Beiträge von Aurelia Flora

    Wie Diebe stahlen sie sich ins Haus, unauffällig über den Seiteneingang und wenn sie ehrlich war, wollte sie auch in diesem Zustand niemand begegnen. Auf dem Heimweg hatte sie jede Menge zeit zum nachdenken gehabt und am liebsten wäre sie im Boden verschwunden, als sie sich ihren Weg durch Roms Straßen suchten. Immer wieder waren ihr neugierige Blicke zugeworfen waren. Es erregte aufsehen, wenn ein Sklave nur halbnackt durch Rom spazierte und von einer recht hübschen, aber zierlichen Frau verfolgt wurde. Es war ihr so peinlich, da half es wenig, dass Cimon die Passanten mit seinen grauen stechenden Augen im wahrsten Sinne des Wortes nieder starrte. Sie fühlte sich elend. Und sie wusste nicht einmal warum.
    Als sie Cimon sie getragen hatte, hatte sie ein Gefühl der Sicherheit verspürt und mehr... doch sie konnte dieses mehr nicht bestimmen. Es war unfassbar, flüchtig und schön? Und dann seine Narben, es schmerzte sie, als seien es ihre. Sie verstand das nicht, es war so verwirrend. Sie war den Tränen nahe und wusste nicht einmal warum. Um sich davon abzuhalten los zu schluchzen wie ein kleines Kind, biss sie sich entschlossen auf die Unterlippe und folgte sehr schweigsam dem großen Nubier.


    Erleichtert trat sie in die Villa, eine Zuflucht, ein sicherer Ort. Mittlerweile hatte ihr Kleid auch Cimons Tunika durchnässt und sie fror am ganzen Körper. Cimon war so weitsichtig, sie direkt ins Bad zu lotsen. Während er das heiße Wasser auf drehte und sich Wasserdampf auf den Kacheln sammelte entledigte sie sich ihrer nassen Kleider. Als erstes kam Cimons Tunika, welche sie sorgfältig zusammen legte und auf eine Bank legte, bei ihrem Kleid war sie nicht so sorgsam, diese landete in einem unordentlichen Haufen zu ihren Füßen, ebenso wie ihre Unterwäsche und ihre Sandalen. Die ganze zeit über wagte sie es nicht Cimon anzusehen. Sie betrachtete die Fliesen, oder das Mosaik oder ihre Kleider, aber nicht ihn. Aus Höflichkeit hatte er sich abgewandt und starrte ebenso wie sie, überall woanders hin, nur nicht zu ihr. Schnell ließ sie sich ins Wasser gleiten. Erschrocken zog sie die Luft ein. Ihr Körper war so ausgekühlt, dass es ihr vor kam, als würde bei lebendigem Leibe gekocht werden. Es stach und zwickte auf ihrer Haut, doch schnell wich das Gefühl einem angenehmen prickeln. Seufzend ließ sie sich tiefer sinken. Kurz schloss sie die Augen. Erst als Cimon ihr eine Frage stellte, drehte sie sich im Wasser um. Sie legte ihre Arme auf den Rand und wagte doch einen kleinen Blick auf ihn. Er war so beeindruckend und gleichzeitig irgendwie verletzlich...


    „Cimon?“ sagte sie leise. Sie wollte, dass er ihr in die Augen sah, mehr als ihre Arme und ihren Kopf konnte er nicht sehen, der Rest war vom Becken und Wasser verdeckt. Als sie seinen Blick auffing lächelte sie ihm ernst zu. „Vielen Dank. Für alles! Du bist sehr lieb!“ Vielleicht waren ihre Worte etwas unbedacht, aber sie kamen von Herzen. Langsam nickte sie. „Geh nur meine Sachen holen. Wenn Lysandra fragt, dann sagst du ihr einfach, ich wollte ein Bad nehmen und hab dich geschickt. Sie wird dann keine Fragen stellen. In ihren Augen bin ich etwas exzentrisch!“ Sie sah ihm nach, wie er seine Tunika nahm und dann erst einmal sie allein ließ. Sie seufzte und ließ sich tiefer ins Wasser sinken. Sie tauchte vollständig unter. Ein Singsang hatte sich in ihrem Kopf fest gesetzt: Cimon, Cimon, Cimon... und dazu hatte sie das Bild vor Augen, wie er vor ihr stand, nur in Hose. Als ihr die Luft ausging tauchte sie wieder auf, doch die Stimmen in ihren Kopf wollten nicht verstummen.

    Auch wenn sie ihre Sandalen ansah, oder Nada, sie wurde das Bild nicht los, wie Cimon so halbnackt vor ihr stand. Dunkle Haut über starken Muskeln. Jede klitzekleine Bewegung hatte sich in ihren Kopf gebrannt, ebenso wie die Narben, dies sie traurig machten. So viel Grausamkeit. Das hatte kein Mensch verdient, selbst wenn er nur ein Sklave war. Außerdem war Cimon ihr Freund. Er war so sanft und gleichzeitig so stark. So viel sinnloser Schmerz.


    „Dein früherer Herr war ein grausamer Mensch“, stellte sie für sich fest. Leise seufzte sie, nicht mehr wie ein trauriges Wispern und doch drückte es alles aus, was in ihrem Kopf vor sich ging. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, woher die anderen Narben stammten. Sie war sich ziemlich sicher, dass Cimon sie nicht verdient hatte.


    Wie gut das er sie dann mit einem anderen Thema ablenkte. Wieder sah sie an sich herunter. Sie sah aus wie ein magere kleines Kind in dieser Tunika. Aber sie fühlte sich darin wohl. Weil er sie getragen hatte. Was dachte sie da nur? „Ehm, ja, das ist besser so“, sagte sie und ließ sich dann auf Nadas Rücken helfen. Während sie nach den Zügel griff, spürte sie wie die Feuchtigkeit ihres Kleides sie frieren ließ. Bloß schnell nach Haus. Hoffentlich sah sie niemand so. Sonst würde sie jede Menge zu erklären haben... Cimon übernahm diesmal die Führung. Diesmal ritten sie nicht so schnell, aber er schlug dennoch ein recht zügiges Tempo an, nur damit sie dann schnell ins Bad kam.

    Eine klitzekleine Enttäuschung machte sich in ihr breit. Kein Landgut in der näheren Umgebung von Rom. Wenn sie Nada aufs Land bringen ließ, das kam es ihr so vor, als würde sie eine gute Freundin fort schicken. Aber was blieb ihr anderes Übrig? Die Stute würde ihr eingehen, wenn sie länger in Rom blieb. Sie seufzte und presste kurz die Lippen aufeinander. Im Grunde hatte sie schon längst eine Entscheidung getroffen. Wenn Arbo aufs Land gebracht werden würde, dann würde sie auch gleich Nada mit schicken. Sollte sie Sehnsucht haben, dann konnte sie entweder die Stute für einige Tage nach Rom bringen lassen oder aber der Stadt kurzzeitig den Rücken kehren und sich auf dem Land erholen. Ein guter Kompromiss wie sie fand. Ganz unauffällig warf sie Cimon einen Blick zu, ob er sie dann begleiten durfte, wenn sie ein paar Tage aufs Land wollte... Narcissa würde dann auch mitkommen wollen. „Nada sollte dann deinen Arbo begleiten. Auf dem Land geht es ihr dann Besser. Ich werde einmal mit Narcissa reden, wahrscheinlich will sie ihre Stute dann auch aus Rom raus bringen lassen!“ Deutliche Tierliebe war aus ihrer Stimme heraus zu hören.


    Sie musste lachen, als Titus meinte es könnte anstrengend werden. „Keine Sorge, dass macht uns nichts aus. Auch wenn wir nicht so aussehen, wir verkraften mehr, als es den Anschein hat. Unser Köchin hat in Terentum immer gesagt: Pah, von wegen Pflänzchen! Die Kinder sind wie Unkraut!“ Flora kicherte bei dieser Erinnerung. Sehr oft hatte sich die rundliche Frau über das übermütige Verhalten der Mädchen beschwert. Sie waren schwerer zu hüten gewesen, wie ein Sack Flöhe.


    Du meine Güte!!, machte es immer noch in ihrem Kopf. Da hatte der kleine Teil, der sich für Klatsch und Tratsch interessierte, jede Menge Nahrung erhalten. Das musste sie Narcissa erzählen. Umgehend! Doch Titus Worte hielten sie dann zurück. Er hatte recht. NATÜRLICH hatte er recht. Es waren alles nur Vermutungen. Vermutungen die aber logisch erschienen...
    Zustimmend nickte sie dann. Verzweifelt suchte sie nach einem anderem Thema über das sie reden konnten. Da ihr nichts andere einfiel redete sie über das Einzige, dass ihr einfiel: Das Wetter. „Schönes Wetter, nicht? Der Frühling kommt bald!“ Ziemlich plump.

    Das soeben alle Schranken vergessen waren und auch sonst plötzlich die Welt Kopf stand, zumindest Cimons, würde ihr wohl nicht bewusst werden. Dafür tröpfelten ihre Gedanken gerade zu langsam. Eingefroren, alles eingefroren. Denn der Wind, ihr war gar nicht aufgefallen das Wind herrschte, sorgte nur noch mehr dafür, dass sie fror und sie vor kam wie ein lebendiges Eis am Stiel. Auch wenn es dies noch nicht erfunden war. Aber so fühlte es sich an. Narcissa hätte sie wohl schallend ausgelacht wegen ihrer Ungeschicklichkeit. Zu Recht, wie konnte man nur so Tollpatschig sein. Warum musste sie auch auf rutschigen Steinen herum klettern und das eigentlich noch mitten im Winter. Es geschah ihr nur recht, wenn sie sich jetzt auch noch eine Erkältung holte. Du dummes dummes Ding, beschimpfte sie sich in dem Augenblick, den Cimon brauchte um bei ihr zu sein. Du dummes UND tollpatschiges Ding, ging die Schimtriade in ihrem Kopf weiter. Einen Herzschlag später fand sie sich in seinen Armen wieder, zu Perplex um überhaupt mit zu bekommen was gerade geschah. Schließlich konnte sie doch endlich einmal einen klaren Gedanken fassen und formulieren.


    „Oh, Cimon! Es tut mir! Ich hätte besser aufpassen müssen!“ plapperte sie dann völlig an Cimons Worten vorbei. Hatte er gerade etwas gesagt? „Du hattest ja recht und ich war so dumm!“ redete sie einfach weiter. Flora zitterte wie Espenlaub. Sie hatte ihren Mantel zu Hause liegen lassen in ihrem Übereifer. „Ich bin so ein Tollpatsch!“ Moment... Pause.... Sie wurde getragen!!!! Panik!!! Ihr war doch nichts passiert! Cimon brauchte sich nicht solche Umstände machen. Doch noch ehe sie sich wehren konnte oder etwas sagen konnte, stand sie schon wieder auf ihren eigenen Beinen. Alles ging gerade etwas zu schnell. Es war Surreal, so eigenartig. Es war als stand sie neben sich und beobachtete das Ganze. Erst als Cimon sich seine Tunika über den Kopf zog und sie einen Blick auf seinen Körper werfen konnte, wurde sie zurück in die Realität geschleudert. „Nicht doch!“ protestierte sie, als ihr bewusst wurde, dass er ihr seine Tunika geben würde. Das konnte sie nicht zulassen. Aber Cimon schien sie nicht zu hören. Er zog sich einfach weiter aus. Noch mehr Panik!!! Sie stand vor einem halbnackten Mann, klitschnass und völlig neben sich. Ihr Protest verstummte, als sie ihn genauer musterte. Sie konnte nicht anders, sie musste ihn anstarren. Egal ob es schicklich war oder nicht. Trotz der wirklich merkwürdigen Situation, konnte sie nicht umhin zu bemerken, dass er überaus gut gebaut war. Fast schwarze haut spannte sich über kräftigen Muskeln: Jede Bewegung wirkte sparsam und gleichzeitig so elegant. Er erinnerte sie an eine Katze. An eine große Katze, geschmeidig und sich seiner Kraft bewusst. Das war nur ihrer erster oberflächlicher Blick. Erst beim zweiten vielen ihr die unzähligen Narben auf und sie schnappte unwillkürlich nach Luft. Das war doch nicht etwa Titus gewesen? Nein, das konnte nicht sein. Ohne das sie wusste, was sie tat berührte sie zaghaft eine wulstige Narbe. „Wer hat dir das angetan?“ hauchte sie fast tonlos. Tränen traten ihr in die Augen, Angesichts der Schmerzen die er hatte ertragen müssen. Das sie nun diesmal eindeutig eine Grenze überschritten hatte, würde ihr wohl erst dann klar werden, wenn sie in ihrem Bett lag und den Tag Revue passieren ließ. Dann würde sie sich vor lauter Verlegenheit die Decke über den Kopf ziehen. Die ganze Situation würde ihr dann unendlich peinlich sein.


    Sie blinzelte mehrmals hinter einander um die ungeweinten Tränen verschwinden zu lassen. Er sollte nicht merken, dass sein Schmerz ihr Kummer bereitete. Die Einwände, erstarben ihr auf den Lippen als er ihr nachdrücklich seine Tunika in die Hände drückte. Er war jetzt nur noch mit einer Hose bekleidet. Diesem Ding was die Germanen immer trugen, wenn man den Geschichten glaubte. Beschämt, weil sie ihm gerade jede Menge Probleme bereitete, schlüpfte sie in das viel zu große Kleidungsstück. Es war noch ganz warm und es roch nach ihm... Als er ihr dann noch das Tuch reichen wollte, dass sie ihm geschenkt hatte, schüttelte sie dann den Kopf. „Es geht schon so“, sagte sie Kleinlaut und starrte auf ihre nackten Füße. Du dummes Ding! Die kleine Stimme in ihrem Kopf, klang ganz nach ihrer Mutter: Vorwurfsvoll und verärgert. Eilig klaubte sie ihre Sandalen auf und löste dann mit kalten Fingern die Zügel von Nada.

    Das Wasser war eisig, reichte ihr aber nur bis zu den Knöcheln. Es war eben nur ein kleiner Bach. Auf dem Stein stand sie einigermaßen trocken nur ihre Zehenspitzen wurde immer wieder vom Wasser liebkost und jagte ihr kleine eisige Schauer durch den Körper. Herrlich! Der Frühling kam und wie sie sich darauf freute. Da spielte es keine Rolle, dass das Wasser noch Schmelzwasser mit sich führte und es immer wieder kalte Böen gab. Das sie krank werden konnte, wollte sie sich gar nicht ausmalen. Sie war robust, auch wenn es nicht den Anschein hatte. Von wegen zartes Pflänzchen, sie war wie Unkraut. Zumindest hatte die Köchin das immer gesagt, wenn sie sich irgendwie in Schwierigkeiten gebracht hatten. Kurz schloss sie die Augen und ließ einfach nur das herrliche Gefühl von Freiheit durch ihren Körper strömen. Erst die leichte Berührung auf ihrem Arm holte sie zurück. Beruhigend lächelte sie Cimon zu, gerührt von seiner Sorge um sie.


    „Keine Sorge“ , sie balancierte auf dem Stein herum. „Ich werde schon auf...“PLATSCH Der Stein war glitschig gewesen und es hatte ihr doch glatt die Füße weg gezogen. Zu ihrer großen Verwunderung fand sie sich plötzlich auf ihrem Hintern wieder, mitten in dem Bach sitzend, wo ihr das Wasser nun bis zu den Hüften hoch reicht. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie dann auf, als ihr bewusste wurde WIE kalt das Wasser war. „Kalt!“ bekam sie über die Lippen und fing dann auch schon fast augenblicklich an zu zittern. Tropfnass stand sie nun mitten im Wasser...

    Zunächst war es ihr nicht aufgefallen, dass Cimon schweigsam war. Eigentlich kannte sie ihn fast nicht anders, zumindest in ihrer Gegenwart war der Nubier sehr zurückhaltend. Ihr Blick ruhte einen ganzen Augenblick auf dem Sklaven, doch er wich in ihrem Blick aus... hatte sie ihm irgend etwas getan? Eigentlich nicht, bisher hatten sie sich doch gut verstanden und auch ein wenig angefreundet. Auch sie schob es schließlich darauf, dass Cimon Arbo ins Herz geschlossen hatte. Das es an ihr liegen könnte, darauf wäre sie niemals gekommen.
    „Haben wir ein Landgut in der Nähe von Rom? Ich würde dann Nada auch dort hin schicken. Es tut ihr nicht gut den ganzen Tag im Stall zu stehen... und leider kann ich nicht täglich mit ihr ausreiten um ihr die Bewegung zu verschaffen, die sie braucht.“ sie war leider noch nicht so oft zu reiten gekommen, wie sie es wollte und sie konnte nicht mit ansehen, wie ihre Stute unter den Einschränkungen litt. Mit Narcissa würde sie auch noch einmal über diesen Gedanken reden müssen.


    Nachdenklich nickte sie, als Titus ihr seine Vorstellung von einem guten Pferd erklärte. Sie verkniff sich das Angebot, für ihn das Pferd zu zureiten, das würde wohl keiner so gerne sehen. Stattdessen beschränkte sie sich darauf, mit ihm das richtige Pferd auszusuchen. „Hast du was dagegen, wenn Narcissa mitkommt?“ fragte sie dann ihren Verwandten.


    Oh du meine Güte. OH du meine Güte! OH DU MEINE GÜTE!!!! Was hast du denn nun schon wieder angestellt. Warum redest du auch ohne zu denken? schalte sie sich in Gedanken selbst. Sie hätte nicht so gedankenlos daher reden sollen. In ihrr Vorstellung lief sie geradein heller Panik herum, ähnlich wie ein kopfloses Huhn. Zu ihrer Überraschung schwieg Titus zu ihren Worten und bestätigte nur den Verdacht. OH DU MEINE GÜTE!!!!! wiederholte sie in Gedanken und machte große Augen. „Sicher hat er das!“ sagte sie dann nur Kleinlaut, weil sie das Schweigen nicht ertragen konnte.

    In ihrem Übermut und dem Drang der Villa Aurelia zu entkommen, welcher ihr manchmal wie ein goldener Käfig vor kam, hatte sie ganz vergessen, dass sie ja nicht allein war. Wieder einmal hatte sie die Stimme ihrer Mutter im Kopf: Du bis leichtsinnig, denkst nicht über Konsequenzen nach und einfach nur kurzsichtig. Was in Namen aller Kreaturen der Unterwelt hat dich dazu gebracht, so unbedacht zu handeln? Schon fast schuldbewusst zuckte sie zusammen und sah sich suchend, nach einem schwachen Abbild ihrer Mutter um. Aber diese war ja nicht da, sie hatte es sich nur eingebildet. Aber niemand konnte ihr besser ein schlechtes Gewissen einreden, wie ihre Mutter und das wohl zu Recht. Sie hatte sich gerade ziemlich daneben benommen. Rom war gefährlich und sie war davon geritten, als würde sie noch in Terentum sein. Dort wo sie jeden Ast kannte. Sie sah sich um, sie hatte keine Ahnung wo sie war. Wie gut das Nada immer wusste wo zu Hause war. Sie würde den aurelischen Stall sicher wieder finden, während ihre Herrin völlig Orientierungslos war.
    Doch zu ihre Glück holte Cimon schnell auf. Nada passte sich dann einfach dem Schritt von Arbo und trottete mit erhobenem Kopf neben ihm her.


    Dass der Wallach völlig ausgepumpt war, sah Flora natürlich, von daher hatte sie nicht gegen die Pause einzuwenden. „Ist schon ok, du hast ja recht“, stimmte sie Cimon zu und richtete schnell ihre Tunika. Flora stieg ebenfalls ab und hielt nur locker die Zügel in der Hand, was Nada dazu bewog, dem Geruch von Wasser zu folgen. Flora war zu sehr damit beschäftigt Cimon dabei zu zu sehen, wie er Arbo versorgte, dass ihr gar nicht auffiel, dass ihre Stute einen eigenen Kopf besaß. Erst als ihr die Zügel aus den Fingern glitten, merkte sie das Nada ein bestimmtes Ziel hatte. „He, warte doch Nada“, rief sie und lief der Stute hinter her, welche nun wieder in einen leichten Trab verfallen war. Sie hatte ebenso einen eigenwilligen Kopf wie Flora. Leicht außer Atem holte Flora das Tier an einem Bach ein. „Na so was aber auch. Du machst aber auch immer was du willst“, schimpfte sie und tätschelte trotz der Worte den Hals der Stute.


    „Cimon! Hier ist Wasser!“ rief sie dann, weil sie sich nicht sicher war, ob ihr Cimon bereits folgte. Während sie darauf wartete, dass Cimon nun wieder sie einholte, zog sie ihre Sandalen aus, band Nada locker an einem Ast fest und ging dann entschlossen einen Schritt in den Bach hinein. „Kalt!“ bibberte sie und hob ihren Kleidersaum an, damit dieser nicht nass wurde. Trotz der Kälte stellte sie sich auf einen etwas größeren flachen Stein und sah sich nach Cimon um.

    Titus dämmerte es langsam, dass er die ganze Zeit die Schwestern verwechselt hatte. Im Augenblick fand sie das sogar witzig. Besonders weil Titus verdutzt von einem zum anderen sah und nach Anhaltspunkten suchte um sie in Zukunft auseinander zu halten. Das es äußerlich nichts gab, würde das Ganze um so schwieriger machen. „Das sagen alle“, lächelte sie ihm zu, als er meinte sie sehen sich verflixt ähnlich. „Vielleicht solltest du unserer Mutter schreiben und sie fragen, wie sie uns auseinander halten kann!“ schlug sie mit einem Lachen in der Stimme vor. Ihre Mutter würde ihm dann wahrscheinlich einfach nur antworten: Ich weiß wer wer ist, ich kann dir aber nicht erklären warum. Diese Erklärung hatten schon viele erhalten.


    Das Frühstück war beendet. Der Vorschlag Celerina zu besuchen klang verlockend. Kurz sah sie zu Marei und lächelte dem Mädchen zu. „Wir gehen deiner Herrin einen Besuch abstatten. Du zeigst uns doch sicher den Weg zu ihrem Zimmer“, sagte sie und freute sich schon darauf noch einen Hausbewohner kennen zu lernen. Kurzerhand erhob sie sich und verabschiedete sich dann erst einmal von Titus. „Wir sehen uns später sicherlich noch einmal. „Komm Narcissa!“ Nur einen Augenblick später waren sie dann auch schon in den tiefen der Villa verschwunden, geführt von Marei.

    Arbo hustete und ein besorgter Ausdruck trat auf Floras Züge. Wenn ein Pferd bereits hustete, verhieß das meist nichts Gutes. Sie wollte Tituas aber nicht unnötig Beruhigen. „Landgüter klingt gut. Welches meinst du?“ Die Familie hatte unzählige Landgüter. Kurz sah sie ihre Stute wieder an. Sie könnte diese auch hinaus auf ein Landgut bringen lassen, am Besten eines, dass nicht weit von Rom entfernt war. Damit sie die Möglichkeit hatte auszureiten, wenn sie es wollte.
    „Ich helf dir gern bei der Suche nach einem Nachfolger. Soll er etwas jünger sein? Willst du ihn noch selbst ein wenig zureiten, oder aber schon Erfahrungen haben?“ fragte sie ihren Verwandten dann und machte sich schon so ihre Gedanken, was zu Titus passen würde. Das Cimon versuchte zwischen sich und sie Abstand zu bringen bekam sie nicht mit. Sie setzte ihre Wanderung um Arbo fort und ging dabei auch einmal um Cimon herum, der sich an das Pferd schmiegte.


    Vergessen war ihre schlaflose Nacht, zumindest sah es so Titus, schien sich mehr für das Kind der Freien zu interessieren, als für ihre Probleme. So klein sie auch waren. Schade eigentlich. „Es ist ein Junge!“ sagte sie dann. Dann musste sie lachen. „Wie soll ich dir Antworten, wenn du mich so mit Fragen überschüttest? Marcus war eben angespannt, nervös und auch gereizt. Fast könnte man denken er sei der Vater, so wie er sich aufgeführt hat“, plapperte sie munter drauf los ohne auf ihre Worte zu achten. Erst einen Augenblick später wurde ihr bewusst was sie da gesagt hatte. „Also... ehm... Naja....!“ Sie verstummte dann einfach.

    Nada spürte den Wind, wie er an ihrer Mähne zerrte, neckend nach ihr rief und sie herausforderte die Muskeln zu bewegen. Geschmeidig und schnell lief sie, gallopierte, bog von der gepflasterten Straße auf einen Feldweg ab. Schneller und schneller. Ihre Ohren stellten sich auf, als sie den Wallach hinter sich hörte, spürte wie die Erde unter seinem schweren Körper erzitterte und bebte. Sie streckte den Hals, es musste noch schneller gehen. Sie würde sich nicht fangen lassen, sie war wie der Wind.


    Flora spürte wie der kräftige Pferdekörper sich an der Bewegung freute, wie die Stute noch an Geschwindigkeit gewann und sich mit dem Wind ein Wettrennen lieferte. Sicher hielt sie sich auf dem Rücken, hielt die Zügel locker um ihr die Freiheit zu lassen, die sie so sehr begehrte. Es war ihr eigener Wunsch allem zu entkommen.
    Der gleichmäßige Rhythmus war ein donnern in ihrem Kopf und verdrängte alle Gedanken. Erst nach dem das Tier einige Meilen hinter sich gebracht hatte und sich die Landschaft veränderte, wurde sie ihr wieder bewusst, dass sie ja nicht allein unterwegs war. Sie warf einen Blick über ihre Schulter und stellte fest, dass sie Cimon mühelos abgehängt hatte. Nur ganz sacht zog sie an den Zügeln. Nada reagierte sofort und wurde langsamer und fiel in leichten Trab. Flora richtete sich auf. Sie sah aus wie eine Nymphe, ihr sorgfältig frisiertes Haar hatte sich aufgelöst, die Locken umrahmten ihr vom Wind gerötetes Gesicht. Ihr Kleid war bis zu den Schenkel hoch gerutscht und entblößte fast weiße Haut. Sie war sich gar nicht bewusst, welchen Eindruck sie machte. Mit großen grünen Augen sah sie Cimon entgegen.

    Schon fast ungeduldig drückte die Stute ihren Kopf gegen den Rücken von Flora. Sie lachte, sie Beiden wollten raus und reiten, so weit sie konnten. Mit dem Wind sich ein Wettrennen leisten und erst dann stehen bleiben, wenn die Muskeln vor Erschöpfung zitterten. Raus nur raus und dann schneller und schneller. Fliehen vor den Pflichten einer jungen Patrizierin, fliehen vor der lauten lärmenden Stadt...
    Ihr Blick glitt zu Cimon. Im Grunde sprach nichts dagegen, sie war ja nicht allein unterwegs und sie konnte auch ohne Sattel reiten. Nur war es verboten durch Rom zu reiten, also mussten sie raus. Kurz kämpften der Drang eine vorbildliche Römerin zu sein, gegen den Wildfang in ihrem Inneren. Der Wildfang gewann und verführte sie mit sanfter Stimme dazu, einfach einmal alles zu vergessen. Alle Regeln, alle Verantwortung, alle lästigen Pflichten und als dann der Wind noch an ihren Locken zupfte, stand ihr Entschluss fest. Sie würden Rom verlassen, egal welche Konsequenzen es geben würde...


    Sie ging an Cimon vorbei und lächelte ihm zu. Einfach der Hauptstraße folgen, dann würden sie schon zu einem der Stadttore gelangen.


    Ihr Weg führte sie vorbei an Ständen und Händlern und vielen Menschen und dann waren sie plötzlich Frei. Sie hatten die lärmende stinkende Stadt hinter sich gelassen und fanden sich auf einer breiten Straße wieder. Noch warteten Karren darauf, dass sie in die Stadt gelassen würden, aber die Sonne würde erst in einigen Stunden untergehen.... Sie waren Frei.

    Alle Ermahnungen ihrer Mutter waren vergessen, alle Pflichten und Regeln verdrängt. Ein einziger Gedanke hatte sich in dem hübschen Köpfchen fest gesetzt: Reiten mit dem Wind. Einfach alles vergessen und für einen kurzen Augenblick Frei sein. Dass sie damit Schwierigkeiten und Ärger provozierte war einfach vergessen. Ihre Mutter hatte solche Momente der völligen Gedankenlosigkeit immer als Unbekümmertheit bezeichnet. Flora war dann meist wie weg getreten und vergaß einfach alles um sich herum. Und nun stand die Träumerin direkt vor einem der Tore Roms und der Wildfang in ihr Schrie wilde Begeisterung heraus. Für den Moment gab es nichts, keine Regeln nur sie.


    Flora suchte sich einen Trittstein und von diesem aus schwang sie sich kurzerhand auf den Rücken der Stute. Nada unter ihr spürte die selbe Sehnsucht, sie wollte laufen, mit dem Wind... Kaum saß sie und hatte nach den Zügel gegriffen, da brach die Ungeduld ihre Bahn und die Stute schoss einfach ohne Vorwarnung los. Aus dem Stand ging sie in den Galopp über. Flora jauchzte nur vor Freude und überließ es erst einmal nur der Stute sich einen Weg zu suchen... Sie hatte ganz vergessen, dass sie ja noch einen Begleiter hatte...

    Sie erwiderte das Lächeln von Cimon. Sie mochte den großen nubischen Sklaven. Er war nett und zurückhaltend und nicht aufdringlich. Ihre Begegnungen mit Männern, sofern es nicht gerade Verwandte oder Hauspersonal gewesen war, waren immer anders verlaufen, großspurig und wichtigtuerisch hatten sie ihr Gegenüber gesessen und versucht ihr zu imponieren. Doch sie fand so ein Verhalten nur aufgeblasen und eben aufdringlich. Zurückhaltung war eine Tugend und aus diesem Grund mochte sie Cimon. Er drängte sich ihr nicht auf, war aber irgendwie da. Nicht nur körperlich. Er hing förmlich an ihren Lippen, wenn sie etwas erzählte. Nur dieser Tatsache war sie sich nicht bewusst.


    Doch erst einmal widmete sie sich dem Gespräch über Pferde. Arbo sah sie aus ruhigen dunklen Augen vertrauensvoll an. „Rom ist kein Ort für Pferde“, diese Wahrheit machte es irgendwie verdammt schwer. Sie spielte mit dem Gedanken Nada zurück nach Terentum zu schicken, dort würde sie mehr Bewegungsmöglichkeiten haben. Aber sie konnte sich von der Stute nicht wirklich trennen. Kurz sah sie zu der Stute hinüber und dann glitt ihr Blick fast automatisch hinaus zu Stalltür. Das Wetter war gut, die Sonne stand am Himmel und wärmte bereits schon ein wenig. Sie konnte natürlich ausreiten... Aber dann würde Narcissa mit wollen und sie brauchten noch Begleiter. Verdammt, war das alles kompliziert. „Ich werde einen der Burschen bitten mit Nada aus zureiten. Das solltest du auch machen, dann bekommt Arbo mehr Bewegung!“ schlug sie vor und schob die Idee sich selbst in den Sattel zu schwingen erst einmal beiseite. Das Alter eines Pferdes war schwer einzuschätzen. „Er ist ein Schlachtross“, stellte sie fest und betrachtete den kräftigen Körper. Ihre Stute hingegen wirkte zierlich fast zerbrechlich, wie sie selbst. Doch das täuschte Flora und auch Nada hatte eine innere Stärke, gut verborgen. „Sie altern schneller, als Reitpferde, weil sie meist Männer mit schweren Rüstungen tragen.“ Leicht legte sie den Kopf schief, sie versuchte einzuschätzen, wie lange Arbo noch durchhalten würde. Sie ging schließlich einmal um den Wallach herum und strich ihm dabei über den Rücken.


    Das Thema kam dann wieder zurück zu ihrer Recht ereignisreichen Nacht zurück. Kurz schüttelte sie den Kopf. „Heimweh ist es nicht. Hast du schon gehört, dass Siv ihr Kind bekommen hat?“ fragte sie. „Ich bin da mitten hinein geplatzt und über einen recht angespannten Marcus gestolpert!“

    Mittlerweile kannte sie sich gut in der Villa aus, von daher brauchte Cimon sie nicht durch die bereits vertrauten Gänge führen. Schnell waren sie im Stall angekommen und ihr Blick glitt sofort erst einmal zu Nada. Sie stampfte ungeduldig mit den Huf aus. Sie wollte raus. Doch ehe sie sich ihrer Stute zuwenden konnte, trat sie erst einmal an Arbo heran. Ein großer kräftiger Wallach. Mit sanften Augen und glänzendem Fell.


    „Hallo, mein Schöner!“ grüßte sie das Tier. Sie nahm aus einer Kiste, die an der Stallwand stand einen Apfel heraus und hielt ihn dem Wallach hin. „Ja, der ist für dich!“ Im Hintergrund konnte sie hören wie Nada ungehalten wieherte, sie wollte auch Aufmerksamkeit in Form von Äpfeln. Sie musste lachte und drehte den Kopf zu der geliebten Stute. „Gedulde dich ein wenig, Nada. Du bekommst auch gleich einen Apfel“, versprach sie und kraulte Arbo zwischen den Ohren. Schließlich ging sie erst einmal zu ihrer Stute um diese zu begrüßen und sie auch mit einem Apfel zu belohnen.


    „Du willst raus, nicht wahr?“ fragte sie das Tier. Wenn sie Kummer hatte, dann suchte sie immer bei ihr Schutz und erzählte ihr dann alles. Nada war eine geduldige Zuhörerin. Während sie der Stute die Nase streichelte, sah sie zu Cimon hinüber. „Wollen wir sie raus führen?“ fragte sie ihn und griff schon fast automatisch nach dem Zaumzeug. Es hing direkt neben der Boxentür. Aus edlem Leder mit Goldbeschlagen und ihren Initialen. Mit erfahrener Hand streifte sie Nada das Halfter über den Kopf und befestigte dann auch gleich eine Führungsleine daran. Ein Stallbursche sah dies: „Herrin, so lasst mir Dir doch helfen“, sagte er und eilte zu ihr. Flora schüttelte den Kopf. „Das kann ich schon selbst!“ meinte sie etwas ungehalten. Ihre Mutter hätte jetzt wieder gemeint, dass sie sich so gar nicht damenhaft verhielt und sie den Burschen die Arbeit überlassen sollte. Schließlich war es ihr Aufgabe. Leicht seufzte sie, bei dem Gedanken an ihre Mutter, leichte Wehmut verspürte sie. In Terentum war alles irgendwie leichter gwesen.

    Zu ihrer großen Verwunderung schien der Germanicer befangen in ihrer Nähe zu sein. Daran war sie eigentlich nicht gewöhnt. Die meisten Männern den sie bisher begegnet war, hatten sich immer großspurig benommen. Zumindest wenn es um einen potentiellen Ehemann ging. Der Umgang mit den männlichen Verwandten war eher unkompliziert, aber das jemand befangen war, war ihr neu. Anscheinend hatte Aculeo noch nicht viel mit Patriziern verkehrt. Sie machte eine einladende Geste, er durfte sich gern wieder setzen.


    „Keine Sorge, du kommst nicht ungelegen. Um ehrlich zu sein, bist du der erste Besuch für mich und Narcissa. Bis auf die Familie haben wir noch keine großen Bekanntschaften gemacht. Nun ja, wir sind ja auch erst seit kurzem in Rom“, plauderte sie dann elegant und überging seine Nervosität? Anspannung? einfach mit einem Lächeln. Ein Sklave brachte dann auch sogleich die Getränke.


    „So unhöflich warst du nicht. Es hat uns nur überrascht, dass du so plötzlich gehen musstest. Rom ist für mich und meine Schwester noch sehr unbekannt und wir finden uns erst langsam zurecht! Mir geht es gut. Danke der nachfrage. Ja, wir hatten noch einen angenehmen Tag und haben unseren Bummel fortgesetzt. Ich hab vermutlich mal wieder viel zu viel Geld für neue Kleider ausgegeben.“

    Sacht streichelte sie über die samt weichen Nüstern von Nada, so hatte sie ihre Stute vor langer Zeit getauft. Es war ein sanftes Tier, mit verborgenem Temperament. Mit viel Mühe und Liebe hatte sie die Stute zugeritten, sie reagierte bereits auf die kleine Gewichtsverlagerung. Ihre Mutter war nicht so begeistert gewesen, hatte ihr aber ihren Willen gelassen. Auch weil sie wusste dass sie ihre Tochter bestrafen würde, wenn sie ihr den Umgang mit dem Pferd verbat. Am Ende hatte sich dies als richtige Entscheidung heraus gestellt. Sie hatte gelernt geduldig zu sein, nicht so viel auf einmal zu fordern und ihr Feingefühl ausgeprägt, auch für Menschen. Während sie so aus der Box lugt, stupste Nada sie in die Seite. „Ja, ja, schon gut meine Schöne!“ meinte sie nur und drehte sich erst einmal um, um das Tier mit einer Möhre und einen Apfel zu belohnen. Schließlich schlüpfte sie aus der Box heraus und schloss diese sorgfältig. Ein Protestlaut erklang und sie seufzte. „Nachher darfst du raus!“ erklärte sie dem Tier, als würde es verstehen wie ein Mensch. Schließlich drehte sie sich zu Titus wieder um und trat neben ihn.


    „Ich bin viel zu früh aus dem Bett gefallen und da ich nicht wusste was ich anstellen sollte, bin ich zu Nada gegangen“, sie deutete auf die braune Stute mit der weißen Blässe auf der Stirn. "Ich hab nicht wirklich gut geschlafen heute Nacht!" Sie streckte die Hand nach seinem Wallach aus und ließ diesen erst einmal an ihrer Hand schnuppern, damit er sich mit ihrem Duft vertraut machen kann. Sacht streichelte sie ihn dann schließlich zwischen den Ohren. „Pferde brauchen Bewegung“, sagte sie dann an Titus gewandt. „Wie alt ist er denn?“ fragte sie ihn dann noch.

    Flora war im Garten, als Leone ihr mitteilte, sie habe Besuch. Sie hatte sich ein kleines Beet erobert und die Sklaven bereiteten es nach ihren Anweisungen für den Frühling vor. Sie wollte einen Rosenbusch anpflanzen, doch vorher bedurfte es einer Vorbereitung. Verwundert sah sie den Nubier an. Sie hatte Besuch? So viele Leute kannte sie doch noch nicht. Ob sie einen Germanicus Aculeo kannte? Ach, ja der Germanicer vom Mercatus, ein sympathischer Mann. Er wollte auch Narcissa treffen. „Narcissa dürfte in der Bibliothek sitzen, oder aber in ihrem Zimmer. Wenn sie da nicht ist, dann schau im Stall“, erklärte sie dem Sklaven, damit er nicht das gesamte Haus auf den Kopf stellen musste um ihre Schwester zu finden. Leone nickte und entschwand dann ihren Blicken. Sie ging kurz auf ihr Zimmer und ließ sich von Lysandra die vom Wind zerzausten Locken richten, das gab den Sklaven die Gelegenheit den Gast einzulassen. Wie ein Schatten folgte ihr dann auch die Sklavin, sie würde ihre Sklavin niemals allein mit einem Mann lassen. Zumindest solange nicht, bis diese verheiratet war. Anscheinend hatte jemand den selben Gedanken gehabt, denn unauffällig hatten sich weitere Hausgeister im Atrium versammelt und gingen scheinbar irgendeiner Tätigkeit nach. Das Haus war ein goldener Käfig. Sie konnte die Vorsicht durchaus verstehen, aber ihr fehlte die Freiheit die sie in Terentum gehabt hatte. Mit einem Lächeln begrüßte sie den Germanicer.


    „Salve Germanicus Aculeo“, sagte sie ganz Dame von Welt und artige Tochter. Die Hände vor dem Körper gefaltet. „Was führt dich zu mir? Du willst auch Narcissa besuchen?“ fragte sie dann und setzte sich dann elegant neben ihn auf die Bank. Natürlich ein Stück entfernt, so wie es sich gehörte.

    Schweigend sah sie ihm zu wie er aufräumte. Dass sein Blick dabei die ganze Zeit auf ihr ruhte, war sie sich gar nicht so bewusst. Auch dass es sich eigentlich nicht gehörte. Würde ihre Mutter davon erfahren, würde diese erst einen Herzanfall bekommen und sie anschließend mit Vorwürfen überschüttet und den Sklaven für sein frevelhaftes Verhalten bestrafen und anschließend aus dem Haus verbannen und dafür sorgen, dass er ihre Tochter niemals wieder so ansehen würde. Aber zum Glück für Cimon war die Mutter Floras weit weg und ahnte nichts von diesen Entwicklungen. Und auch Flora wusste gar nicht, was vor sich ging. Sie mochte Cimon einfach.


    Sie strahlte den Nubier an, als er vorschlug, dass sie ja zu den Ställen gehen konnten. „Gern doch. Dann kannst du meine Stute kennen lernen. Sie ist ein liebes Tier!“ berichtete sie begeistert.

    Wirklich gut geschlafen hatte sie nicht. Erst war sie mitten in der Nacht grundlos aufgewacht und dann mehr oder weniger mitten in die Geburt von Siv geplatzt. Lysandra ihre treue Leibsklavin hatte sie mit ihrem munteren Geplapper über die Hausangstellten aufgeklärt. Auf diese war immer verlass, sie fand alles heraus. Wirklich eingeschlafen war sie dann auch nicht, als sie zurück ins Bett geklettert war, so war sie an diesem Morgen ausnahmsweise einmal früher wie Narcissa auf. Ein Wunder, wie Lysandra beteuert hatte, als sie diese dann aus dem Schlaf geholt hatte. Das ihre Herrin recht Still war, viel ihr nicht auf, Flora war eben ein Morgenmuffel. Eilig hatte sie die Aurelia dann hergerichtet und in eine grüne Tunika mit blauer Pala gesteckt. Mit einem eher schlecht gelaunten Ich geh im Garten spazieren war sie dann vor der Sklavin geflüchtet. Ihr weg hatte sie dann aber nicht den Garten geführt, sondern direkt in den Stall wo sie sich nicht zu Schade war ihrer Stute das Fell zu bürsten bis es glänzte. Ganz in die Pflege zu dem Tier beschäftigt bekam sie nicht mit, dass sie Gesellschaft bekommen hatte. Erst als sie eine recht vertraute tiefe Stimme hörte, steckte sie ihren Kopf aus der Box ihrer Stute. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie Cimon und dann auch Ursus.


    „Guten Morgen“, sagte sie etwas überrascht und strich sich eine Locke hinters Ohr. „Schon so früh im Stall?“ fragte sie nach. Kurz lächelte sie Cimon zu. Heute Nacht waren sie sich ja kurz über den Weg gelaufen, ehe Marcus ihn mit schlechter Laune zu Bett geschickt hatte.

    Langsam nickte sie. Aber noch war es ja nicht soweit. Zumindest hatte sie bisher noch nichts davon gehört, dass Titus einen neuen Posten bekommen hatte. Sie brauchte sich also keine Sorgen wegen einem stillen Haus machen. Im Gegenteil, aber dennoch der Gedanke machte sie traurig. Sie wusste nicht einmal warum. Eigenartig...


    Der Themenwechsel kam ihr da nur gelegen. Es freute sie, dass sie ihm hatte etwas Gutes tun können. Die Mühe hatte sich gelohnt. Sie hatte ja keine Mühe gehabt, im Gegenteil, sie hatte gern dieses Stück Stoff bearbeitet. Ihre Mutter hätte ihre Arbeit als Fingerübung bezeichnet.


    „Gern geschehen“, sagte sie schlicht. Irgendwie gingen ihr die Themen aus...