Beiträge von Aurelia Flora

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    Dass Sklaven so einiges mitbekamen, war allgemein bekannt. Schließlich zählte man Sklaven zu den Haushaltsgegenständen und nicht zu Personen. Als Sklave wurde man in aller Regel ignoriert. Nur diesmal nicht und es war ihr sichtlich unangenehm so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und ausgehorcht zu werden. Da sie nicht so recht wusste, was sie erwartete, beschloss sie einfach nur direkt auf seine Fragen zu antworten und seine merkwürdigen Kommentare einfach nicht zu beachten. „Die domina ist nicht hier …“, kurz sah sie sich nach den übrigen Sklaven hilfesuchend um. Doch Unterstützung konnte sie wohl keine erwarten.


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    Lanassa suchte sich einfach einen beliebigen Punkt auf dem Boden und starrte ihn an. Dort wo sich zwei marmornen Fliesen sich zusammen fügten hatte sie einen Blutstropfen entdeckt. Ein Blutstropfen der bereits getrocknet war und nun eine dunkle bräunliche Masse bildete.
    Ganz kurz schielte sie zwischen ihren Haarsträhnen zum Terentier. Warum musste er ausgerechnet sie befragen? Sie wusste doch nichts. Irgendwie war es befremdlich, dass der Terentier ganz entspannt in mitten des Chaos da saß, während seine Männer die gesamte Villa auf den Kopf stellten.
    Zaghaft nickte sie auf seine erste Frage hin. Auf die zweite Antwortete sie dann direkt: "Eine Leibsklavin der Hausherrin", gab sie leise von sich.


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    Den Blick hatte Lanassa starr auf den Boden gerichtet. Ein etwas unsanfter Stoß mit dem spitzen Ellbogen in die Seite, bedeutete ihr, dass man sie angesprochen hatte. Völlig verunsichert machte sie einen Schritt vor, aber den Blick wagte sie nicht zu heben.


    „Lanassa, dominus“, antwortete sie fast tonlos. Den Tod hatte sie bereits deutlich vor Augen, schließlich hatten die Soldaten keine Gnade mit den Veteranen gekannt. Gnadenlos hatte man sie nieder gemetzelt und als nächstes würden die Sklaven dran glauben müssen. Nur weil sie dem falschen Herrn dienten. Nur verstand sie die Welt gerade nicht mehr. Welchen Grund hatten die Soldaten gehabt mit Gewalt in die Villa einzudringen. Sie wusste es nicht und konnte im Grunde nur raten. Wenn sie denn nicht solche Angst gehabt hätte.



    Ganz leise seufzte sie, es schien ganz so, als wollte Ahala sich selbst mit seinen Worten überzeugen. An die bloße Hoffnung klammern, dass es gar nicht anders sein konnte, als das Durus sich ebenfalls auf der Flucht befand, in Sicherheit und nicht in den Fängen der Prätorianer. Doch so einfach ließ sich das Gefühl dunkler Vorahnungen nicht abschütteln. Langsam richtete sie ihren Blick wieder nach vorn auf die Straße, die Soldaten an den Toren waren nicht mehr zu erkennen.
    Kurz klappte sie den Mund auf, setzte zu einem wütendem Protest ein, doch dann zog sie einfach eine Schnute und schmollte. Wie alle Männer verlangte er Gehorsam von ihr und war nicht gewillt ausführliche Erklärungen von sich zu geben. Wütend funkelte Flora ihn an. Mund halten und einfach ihm blind ins Verderben folgen. Von ihren aufgewühlten Gefühlen wollte er nichts wissen, ihre Ängste und Sorgen nicht zerstreuen. Stattdessen ließ er sie lieber im Ungewissen. Da konnte er noch so ruhig und geduldig mit ihr reden. Wieder einmal kam sie sich vor wie ein Kind, dem man die Dinge nicht zu erklären brauchte. Sie sollte einfach nur gehorchen.
    Ein kleiner Trost war, dass sie nun wusste, wohin ihre Reise gehen sollte, nach Mantua zu Titus und Septima. Doch bevor sie in Sicherheit sein würden, lagen vor ihnen noch hunderte Meilen. Ein langer Weg auf dem ihnen viel widerfahren konnte. Wieder einmal verspürte sie einen Schauer, wenn sie an die Gefahren dachte, die da auf sie lauerten: Banditen, hungrige Wölfe und dann auch die Gefahr durch Entdeckung.
    Konnte Ahala eigentlich mit dem Schwert umgehen? Kurz warf sie ihm einen Blick zu, fragte aber nicht, er wollte ja nicht hören, was sie zu sagen hatte. Stattdessen betete sie stumm zu den Göttern.



    Ganz gemächlich verschmolz Misenum mit dem Horizont. Ebenso gemächlich zuckelten sie über die holprigen Straßen, wurden dabei ordentlich durchgeschüttelt und bequem war es auch nicht. Aus Angst, dass sie auffallen könnten, verbrachten sie die Nächte unter freiem Himmel. Bereits ihre erste Rast stellte sie vor Probleme. Sie waren zu überstürzt aufgebrochen. Es mangelte an einigen wichtigen Dingen. Zwar hatte man ihnen einen kleinen Kupferkessel eingepackt, aber es fehlte ein Messer und etwas mit dem man ein Feuer entfachen konnte. Und wie man ein Zelt errichtete wussten sie auch nicht. Konnten sie auch gar nicht, denn ihnen fehlten Seile.
    Die erste Nacht war grauenvoll, ohne Feuer war es bitterkalt und auch wenn sie unter ihrem Gefährt Schutz vor dem Regen fanden, zur Ruhe kamen sie nicht wirklich. Jedes Geräusch ließ sie aufschrecken und angespannt in die Dunkelheit starren. Als die Morgendämmerung anbrach hatten sie kein Auge zu getan und waren fast erleichtert, als sie aufbrachen. Müde, zerschunden und auch angeschlagen setzten sie ihre Reise fort. In der ersten kleinen Ortschaft besorgten sie die Dinge die ihnen fehlten. In aller Eile, denn sie wollten sich nicht lange irgendwo aufhalten.


    Für wehleidig hatte sie sich bisher nicht gehalten, aber die Flucht von Misenum von Mantua führte ihr deutlich vor Augen, wie verwöhnt sie eigentlich war und das sie bisher in ihrem Leben auf nichts hatte verzichten müssen. Auf Schmuck und Seidenkleider zu verzichten fiel ihr noch leicht, auch wenn sie mit großem Bedauern ihre Lieblingsstücke zurück gelassen hatte. Was ihr zusetzte, war das schlechte Wetter, der beständige Regen, das unbequeme Lager welches sie allabendlich irgendwo am Wegesrand errichteten und dann auch die ständige Übelkeit. Jedes Mal wenn ihr der Geruch von Essen in die Nase stieg, wurde es schlimmer. An sich kochte Veleda nicht schlecht (auch wenn ihre Mahlzeiten karg und fade waren), aber schon nach wenigen Bissen war ihr die Kehle meist wie zugeschnürt. Veleda konnte ihr dann noch so gut zureden wie sie wollte, Flora schob ihre Schale mit der kargen Kost meist recht bald von sich und blickte dann bedrückt ins Feuer.
    Ohnehin verspürte sie keinen Appetit. Flora befand sich irgendwo zwischen Panik, Verzweiflung, Wut, Fassungslosigkeit und Resignation. Sie war ein kessel voller Emotionen, der ständig überkochen zu drohte.
    Panik weil sie jedes Geräusch am Wegesrand zusammen zucken ließ. Jeden Augenblick, so fürchtete sie, konnten ihnen Soldaten begegnen und ihnen auf die Schliche kommen. Verzweiflung darüber weil sie dem Schicksal im Grunde Hilflos ausgeliefert war. Fassungslosigkeit weil sie nicht mitbekommen hatte welche wichtigen Ereignisse da geplant worden waren. Direkt vor ihrer Nase. Und sie war so furchtbar blind gewesen. Wut, weil man sie nicht eingeweiht hatte und dann vor vollendete Tatsachen gestellt hatte. Warum hatte man sie in Unwissenheit gelassen? Hatte man ihr nicht vertraut oder hatte man sie einfach nicht ernst genommen. Zu ihrem eigenen Schutz, so lautete Ahalas Erklärung, aber dennoch saß sie nun neben ihm auf dem holprigen Karren und befand sich auf dem Weg nach Mantua, weil Durus gescheitert war. Ob sie sich besser gefühlt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass ihr Gatte den Mord an der kaiserlichen Familie, konnte sie nicht sagen. Sie würde sich aber wohl nicht ganz so hilflos fühlen und hätte wenigstens gewusst, was ihr bevorstand, anstatt plötzlich sich auf einer wilden Flucht zu befinden. Sie hätte Vorbereitungen treffen können. Doch man hatte sie nicht wie die Frau eines Senators behandelt, sondern wie ein verzogenes Kind. Ohne Erklärungen aus Rom fortgeschickt. Resignation, weil sie rein gar nichts ändern konnte. Andere hatten für sie die Entscheidungen getroffen und im Grunde konnte sie sich nur fügen. Bockig zu stellen und sich zu weigern, wäre einem Todesurteil gleich gekommen.
    Flora gab sich gar keinen Illusionen hin, als Ehefrau eines Verschwörers würde man ihr wohl kein Wort glauben, wenn sie beteuerte nichts gewusst zu haben. Man würde keine Gnade mit ihr kennen. Es blieb nur die Flucht.
    Das Durus aus gutem Grund so gehandelt hatte, das stellte sie nicht in Frage. Sie hatte ihn als einen sehr weitsichtigen und auch besonnenen Mann kennen gelernt. Ihm lag das Wohl Roms am Herzen und er hatte das einzig richtige tun wollen. Er hatte Rom von einem Tyrannen befreien wollen. Doch irgendetwas war furchtbar schief gelaufen. Was es war, konnte selbst Ahala ihr nicht erklären.


    Seit einigen Tagen waren sie nun unterwegs, da man kaum Rücksicht auf irgendwelche Empfindlichkeiten nehmen konnte, hatten sie die Aufgaben aufgeteilt. Lager aufschlagen, Feuer entzünden, Holz sammeln, kochen, den Ochsen irgendwo festbinden … meist im bedrückendem Schweigen bereiteten sie sich auf die Nacht vor, damit es am nächsten Morgen weiterging. Doch als sie nach einer unruhigen Nacht erwachten, konnten sie ihre Reise diesmal nicht so einfach fortsetzen. Der Regen hatte den Boden furchtbar aufgeweicht und über Nacht war ihr Karren im Schlamm versunken. Völlig fassungslos, den Tränen nahe starrte Flora das Gefährt an. Das war ein bisschen zuviel für sie. Unfein schniefte sie. Flora fror erbärmlich und fühlte sich hundeelend. Es war nicht nur das nass kalte Wetter, es war der klapprige Wagen, er stinkende Ochse und die Übelkeit die sie so gar nicht mehr los lassen wollte. Bisher hatte sie Ahala verschwiegen, dass sie schwanger war. Auch weil sie sich nicht unnötig aufhalten wollte.
    „Und was machen wir jetzt?“ sie klang ein wenig gereizt. Dabei versuchte sie mühsam ihre Gefühle im Zaum zu halten.

    Eheliche Verpflichtungen, das traf im Grunde genau den Kern dieser Bemühungen, denn auf ihr eigenes Vergnügen kam sie nicht. Aber es war nicht gänzlich leidenschaftslos, auch wenn irgendwie das Feuer fehlte. Diese allesverzehrende Flamme der Ekstase, wenn zwei Körper eins wurden und man sich in einander auflöste. Das Ende kam zu ihrer Überraschung schneller wie sie gedacht hatte, so viele Mühe hatte sie dann doch nicht aufbringen müssen. Schon sehr viel früher hätte sie einfach mal die Initiative ergreifen sollen, stellte sie ein wenig ernüchternd fest. Es würde aber für diesen Moment bei dieser einen körperlichen Vereinigung bleiben. Auch jetzt machte sich sein Alter bemerkbar. Ein jüngerer Mann, hätte wohl die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und eine weitere Runde eingeläutet. Doch sie war sehr zufrieden mit sich.


    Sein Kommentar, welcher als Lob ausgesprochen war, verleitete sie beinahe dazu, mit den Augen zu rollen. Irgendwie fehlte den Männern oft das Feingefühl für die richtigen Worte. Aber auf der anderen Seite hatte er einfach nur seinem Wohlbehagen Ausdruck verleihen wollen. Wenigstens hatte sie wohl zu seiner Entspannung beigetragen. Der Ausdruck auf seinen Zügen war der eines höchst zufriedenen Mannes.
    Schließlich ließ sie ihn wieder allein. Sollte er sich ruhig erst einmal wieder seinem Papierkram widmen und von den Sklaven auflesen lassen. Flora hatte erreicht was sie wollte.



    ~finis~

    Ahala wusste nicht was mit seinem Vater war. Ob er noch lebte, in Ketten geschlagen war oder bereits Tod. Er mochte Zuversicht heucheln, doch naiv und leichtgläubig war sie nicht. Auch wenn es oftmals den Anschein hatte. Durus hatte sich gegen Salinator verschworen und hatte die kaiserliche Familie ermorden lassen. Was ihm drohte war Folter und Tod.
    Ihr Blick wanderte zum Himmel, hilflos, doch die Götter selbst schienen nicht gewillt eine Antwort zu geben. Nur endloser Regen und Schweigen. Beinahe verzweifelte klammerte sie sich an den Gedanken dass er hatte entkommen können, auch wenn sie das Gefühl hatte, das dem nicht so war.
    Leicht biss sie sich auf die Unterlippe, der kurze Schmerz hielt sie davon ab, nun auch noch in Tränen auszubrechen. Es brachte nichts wenn sie nun heulte. Es würde ihre Lage nicht verbessern. Also riss sie sich zusammen und schwieg einen Augenblick lang. „Er wird schon entkommen sein“, stimmte sie Ahala mechanisch zu. Wirklich überzeugt klang sie aber nicht. Eher als versuchte sie sich etwas einzureden.
    Langsam gelang es ihre wirren Gedanken zu ordnen, doch nun türmten sich unzählige Fragen auf. Auch die Frage, wie sie nicht hatte mitbekommen können, wie ihr Gatte etwas Großes plante. All diese seltsamen Gespräche hinter verschlossenen Türen, die verstohlenen Blicke und die heimlichen Treffen, das ergab mit einem Mal einen Sinn. Ein wenig fühlte sie sich plötzlich gekränkt, dass man sie nicht eingeweiht hatte. Als ob sie mit den Plänen ihres Ehemannes hausieren gegangen wäre. Ahala schuldete ihr einige Erklärungen.
    „Was hat Durus … was habt ihr geplant?“ verlangte sie dann zu wissen. Immer noch mit gedämpfter Stimme, aber um einiges fester und entschlossener. Diesmal würde sie sich nicht mit einer knappen Erklärung zufrieden geben. Sie wollte verstehen. „Und wer ist noch beteiligt? Wohin flie… reisen wir überhaupt?“ folgte eine Frage auf die nächste. „Warum hat man mir das alles verschwiegen …?“ Noch mehr Fragen auf die sie Antworten haben wollte. Ein wenig zog sie ihren Umhang enger um die Schultern, dann schob sie ihre kalten Finger zwischen ihre Oberschenkel. Es war als hätte sie ein großes Mosaik vor sich, welches sie zusammensetzen musste. Jedes Steinchen für sich ergab keinen Sinn, aber wenn man jedes Steinchen an die richtige Stelle setzte, ergab es irgendwann ein großes Bild.
    Die Gründe für diese monströse Verschwörung waren ihr bewusst. Vescularius Salinator war ein Stachel im Fleische des römischen Imperiums, einer der sich entzündet hatte und nun eiterte. Man musste ihn entfernen, bevor der ganze Körper infiziert wurde. Für Politik hatte sie sich zwar nie begeistern können, aber den wichtigsten Entwicklungen hatte sie sich nicht entziehen können. Gerüchte in den Thermen, politische Diskussionen bei Festlichkeiten und Gespräche ihrer Verwandten, in allem schwang irgendwie unterschwellig mit, dass dieser Mann eine Gefahr für Rom darstellte. Dieser Mann trat die Werte ihrer Gesellschaft mit Füßen und spuckte auf die Traditionen. Rom war mit diesem feisten Fettwanst dem Untergang geweiht. Doch was für Pläne hatte Durus gehabt und an welchem Punkt war er gescheitert? Und warum hatte man sie nicht eingeweiht? Wieder einmal kam sie sich vor wie ein Kind, dass man besser im Ungewissen ließ. Damit sie sich dann williger in ihr Schicksal fügte.
    Im Grunde konnte sie sich ihre Frage selbst beantworten. Man hatte sie nicht eingeweiht um sie zu schützen, falls man scheiterte. Doch irgendwie bezweifelte sie, dass man ihr glauben schenken würde, wenn sie behauptete nichts gewusst zu haben. Als Ehefrau eines Verschwörers war sie genauso schuldig, wie die Mitverschwörer. Ob sie nun von den Plänen gewusst hätte oder nicht. Sollte ihnen ihre Flucht nicht gelingen, dann würde man wohl kaum Gnade walten lassen, sondern kurzen Prozess machen.
    Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken und der Knoten der Furcht wurde noch ein wenig fester. Hoffentlich waren die Götter ihnen wohlgesinnt und ließen sie entkommen.


    Wieder warf sie einen Blick zurück, Misenum hatten sie hinter sich gelassen, doch noch türmte die Stadt sich hinter ihnen auf. Bedrohlich und mahnend. Die Angst saß ihr direkt im Nacken und würde wohl auch nicht so schnell von ihr ablassen.

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    Als die Soldaten in die Villa eindrangen und sich gewaltsam Zutritt verschafften, brach das blanke Chaos aus. Für die meisten Sklaven kam dies völlig überraschend. Sie suchten ihr Heil in der Flucht, als das Gemetzel im Atrium begann und die treuen Veteranen das Anwesen bis zu ihrem Tode verteidigten.
    Im Grunde war die Villa aber eine Falle, ein entkommen so gut wie unmöglich. Das einzige was den verstörten Sklaven übrig blieb, war sich zu verstecken und abzuwarten.
    Lanassa, eine Sklavin Floras und zuständig für die Wäsche, versteckte sich, als der Kampfeslärm ihr zu Ohren drang, unter einem Bett. Aus ihrem Versteck heraus konnte sie nicht viel sehen, aber dafür umso mehr hören. Nur ihr schneller Herzschlag übertönte ein wenig die gellenden Schmerzensschreie. Aus Angst kniff sie die Augen und presste die Hände auf die Ohren, doch gelang es ihr nicht gänzlich die Geräusche von klirrenden Waffen und gebrüllten Befehlen auszublenden.
    Erst als dann irgendwann plötzlich gespenstische Stille über der Villa lag, wagte sie es die Augen vorsichtig zu öffnen. Doch unter dem Bett wagte sie sich nicht hervor. Am ganzen Leibe zitterte sie. Was nur war hier geschehen? Was sollte dies bedeuten?


    Plötzlich ohne Vorwarnung wurde sie grob am Bein gepackt und aus ihrem Versteck gezerrt. Erschrocken entfloh ihr ein spitzer Schrei. Lanassa erstarrte einfach. Stattdessen blickte sie dem grimmigen Soldaten ängstlich ins Gesicht.
    „Bitte …“, flehte sie verängstigt. Doch man stellte sie nur auf die Beine und scheuchte sie ins Atrium, wo man auch die übrigen Sklaven des Haushaltes zusammen trieb. Mit gesenktem Blick blieb sie bei den übrigen stehen und stierte auf eine der Blutlachen. Ein dunkelrot schimmernder See auf dem teuren Marmor. Vor lauter Angst wagte sie es nicht den Blick zu heben. Sie stand einfach nur da und betete zu allen Göttern von denen sie gehört hatte.



    Ihr Aufbruch war überstürzt und auch nicht wirklich gut geplant. In aller Eile wurde ein klappriger Karren mit einem genügsamen kräftigen Ochsen eingespannt. Man belud das Gefährt mit Körben voller Kohl und Rüben. Unter einer geölten Plane, die ihnen wohl auch als Schutz gegen Wind und Wetter dienen sollte, wurden Decken, ein paar Felle, ihre Vorräte an Brot, Trockenfleisch und Dörrobst verborgen. Irgendeiner der völlig verstörten Sklaven dachte sogar so weit und schob einen kleinen rußigen Kupfertopf unter die Plane. Die Sklaven des Landsitzes verstanden ihre Welt nicht mehr, ohne jede Erklärung brach die Dame des Hauses mit dem Stiefsohn auf. Sie wurden nicht aufgeklärt, zu ihrem eigenem Schutz und dem der Flüchtlinge.
    Nur wenige Anweisungen erhielten, sie sollten einfach das Leben so weiter führen, als hätte Flora niemals den Landsitz verlassen.


    Als Flora sah, auf welche Weise sie ihre Reise unternehmen würden, wurde ihr flau im Magen. Auch wenn es wohl kaum noch möglich war, sie wurde sogar noch ein bisschen blasser um die Nase. Was auch daran lag, dass ein kurzer Krampf im Unterleib sie erschauern ließ.
    Das Ding sah aus, als würde es bei dem ersten Stein auf der Straße auseinander brechen. Täuschte sie sich, oder waren die Reifen nicht mehr rund, sondern hatten mehr Ähnlichkeit mit einem Ei? Und ganz so, als zürnten ihnen die Götter, begann es dann auch noch zu regnen.
    Flora zog sich ihren Umhang fester um die Schulter und zog sich die Kapuze ihres schäbig wirkenden Umhanges tief ins Gesicht. Dann kletterte sie zu Ahala auf den Kutschbock. Veleda wurde nach hinten auf den Karren verbannt, zu dem Gemüse. Um die Empfindlichkeit einer Sklavin scherte sich ohnehin niemand. Nun galt es nur schnell fort zu kommen. So viel Abstand wie möglich zwischen sich und der Landvilla zu bringen. Mit der vagen Hoffnung der drohenden Gefahr zu entkommen und Soldaten, die sie aufspüren sollten zuvor zu kommen.


    Ruckelnd setzte sich der Ochse in Bewegung, das Holz des Karrens knarrte und ächzte, hielt aber. In einem sehr gemächlichen Tempo begannen sie ihre Flucht. Dies trug nicht gerade dazu bei, die Anspannung die sich in ihrem Körper aufgebaut hatte, zu vertreiben. Im Gegenteil, sie verstärkte sich. Nur schnell fort! Unruhig rutschte sie auf dem unbequemen Sitz hin und her und warf ständig besorgte Blicke zurück. Nur ganz langsam wurde der tiberische Landsitz kleiner. Ebenso langsam bogen sie dann auf die Straße gen Norden ein, diese führte sie zunächst durch Misenum und dann endlich durch die Tore der Hafenstadt.
    Gerade hatten sie die Stadtmauern hinter sich gelassen, Flora hatte den Soldaten einen bangen Blick zugeworfen, da purzelte Flora eine Frage über die Lippen, die sie bisher nicht gewagt hatte zu stellen. Ganz leise, nicht mehr wie ein tonloses Wispern klang ihre Stimme, als sie fragte: „Was ist mit Durus?“ Sorge und Angst konnte sie kaum aus ihrem Blick verbannen. Kurz warf sie wieder einen Blick zurück, befürchtete, dass man sie doch noch aufhalten würde, doch die Soldaten hatten ihren Platz nicht verlassen. Auch jetzt nicht, konnte sie aufatmen, noch waren sie nicht in Sicherheit. Sie hatten noch sehr vielen Meilen vor sich. Und immer noch wusste sie nicht, wohin sie eigentlich fliehen wollten. Es ging zwar nach Norden, aber Ahala würde wohl kaum nach Rom wollen. Doch bevor sie sich dieser Frage widmen konnte, wollte sie erst einmal wissen, wie es ihrem Gatten ging. Zu ihrer eigenen Überraschung fürchtete sie um ihn, nicht nur weil er nicht mehr der Jüngste war und der Kopf einer Verschwörung, sondern weil er ihr, in der kurzen Zeit doch ans Herz gewachsen war. Obwohl sie nicht sonderlich viel mit einander verband. Dennoch die Sorge war da und sie wollte die Gewissheit das es ihm gut ging.

    Ahalas Einwand, was Veleda anging wollte sie nicht hören. Die Germanin mochte plump und vorlaut sein, aber Flora wusste, dass sie ihr vertrauen konnte. Bedenken hatte sie nicht und wollte auch gar nichts davon wissen, dass die Germanin womöglich auf den Gedanken kommen könnte, sie zu verraten. Gerade jetzt wollte sie nicht zweifeln. Genügte es nicht, dass sie gerade erfahren hatte, dass ihr Gatte den Tod der kaiserlichen Familie veranlasst hatte? Eine Tatsache deren Folgen sie noch gar nicht ermessen konnte. Ohnehin wollte es noch nicht in ihren Kopf, dass Durus der Kopf einer ungeheuerlichen Verschwörung war. Ihre Gedanken überstürzten sich. Die Gründe mochten auf der Hand liegen, doch begreifen konnte sie es noch nicht. Nur, dass wenn sie nicht sofort das Landgut verlassen würden, es wohl ihr Tod sein würde.


    Kurz wanderte ihr Blick zwischen dem Tiberius und der Sklavin hin und her. „Sie kommt mit“, meinte Flora entschlossen. „Du wirst mir noch dankbar sein, dass sie uns begleitet!“ Ihr Tonfall machte deutlich, dass sie sich nicht vom Gegenteil überzeugen lassen würde. Ein wenig wurde ihr Blick dann flehend. Das war einfach ein bisschen zu viel für sie, die Schwangerschaft, die Verkündung der Verschwörung und nun diese völlig überhastete Flucht, weil ihr Leben davon abhing. Flora gab sich alle Mühe nicht augenblicklich einfach in Panik auszubrechen und diese ganze Situation noch schlimmer zu machen. Sie biss die Zähne zusammen, rang Angst und Übelkeit hinunter und war gewillt zu tun, was man von ihr erwartete. Doch es war einfach zu viel. Kurz warf sie Veleda einen starfenden Blick zu. Diese sollte den Mund halten und die Situation nicht noch weiter anheizen. "Halt den Mund!" befahl sie der Sklavin dann recht rüde. Im Augenblick konnte sie deren schroffe Art nicht ertragen.


    „Wir sollten nicht streiten, sondern aufbrechen“, gab sie zu Bedenken, nachdem sie kurz tief durchgeatmet hatte. Doch wirklich beruhigte es sie nicht. „Wir sollten auch eine falsche Fährte legen … Sklaven zu Pferd zum Landgut meiner Mutter schicken“, schlug sie vor und hoffte somit einer Diskussion wegen ihrer Sklavin zu entgehen. Eigentlich wusste sie nicht einmal wohin sie fliehen wollten. hauptsache sie ließen erst einmal den tiberischen Landsitz hinter sich.
    Dann nahm sie entschlossen einige Decken entgegen und stapfte an Ahala vorbei hinaus auf das Landgut. Die Zeit drängte und wer wusste schon, wie viel ihnen noch blieb. Hoffentlich bemerkte er nicht, dass sie nur mit Mühe ihre beherrschte Miene aufrecht halten konnte.

    Er zögerte und sie sah ihm an, dass er Unwillig war eine Erklärung abzugeben. Erst als Veleda sie allein gelassen hatte, eröffnete er ihr die schonungslose Wahrheit. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn einfach nur fassungslos an. Zunächst konnte sie nicht wirklich begreifen, was das alles bedeuten mochte, doch dann rasten ihre Gedanken und sie bekam ein furchtbar flaues Gefühl im Magen. Eine Welle der Übelkeit durchströmte sie und ließ sie leicht Zittern. Sie brauchte einen Moment um sich zu fassen. Aus der Übelkeit wurde ein harter Knoten Angst, der sich in ihrem Magen zusammen ballte. Sie hatte eine Erklärung verlangt und auch erhalten und nun mussten sie handeln. Im Grunde blieb keine Zeit seine Worte richtig aufzunehmen. Sie mussten sich eilen, wenn sie nicht den Prätorianern in die Hände fallen wollten.


    Schließlich ging ein Ruck durch ihren Körper, eilig nahm sie ihre Ohrringe ab, löste die komplizierte Frisur auf und warf die goldenen und silbernen Spangen recht achtlos in eine Schale. Ebenso eine Kette legte sie ab, doch als sie die Armbänder an ihrem rechten Handgelenk lösen wollte, zögerte sie. Das konnte sie nicht. Alles was sie noch von Narcissa hatte, waren diese Armbänder. Eines mit ihrem Namen, das Andere mit dem ihrer Zwillingsschwester. Damit man die Schwestern auseinander halten konnte. Sie hatte Narcissas Armband nach deren Tod an sich genommen. Eine ständige Erinnerung an deren Verlust und dass ein Stück ihrer selbst fehlte. Sie konnte es nicht zurück lassen. Das war, als würde sie gänzlich Narcissa hinter sich zurück lassen. Dafür war sie noch nicht bereit. Nur diese Schmuckstücke waren ihr geblieben und verblassende Erinnerungen.


    Mit einer Tunika, die so gar nicht dem entsprach was sie sonst trug, kehrte Veleda zurück und hielt sie ihr dann auch hin. Das lenkte sie von ihrem Dilemma ab, sie nahm ihre Finger von den Armbändern, stattdessen griff sie nach der Tunika.
    Ohne große Widerworte tat sie dann, was Ahala von ihr verlangt hatte, sie tauschte die hübschen und wertvollen Kleider gegen eine schlichte Tunika die ihr viel zu groß und auch zu lang war. Zweifelnd sah sie sich herunter, doch zeit für Eitelkeiten war nicht. Damit sie wenigstens nicht über den Saum stolperte, wurde das Kleidungsstück mit einem einfachen schmucklosen Ledergürtel gerafft. Wobei ihr Blick dabei auf ihre Sandalen fiel. Der kleine Halbmond baumelte an ihnen und mahnte sie, auch ein anderes Schuhwerk zu wählen. Veleda war so weitsichtig gewesen und hatte irgendwo her robustes Schuhwerk herbei geschafft. Als sie nun einen Blick in den Spiegel warf, fasste sie sich die Haare noch locker im Nacken zusammen. Kurz spielte sie tatsächlich mit dem Gedanken sich die Locken zu kürzen, aber das würde wohl nur seltsam aussehen. Schließlich warf sie sich auch noch einen wärmenden Reisemantel über. Doch was sollte sie noch mitnehmen. Schmuck und Kleider musste sie zurück lassen. Ihr Blick fiel auf die Germanin. Ahala würde bestimmt nicht glücklich sein, dass sie die Sklavin mitnahm, aber sie würde sich nicht davon abbringen lassen. Sie würde Veleda brauchen.
    „Du kommst mit!“ befahl sie Veleda. „Beeil dich! Wir müssen hier fort … wir brauchen Decken und Vorräte und …“, etwas überfordert stand sie da. Mitten Im Raum. Völlig rat- und auch planlos. Dann eilte sie zu einer ihrer Truhen, kniete davor nieder und warf die Kleider daraus achtlos auf den Boden. Zu Tage förderte sie ein schmuckloses Kästchen. Ihre Reisekasse. Genug um ein unbeschwertes Leben führen zu können. Sie würden das Geld wohl brauchen. Doch was nun? Sobald sie ein wenig Zeit zum nachdenken hatte, würde ihr die ganze Tragweite dieser ungeheuerlichen Tat bewusst werden.

    „Was ist los?“ fragte sie leise nach, drängend und mit einer gewissen Angst in der Stimme. Kurzerhand griff sie nach seiner Hand. Nicht sicher ob sie den halt brauchte oder er. Sein Anblick, seine Haltung und der Ausdruck auf seinem Gesicht konnten nichts Gutes bedeuten. Sein Blick war seltsam hart und distanziert, so ernst und eisern. Das kannte sie eigentlich nicht von ihm und es jagte ihr einen Schauer dunkler Vorahnungen über den Rücken. Ahala war eigentlich ein Draufgänger, dem Wein, dem Glücksspiel und den hübschen Frauen so gar nicht abgeneigt. Ein wenig verantwortungslos, leichtsinnig, lasterhaft und unbekümmert. Er nahm das Leben wie es war. Das hatte sie auch angezogen, sie war ihm nicht unähnlich, immer auf der Suche nach Aufregung und einem gewissen Nervenkitzel. Es fehlte ihnen ein wenig an Ernsthaftigkeit. In seiner Nähe musste sie sich nicht verstecken und die würdevolle Matrona mimen. Doch nun war ihm so gar nichts von seiner eher lockeren Moral anzumerken. Vor ihr stand ein gänzlich fremder Mann.


    Doch sie erheilt keine Erklärung, nur Anweisungen. Kurz öffnete sie den Mund, doch so im ersten Moment wollte ihr so gar nicht einfallen, was sie darauf sagen sollte. Nach einem langen Moment des Schweigens formte sich dann doch eine Frage auf ihren Lippen. „Wohin? Warum?“ Sie wollte nicht schon wieder ohne jegliche Erklärungen irgendwo hingebracht werden. So langsam hatte sie es satt, wie ein bockiges Kind behandelt zu werden und von einem Ort zum nächsten gebracht zu werden, ohne dass sie dafür die Gründe kannte. Ein leichter sturer Zug zeichnete sich auf ihren Zügen ab. Ein Ausdruck den er bereits von ihr kannte, sie war ja durchaus recht eigenwillig.
    Flora war nicht sofort gewillt seinen Anweisungen zu folgen und auch Veleda stand eher unentschlossen im Raum. Kurz ließ sie ihren Blick auf die Sklavin fallen. „Tu was er sagt, besorg mir eine von deinen Tuniken!“ schickte sie die Sklavin raus um einige ruhige Minuten unter vier Augen zu gewinnen. Nur ungern wich die Sklaven von ihrer Seite. Veleda wachte über sie wie Cerberus über die Unterwelt. Aber die Germanin ließ sie dann doch allein.


    „Was ist los?“ fragte sie drängender, nachdem Veleda verschwunden war. „Du kannst hier nicht einfach auftauchen und mir sagen, dass wir weg müssen, ohne mir zu sagen, was los ist! Verdammt noch mal, ich bin kein dummes Kind, Ahala!“ Flora war furchtbar launisch geworden, von einem Moment zu anderen konnte sich ihre Stimmung ändern. Mit verschränkten Armen stand sie vor ihm, nicht gewillt einfach Folge zu leisten. Sie wollte eine Erklärung, jetzt, und nicht später, wenn es ihm in den Kragen passte.

    Ein, zwei Tage hatte sie nun Zeit gehabt, um sich damit auseinander zu setzen, dass sie schwanger war. Das erklärte natürlich, warum ihr ständig schlecht gewesen war und sie sich so unwohl gefühlte hatte. Eigentlich fühlte sie sich ständig Unwohl. Nicht nur hing das mit der Schwangerschaft zusammen, sondern auch mit der Ungewissheit. Ihr schlechtes Gewissen konnte sie ein wenig besänftigen, in dem sie sich ständig einredete, dass sie nur das tat, was man von ihr erwartete, sie sorgte für Nachwusch. Das war schließlich ihre Aufgabe. Genau das erwartete man von ihr, so als patrizische Zuchtstute. Doch alles einreden half nicht, wusste sie doch nicht, wer denn nun der Vater sein würde, da konnte sie noch so oft sich vorbeten, ihren Pflichten nach zu kommen.
    Flora hatte eindeutig zu viel Zeit zum Grübeln, es gab nur wenig, dass sie ablenkte. Auch wenn die Ermordung der kaiserlichen Familie tragisch war und die Welt aus den Fugen geraten ließ, so war die tiberische Landvilla eine eigene Welt. Der Landsitz lag ruhig, der Alltag wurde gar nicht von diesen dramatischen Ereignissen gestört. In Rom wäre das anders, da würde es kein anderes Thema geben. Der ganze Haushalt würde auf dem Kopf stehen, ihr Gatte würde wichtige Persönlichkeiten empfangen und wohl Pläne schmieden. Aber sie war ja im Exil, geplagt von Langweile und Unbehagen. Wirklich viel gab es nicht, was sie ablenken konnte. Reiten war in ihrem Zustand ein Risiko, dass sie nicht eingehen wollte, also blieb ihr nur lesen oder irgendwelche Handarbeiten. Aber diese lenkten sie nicht vom Grübeln ab. Also spazierte sie meistens unruhig umher, oder ruhte sich aus, weil sie sich irgendwie ständig am Rande der Erschöpfung befand.


    Aus einem unruhigen Dämmerschlaf erwachte sie dann auch, als jemand ihren Namen brüllte. „Was zum ...?“ schreckte sie auf und sah sich verwundert um, weil ein solches Lärmen ungewohnt war. Sonst ging alles gänzlich ruhig von statten. Hektik und Aufregung waren so etwas wie Fremdwörter auf dem Landsitz. Dies war ein Ort der Ruhe und Erholung, hier konnte man Lustwandeln und die Seele baumeln lassen. Politik und Kriege waren fern. Umso ungewöhnlicher war es, das da jemand so lautstark nach ihr verlangte. Was das bedeuten mochte?
    Eilig schwang sie die Beine aus dem Bett, warf sich eine Stola über und warf dann noch einen kritischen Blick in den Spiegel. Eilig richtete sie sich das Haar –so viel Zeit musste sein, vorzeigbar sollte sie schon sein-, und dann kündigte ihr Veleda auch schon Ahala an. Was machte der denn hier? Sollte er nicht in Rom sein, an der Seite seines Vaters? Ihr wurde flau im Magen, das konnte nur etwas Schlechtes bedeuten? Oder aber hatte er einfach nur Sehnsucht nach ihr und hatte deshalb, mitten in diesen unruhigen Zeiten, den weiten Weg auf sich genommen?
    Sie würde es erst wissen, wenn sie ihn herein ließ. Also gab sie Veleda nur ein kleines Zeichen und schon stand er mitten im Raum.


    Das Erste was ihr auffiel war sein Geruch. Er müffelte, nein, eigentlich stank er! Ahala roch nach Schweiß, Pferd und anderen Dingen, von denen sie nicht wissen wollte, was er getrieben hatte. Viel besser sah er auch nicht aus, verschmutzt, zerrissen und angespannt. War das Blut in seinem Haar? Ihre Augen weiteten sich vor Schreck bei seinem Anblick.
    Sofort war deutlich, dass ihn wohl kaum die Sehnsucht nach ihr hier her gebracht hatte. Irgendetwas war passiert …
    Sofort malte sie sich das Schlimmste aus. Durus war hinter ihre Liebschaft gekommen und hatte ihn verstoßen und nun war er hier um sie zu warnen, bevor der Zorn ihres Gatten auch sie treffen sollte. Nach einem kurzen Moment der Panik, schalte sie sich einen Narren, dennoch konnte sie eine gewisse Furcht nicht aus ihrer Stimme verbannen: „Was ist passiert?“ fragte sie mit bangem Blick. „Du siehst furchtbar aus …“, fügte sie wesentlich leiser und besorgter hinzu.

    Zitat

    Original von Manius Tiberius Durus
    Es ist vollbracht.


    An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Mitspielern bedanken, mit denen zu spielen ich die Ehre hatte ;)


    Und keine Angst - so schnell seit ihr mich nicht los :D


    :app:


    Mein liebster Gatte, es war mir eine Ehre, deine Gemahlin zu sein! Dei Ende ist deiner Würdig und ich kann nur den Hut ziehen! Ein wahrlich großartiges Ende für eine ID die ich bewundert und geliebt habe!


    Mensch bin ich froh, dass du dem IR erhalten bleibst.

    Veleda war selten einfühlsam und bewies, dass sie nicht immer ein solch ungehobelter Klotz war, sondern auch durchaus mal sensibel war. Das Letzte was Flora nun gebrauchen konnte, war eine Sklavin die sich in Schadenfreude erging. Ihr wurde ein wenig anders. Das war dann doch etwas zu viel für sie. Wenn doch nur Prisca nun hier wäre, dann hätte sie wenigstens eine Verwandte um sich, aber nein, sie war mitten in einem Exil.
    Recht hatte Veleda, es war besser, dass sie hier in Misenum war, während in Rom gerade die Welt untergehen zu schien. Für Flora ging auch eine kleine Welt unter. Ihre Mutter würde sie jetzt schellten und recht brüsk meinen, dass sie sich zusammen reißen sollte, sie war schließlich eine Aurelia. Es war ihre Pflicht Kinder in die Welt zu setzen. Sie hatte nur etwas nachgeholfen, da wo ihr greiser Mann an seine Grenzen kam. Alles in allem, war sie eine vorbildliche Ehefrau. Sofern ihr Gatte wirklich glaubte, dass es sein Kind war.
    Flora ließ sich auf eine Kline helfen. Mit leerem Blick starrte sie einen Augenblick lang an die Decke, dann schickte sie alle Sklaven hinaus. Sie wollte ihre Ruhe haben und Zeit zum Nachdenken. „Lass mich allein!“ meinte sie kurz angebunden. Sie hatte ja ihrem Gatten Neuigkeiten mitteilen wollen, jetzt hatte sie welche. Dazu durchringen, einen Brief aufzusetzen, konnte sie noch nicht. Erst einmal musste sie sich der Dinge bewusst werden, bevor sie es der ganzen Welt dann verkünden konnte. Vielleicht half es ja, wenn sie sich einredete, dass sie ihrem Gatten einen Erben schenkte. Wenn man sich etwas ganz oft genug selbst vorbetete, dann glaubte man es ja irgendwann selbst.



    Ein schöner tragisch-trauriger Abschied. :app:

    Das Gefühl, dass die Sklavin nicht ganze Helle war, bestätigte sich. Flora hatte schon Verstanden dass in Rom das Chaos ausgebrochen war. Sie rollte genervt mit den Augen, als Veleda mit ihr sprach, als wäre sie beschränkt. „Nicht das!“ fauchte sie die Sklavin an. Da hatte sich ihre Mutter echt einen üblen Scherz erlaubt, als sie ihr die Sklavin schenkte. Mitunter war die Germanin eine furchtbare Landplage. Grob, dumm und mitunter zu nichts zu gebrauchen. Sie konnte weder singen noch tanzen oder anderweitig Kurzweil verschaffe. Dumme Sprüche klopfen, das konnte sie, oder genervt mit den Augen rollen, aber an sich hatte Veleda nur wenige Fertigkeiten die sie gebrauchen konnte. Wenigstens hielt sie was aus.
    Endlich, es erschien ihr nach unendlich langer Zeit, begriff Veleda was sie hatte wissen wollen. Nur kam diese nicht direkt auf das zu sprechen, was sie hatten sagen wollen. Sie druckste herum und wies die Aurelia auf gewisse kleine Veränderung hin. Veränderungen über die sie sich bereits geärgert hatte. So manches Kleid wollte ihr nicht mehr passen. Das hatte sie frustriert, aber bisher war sie nicht auf den Gedanken gekommen, sie könnte schwanger sein. Erst einmal war sie nur sprachlos.


    Natürlich hatte ihre Mutter sie aufgeklärt, aber irgendwie hatte sie ihr Unwohlsein nicht damit in Verbindung gebracht, dass sie schwanger sein könnte, sondern eher vermutet, dass sie sich irgendetwas eingefangen hatte. Aber nun wo Veleda es beim Namen nannte, musste Flora einsehen, dass sie diese Tatsache einfach verdrängt hatte. Flora blinzelte und starrte die Sklavin einfach nur völlig überrascht an. Das hatte ihr auch noch gefehlt. In all den Wirren der Zeit musste sie nun auch noch schwanger werden. „Bei Iuno …“, gab sie recht fassungslos von sich. Schwanger! Und wer war der Vater? Nun hatte sie wieder etwas, dass ihr schlaflose Nächte bescheren würde. Schließlich sank sie auf eine Kline, stützte den Kopf in die Hände und raufte sich das Haar. An sich war es eine gute Nachricht, sie erfüllte ihre Pflicht. Wäre da nicht die Ungewissheit. Nun konnte sie wirklich nur hoffen, dass ihr Gatte keinen Verdacht hegte und einfach annahm, dass er das Kind gezeugt hatte. Völlig unmöglich war es ja nicht. Schließlich hatte sie ihn dazu gebracht, dass er seine Pflicht ihr gegenüber erfüllte. Aber irgendwie wollte sie nicht daran glauben, dass der alte Tiberier direkt einen Treffer gelandet hatte.

    Veleda huschte davon, für Floras Geschmack viel zu gut gelaunt. Die Sklavin konnte es kaum erwarten den Launen ihrer Herrin zu entkommen. Flora blieb nun nichts anderes übrig, wie zu warten. Darauf, dass die Germanin mit Neuigkeiten zurückkehrte. Die Zeit vertrieb sie sich damit, dass sie im Garten lustwandelte. Das Anwesen war weitläufig, der Garten sorgfältig gepflegt. Es mochte Winter sein und keine Blumen blühen, dennoch lud der hortus zum Verweilen ein. Für einen kurzen Moment kam sie sogar auf andere Gedanken. Sie schlenderte hinüber zu den Ställen, fütterte dort ein Pferd mit einem Apfel und kehrte dann wieder in das warme Haus zurück. Es war doch ein wenig ungemütlich, der Wind war schneidend und die pala wollte sie nicht so recht wärmen.
    Von Veleda war noch nichts zu sehen, die Sklavin hatte wohl die Gelegenheit beim Schopfe gepackt um sich einfach Zeit zu lassen. Ungeduld machte sich in ihr breit, doch zögerte sie einen Sklaven zu schicken um diese zu suchen.


    Erst nach einem Bad und einer leichten cena tauchte die Sklavin endlich wieder auf. Mit sorgenvollen Nachrichten im Gepäck. Die kaiserliche Familie ermordet und man vermutete eine Verschwörung. Doch nach ihrer Meinung konnte eigentlich nur ein Mann dafür verantwortlich sein. Der Preafectus Urbi höchst persönlich. Auch wenn sie sich für Politik nie sonderlich interessiert hatte, hatte sie doch sehr gut zugehört, wenn die Damen in den Thermen tratschten. Nur dieser Mann allein würde seinen Vorteil daraus ziehen können. Er würde nun sicherlich die Macht an sich reißen und den Senat knebeln. „Bei den Göttern“, murmelte sie entsetzt. Die Farbe wich ihr aus dem Gesicht und sie konnte nur fassungslos den Kopf schütteln. „Mögen die Götter uns bei stehen … wenn dies alles wahr ist … bedeutet das Krieg …“ Narcissa hatte sie es zu verdanken, dass sie nicht ganz so ahnungslos war, was die Geschichte Roms anging. Sehr oft hatte Narcissa ihr Abends im Bett erzählt, welche spannenden Bücher sie gelesen hatte und welche wichtigen Ereignisse Rom geprägt hatte. Bürgerkriege, blutige Schlachten, politische Intrigen.


    Der letzte Satz Veleda machte sie dann etwas stutzig. „Wie meinst du das?“ sah sie die Sklavin fragend an.

    Schließlich gab sie es auf. Ihr wollte es einfach nicht gelingen einen vernünftigen Brief zu verfassen. Im Grunde wusste sie auch nicht wirklich, was sie ihrem Gatten schreiben sollte. Bestimmt waren andere Boten schneller um in Rom zu verkünden, dass die kaiserliche Familie tot war. Sie wusste ja nicht einmal was geschehen war. Nur Gerüchte, von denen sie sich nicht sicher war, wie viel Wahrheit sich in ihnen verbarg.
    Das Stück Pergament knüllte sie zusammen und warf es von sich. Es traf Veleda, unbeabsichtigt. Erst jetzt fiel ihr Blick auf die Sklavin. Einen langen Moment starrte sie diese an, nachdenklich.


    „Ich will dass du in die Stadt gehst und dich umhörst!“ befahl sie dann. „Wegen dem Tod des Kaisers“, fügte sie hinzu, weil sie ab und zu den Eindruck hatte, dass die Sklavin nicht die Hellste war. Lieber erklärte sie direkt was sie wollte, anstatt sich später wiederholen zu müssen.


    Eine leise Ahnung beschlich sie. Hatte ihr Gatte sie womöglich aus gänzlich anderen Gründen nach Misenum geschickt? Vielleicht, weil er etwas geahnt hatte oder etwas wusste? Nachdenklich begann sie auf ihrer Unterlippe herum zu kauen. Wie oft hatte sie miterlebt, dass sie schlichtweg ausgeschlossen wurde und er Gäste empfing. Hinter verschlossenen Türen hatten dann überaus ernste Gespräche stattgefunden. Bisher hatte sie sich dabei nichts gedacht, auch wenn sie es als seltsam empfunden hatte, dass sie öfter Mal die cena allein zu sich genommen hatte, während ihr Ehemann einflussreiche Männer traf. Im Grunde nichts ungewöhnlich, er war Senator und Pontifex, ein einflussreicher Mann, den man um Rat bat und mit dem man politische Entwicklungen diskutierte. Steckte etwa mehr dahinter und Flora hatte die Zeichen nur nicht verstanden. Hatte Durus sie aus Rom fortschaffen wollen, um sie zu schützen? Fragen über Fragen, nur gab es niemand der ihr diese beantworten konnte. Wieder musste sie sich die Antworten selbst zusammen reimen. Schließlich stützte sie den Kopf in die Hände, von der vielen Grübelei bekam sie Kopfschmerzen. Und schlecht war ihr auch schon wieder.

    Schon seit einer guten Weile befand sie sich nun in Misenum, vertrieb sich die Zeit damit ein wenig über die Märkte zu bummeln, zu lesen und mit anderen Dingen die eine junge Patrizerin tat. Doch immer nur kurzzeitig konnte sie sich ablenken. Ständig kehrten ihre Gedanken zu der Frage zurück, warum ihr Gatte sie hier her geschickt hatte. Auch die Sklaven hatten dafür keine Erklärung und wenn es eine gab, so erfuhr sie diese jedenfalls nicht. Flora blieb nichts anderes übrig, also selbst nach einer Erklärung zu suchen und kam immer wieder zu demselben Schluss. Er musste irgendwie erfahren haben, dass sie und Ahala sich heimlich getroffen hatten und das Bett geteilt haben. Im Grunde konnte sie nun hier nur versauern. Rom würde sie wohl nie wieder sehen. Es gab niemandem dem sie die Schuld an ihrer Situation geben konnte, nur sich selbst. Es wäre sehr ungerecht zu behaupten, dass Ahala sie verführt hatte. Das hatte er vielleicht auch ein wenig, aber sie war willig gewesen und so gar nicht abgeneigt.
    Frustriert und unleidlich verbrachte sie ihre Tage auf dem Landgut. Zu allem Überdruss schien fühlte sie sich furchtbar. Ihr war ständig schlecht und sie fühlte sich besonders morgens hundeelend. Das Leben konnte ja so ungerecht sein.


    Der Tod der kaiserlichen Familie verbreitete sich in Windeseile und erreichte auch das tiberische Landgut, noch bevor Rom diese Nachricht vernahm, erstarrte Misenum gänzlich.


    Der Kaiser war Tod.


    Zunächst herrschte Fassungslosigkeit und dann begann das laute Wehklagen. Mit Entsetzen nahmen die Menschen diese Nachricht auf und verbreiteten sie. Für einen kurzen Moment brach sogar Panik aus. Die Ordnung war aber schnell wieder hergestellt, doch herrschte nun eine gewisse Angst.


    Flora war erschüttert. Solche Nachrichten hatte sie nun nicht erwartet und so recht wusste sie nicht, was dies nun bedeuten mochte. Gern wäre sie nun Rom gewesen, bei Freunden und der Familie, um sich mit ihnen zu beratschlagen oder aber wenigstens zu wissen, was nun auf sie kam. Doch Rom war fern und sie kam sich mehr denn je vor wie im Exil.
    Um wenigstens etwas zu tun, setzte sie sich hin und wollte einen Brief an ihren Gatten verfassen, doch so recht wollte ihr dies nicht gelingen. Sie starrte das Pergament an, schrieb einige Zeilen, die sie dann wieder verwarf und begann wieder von vorn.