Lysandra war der Verzweiflung nahe, mit Müh und Not hatte sie ihrer Herrin davon abgehalten dieses frivole Kleid in aller Öffentlichkeit zu tragen. Was hatte Flora sich dabei gedacht dieses Kleid zu kaufen? Der Ausschnitt zu tief, der Schlitz an der Seite zu hoch, offenbarte es mehr, als das es verbarg. „Du bist keine Lupa, sondern eine Aurelia!“ hatte sie ihrer Herrin ins Gedächtnis rufen müssen, als sie dieses Kleid sah. In ihren Augen war es nicht einmal ein Kleid, es war sin Stück Seide das mehr Preisgab, als verhüllte. „Nur weil es von einem exzentrischen Schneider stammt, heißt es noch lange nicht, dass es angebracht ist, so etwas zu tragen… heb es dir für deinen zukünftigen Ehemann auf!“ hatte die Sklavin gewettert. Doch Flora hatte sich nicht abbringen lassen wollen. Da sich Lysandra wie ihre Mutter anhörte, wollte sie einfach rebellieren und der Sklavin bewusst machen, wer hier die Herrin war. Aus lauter Trotz hatte sie das Kleid dennoch anziehen wollen. Am Ende hatte sich Lysandra doch noch durchsetzen können: „Es ist Winter, du wirst nur krank werden!“ Diesem Argument hatte die junge Aurelia nicht wiedersprechen können. Mit enttäuschter Miene war der Hauch aus Seide wieder in einer Truhe verschwunden. Lysandra gab dabei darauf acht, es möglichst weit unten zu verstecken. „Wer hat dir diesen Schneider überhaupt empfohlen?“ „Prisca!“ Lysandra machte eine entsetzte Miene, bei dem Gedanken, dass es noch mehr dieser freizügigen Kleider gab. Rom war ein Sündenpfuhl, rein gar nichts für eine junge Frau. Flora hatte es ohnehin schon ein wenig zu weit getrieben für ihren Geschmack. Wenn das so weiter ging würde aus ihr noch eines dieser schamlosen Flittchen werden. Aber gegen den Begleiter ihrer Herrin hatte sie nichts auszusetzen, ein Flavier, der wusste hoffentlich wo seine Finger hingehörten. Wenn nicht, sie war ja noch als Anstandsdame dabei und es gab ja dann auch noch die germanischen Leibwächter, die ein Auge auf den jungen Mann haben würden.
„Und was ziehe ich jetzt an?“ Es folgte eine weitere heftige Diskussion darüber, was angebracht war und was nicht.
Am Ende setzte sich Flora durch, sie wählte ein smaragdgrünes Kleid, nach griechischer Art, mit feiner Stickerei aus Silber an Ausschnitt und Saum. Passend dazu Ohrringe in Tropfenform und die wilden Locken leicht aufgesteckt. Spielerisch umrahmten ein paar lose Strähnen ihr Gesicht. Ein Hauch von Purpur lag auf ihren Lippen und ihre Augen waren durch Kohle und blauen Lidschatten betont. Ein paar Fußknöchelreifen klirrte leise bei jedem Schritt. Lysandra war zufrieden und Flora auch. Gerade rechtzeitig, denn ein Sklave kündigte an, dass der Flavier bereits auf sie wartete.
Ein letztes Mal zupfte die Sklavin an ihrer Herrin herum, während diese einen kritischen Blick auf die polierte Bronzeplatte warf, welche ihr als Spiegel diente. Zufrieden mit dem was sie sah, verließ sie ihr Zimmer. Dicht gefolgt von Lysandra, welche einen wärmenden Mantel noch mitnahm.
Einen Augenblick später öffnete sich die Tür auch schon und Flora trat mit einem Lächeln hinaus auf die belebte Straße. Ganz Rom schien in Richtung Amphiteatrum zu strömen. Leicht blinzelte sie im Sonnenlicht, die Götter meinten es wohl gut mit dem Ädil und seinen Spielen. „Salve Flavius“, grüßte sie ihren Begleiter, welcher mit Sänfte und Sklaven sie bereits erwartete. „Ein schöner Tag für Spiele. Du hast doch nicht lange warten müssen?“, strahlte sie mit der Sonne um die Wette. Lysandra hinter ihr, musterte den jungen Mann einmal eindringlich. Auf den ersten Blick, machte er ja einen anständigen Eindruck, dennoch würde sie ihn im Auge behalten. Flora ließ sich in die Sänfte helfen und macht es sich zwischen den Kissen bequem. Lysandra würde laufen müssen.