Beiträge von Aurelia Flora

    Langsam senkte sich die Dämmerung über Rom. Schon bald würde das grelle Licht der Sonne von dem glitzern der Sterne und dem sanften Schein des Mondes abgelöst werden. Kurz legte sie den Kopf in Nacken. Blass waren die ersten fernen Sterne zu erkennen. Zielstrebig ging sie die vertrauten Wege direkt zu den Ställen. Sie wollte Nada noch einmal mit einem Apfel füttern und sie für zu wenig Bewegung entschädigen. Lysandra war sie entkommen, in dem sie diese kurzerhand für heute entlassen hatte und Narcissa saß entweder in ihrem Zimmer oder in der Bibliothek. Seitdem Gespräch mit ihrem Ebenbild war sie wieder ruhiger. Die Dinge hatten sich geordnet, oder zumindest glaubte sie das. In der Tür zu den Ställen blieb dann abrupt stehen. Ihr Blick fiel auf den breiten Rücken von Cimon. Anscheinend hatte er sie nicht gehört, denn sie war selten laut. Da sie wusste das Pferde schreckhafte Geschöpfe waren, bewegte sie sich sowieso fast lautlos.
    Sie lehnte sich an den Tührrahmen und betrachtete den Nubier schweigend. Wieder fiel ihr auf, wie sparsam seine Bewegungen waren. Das Spiel seiner Muskeln zeichnete sich deutlich unter seiner Tunika ab. Strafe Haut über starken Muskeln, eine verborgene Kraft versteckte sich hinter der Sanftmut und der Ruhe die er ausstrahlte. Sie konnte nicht anders, sie musste ihn einfach beobachten…

    Sie musste lachen, als Narcissa sich verstohlen umsah und ihr zuraunte, dass sieihre Prphezeiung nicht so laut aussprechen sollte. „Die Götter wissen doch schon längst von uns, woher haben wir denn sonst unser unfehlbares Gespür für unangenehme Situationen in die wir unwissentlich hinein platzen?“ neckte sie liebevoll. In der Vergangenheit hatte es derer unzählige gegeben.


    Auf ihre Frage hin, brauste die ältere Schwester regelrecht auf. Sie seufzte und biss sich auf die Lippen, sie konnte nur abwarten, bis Narcissa sich wiederberuhigt hatte. Kurz klingelten ihr die Ohren, sie hatte eine Triade ihrer Mutter in den Ohren: Wie soll ich für euch einen passenden Ehemann finden, wenn ihr euch nicht benehmen könnt? Ihr seid Aurelia! Ihr seid Patrizier! Es ist eure Pflicht dass ich euch den Wünschen der Familie beugt. Ihr könnt nicht machen was ihr wollt! Höflichkeit, Bescheidenheit, Sanftheit, Reinheit des Herzens und Friedfertigkeit sind die Tugenden die ich von euch erwarte. Ihr seid keine wilden Barbaren sondern römische Töchter! Wann lernt ihr das endlich? Was habt ihr euch dabei gedacht ihm zu widersprechen? In Anwesenheit eines Mannes habt ihr gefälligst keine eigene Meinung zu haben! Ihre Mutter hatte gezetert und geschrien und sie anschließend für Wochen auf ihre Zimmer verbannt. Sie biss sich auf die Unterlippe, Mit einem Mal schnürte es ihr die Brust zu. So viele Erwartungen hatte man an sie Beide. Sie seufzte und erwiderte die Umarmung ihrer Schwester. Die Flucht aus dem goldenen Käfig war ihnen nie gelungen. Immer würden sie sich dem Willen der Familie beugen. Denn Männern ihres Standes waren weit aus mehr Freiheiten gegönnt. Doch es brachte nichts mit dem Schicksal zu hadern. Sie waren nun einmal das was sie sind.
    „Wir können nicht ändern, als was wir geboren sind. Entweder wir begehren auf und entledigen uns jeglicher Fesseln, oder aber wir fügen uns und versuchen auf unsere Weise mit allem zu arrangieren. Das Leben besteht aus Kompromissen. Ich glaube Arvinia wird uns ein wenig ähneln. Sie ist sich ihrer Pflichten bewusst. Auch wenn es schwer fällt. Wir werden sie sicherlich bald kennen lernen und dann machen wir uns unser eigenes Bild von ihr! Manius wird gut zu ihr sein und wenn nicht, dann sind wir ja noch da“, sagte sie ruhig und versuchte auch ein wenig sich selbst von den eigenen Worten zu überzeugen. „Ich weiß, dass dieser Käfig schon immer da war, ich versuche mich nur selbst zu belügen“, gab sie offen zu. Vor Narcissa hatte sie keine Geheimnisse. Ihr erging es auch oft so. Warum sonst flüchtete sie in die Welt der Bücher?


    Wenn sie so im Nachhinein darüber nachdachte, dann haftete dem Ausflug eine gewisse Komik an. Es konnte ja nur ihr passieren, dass sie mitten im Winter ein unfreiwilliges Bad in einem eiskalten Bach nahm. „Wir waren ausreiten… ich bin ihm erst mal weg geritten, weil ich ganz vergessen hab, dass er ja dabei ist und auf mich aufpassen soll. Bei einer kurzen Rast, wollte ich wissen wie kalt das Wasser ist und dann bin ich ausgerutscht“, ein kleines verlegenes Grinsen zeigte sich auf ihren Zügen. „Damit hab ich dem armen Kerl einen ganz schönen Schrecken eingejagt…“, fügte sie hinzu und erinnerte sich an Cimons besorgten Blick und einer gewissen Angst um sie.

    Titus ging sehr vertraut mit dem Neuankömmling um. Noch ein Familienmitglied? Oder nur ein guter Freund der Familie. So genau konnte sie es nicht beurteilen… und bisher machte er auch keine Anstalten sich vorzustellen. Ihr Blick blieb einen kurzen Moment an Cimon hängen. Er sah gerade in eine anderen Richtung starrte eine Gruppe Jugendliche an, die laut grölend über den Markt zogen. Leicht angetrunken, nach dem ersten Eindruck zu urteilen. Irgendwie erinnerte sie dieser Anblick an den Claudier, welcher sie ganz dreist schon fast überfallen hatte. Ihr Blick glitt weiter und zu ihrer großen Überraschung entdeckte sie dann auch noch Septima. Lächelnd winkte sie ihr zu.
    Leicht erschrocken zuckte sie zusammen, als dann Marcus wie aus dem Boden gewachsen zwischen ihnen auftauchte und sich in das Gespräch mischte, als sei er schon die ganze Zeit dabei. Wo kam der denn so plötzlich her? Sie sah sich um und fand sich von Aureliern und deren Sklaven umgeben. Sogleich stellte er der Sklavin dann auch noch ein paar Fragen und ihr Blick wanderte wieder zu der Bühne. Armes Ding, ging es ihr durch den Kopf, es musste furchtbar sein so den Blicken ausgesetzt zu sein. Nur mit halbem Ohr lauschte sie den Antworten der Sklavin, sie hatte eher mit der Bezichnung Blümchen zu kämpfen, mit der Marcus sie Beide angesprochen hatte. Nun fing das mit den Spitznamen auch schon an. Kurz warf sie Lysandra einen schiefen Blick zu, die se hatte ganz andere Bezeichnungen für ihre Herrinnen: Kobolde! Das war ihre Lieblinsgbezeichnung für sie. Mit Narcissa tauschte sie einen kurzen vielsagenden Blick. Fragend sah sie dann ihre Schwester an, als diese zu einer Frage ansetzte. Ein großes Fragezeichen stand in ihrem Gesicht. Ausnahmsweise konnte sie einmal nicht die Gedanken ihrer Schwester lesen.

    Sie musste schmunzeln. Lange würde es wohl nicht dauern, bis auch Narcissa ihr Talent für peinliche Situationen zeigte und mitten in irgend etwas stolperte, aus dem sie nicht so einfach heraus kam. Das passierte ihnen Beide oft. Irgendwie. Sie kicherte. Der Knoten der Anspannung löste sich in ihrem Inneren und sie fühlte sich wesentlich besser. Diese Gespräche unter Schwestern waren Balsam für ihre Seele und wohl das wichtigste an ihrem Zwillingdasein. Es gab niemanden, der sie besser verstand und mehr mit ihr teilte. Manchen schüttelten über so viel Zuneigung nur verwundert den Kopf, sie wussten nicht, wie es war jemanden zu haben, der alles wusste und alles teilte.
    „Warts ab, lange wird es nicht dauern“, prophezeite sie und lachte. Sie schmiegte sich an Narcissa und genoss deren Nähe und Verständnis. Niemals würde die ältere Schwester sie verurteilen. Sie würde zwar anderer Meinung sein, aber doch immer zu ihr stehen.
    Das Thema Marcus war nun beendet, auch wenn sie ihre Neugierde nicht wirklich verdrängen konnte. Nur würde sie diese nicht zeigen und sich einfach gedulden. Merkwürdig war es auf jeden Fall.


    „Es wäre schön, wenn die Familie wieder etwas zusammen rückt. Fragt sich nur ob Manius auch so begeistert ist von der Idee. Aber eine Gelegenheit wäre es auf jeden Fall“, meinte sie nachdenklich. „Wann er uns Arvinia vorstellt? Was meinst du, wie ist sie?“ fragte sie nachdenklich. „Sie wird sicher nett sein. Hast du gesehen, als er von ihr erzählt hat, sah er glücklich aus. Ich glaub er mag sie sehr!“ äußerte sie ihre Gedanken. Mit Narcissa konnte sie darüber reden. Oftmals hatten sie ähnliche Gedanken, nur einer sprach sie dann zuerst aus. „Manius hab ich in den letzten Tagen nicht gesehen“, sie klang etwas enttäuscht. Sie hatte eigentlich gehofft ihn besser kennen zu lernen. „Sicher ist er beschäftigt!“ meinte sie dann mit einem leichten Schulterzucken. Es brachte nichts, wenn sie sich den Kopf zerbrach Bei Gelegenheit würde sie ihn Fragen.
    „Eigentlich nicht, nur Rom ist anders als erwartet!“ gab sie dann offen auf die Frage Narcissa zu. „Ich fühl mich ehrlich gesagt, ein wenig wie im goldenen Käfig. In Terentum war es doch anders und das merk ich erst jetzt!“


    Angenehmes schweigen hüllte sie ein und weckte das Vertraute zwischen ihnen. Narcissa drängte nicht. Tat sie niemals. So war es immer. Sie sollte von allein reden.
    „Weißt du...“, begann sie ohne wirklich zu wissen was sie sagen wollte. Langsam konnte sie ihre Gedanken und Gefühle sortieren und analysieren. Wieder schwieg sie, nur kurz. „Der Ausflug an sich war ja eine nette Idee nur die Ausführung miserabel. Ich hab ein unfreiwilliges Bad in einem Bach genommen“, erzählte sie. Da waren sie wieder die Situationen in die sie unbeabsichtigt hinein stolperte.

    Ihre anfängliche Begeisterung verschwunden. Eher etwas mitleidig betrachtete sie die arme Sklavin, wie sie da auf der Bühne stand und von allen begafft wurde. Unbehaglich zog sie kurz die Schultern hoch. Das arme Ding, eingeschüchtert, verdreckt und nur dürftig bekleidet stand sie nun hier und musste all dies über sich ergehen lassen. Titus stellte der Sklavin einige Fragen. Kurz spürte sie Cimons Blick auf sich ruhen, doch sie zwang sich nicht nach seinem Blick zu suchen. In diesem Augenblick gesellte sich ein weiterer Mann zu ihnen und sprach den Aurelier vertraut an. Sofort lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Genauestens wurde er gemustert, während sie den Kopf leicht schief legte. Die Züge wirkten vertraute. Leicht stupste sie Narcissa in die Seite. Nun ruhten zwei paar grüner Augen auf Imbrex.

    Schweigend, aber aufmerksam lauschte sie dem Gespräch zwischen ihrer Schwester und Marcus. Es wurde Zeit, dass sie sich nun auch etwas tiefer in den Sumpf der Politik vorwagte. Früher oder später würde sie einen Mann heiraten, der sicherlich großen Einfluss hatte und dann wollte sie nicht da stehen wie ein Dummchen. Auch wnen ihr der Gedanke nicht sonderlich behagte, verheiratet zu werden. Aber sie hatte ja nun einmal eine Verpflichtung gegenüber der Familie. Die Familie hatte Vorrang vor den persönlichen Wünschen. Außerdem war ihr Bruder ja politisch angagiert und da sie ihren Bruder näher kennen lernen wollte, widmete sie sich nun auch den wichtigen Themen. Sie horchte auf, als Marcus mehr am Rande erwähnte, dass der Kaiser nicht in Rom war. Eigenartig, fand sie, überließ es aber Narcissa nach zu Fragen, sie hatte einen etwas besseren Überblick als sie.


    Der Vorschlag in die Thermen zu ging, traf bei beiden Mädchen auf Zustimmung. "Ein Besuch in den Agrippa Thermen klingt verlockend!" stimmte sie Narcissa dann zu.

    Anscheinen verlor Cimon allmählich seine Scheu in der Gegenwart von Flora und Titus. Fast automatisch wandte sie ihren Kopf in seine Richtung als er sprach und betrachtete ihn aus tiefen grünen Augen.


    "Also als fliehen würde ich es nicht bezeichnen. Eher das eine mit dem andere verbinden", meinte sie lächelnd. "Mutter geht es leider Gesundheitlich nciht so gut, dass sie nach Rom kommen würde. Wen der Prphet also nicht zum Berg kommt, dann muss eben der Berg zum Propheten kommen. Ich kenn meine Mutter ganz gut, sie will sicher wissen wie es uns geht und es eben nicht nur aus Briefen erfahren. Außerdem wäre es eine gute Gelegenheit das Manius ihr seine Verlobte vorstellt!" sagte sie. Irgendwie schlüpfte sie mal wieder in die Rolle der Vermittlerin. Die Familie musste schließlich zusammen halten.


    Solange Titus da war hielt sich dieses mehr zurück, dass sie in Answesenheit von Cimon verspürte. Ein wenig war sie froh darüber.

    Anscheinend hatten sie den richtigen Zeitpunkt gewählt um sich den Sklavenmarkt anzusehen. Sie kamen von der Rostra. Eigentlich war es nicht mehr wie ein großer Platz mit einer Bretterbühne. Aber das spielte keine Rolle. Gemeinsam mit Titus und Narcissa mischte sie sich in die Menge und schaute neugierig zu besagter Bühne, auf der gerade eine Sklavin versteigert wurde und deren Vorzüge laut beschrieben wurde. Leicht angewidert verzog sie das Gesicht als der Händler das arme Ding, als Leckerchen bezeichnete. So wie sie aussah würde sie wohl im Bett irgend eines Mannes landen. Obwohl sie anscheinend mehr die Fähigkeiten einer Leibsklavin besaß, wie die einer Bettgespielin. Nun gut, dass musste nichts heißen. Den meisten Männern war es ja schon fast egal, was sie sich ins Bett holten, Hauptsache sie kamen auf ihr Vergnügen und das Spielzeug sah noch annehmbar aus. Kurz sah sie in die Gesichter der Menge und konnte das ein oder andere süffisante Grinsen erkennen. Wie gut das sie eine Aurelia war, aber das rettete sie auch nicht wirklich vor solchen Blicken. Aber im Augenblick war es mehr Neugierde, die aus den Gesichtern sprachen, als die Blicke über sie und ihre Schwester glitten. Zwillinge waren selten, besonders so hübsche.

    Es war kalt geworden, der Winter hatte den ersten nahenden Frühling vertrieben und hielt nun Rom wieder in seiner Hand. Doch er hatte nicht gewonnen, die Sonne ließ sich nicht vertreiben oder hinter Wolken verstecken. Sie schien und forderte den heulenden Wind heraus.
    Flora spazierte hinter ihrer Schwester her, sie war ein wenig zurück geblieben. Weil ihre Aufmerksamkeit von einem Schmuckstand angezogen worden war.
    „Domina“, erklang die hartnäckige und warnende Stimme Lysandras. „Wir verlieren noch Narcissa aus den Augen!“ erklärte sie und schüttelte ungehalten Kopf.
    „Glaub ich nicht“, widersprach sie. „Du hast sie ja im Auge“, kicherte sie frech und zwinkerte dem Leibwächter zu der breit grinste und sich augenscheinlich amüsierte.
    „Nun komm schon!“ sagte die Sklavin drängend mit einem Seufzen in der Stimme. „Jaja... ich wollte doch nur schauen!“ Sie würde sich den Stand merken und zu einem anderen Zeitpunkt dorthin zurück kehren. „Narcissa warte!“ rief sie ihrer dann hinter her und lief einfach durch die Menge ohne sich darum zu scheren, dass ihr ja noch zwei Sklaven folgten. Lysandra schnaubte, das hatte sie nun davon. Nur einen Augenblick später hatte sie dann ihr Ebenbild eingeholt, sie stand vor der Rostra und lauschte den Worten von: Tiberius! Noch stand sie hinter ihrer Schwester und musste grinsen als Titus sie wieder einmal verwechselte.


    „Ich bin Flora!“ mischte sie sich dann ein und grinste ihre Schwester breit an. „Salve Titus“, lächelte sie und lachte, als er sie verdutzt ansah. „Und wie du sehen kannst, hab ich Narcissa aus dem Haus locken können!“ lachte sie und knuffte ihr Ebenbild liebevoll in die Seite. Lysandra und ihr Leibwächter hatten sie nun auch eingeholt. Die Sklavin schnaufte ganz schön. Die Zwillinge konnten so was von anstrengend sein.


    „Da hinten ist der Sklavenmarkt, wollen wir rüber gehen?“ fragte sie dann Narcissa gerichtet. Im Grunde hatte sie schon längst entschieden und hackte sich bei dem Schwesterlein ein. Sie lächelte Titus zu. „Willst du uns begleiten?“ fragte sie dann direkt und schlug bereits den Weg ein. Narcissa mehr oder weniger mit sich zerrend.

    Wenn sie so darüber nachdachte, so besaß doch ihr nächtlicher Ausflug eine gewisse Komik. Wie so häufig war sie wieder einmal unbeabsichtigt in Schwierigkeiten geraten. Aber es passierte ja nicht nur ihr, sondern auch Narcissa ständig. Sie neckte ihre Schwester zurück: „Nicht nur ich. Du schaffst das ja auch ständig!“ schmunzelte sie. Wie gut es doch tat mit Narcissa zu reden, sich ihr anzuvertrauen. Leicht streckte sie sich der Hand Narcissas zu, welche sie sacht streichelte. Es tat gut und brachte die Ruhe, welche sie gesucht hatte. Sie hätte schon viel früher zu ihrer Schwester gehen sollen.


    „Mal sehen, irgendwann werden wir schon erfahren, wer der Vater des Kindes ist. Oder auch nicht. Es bringt nichts, wenn wir uns über Dinge den Kopf zerbrechen, die wir eh nicht beeinflussen können“, meinte sie dann schon fast abschließend zum Thema Marcus und die Freie und das Kind. Trotzdem sie war neugierig, verdammt neugierig. Aber in diesem Moment schlug wieder einmal ihre Erziehung durch. Ihre Mutter hatte nie viel von Gerüchten gehalten und diese immer vehement im Keim erstickt. Von daher würde sie sich zügeln und einfach abwarten.
    „Ich glaub es liegt am Winter und an Rom. Uns fehlen die Sonne und auch die Freiheiten die wir bei Mutter hatten. Was hältst du von der Idee sie im Sommer für ein paar Wochen zu besuchen? Ich hab gehört, dass Rom dann kaum zu ertragen ist. Du weißt schon der Gestank, die Hitze. Sie würde sich freuen wenn wir sie besuchen. Manius könnte uns ja begleiten und seine Verlobte dann auch gleich“, es war nur eine Gedanke, aber er gefiel ihr. Und im Grunde sprach ja nichts dagegen. Viele römische Familien zogen sich im Sommer aus Rom zurück.


    „Mhm… das weiß ich leider nicht. Ich hab auch vergessen danach zu fragen. Ich wird es aber nachholen. Aber wenn es nicht weit ist, ergibt sich vielleicht für uns die Gelegenheit alle paar Tage raus zu fahren.“ Da war sie endlich in Rom und dann wollte sie aber auch gleich der Stadt entkommen. Eigenartig. Es lag wohl daran, dass sie ganz andere Vorstellung von Rom gehabt hatte. Aber sie ahnte das es Narcissa ein klein wenig auch so ging.


    „Natürlich kannst du dich allein beschäftigen. Ich hätte dich aber dennoch mitnehmen sollen“, sagte sie, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie es nicht getan hätte. Sie hatte mit Cimon allein sein wollen… Da war es wieder das mehr. Wie ein kleines Ungeheuer lauerte es in dem Schatten ihres Herzens und stürzte sich in einem schwachen Moment auf sie um sie durcheinander zu bringen. Was war es nur? „Ich war mit Cimon unterwegs. Das ist der Leibsklave von Titus!“ antwortete sie und versuchte neutral zu klingen und sich nichts von ihren aufgewühlten Gefühlen anmerken zu lassen. Was schwer war, denn Narcissa wusste immer was in ihr vorging.

    Narcissa schien s´fast sofort zu merken, dass Flora mit ihren Gedanken woanders war. Das sie etwas beschäftigte und auch bedrückte. Kurz tauschte sie mit ihrem Ebenbild einen kleinen Blick, später würde sie zu ihr kommen, mit ihr reden und versuchen ihre Gedanken zu ordnen. Es fiel ihr so schwer, bestimmte Bilder aus ihrem Kopf zu vertreiben. Cimon, säuselte eine kleine Stimme in ihren Kopf. Sehnsüchtig. Völlig erschrocken über dieses neue Gefühl, drängte sie es mit aller Macht zurück und betrachtete stattdessen lieber kurz den Inhalt ihres Bechers, während sie dem Germanicus und ihrer Schwester lauschte. Ebenso wie sie es bereits getan hatte, winkte sie die Entschuldigung von Aculeo ab, er brauchte sich nicht zu rechtfertigen, auch wenn er es versuchte in dem er seine Pflichten vor schob. Solche Ausreden hatte sie ihr Leben lang gehört, Phrasen die nichts bedeuteten. Im Grunde war er ihr als Mann keine Erklärung schuldig.
    „Familienangelegenheiten?“ fragte sie näher nach. „Was hat denn dein Bruder angestellt, dass du dich seiner annehmen musstest?“ Ihr kamen jede Menge Streiche in den Sinn, welche sie als kleines Mädchen anderen gespielt hatte. Oder Situationen in denen sie unbeabsichtigt etwas angestellt hatte, wie einen großen Topf Honig um zustoßen und sich darin zu baden. „Es ist löblich, dass du dich deinem Bruder so annimmst. Es wäre enttäuschend, wenn deine Familie deinen Bruder nicht aufnehmen würde, wie es sich gehört. Kinder brauchen ein sicheres zu Hause und auch eine strenge Hand die sie anführt!“ sagte sie. Zwar hatten sie eine sorglose Kindheit gehabt, was aber nicht hieß, dass sie völlig Straffrei davon gekommen wären. Hin und wieder eine Trachtprügel, der Verbot in die Ställe zu gehen oder Hausarrest, waren ein beliebtes Mittel gewesen um aus ihnen die vorzeigbaren jungen Frauen zu machen, die sie waren.
    „Oh, die Märkte sind so aufregend. Ich hab einen sprechenden Vogel gesehen und dann haben wir noch Kleider gekauft und Schmuck!“ berichtete sie und sah Narcissa an. Wollte sie dem noch etwas hinzufügen. In diesem Moment betrat Marei das Atrium, wobei sie einen kleinen Karren hinter sich herzog. Oben auf trohnte stolz ihre Puppe. Sie würde dem Mädchen eine kleine Freude machen, indem sie für die Puppe ein Kleid nähte. Sie mochte das Kind.

    Seltsamer weise machte ihre Herz einen kleinen Sprung, als fest stand, dass Cimon sie begleiten würde. Verstohlen warf sie ihm noch einmal einen Blick zu, doch er sah woanders hin. Wieder war da der Sturm ihrer Gefühle, Unsicherheit und wieder dieses unbestimmbare mehr, vor dem sie sich gleichzeitig ängstigte und sich danach sehnte. Was ging hier nur vor? Sie war ratlos. Wie gut dass sie nicht allein war und sich hauptsächlich auf das Gespräch mit Titus konzentrieren konnte. Ablenkung. „Morgen klingt gut“, lächelte sie zustimmend. „Ich werde Narcissa gleich nachher Bescheid sagen. Sie wird sich freuen!“ Keiner kannte ihre Schwester wie sie und umgekehrt. Sie vertrauten einander blind und noch mehr wie das. Zwischen ihnen gab es Dinge, die man nicht benennen konnte. Eine so tiefe Verbindung, dass sich das kaum einer vorstellen konnte.


    Cimons tiefe Stimme jagte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken. Die kleinen Härchen in ihrem Nacken stellten sich prickelnd auf. Um diese unbekannte Reaktion ihres Körpers zu verschleiern fütterte sie Arbo mit einem weiterem Apfel. Aufmerksam lauschte sie den Ausführungen über Rom. Wieder einmal musste sie feststellen dass die ewige Stadt anders war, als in ihren Vorstellungen. Sie war ganz schön naiv gewesen. „Vielleicht sollten wir im Sommer nach Terentum. Mutter würde sich über einen Besuch freuen. Ob Manius dann mitkommen würde?“ fragte sie sich laut. Sie würde in fragen. Schaden konnte es jedenfalls nicht, wenn er einmal Mutter wieder besuchen würde.

    „Ich konnte nicht schlafen und als es mir im Bett zu langweilig geworden ist, wollte ich in die Küche und mitten in den Gängen laufe ich dann Marcus über den Weg. Ich bin also eher zufällig da rein gestolpert“, berichtete sie, woher sie von der Geburt erfahren hatte. Schließlich war einer der Sklaven in ihrem Zimmer aufgetaucht und hatte die freudige Kunde verbreitet. Leicht zuckte sie mit den Schultern, im Grunde war es auch egal.
    „Naja, er hat es nicht wirklich gesagt und als ich meine Vermutung geäußert habe, hat er nicht widersprochen, sondern nur etwas vom Wohle der Familie gemurmelt“, wieder zuckte sie mit den Schultern. Es war eine sehr merkwürdige Nacht gewesen und sie wusste immer noch nicht, was sie davon halten sollte. Außerdem kannte sie Marcus nicht gut genug um wirklich zu sagen, dass sie richtig lag. Er war immer so beherrscht, nur eben in dieser besagten Nacht nicht. Nicht wirklich. Da war mehr gewesen, vor allem Anspannung, verborgen hinter einer Maske der Beherrschung. „Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. So gut kenne ich Marcus nun auch wieder nicht. Ich weiß nicht was ich glauben soll... Schade das du nicht dabei warst. Du besitzt mehr Feingefühl für so was“, seufzte sie dann. „Vernünftig ist er auf jeden Fall und die Familie ist auch für ihn das wichtigste. Aber das heißt nicht dass er als Mann vor allen Schwächen gefeit ist!“ gab sie dann zu bedenken.
    Narcissa stimmte ihrem Vorschlag zu, die Pferde aufs Land zu bringen. Nicht, dass die wertvollen Geschöpfe ihnen eingingen. „Titus wird seinen Arbo schon bald weg bringen lassen. Er ist alt und soll sein Gnadenbrot erhalten. Ich dachte mir, dann können unsere Stuten ihn auch gleich begleiten!“ schlug sie vor. Wann das sein würde, wusste sie jedoch nicht. Nur das es notwendig war und schon sehr bald.
    Wie zufällig kam das Thema dann auf Ausritt und sie musste sofort an den Ausflug mit Cimon denken, der ja nun wirklich echt in die Hose gegangen war. Außerdem schämte sie sich, dass sie Narcissa nicht mitgenommen hatte.
    „Ich bin vor zwei Tagen ausgeritten. Entschuldige das ich dich nicht mitgenommen hab. Es war eine spontane Idee. Keine Sorge ich war aber nicht allein unterwegs!“ erzählte sie und war froh, dass Narcissa gerade nicht ihr Gesicht sehen können. Dennoch würde sie die Veränderung merken, die in Flora vorging, als sie davon erzählte. Verlegenheit, Unsicherheit und wieder dieses mehr das sie nicht bestimmen konnte.

    Aus Erfahrung wusste sie, dass Narcissa in ihrer eigenen Welt abtauchte, wenn sie las und sie Zeile für Zeile ein Buch verschlang. Meist störte sie dann ihr Ebenbild nicht, ließ ihr die Freiheit zu Flüchten, ebenso wie sie meist die Flucht ergriff. Auf andere Weise, meist in dem sie ritt, mit dem Wind. Trotz aller Ähnlichkeit, besaßen sie doch vieler Unterschiede, nicht wirklich sichtbar, aber spürbar, wenn man sich mit den Zwillingen auseinander setzte.
    Zu ihrer eigenen Überraschung stellte sie fest, das Rom sie veränderte. Sie Beide. War das gut? Sie suchten längst nicht mehr so die Nähe zueinander wie früher. Aber eines würde sich nie ändern: Das imaginäre Band von schwesterlicher Liebe und Zuneigung. Ein wenig Angst bekam sie dann doch, sie wollte sich nicht verändern. Es sollte alles so bleiben wie es war. Doch es hatte sich etwas verändert, sie hatte sich verändert. Cimon, wieder geisterte er in ihren Gedanken umher. Sie sah seine grauen Augen, seine dunkle Haut und die unzähligen Narben. Als Narcissa ihre Arme um sie schlang, verschwand das Bild. Sie verspürte gleichzeitig Dankbarkeit und Wehmut. Oh, ihr Götter. Was ist nur los mit mit? fragte sie sich nicht zum ersten Mal. Automatisch schmiegte sie sich an ihr Ebenbild und schloss die Augen. Kurzes Vergessen verdrängte ihre Gedanken und ließ eine herrliche Leere und Leichtigkeit zurück. Ihrer Schwester war es schon immer gelungen sie zu besänftigen und zu beruhigen, nicht mit Worten, sondern mit ihrer Anwesenheit und ihren Gesten. Sie strahle unendlich viel Ruhe aus. Ihr fehlte diese Ruhe, dafür war sie all das, was manchmal Narcissa fehlte: Leidenschaftlich, wild und auch temperamentvoll. Seltsamerweise konnten sie hin und wieder die Rollen tauschen, dann war Narcissa wie Flora und Flora wie Narcissa. Wie das kam, war ihnen schleierhaft, aber es lag wohl an ihrer einzigartigen Verbindung.
    Die Frage ihrer älteren Schwester holte sie dann zurück ins Hier und Jetzt. Sie seufzte tief. Sie wusste ja selbst nicht was los mit ihr war.
    „Ich weiß es nicht“, gab sie ehrlich zu. „Hast du das von dem Kind gehört? Die Freie hat ein Kind bekommen. Weißt du das Marcus mir in der Nacht über den Weg gelaufen ist? Der war ganz schön durch Wind... Titus glaubt, dass er der Vater ist!“ berichtete sie ihr erst einmal. Das lenkte ab. „Aber sag das bloß niemandem. Es ist nur eine Vermutung!“ Das sie diese ausgesprochen hatte, ließ sie erst einmal weg. „Und ach, Titus will ein neues Pferd kaufen. Wir dürfen ihm dabei helfen wenn wir wollen. Und ich finde wir sollten unsere Pferde aufs Land bringen lassen. Rom tut ihnen nicht gut und wir haben kaum Gelegenheit auszureiten... Wir haben ein Landgut hier in der Nähe. Aber leider nicht so nahe, dass wir täglich unsere Pferde sehen könnten!“ sie redete und redete, das tat sie meist, wenn sie durcheinander war.

    Die Last ihrer Gedanken und Gefühle erdrückte sie schier. Sie war durcheinander und verstand nicht einmal warum. Cimons graue Augen schienen sie auf Schritt und Tritt zu verfolgen, bis in ihre Träume hinein. Träume an die sie sich am Morgen dann nicht mehr erinnern konnte, nur dass sie diese Träume willkommen geheißen hatte. Verdammt er ist ein Sklave, sagte sie sich immer wieder. er hat seinen Platz und ich meinen. Er hatte aber keinen Platz in meinem Leben! Doch wenn sie sich versuchte das einzureden, dann verspürte sie nur einen schmerzhaften Stich und heiße Tränen auf den Wangen.
    Mehr als sonst hing sie Tagträumen nach und Lysandra ließ sie gar nicht mehr aus den Augen, dafür benahm sich Flora einfach viel zu merkwürdig. Aus der sonst recht lebhaften jungen Frau war eine stille in sich gezogene junge Dame geworden. Das machte sie misstrauisch, das war nicht Flora. Zu diesen Dingen kamen nun auch noch andere Gedanken, es war zwei Tage her, dass Siv, die Freie, ein Kind zur Welt gebracht hatte. Dass sie Marcus mitten in der Nacht in den Gängen der Villa begegnet war und es war ein Tag her, dass sie ihren Verdacht, wer der Vater sein könnte, unbedacht gegen über Titus geäußert hatte. Es war nur eine Vermutung, aber sie war wohl nicht die Einzige. Titus teilte ihre Meinung, hatte sie aber ermahnt ihre Gedanken für sich zu behalten. Aber mit Narcissa musste sie reden. Ohne anzuklopfen öffnete sie die Zwischentür und fand Narcissa wie so häufig lesen in ihrem Zimmer. Sorgfältig schloss sie die Tür und sah sich nach Sklaven um, doch sie waren allein. Erleichterung durchströmte sie. Sie setzte sich auf den Boden, dicht neben Narcissa und lehnte den Kopf an deren Hüfte an.


    „Zissi“, begann sie und nutzte den Kosenamen denn sie ihr gegeben hatte. Etwas was sie nur dann tat, wenn sie irgend etwas bedrückte.

    Sie fing das zaghafte Lächeln von Cimon auf und hielt nur einen winzigen Augenblick seinen Blick gefangen, ehe sie sich wieder der Unterhaltung mit Titus widmete. Sie war froh, nicht ganz allein mit Cimon zu sein und gleichzeitig wollte sie mit ihm allein sein. Warum war alles so kompliziert, war nur war sie so durcheinander.
    „Ich werde Narcissa gleich einmal Fragen. Du kannst ruhig entscheiden, wann du zum Pferdemarkt willst, wir haben eigentlich fast immer Zeit“, meinte sie zu ihm. Das war der Vorteil, wenn man Tochter aus gutem Hause war, jegliche Arbeit wurde ihnen abgenommen und sie konnten dem Nichtstun frönen.


    Während Titus über ihre holprige Überleitung froh zu sein schien, konnte sie an nichts anderes denken, als an das, was sie gesagt hatte. Marcus war der Vater von dem neugeborenem Kind. Zumindest hatten alle diesen Verdacht. Es war so logisch. Dabei kannte sie die Freigelassene nicht einmal...


    Titus jedenfalls nahm ihr Themenwechsel mit Begeisterung auf. „Ich bin schon gespannt wie Rom im Frühling und Sommer aussieht. Bisher kenne ich ja nur den grauen Winter in der Stadt.“

    Sie war vollkommen durcheinander. Ihre ganzes Leben lang hatte ihre Mutter gepredigt, dass sie eine Herrin war, sie stand über den Sklaven. Es war ihre Aufgabe ihn in seine Schranken zu weisen. Aber gleichzeitig tobten andere Gefühle in ihr. Sie wusste das es falsch war, aber warum fühlte es sich dann richtig an. Das war ja schon fast wieder ein Grund in Tränen auszubrechen, doch sie riss sich zusammen. Nicht jetzt, nicht hier, nicht vor ihm. Sie wollte nicht das Cimon ihre Tränen sah. Flora fühlte sich schuldig... Mit aller Macht versuchte sie wieder die geregelten Verhältnisse aufzustellen, sich von ihm innerlich zu distanzieren, doch irgend etwas verhinderte es.


    Mit erfahrenen und geschickten Fingern widmete er sich seiner Aufgabe. Sie merkte gar nichts von seinem inneren Kampf. Sie focht ja selbst mit sich. Ein Teil von ihr genoss seine vorsichtigen Berührungen, seine Nähe und wollte mehr. Wieder dieses mehr! Was war es? Warum nagte es an ihr? Warum machte es sie unruhig? Cimons Frage riss sie aus ihren Überlegungen und sie musste blinzeln, wieder um Tränen zurück zu halten.
    „Nein, ich mach das schon!“ sagte sie mit scheinbar fester Stimme. Wieder tauchte sie unter. Brachte Abstand zwischen sich und Cimon. Auch wenn es nur Wasser war. Seife färbte das Wasser trübe, verbarg ihre weiblichen Kurven und ließ sie einen kurzen Augenblick verschwinden. Herrliches nichts, nur ihr Herzschlag pochte in ihren Ohren. Doch kaum durch stieß sie die Wasseroberfläche und spürte ein leichtes brennen in den Augen von der Seite, kamen die verwirrenden Gefühle und Gedanken zurück. Das Brennen lenkte jedoch ab. Mit einer leichten Handbewegung bedeutete sie Cimon, dass sie nun raus kommen würde. Er sollte sich umdrehen. Kurz sah sie über die Schulter und vergewisserte sich, dass er dies getan hatte, dann kam sie aus dem Wasser, griff nach einem weißen großen flauschigem Tuch und wickelte sich eilig darin ein. Wieder verbarg sie ihren Körper vor ihm und vermied es diesmal ihm direkt in die Augen zu sehen. Schweigen herrschte zwischen ihnen. Bleiern und schwer. Sie wusste nicht mehr weiter und ertrug es einfach. Kurzerhand griff sie nach der Bürste und entwirrte die Locken. Eigentlich waren es keine mehr, das Haar war nass und glatt durch das Wasser. Doch bald würden sie sich wieder kräuseln. Sie brauchte nicht lange, dann war sie damit fertig. Später würde sie Lysandra bitten, ihr die Haare wieder zu richten. Bis dahin tat es ein einfacher geflochtener Zopf. In der Zeit hatte sie gespürt, wie sein Blick auf ihr lag. Doch sie hatte ihn nicht angesehen. Nun wo sie nach ihren Kleidern griff, drehte er sich wieder um. Schnell schlüpfte sie in die trockenen und sauberen Stoffe und fühlte sich etwas wohler. Dann trat sie an Cimon heran, berührte ihn zaghaft an der Schulter. „Danke!“ sagte sie schlicht. Nicht mehr, dann floh sie. Vor ihren Gedanken und Gefühlen und vor seinen Augen. Tief und sehnsüchtig wie das Meer....

    Eigentlich hätte sie jetzt erwartet, dass Cimon gehen würde, sie allein lassen würde, obwohl sie nicht allein sein wollte. Sie wollte ihn nicht gehen sehen. Ihr Herz klopfte wie wild, als er sich leicht zu ihr herunter beugte. Er sah auf sie herab aus seinen grauen tiefen Augen. Sie wirkte wie das Meer, voller Sehnsucht und mehr... und wieder konnte sie dieses mehr nicht bestimmen. Es war verwirrend und machte sie unruhig. Cimon suchte ihren Blick und sie erwiderte ihn. Er konnte die Tränen nicht sehen die sie geweint hatte, verschwunden, weil er da war. Flora wusste: Das was hier geschah, war nicht richtig. Er musste gehen. Nicht nur weil er ein Sklave war, sondern ein Mann. Lysandra müsste an seiner statt hier sein und doch konnte sie ihn nicht heraus schicken. Eilig senkte sie den Blick und reichte ihm dann die Seife, zaghaft, schüchtern. Dabei berührte sie mit den Fingerspitzen nur kurz seine Handfläche. Es war verkehrt, dass sie ihm gegenüber den Blick senkte und doch... fühlte sich das alles Richtig an. Was nur sollte sie tun? Was nur?


    Sie drehte sich um, sodass er ihre Locken erreichen konnte, welche nun schwer und nass auf ihren Schultern ruhten. Fast hüftlang waren sie.

    Leise vertraute Schritte kündigten ihre Schwester an. Sie drehte den Kopf leicht und lächelte ihrem Ebenbild liebevoll zu. „Da bist du ja“, begrüßte sie ihre Schwester und machte ihr sogleich ein wenig Platz auf der Bank, damit sie sich dazu setzen konnte. Wenn sie so neben einander saßen, sah man deutlich, dass sie auch ein und die selbe Person sein konnten. Die selben tiefgrünen Augen, der gleiche Schwung roter Lippen und ein zarte durchscheinende Haut. Nymphen. Seltene Kostbarkeiten, denn die meisten Zwillingspaare lebten nicht länger, als wie paar Wochen. Sie verband mehr als nur schwesterliche Liebe, ein unsichtbares Band, welches ihnen immer mitteilte, wie es dem Anderen ging. Obwohl sie so Unterschiedlich in ihrem Wesen waren, so war doch jede Schwester ein Teil der Anderen. Ohne diesen Teil fühlten sie sich unvollständig. Selten blieben sie lange getrennt. Und diese zwei völlig gleich aussehende Menschen sahen nun Aculeo aufmerksam an.


    „Nur zwei Stunden?“ fragte sie neugierig nach. Dann würde sich ein Ausflug zu der Hafenstadt lohnen. Sie würden Manius, Marcus oder Titus um Erlaubnis bitten. Sollte sie dann auch gleich fragen, ob sie sich Cimon ausleihen durfte? Sie schob diesen Gedanken ganz schnell beiseite.


    Dann überließ sie es erst einmal Narcissa auf den Germanicus zu reagieren.

    Cimon hatte seine Tunika wieder übergezogen, obwohl diese schwer und feucht war. Ihr Blick verfolgte ihn, wie er hinaus ging und in der Stille des Bades fühlte sie sich auf einmal klein und allein. Wieder tauchte sie kurz unter und dann wieder auf, langsam entwirrte sie ihre Locken. Saß mit dem Rücken zur Tür und starrte mir leerem Blick das Mosaik an der Wand an. Später wenn sie darüber nachdenken würde, würde sie nicht mehr wissen, was auf dem Mosaik abgebildet war (Nymphen auf einem Felsen mitten im Meer). Sie wusste nicht einmal was sie dachte, sie war vollkommen durcheinander. Was war nur los mit ihr? Sie würde mit Narcissa reden müssen. Ihre Schwester hatte schon immer den klareren Kopf gehabt wie sie selbst. „Au!“ murmelte sie, als sich ihre Locken nicht entwirren lassen wollten. Etwas ungeduldig zerrte sie daran und machte es zunächst nur noch schlimmer. Plötzlich waren sie da, Tränen. Sie wusste nicht einmal warum, nur dass sie diese nicht aufhalten konnte. Sie presste die Handballen auf ihre Augen, nur um sie zum versiegen zu bringen. Doch es half nichts. Frustration und noch etwas anderes schnürte ihr die Kehle zu. Kurz schluchzte sie auf, leise und dann hörte sie Schritte. Leise säuselnd über Marmor. Erstickt ließ sie sich wieder ins Wasser gleiten, spülte die Tränen fort. Cimon sollte sie nicht weinen sehen. Nicht wenn sie selbst nicht wusste warum. Gerade als er die Tür hinter sich schloss, tauchte sie wieder auf. Immer noch waren da Tränen, doch man konnte sie nicht vom Wasser unterscheiden. Flora kam sich unendlich albern vor. Sie weinte obwohl es keinen Grund gab, sie war vollkommen durcheinander und wusste nicht einmal warum. Was sie jetzt brauchen würde, war schwesterliche Zuneigung...


    Irgendwie schaffte sie es dann doch wieder ein Lächeln aufzusetzen, einfach nur weil Cimon da war. Wieder drehte sie sich im Wasser um und betete den Kopf auf ihre Arme. Ihr Blick glitt zu den Sachen und in ihrer Reichweite fand sich Seife und duftende Öle und eine Bürste. Guter, lieber Cimon. Wie ein großer Bruder. Dieser Gedanke versetzte ihr einen unerwarteten Stich. Er war nicht ihr Bruder... Was war nur los mit ihr?
    „Danke, Cimon. Es ist alles gut soweit. Du kannst dir gern etwas anderes anziehen. Ich komm erst einmal allein zurecht!“ Alles begehrte in ihr auf, dass sie ihn wieder hinaus schickte, aber es gehörte sich so. Außerdem sollte er nicht wegen ihrer Leichtsinnigkeit frieren. Sie griff nach der Seife und schnupperte daran: Lavendel und Minze . Eigentlich tat sie das nur um sich auf andere Gedanken zu bringen. Aus diesem Grund wusch sie sich auch die wilde Lockenpracht und löste mit den Fingern die ersten Knoten. Diesmal ging es einfacher...