Beiträge von Aurelia Flora

    Auch wenn es zumindest bei Flora nicht den Anschein hatte, die Zwillinge waren klug, versteckten dies aber geschickt hinter ihren leicht naiven Art. Ein Lehrer war nicht wirklich mehr nötig, viel würde er ihnen nicht mehr beibringen können. Philosophie, Griechisch, Grundlagen der Mathematik, Politik, neben Handarbeit, gutem Benehmen und vielen anderen Dingen. Es war ein schierer Wissensdurst gewesen, den ihre Mutter gefördert hatte. Weiterer Unterricht würde ihnen sicherlich nicht schaden, aber sie wohl eher langweilen.


    Zustimmend nickte sie und fragte sich kurz, ob das so klug gewesen war, auf das Angebot einzugehen. Aber was sollte es schon schaden. Es würde ihr Griechisch verbessern wenn sie Glück hatten, wenn nicht, dann konnte sie etwas Zeit mit Cimon verbringen. Es war letzteres was sie mehr lockte.


    Sie machte es sich in dem Sessel wieder gemütlich und stellte erst einmal das Kästchen mit der Geschichte neben sich auf den Tisch, weil sie die Abenteuer von Caius weiter lesen wollte. Titus räumte indes die mitgebrachten Bücher weg. „Bis zum Abendessen!“ verabschiedete sie sich dann von ihm und vertiefte sich wieder in ihre Lektüre.

    Sie konnte den kritischen musternden Blick von Lysandra auf sich ruhen spüren. Aber sie gab angestrengt vor, das nicht zu bemerken und las scheinbar ungestört weiter. Anscheinend glaubte ihr die Sklavin nicht, aber eine andere Antwort würde sie nicht erhalten. Sie konnte ihr einfach nicht die Wahrheit erzählen, das würde nur unweigerlich Konsequenzen nach sich ziehen, die sie zu vermeiden suchte. Es war nichts passiert und Cimon sollte nicht bestraft werden, weil sie dumm gewesen war.
    Als sich die Tür hinter der Sklavin schloss, ließ sie wieder das Pergament sinken und sie stieß die angehaltene Luft wieder aus. Die innere Anspannung wollte sich jedoch nicht lösen. Die Erinnerungen aus dem Garten kehrten zurück. Mit ganzer Kraft drängte sie diese wieder fort. Seufzend las sie weiter, doch sie hatte den Spaß verloren. Außerdem schweiften ihre Gedanken ständig an. Sie musste etwas unternehmen. Am Besten sie ging ihm aus dem Weg. Nicht dass sie dann wieder Leichtsinnig wurde und etwas sehr unbedachtes tat.

    Lysandra war eigentlich eine gute Seele, sie hatte nur wenige Geheimnisse vor der Sklavin, sie war so etwas wie eine große Schwester für sie und Narcissa und aus diesem Grunde auch eine Sonderstellung in ihrem Leben. Sie ließen ihr fast alles durchgehen, ermahnende Worte, Sticheleien, Kritik und herzliche Umarmungen. Es hatte Nächte gegeben die sie sich zu Dritt um die Ohren geschlagen haben, voller Klatsch und Tratsch. Doch gerade jetzt empfand sie die Sorge um sich störend. Sie wollte allein sein, wollte versuchen nicht mehr an das zu denken, was beinahe passiert wäre. Lysandra war irgendwie wie eine lebende Ermahnung ihrer Mutter, die Sklavin würde sie dauerhaft in ihr Zimmer einsperren, wenn sie etwas davon erfuhr und dem armen Cimon vermutlich vierteilen und dann den Hunden zum Fraß vorwerfen. Und das hatte der nicht verdient, er trug keine Schuld an diesem Tohuwabohu ihrer Gefühle. Bei den Göttern, sie wollte es doch auch. Kurz hatte sie wieder das Gefühl seine Hände auf ihrem Körper zu spüren und seine Küsse. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Vorbei war es mit ihrer Ablenkung. Da war sie wieder die Sehnsucht und die Begierde.
    Langsam ließ sie ihre Schriftrolle sinken und sie fixierte aus grünen Augen Lysandra. „Mir geht’s gut“, versicherte sie ihr. „Ich hab nur schlecht geschlafen!“ erklärte sie dann. Eine Notlüge bei der sie nicht rot wurde und durchaus auch zutreffen konnte. Wenn sie schlecht schlief oder zu früh aus dem Bett fiel, konnte sie mitunter unausstehlich sein. Lysandra wusste dies aus eigener Erfahrung und dann war es meist besser, sie in Ruhe zu lassen. Irgendwie brachte sie sogar ein mühsames Lächeln zustande. „Mach dir keine Sorgen!“ meinte sie dann etwas sanfter. „Du kennst mich doch!“ fügte sie noch hinzu.

    Flora konnte sich über ihren besuch nur wundern. Sie fand es etwas befremdend, dass er Marei angeboten hatte sie zu adoptieren. Gegenüber einem Sklavenkind erschien ihr dies irgendwie Unfair. Es weckte falsche Hoffnungen, die nur bitter enttäuscht werden würde. Es war besser, wenn das Mädchen von Anfang an wusste, was sie im Leben erwartete. Sie schenkte Marei ein Lächeln, als diese sich dann zu ihr und Narcissa setzte. „Du wirst keinen Ärger bekommen“, versicherte sie ihr dann auch. „Du hast nur das getan, was ich dir gesagt habe und das ist auch richtig so! Wenn jemand Ärger bekommt, dann die Anderen, weil sie dir nicht geholfen haben, obwohl sie gesehen haben, dass du es allein nicht schaffst!“ sie sprach laut genug, dass die restlichen Sklaven sie im raum hörten. Anscheinend hatte sie sich gerade ein wenig unbeliebt gemacht. Lysandra hingegen war unentschlossen, sie wollte ihre Herrinnen nicht allein mit einem fremden Mann lassen, aber auf der anderen Seite gab es ja genug beobachtende Augen. Kurzerhand zuckte sie nur mit den Schultern und tat was ihr befohlen wurde.
    Flora lächelte, als Marei meinte, sie seien nett.

    Eigentlich tat es ihr ja Leid, dass sie Lysandra ausversehen verletzt hatte, aber warum glaubte diese auch immer, dass sie nur Dummheiten im Kopf hatte. Und irgendwie hatte Lysandra ja mal wieder recht bekommen, in dem sie sich verletzte, weil sie versuchte gegen den Dickkopf von Flora anzukommen. Es war nicht das erste Mal und würde auch nicht das letzet Mal sein. Meist war es immer die selbe Situation, Lysandra glaubte Flora beschützen zu müssen, diese wusste aber was sie tat und am Ende war es dann die Sklavin, die sich verletzte, weil diese nicht nachgeben wollte und Flora es nicht einsah wieder einmal in Watte gepackt zu werden. „Zeig mal!“ sagte sie diesmal sanfter. Sie wusste dass die Sklavin nicht wirklich Blut sehen konnte. „Das kommt davon, dass du mir ständig alles aus der Hand nehmen willst!“ sagte sie, diesmal ohne Vorwurf. Kurzerhand hielt sie die blutende Hand über die Waschschüssel und leerte dann darüber das Wasser aus der Kanne um die Wunde auszuspülen. „Ist gar nicht schlimm!“ bekundete sie dann. Das Messer war vergessen und lag auf dem Boden. Laysandra wurde noch eine spur blasser, als sich Flora schon fast fasziniert über den Schnitt beugte. „Drück das drauf!“, wies Flora sie dann an und drückte ihr ein Handtuch auf die Hand. „Cimon, du kannst ja bitte was zu trinken und einen Verband holen!“ wies sie dann den Nubier an und hob nur den kopf um ihm zuzulächeln.

    Zuerst wollte es ihr gar nicht gelingen, dass sie sich auf die Schrift konzentrieren konnte. Ihre Gedanken wollten ihr gar keine Ruhe lassen, sondern wollten immer in Richtung Garten abdriften. Sie musste sich regelrecht zwingen, ein Wort immer wieder zu lesen, in der Hoffnung, dass sie dann endlich einmal sich in den Text vertiefen konnte. Eine ganze Weile kämpfte sie ihre Gedanken und Gefühle nieder, ehe es ihr dann irgendwann gelang den ersten Satz zu lesen und danach ging es dann irgendwie einfacher. Sie huschte von Wort zu Wort und bald befand sie sich mitten in den spannenden Abenteuern von Zwillingen die nicht verschiedener hätten sein können. Auf diese weise war es erst einmal leicht, alle Gedanken und Gefühle zu verdrängen, weg zu sperren, doch lang hielt dieser Zustand nicht an, denn Lysandra stand unvermittelt in ihrem Zimmer. Etwas verwundert blinzelte. Wieder einmal konnte sie ihre Schwester verstehen, wenn diese alle um sich herum vergaß, wenn sie ihre Nase in ein Buch steckte. Hatte die Sklavin gar nicht angeklopft?
    „Was?“ fragte sie verwirrt, weil sie ihr gar nicht zugehört hatte. Erst als sie das Tablett betrachtete dämmerte ihr was die Sklavin von ihr wollte. „Später!“ sagte sie dann recht kurz angebunden, in der Hoffnung Lysandra würde sie gleich wieder allein lassen. Mit den Augen suchte sie die Zeile, wo sie unterbrochen worden war. Spätestens jetzt würde die Sklavin merken, dass ihre Laune nicht die Beste war.

    „Wie gut das ich kein Soldat bin“, witzelte sie. Nach Germanien würde es sie jedenfalls nicht so schnell verschlagen, nahm sie sich vor. Da blieb sie doch lieber im warmen Italia. Auch wenn die Aussicht auf eine Schneeballschlacht sicher lustig waren. Auch Cimon war nicht allzu begeistern von Schnee und Kälte.


    „Frühstück klingt gut!“ stimmte sie Titus dann zu. Sie hatte sich wirklich lang genug im Stall herum getrieben. „Narcissa ist sicherlich auch schon wach!“ Meistens gab die Zwillinge eben doch nur im Doppelpack.



    Sim-Off:

    Nicht schlimm

    Floras Lächeln konnte man schon fast als hinterhältig und frech auslegen. Allein weil Titus sie so neckte, war es noch verlockender ihm tatsächlich einen harmlosen Streich zu spielen. Schelmisch erwiderte sie seinen Blick. „Och, überleben wirst du es sicherlich… aber für den Rest gebe ich keine Garantie!“ witzelte sie. Das Thema Theater brachte sie dann aber auf andere Gedanken. „Gute Idee, da wollten wir sowieso hin!“ stimmte sie ihm begeistert zu.


    Beim Thema Lehrer hingegen zog sie eine kleine Grimasse, eigentlich hatte sie genug von denen und sie hatte einfach nicht die Begabung für Griechisch. Narcissa war ja auch an ihr verzweifelt. „Lieber nicht“, meinte sie recht schnell. „Die Grundlagen beherrsche ich ja, nur die Feinheiten kann ich mir nicht einprägen. Narcissa hat es ja auch bei mir versucht“, gab sie zu. „Außerdem hat Mutter unser halbes leben lang dafür gesorgt, dass wir die besten Lehrer bekommen haben!“ fügte sie dann noch hinzu. Sie wollte nicht den lieben langen Tag damit verbringen, still zu sitzen, das war einfach nicht ihre Art. Wobei sie aber hellhörig wurde, als er vorschlug, dass Cimon es ja einmal mit ihr versuchen könnte. Kurz wägte sie Für und Wieder ab. Zu ihrer Verwunderung stellte sie fest, dass ihr eigentlich jede Ausrede recht war um Cimon irgendwie nahe zu sein… noch konnte sie ja nicht wissen, welche Ereignisse da noch kommen würden. Von daher zuckte sie eher scheinbar nachgebend mit den Schultern. „Er kann es ja mal mit mir versuchen. Aber versprechen kann ich nichts!“


    „Du bekommst mein Urteil, sobald ich durch bin!“ versprach sie ihm und nahm das Kästchen in die Hände. Hinter der unscheinbaren Verkleidung schien wohl ein großes Abenteuer sich zu verstecken.

    Der Claudier ließ sich nicht abwimmeln, stattdessen versuchte er nur noch hartnäckiger die Zwillinge davon zu überzeugen, sich ihm und seinen angetrunkenen Freunden anzuschließen. Irgendwie war es schon verlockend an so einem kleinen Fest teil zu nehmen, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass es hier nicht wirklich um ihre Gesellschaft ging, sondern dass man womöglich noch einige andere Erwartungen an sie hatte. Unsicher drückte sie Narcissas Hand und schüttelte dann vehement den Kopf. „Wir können nicht“ sagte sie diesmal mit wesentlich mehr Nachdruck. Das sie wie ihre Mutter dabei klang, bekam sie nicht mit. Aber sie hatte ebenfalls immer diesen Ton der Ablehnung perfekt beherrschte. Eine spur von Arroganz hatte sich ebenfalls in ihre Stimme geschlichen. Er vermittelte so viel wie, dass es keine Möglichkeit gab sie vom Gegenteil zu überzeugen.
    „Vielen Dank für die Einladung, aber Nein Danke!“ fügte sie ihren Worten dann noch hinzu. „Und nun müsst ihr uns leider entschuldigen. Wir werden zu Hause erwartet. Valete, meine Herren. Man sieht sich sicher bald wieder!“ erklärte sie und beendete den Einkaufsbummel in dem sie Zielstrebig den Weg zur Villa Aurelia einschlug. Narcissa hatte sie immer noch an der Hand und die beiden Custodes folgten ihnen mit einem leisen zufriedenen Grinsen auf den Zügen.
    „Wir werden mal Manius nach diesem Claudier fragen!“ flüsterte sie ihrer Schwester leise zu.

    Lysandra war so etwas wie eine große Schwester, hin und wieder aber auch eine Glucke, die ständig befürchtete, dass die Zwillinge ohne sie im völligen Chaos versinken würden. Dabei waren sie eigentlich gar nicht mal so schlimm, nur hin und wieder eben Träumer und ein wenig übermütig. Frech streckte sie ihm die Zunge raus, als er meinte sie haben die Bezeichnung Kobolde voll und ganz verdient. „Pass auf dass ich dir nicht einen Streich spiele“, drohte sie ihm scherzend und dachte tatsächlich kurz darüber nach, ob sie ihm wirklich einen Streich spielen sollte. Aber sie ließ es dann, sie war ja nicht in Terentum.


    Leicht zuckte sie mit den Schultern, sie konnte nicht sagen, warum sie Herakles nicht mochte, aber sie mochte seine Geschichten irgendwie nicht. Während Narcissa total begeistert war und eine ziemlich abgeliebte eigene Abschrift besaß. „Mein Griechisch ist nicht so gut. Narcissa ist darin besser“, meinte sie dann. Narcissa war schon immer fleißiger und aufmerksamer gewesen, in der Schule und bei ihren privaten Lehrern. Sie war eben ein Wildfang und meist lieber draußen, als irgendeinem alten Mann zuzuhören. Ihrer Mutter waren ja keine jungen Männer ins haus gekommen, aus Furcht, dass dieser dann ihre Töchter verführen könnte. Titus erzählte von dem Buch und ihre Augen blitzen neugierig auf. Das klang tatsächlich vielversprechend und spannend. Sie musste sich zurück halten, denn ansonsten hätte sie ihm das Kästchen mit den Schriftrollen glatt aus den Händen gerissen. „Ich werde es lesen und dir dann meine Meinung dazu mitteilen“, meinte sie stattdessen.

    Mit Tränen nassem Gesicht warf sie sich auf ihr Bett, versteckte den kopf unter einem Kissen und schluchzte haltlos. Verdammt. Verdammt. Verdammt. Ich hätte das nicht zu lassen dürfen. Das war so Dumm! Nicht nur Dumm, es war… Wenn sie eines konnte dann sich selbst Vorwürfe machen. Sich selbst für ihre Dummheit bestrafen. So war es schon immer gewesen, wenn sie etwas angestellt hatte und sich der Konsequenzen bewusst wurde, konnte sie sich anschließend wunderbar selbst vorwerfen, wie Dumm sie doch war. Wobei ihr dabei immer die Stimme ihrer Mutter in Ohren klang: streng und vorwurfsvoll. So wie es nur Mütter konnten. Sie brauchte nicht ihre Mutter oder Narcissa, die sie darauf hinwiesen, dass sie einen Fehler begangen hatte, nein, meist wusste sie es selbst und diesmal hatte sie sich eine riesen Dummheit geleistet. Sie hatte nicht nur gegen kleine Regeln verstoßen aus Trotz, nein, sie hätte beinahe die Familie verraten, ihre Mutter, ihrer Erziehung und alles andere was man ihr eigentlich ihr ganzes Leben vorgepredigt hatte. Und weshalb? Weil sie sich wie ein dummes kleines naives Kind benahm. Weil sie die Grenzen nicht wahren konnte und eine verdammte Träumerin war. Wo war ihr Sinn für Realismus geblieben? Sie hatte Verpflichtungen gegenüber der Familie. Wusste doch eigentlich was man von ihr erwartete und das alles warf sie weg, weil sie sich wie ein liebestolles Ding aufführte. Aus lauter Frust, Verzweiflung und Wut, trommelte sie mit den Fäusten auf dem Bett herum und erstickte einen Schrei im Kissen. Danach blieb sie völlig reglos liegen, den Kopf noch immer unter dem Kissen. Nur die Tränen konnte sie nicht aufhalten…
    So blieb sie erst einmal liegen, reglos und den Kopf voller Vorwürfe, während in ihrem Körper die Gefühlte tobten. Sie versuchte sich zu beruhigen. Zumindest hatte sie ein wenig Glück, wenn man denn es so bezeichnen wollte. Lysandra war anscheinend viel beschäftigt und platze nicht einfach so in ihr Zimmer und auch Narcissa schien nichts von ihrem kleinen Tobsuchtsanfall mitbekommen zu haben. Was die Vermutung nahe legte, dass ihr Zwilling sich wohl in der Bibliothek vergraben hatte. So konnte sie in aller Ruhe wieder zu Verstand zu kommen und die Signale die ihr Körper ausgesendet hatte zu unterdrücken. Sie würde etwas ändern müssen. Sie durfte es nicht mehr zulassen, dass sie allein mit Cimon war. Sie durfte es nicht zulassen, dass sie ihn so nah an sich heran ließ. Er ist ein Sklave! Er ist ein Sklave! Er ist ein Sklave!, betete sie sich immer und immer wieder vor. Irgendwann würde sie es schon verstanden haben…
    Nach nicht einmal einer Stunde war sie damit fertig sich seelisch zu zerfleischen. Noch einen Moment blieb sie in ihrem Bett liegen, ehe sie sich entschlossen hochstemmte und einen Blick in den Spiegel riskierte. Sie war blass, wirkte angespannt und sie sah verheult aus. Am besten sie ließ die Spuren ihres Kummers schnell verschwinden, nicht das Fragen gestellt wurden, auf die sie selbst keine Antwort hatte. In ihrem Zimmer stand immer eine Waschschüssel und daneben der Krug mit Wasser. Kurzerhand kippte sie den Inhalt in die Schüssel und ruppelte sich dann mit dem kalten Wasser das Gesicht ab. Die Tränen verschwanden und recht schnell hatte sie sich selbst wieder hergerichtet. Die Kohle um ihre Augen herum nachgezogen und mit etwas Rouge verschleiert, dass sie nach wie vor, etwas zu blass war und diese Blässe nicht nur die neueste Mode war. Als sie wieder in den Spiegel sah, sah sie wieder normal aus. Nur Narcissa würde wohl merken das, etwas nicht stimmte. Aber im Augenblick war ihre Schwester nicht da und sie brauchte nicht nach Ausreden suchen. Stattdessen schnappte sie sich eine Schriftrolle, die auf ihrem Tisch lag. Titus hatte ihr die Geschichte über Zwillinge gegeben. Ablenkung war jetzt das was sie brauchte. Sie setzte sich auf die Bank am Fenster, zog die Beine an ihren Körper und versuchte ihre Gedanken in andere Bahnen zu zwingen…

    Je mehr zeit er ihr zum nachdenken ließ, desto mehr drängte sich die kleine penetrante Stimme in den Vordergrund. Stopp! Lass das! Und du solltest das ganze JETZT beenden! erklang in ihrem Kopf, machte sie darauf aufmerksam, dass es nicht nur eine ziemlich dumme Idee war, sondern auch gegen alles was ihre Mutter versucht hatte ihr beizubringen und vor allem ihr zu erklären, dass es Dinge gab, die man nicht tat, schon gar nicht mit einem Sklaven. Schon jetzt hatte sie ihn viel zu nahe an sich heran gelassen. Trotz der lästigen Gedanken, schmiegte sie sich nur noch ein wenig mehr an ihn. Doch ehe sie sich die Konsequenzen ausmalen konnte, wurde die kleine Stimme wieder einfach zum Schweigen gebracht. Denn wieder küsste er sie und ließ sie alle störenden Gedanken im Mahlstrom der Gefühle verschwinden. Er weckte Sehnsucht, Verlangen und Begierde in ihr. Sie hätte sich niemals vorgestellt, dass sie etwas so sehr wollte. Das sie ihn so sehr wollte. Immer wieder lösten sie sich für weniger als einen Herzschlag von einander, nur um dann die Lippen wieder aufeinander zu pressen. Irgendwo zwischen den Küssen fragte er wo sie hin sollten. Aber auch diese Fragewurde ebenso schell vom Strudel fortgerissen, wie alle anderen Gedanken auch. Wieder löste er sich von ihr, ließ ihr wieder Zeit sich zu sammeln. Leicht atemlos legte sie den Kopf gegen seine Brust, ließ sich festhalten, während sie kurz die Augen schloss. Was tu ich denn hier? fragte sie sich nun selbst. Ich muss das unterb…, weiter kam sie nicht, denn es folgte ein weiterer Kuss. Heftiger diesmal, leidenschaftlicher, verlangender. Sie keuchte auf, als sie seinen Atem dann an ihrem Hals spürte, seine Hände auf ihrem Körper und seine Lippen auf ihrer Haut. Leicht bebte sie, schauderte unter jeder Berührung und wollte mehr. Wie durch einen dichten Nebel drang dann ein Wort zu ihr durch: Verboten! Hartnäckig klang ihr dieses Wort im Ohr und ließ sie erschrocken inne halten. Mit einem Mal wurde ihr schlagartig bewusst was sie hier tat, mit wem sie es tat und was sie eigentlich wollte…


    „Nein!“ sagte sie, diesmal klang sie entschlossener. Das Herz schlug wild in ihrer Brust, ihr Körper wollte nach wie vor, mehr, aber ihr Verstand hatte sich mit einem Paukenschlag zurück gemeldet. Sie war selbst über ihre eigene Forschheit entsetzt. „Wir dürfen das nicht“, sagte sie, wobei ihre Stimme eine leicht schrille Färbung bekam. Sie wollte vor ihm fliehen, war aber noch gefangen von seinen Armen, seinem Körper und der Mauer in ihrem Rücken. Flora befreite sich von ihm, ging auf Abstand, weil sie sich selbst nicht mehr vertraute. Sie hätte es niemals soweit kommen lassen dürfen. Niemals! Und doch hatte sie es gewollt, wollte es immer noch. „Das geht nicht! Das ist…“, sie brachte noch einen Schritt abstand zwischen ihn und sich. „..verboten!“ fügte sie hinzu. Diese verdammten Regeln, diese verdammten Erwartungen, alles wurde ihr wieder bewusst. Sie war eine Aurelia, sie hatte ihre Pflicht gegenüber der Familie und das durfte sie nicht wegen einer Liebelei, wegen einer verdammt dummen Liebelei, wegwerfen. Die Schuld lag bei ihr, weil sie nicht die Grenzen gewahrt hatte, weil sie Cimon mochte. Das hätte nicht geschehen dürfen. „Kein Wort zu irgend jemanden“, befahl sie ziemlich kühl. Aus Selbstschutz, weil sie befürchtete, dass sie sich wieder jeden Augenblick in seinen Armen wieder finden würde und wieder alles vergessen würde. Einfach nur aus dem Grund, weil sie es wollte. Mehr als alles andere. „Ich hätte das nicht zu lassen dürfen“, sie war leiser geworden, sagte es mehr zu sich selbst. Sie war den Tränen nahe. Doch diesmal würde sie sich nicht trösten lassen. Sie musste weg. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sie sich um und floh aus dem garten, floh vor ihren Gefühlen und den unausgesprochen Dingen und vor allem floh sie vor Cimon.

    Lysandra hatte das Gefühl, dass der Flavier nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Aber ihr stand ja kein urteil zu, zumindest nicht solange der Mann anwesend war. Später würde sie einmal die anderen Sklaven des Hauses fragen ob sie von diesem Flavius Piso bereits gehört hatten. Jetzt aber galt es erst einmal die Zwillinge nach hause zu bringen. Vermutlich wieder einmal über Umwege. Das der Mann sie nicht für hübsch hielt, war ihr herzlich egal. Solange sie hin und wieder jemanden fand mit dem sie sich vergnügen konnte, spielte es keine Rolle was ein Flavier oder anderer römischer Bürger von ihr dachte. Schweigend blieb sie neben ihren Herrinnen stehen, als diese sich artig vorstellte.


    Flora bemerkte die Blicke mit denen der Flavier sie musterte. Wie so häufig wurden sie erst einmal miteinander verglichen. Man suchte nach äußerlichen Merkmalen um sie zu unterscheiden, aber diese gab es nicht, oder waren aber so klein und versteckt, dass sie einer kurzen Musterung nicht auffielen. Schließlich wurden seine Blicke verstohlener, auch wenn er nach wie vor zwischen ihnen hin und her sah. Sogleich plauderte er dann auch drauflos. „Rom ist doch recht verwirrend mit seinen vielen Straßen und Gassen und Plätzen“, erwiderte sie lächelnd. Leicht hob sie die Brauen an, als er sich beinahe verplapperte. Sie war sich ziemlich sicher das er hatte Blümchen sagen wollen. Ein Kosename der sich schneller durchgesetzt hatte, wie es ihr Lieb war und anscheinend bereits die Mauern der Villa verlassen hatte. „Wer hat dir denn von uns erzählt?“ fragte sie dann kurzerhand nach. Sie wollte wissen wer sich denn da verplappert hatte. „Ja, zum Forum!“ stimmte sie ihm zu und kam nun endlich auf die Beine. Bisher hatte sie noch auf dem Brunnenrand gesessen.

    Lysandra war empört. Sie konnte es nicht fassen, woher wussten die Mädchen –in ihren Augen würden Flroa und Narcissa wohl niemals erwachsen werden- was Styrax war und wo man es her bekam. Sie war nicht nur empört, sie war regelrecht entsetzt. „Schwarzmarkt?“ wiederholte sie ungläubig. Wer hatte den Mädchen bitte so etwas erzählt? Am ende kamen sie auch noch auf die Idee sich auch einmal an dem zeug zu versuchen.
    „Man schnappt ne Menge auf“, meinte Flora mit einem zwinkern in Richtung ihrer Schwester und einem leicht gehässigen Unterton gegenüber Lysandra. Die Sklavin hatte ihren Blick wieder auf die jüngere der Schwestern gerichtet. Diese war der Wildfang, diejenige die meistens die dummen Ideen hatte und ein Messer in deren Händen war eine potentielle Gefahr für alle. Flora hingegen war eigentlich nur neugierig, sie stellte sich immer noch die Frage wie das Messer denn ausgerechnet unter ihren Schrank gekommen war. Während Lysandra nun einen weiteren versuch startete das Messer Flora zu entwinden, mischte sich auch noch Narcissa wieder ein. Lysandra wollte die kühlen Ermahnungen nicht hören –sie war schließlich immer noch älter wie die Blümchen. Doch es stellte sich mal wieder heraus, dass die Kombination aus Hartnäckigkeit und einer angesäuerten Flora nicht die Beste war. Flora sah nicht ein, wie ein kleines Kind behandelt zu werden und wollte es nicht zulassen, dass die Sklavin ihr das Messer aus den Händen nahm. Als ob sie nicht aufpassen würde. In diesem kleinen Gerangel zwischen Herrin und Sklavin, kam es wie es kommen musste, die leid tragende war mal wieder die übervorsichtige Lysandra. Diese zuckte erschrocken zusammen, als die Klinge ihr die Haut an der Hand durchschnitt und einen blutigen Kratzer hinterließ.
    Flora sah sie ziemlich erschrocken an, aber nicht lang, denn fast umgehend meldete sich ihr Trotz. „Das ist alles deine Schuld“, sagte sie und schüttelte den Kopf. Das Messer landete auf den Boden. „Du hättest es mir nicht weg nehmen sollen!“ Dennoch betrachtete sie den Schnitt an der Hand. „Ist glaub ich nicht schlimm!“ fügte sie versöhnlicher hinzu.

    Es war wie ein Rausch, ein Strudel des Verlangens, der jedwede Bedenken fortspülte und ertränkte. Aus dem leichten Prickeln war ein stetiges Feuer geworden, alles verzehrend, hoch lodernd und schien tief in ihr seinen Ursprung zu haben. Seine forschen Berührungen, die zarten Liebkosungen jagten ihr Schauer über den Rücken, weckten eine Begierde in ihr, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie so empfinden konnte. Ihr Körper wusste durch alte Instinkte, was er wollte, denn ihr Kopf war herrlich leer. Sie schmiegte sich an ihn, wollte ihm nahe seine, ihn spüren und erforschen. Ihre Hände schienen wie von ihrem Körper getrennt. Eine Hand lag in seinem Nacken, wo sie mit ihren Fingerspitzen unter sein Halstuch die warme Haut streichelte. Die andere strich über seine Brust und seine Schulter.


    Sie keuchte auf, als seine Hände sie erforschten, über ihren Körper strichen und ihre Rundungen umfassten. Immer wieder lösten sich seine Lippen kurz von ihr. Nur um ihren Hals zu küssen. Schauer jagten über ihren Körper. Erlöste immer wieder eine kurze Gänsehaut auf. Es war so wunderbar und sie wollte mehr. In dem Taumel ihrer Gefühle merkte sie kaum, dass sie plötzlich mit dem Rücken gegen die Mauer stieß. Sie merkte nur, dass sie plötzlich ihm nicht mehr entkommen konnte. Etwas das sie auch nicht mehr wollte. Gefangen von seinen Armen der Mauer und der wilden Leidenschaft drückte sie sich ganz leicht gegen ihn. Ihr Becken stieß gegen ihn, drückte das Verlangen aus, dass sie verspürte. Ein kehliger Laut des Wohlgefühles entfloh ihren Lippen, als er mit seinen Händen tiefer wanderte und mit seinen Lippen jeden Zentimeter Haut erkundete, der nicht von störendem Stoff umschlossen war.


    Schon fast plötzlich, so kam es ihr jedenfalls vor, löste er sich von ihr, hielt inne, sah ihr fragend in die Augen. Sie konnte sich von seinen Augen gar nicht lösen, dennoch merkte sie wie ihr Verstand sich meldete. Auch wenn dieser immer noch umnebelt war, warnte er sie doch davor, dass dies nicht der richtige Ort war. Hier konnten sie zu schnell gesehen werden. „Nicht....“, sagte sie leise. Das sie ihre Worte womöglich gewählt hatte, wurde ihr an seinem Blick bewusst, der sich kurz verdunkelte. „Nicht hier...“, fügte sie hastig hinzu, die Stimme belegt und voller Sehnsucht. Doch wo sollten sie hin? Sie konnte immer noch keine klaren Gedanken fassen, denn ihr Körper gab eindeutige Zeichen von sich, wollte sich nicht mit diesem bisschen zufrieden geben. Sie wollte mehr. Leicht bebte ihr Körper, verzehrte sich nach seinen Berühungen.

    Warum nur musste das Leben so kompliziert sein, voller Hindernisse, voller Schranken, voller Fehler die ein junger Mensch tun konnte. So viele Erwartungen hatte man von ihr und nahm ihr im Grunde die Entscheidung ab, über sich selbst zu bestimmen. Allein die Erwartungen ihrer Mutter konnte sie schon nicht erfüllen. Sie war zu ungestüm, zu Leidenschaftlich. Zurückhaltung würde ihr besser stehen. Da hatte sie sich immer ein Beispiel an Narcissa nehmen sollen. Einen einflussreichen Mann sollte sie heiraten zum Wohle der Familie. Viele Kinder zur Welt bringen und eine tugendhafte vorbildliche Römerin sein. So wie ihre Mutter eine wahr. Einmal davon abgesehen, dass diese eigentlich auch ihre Fehler hatte, ansonsten hätte sich Manius nicht so von ihr entfremdet. Und dennoch gab es Erwartungen vor denen sie nicht einfach weg rennen konnte. Ihr ganzes Leben war davon geprägt worden. Mehr oder weniger schlagartig war ihr bewusst geworden, in welchem Käfig sie lebte. Das ihr die Freiheit fehlte ihr Leben so zu gestalten wie sie es wollte. Aber wenn sie ehrlich war, sie brachte auch nicht den Mut auf, auszubrechen. Sie war an dieses Leben gewöhnt, wo ihr alles in den Schoß fiel und sie nichts weiter tun musste, als artig zu sein.
    Dies und die Tatsache, dass sie soeben eine ziemliche Dummheit begangen hatte, sorgten dafür, dass für einen Moment glaubte am Kummer zu ersticken. Es war eine Mischung aus Verzweiflung, Erkenntnis und auch eine ordentliche Portion schlechtem Gewissen. Sie hatte das nicht tun dürfen. Aber gleichzeitig wollte sie es. Noch nie hatte sie sich in einem solchen Gewissenskonflikt befunden. So stand sie da, halb gefangen in Cimons Armen. Unschlüssig was sie nun tun sollte. Doch diesmal nahm er ihr die Entscheidung ab. Ganz sanft hob er ihr Kinn an, brachte sie dazu, ihm wieder in die Augen zu sehen. Es war so verkehrt, was sie hier taten. Es war ihre Aufgabe, das zu unterbinden, aber sie konnte und wollte auch nicht. Worte waren überflüssig, fast erwartete sie, dass er sich nun von ihr löste. Sagte, dass es falsch war und dann einfach ging. Sie allein ließ in ihrem Chaos der Gefühle. Doch er tat nichts dergleichen, er zog sie wieder ein wenig zu sich heran, küsste die Tränen zärtlich fort. Wieder wurde der Verstand von einer Woge Verlangen fortgespült. Diesmal war es heftiger und die Begierde regte sich wie ein Raubtier in ihrer Brust, schnurrte sehnsüchtig auf, als seine Lippen sich erneut auf ihre senkten. Schon fast ungestüm küsste er sie, forsch, verlangend, leidenschaftlich. Ihre Hände ruhten auf seiner Brust, krallten sich ein wenig in seine Tunika, so als versuchte sie dagegen anzukämpfen es zu unterdrücken, doch sie wollte es. Mehr denn je. Nur kurz keuchte sie auf, ehe ihre Lippen wieder zueinander fanden. Stärker zog er sie an sich heran, hielt sie fest und lockte ihre Zunge zu einem kleinen Spiel. Seine Hände erforschten ihren Körper, reizten sie, versprachen mehr. Doch ein wenig fürchtete sie sich vor diesem mehr.

    Manchmal hatten die Zwillinge eindeutig zu viel Fantasie. Denselben Gedanken den ihre Schwester hegte, hatte auch sie. War es eine Mordwaffe? Was machte sie in ihrem Zimmer? Wer hatte sie hier versteckt? Fragen über Fragen und ihre Neugierde war geweckt. Sie sah in dem Ganzen ein riesiges Abenteuer. Wann fand man denn schon einen Messer unterm Schrank? Was eigentlich nur ein weiteres Indiz dafür war, wie schlampig die Sklaven waren, wären sie gründlicher gewesen, hätten sie sicher schon den beute gefunden. Es war unwahrscheinlich dass ausgerechnet Flora und Narcissa mit Messern herum spielten. Beim Vorwurfsvollen Ton Lysandras zuckte sie Schuldbewusst zusammen. Mehr ein Reflex, denn sie hatte dieses Messer nicht hier versteckt. „Das ist nicht meins!“ sagte sie und klang wie ein quänliges Kind. „Du müsstest es doch besser wissen, dass ich so etwas nicht besitze!“ fügte sie dann leicht gereizt hinzu. Nur weil sie der Wildfang war, hieß das noch lange nicht, dass sie nur Unfug im Kopf hatte. Schnell vergaß sie ihren Unmut, als Narcissa ihr den anderen Beutel unter die Nase hielt. Kurz schnupperte sie. „Das ist Styrax!“ meinte sie verwundert. „Woher weißt du wie Styrax riecht?“ verlangte die Sklaven empört zu wissen. „Im Tempel verwenden sie nicht nur Weihrauch sondern hin und wieder auch Styrax!“ erklärte sie der Sklavin genervt, als ob sie mit dem zeug herum experimentieren würde. Auch wenn sie wusste, wozu das Zeug sonst noch verwendet wurde, als Rauschmittel.


    Ein wenig erschrocken zuckte sie zusammen, als Cimon sich dann aus dem Hintergrund zu Wort meldete. Seit wann war er denn im Zimmer? Sie hatte ihn gar nicht gehört. Naja, sie war auch abgelenkt gewesen. „Du hast es gefunden?“ fragte sie und klang wesentlich begeisterter wie Narcissa. „Wunderbar! Vielen Dank!“ lächelte sie ihm zu. Zu Narcissa sagte sie: „In diesem Haus geht nicht verloren. Man muss nur gründlich suchen!“ Ihre Gedanken drehten sich aber immer noch um das Messer. Sie hatte es ihrer Schwester abgenommen, als diese aufgesprungen war. „Domina, ein Messer ist kein Spielzeug!“ erklärte ihr Lysandra und versuchte es ihr abzunehmen. „Ich bin kein Kind mehr!“ fauchte sie die Sklavin an. Warum musste die Sklavin immer in Watte packen und glaubte dass sie unvorsichtig war und sich verletzte, wo doch offensichtlich war es ein Messer war, was sie in der Hand hielt. „Wir sollten unseren Fund jemand zeigen!“ schlug sie dann vor. Frage war nur wem? Titus oder Marcus oder allein Beiden?

    Flora hatte nicht herrisch wirken wollen, aber als Paullus erwähnte, er wolle Marei helfen, hatte sie eingegriffen. Es widersprach gegen ihre ganze Erziehung und die Höflichkeit, wenn sie zuließ das ein Gast im Haushalt half. Das war die Aufgabe der Sklaven. Um ihre etwas scharfen Worte wieder gut zu machen, lächelte sie Marei zu. „Du solltest die schweren Truhen nicht allein einräumen. Es wäre nicht schön, wenn du dich verletzt!“ sie rückte ein Stück beiseite und machte Marei Platz auf der Bank. Etwas verwundert folgte sie dann der Unterhaltung zwischen Marcus und dem Mädchen. Sie wusste nicht ob sie lachen sollte, als Marei völlig ernst fragte ob der Germanicus ihr Vater war. Irgendwie war es ja niedlich, aber eigentlich sollte das Mädchen doch wissen, dass sie Sklavin war und der junge Mann unmöglich ihr Vater sein konnte. Als er dann aber erwähnte er würde sie adoptieren wollen, hob sie leicht eine Augenbraue an. Mit so einem wichtigen Thema machte man keine Scherze. Schon gar nicht wenn es um das Leben eines Kindes ging. „Dein Angebot ehrt dich!“ erklärte sie dann sanft und sah Marei freundlich an. „Aber ich glaub kaum, dass es möglich ist!“ fügte sie hinzu. Sie wollte nicht falsche Hoffnungen wecken. „Du willst doch nicht weg von uns, oder? Hast du es denn nicht gut bei uns?“ fragte sie dann Marei. „Du kannst es mir sagen, wenn jemand dich ärgert!“ fügte sie hinzu. Gar nicht so einfach das Gespräch.

    Sie schwebte wie auf Wolken, seine Lippen waren weich und warm. Als er seine Hände auf ihren Rücken legte, folgte sie dieser Berührung und schmiegte sich vertrauensvoll und sehnsüchtig an ihn. Ihre Lippen spielten mit seinen, verlockend, spielerisch und auch voller Verheißung. Ihre Gefühle tanzten gerade wild herum. Ein ganzer Schwarm Schmetterlinge schien in ihrem Bauch lebendig geworden zu sein und lösten ein angenehmes Prickeln in ihrem Körper aus. Ihre Hand strich sacht über seinen Wange und wanderte dann zart seinen Hals hinab. Unter ihren Finger konnte sie seinen aufgeregten Puls spüren. Ihm ging es wohl wie ihr. Sie hatte auf diesen Moment gewartet, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst gewesen war. Die ganze Zeit hatte sie nur an ihn gedacht und genau das gewollt: Mit ihm allein zu sein und ihn zu küssen. Auch wenn darunter ein gefährliches Raubtier lauerte: die Begierde. Doch im Augenblick war es das auf blühen der zarten Knospen der ersten Liebe, der sie nachgegeben hatte. Es war diese Sehnsucht gewesen, von der sie geträumt hatte.
    Die Augen hatte sie geschlossen, irgendwo zwischen ihrem Schritt auf ihn zu und der Berührung seiner Lippen. Die Welt hätte nun in einem Inferno untergehen können, sie hätte es nicht gemerkt. Sie lebte nur für diesen einzigen Augenblick, für diese Moment, den sie auskosten wollte. Würde er doch nur nie zu Ende gehen. Denn auf diesen Augenblick lauerte ihr Verstand, der im Augenblick eingesperrt war. Doch das war vergessen. Sie schmeckte diesen Kuss, süßer wie Honig. Nur ganz kurz lösten sie sich von einander, nur um wieder aufeinander zu treffen. Sie konnten sich kaum von einander lösen. Ihre Hände strichen über seine Brust.
    Schließlich löste sich Cimon von ihr, ging ein wenig auf Abstand und sah sie ihn. Sie könnte in seinen Augen versinken, alles vergessen, wenn sie ihn ansah. Diese grauen Augen waren wie das Meer, das war ihr schon einmal aufgefallen.


    Die Realität brach über sie hinein. Betrübt senkte sie den Blick, noch immer war sie in seinen Armen, aber ein wenig war der Moment nun getrübt. Er hatte Recht. Das war Falsch was sie hier taten. Aber sie konnte nicht anders, sie wollte das alles und mehr. Er erinnerte sie daran, dass sie nicht einfach alles vergessen konnte, das man Erwartungen an sie hatte. Doch sie wollte das alles nicht, sie wollte dem goldenen Käfig entfliehen. Was sollte sie machen? Konnte sie nicht einfach ihr Leben genießen.


    „Ich weiß....“, sagte sie tonlos. Sie hatte den Blick gesenkt und biss sich auf die Unterlippe. Plötzlich spürte sie Tränen auf ihrer Wange. Es war so kompliziert.

    Na das konnte ja noch etwas werden. Narcissa würde ihr später den Kopf abreißen, wenn diese heraus fand, dass sie verraten hatte, wie sie hin und wieder von Lysandra genannt wurde. Kurz machte sie sich ernsthaft Sorgen über ihren Ruf innerhalb der Familie, aber eigentlich meinte es ja keiner Böse mit ihnen. Im Gegenteil sie hatte die einzelnen Familienmitglieder genauso schnell um den Finger gewickelt, wie sie es in Terentum getan hatten. Lag wohl an ihrer ungekünstelten Art. „Dann solltest du bei Lysandra anfangen“, witzelte sie, bezweifelte aber dass Titus sich die Sklavin deswegen vornehmen würde. Schließlich war sie eine der wenigen die die Zwillinge durch und durch kannte und auch ohne Probleme auseinander halten konnte. Meistens jedenfalls.


    Titus machte sich einen Spaß daraus, sie auf den Arm zu nehmen. Da konnte sie ja ruhig etwas zurück sticheln. „Kann ja nicht alles so langweilig sein wie du“, sie streckte ihm dann einfach frech die Zunge heraus. Auf den Mund gefallen war sie jedenfalls nicht. Kurz kicherte sie vor sich hin. Nun endlich erhob sie sich aus ihrem gemütlichen Sessel und schaute ihm neugierig über die Schulter, als er nach den passenden Geschichten für sie suchte um ihr Bedürfnis nach Abenteuern zu stillen. „Die Geschichten über Herakles hab ich schon gelesen. Narcissa hat mir das Buch unter die Nase gehalten“, erklärte sie. Wirklich Freude hatte sie daran nicht gehabt, aber ihrer Schwester dann gefallen getan. „Mutter hat dafür gesorgt, dass wir griechisch können. Wir hatten einen griechischen Lehrer“, erzählte sie dann noch. Bei dem nächsten Vorschlag horchte sie auf. Das klang verlockend und viel versprechend. Neugierig betrachtete sie den Titel, stutzte und lachte dann. Na wenn das nicht die richtige Lektüre für sie war. Zwillinge stand auf dem leicht ramponiertem Kästchen.