, dass ihre Mutter entweder schwer krank war, oder aber gestorben. Schließlich war ihre Mutter schon lange nicht mehr die Jüngste.
Flora war schon fast auf das Schlimmste gefasst, als sie das Atrium betrat. Dennoch konnte sie ein paar höfliche Floskeln über die Lippen bringen. „Salvete Asper. Lange haben wir uns nicht mehr gesehen. Was bringt dich nach Roma?“ kam sie dann doch aber recht schnell auf den Punkt. Nur mit Mühe hatte sie ein kleines Lächeln zustande gebracht. „Geht es Mutter gut?“ sprudelte dann auch schon die besorgte Frage aus ihr heraus.
Der Verwalter schüttelte den Kopf, als einer der Sklaven ihm eine Erfrischung reichen wollte. Er hatte die letzten Tage sich die richtigen Worte zu Recht gelegt, doch kaum wurde er dem Zwilling gewahr, klang jedes Wort wie blanker Hohn. Nie war ihm etwas so schwer erschienen, wie die Neuigkeit, die er mit sich brachte. „Deiner Mutter geht es gut“, erklärte er und seufzte tief. Er wollte diese Aufgabe übernehmen, aber einer musste es ja tun.
Erleichterung und auch Verwirrung zeichneten sich auf ihren Zügen ab. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum er dann hier war.
„Du solltest dich setzen!“ meinte er behutsam und deutete auf den Rand des Impluviums. Immer weniger konnte Flora verstehen, was hier vor sich ging. Etwas wiederwillig kam sie seiner Aufforderung nach und sah ihn anschließend dann aber auffordernd an. Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, wurde ihr ein wenig flau im Magen.
Warum musste ausgerechnet er diese Botschaft überbringen. Wie sollte er die richtigen Worte finden. Es versetzte ihm einen schmerzhaften Stich, als er in die grünen Augen sah. Schon immer waren sich die Schwestern ähnlich gewesen, äußerlich, wie auch vom Charakter, kaum vorzustellen, dass es nun nur noch einen Zwilling gab. „Es tut mir Leid, Flora…. Narcissa hatte einen Unfall“, hinter ihm erklang ein erschrockenes Keuchen. Lysandra schlug die Hände vor den Mund und wirkte mit einem Schlag um Jahre gealtert. Die nächsten Worte drangen Flora nur langsam ins Bewusstsein. „Sie ist Tod…“