Beiträge von Aurelia Flora

    Abwartend sah der Händler sie an. „Villa Aurelia. Frage nach Flora und Narcissa!“ wies sie ihn an. Sie würden da sein und den Schneider dann empfangen. Sie freute sich schon auf die neuen Kleider. Narcissa würde wahrscheinlich nicht ganz so begeistert sein, aber gegen ein neues Kleid würde diese sich sicherlich nicht sträuben.


    Der Stoff schien vergessen, als Cimon ihr erklärte, warum er ihr Angebot ausschlug. „Oh“, macht sie. Sie hatte gar nicht daran gedacht, dass es ja das Geld ihres Verwandten war. Für sie war es so selbstverständlich, dass sie Geld hatte, dass sie es einfach ausgab ohne darüber nach zu denken. Kurz kam sie in einen Gewissenskonflikt, aber Cimon hatte ja gesagt, sie durfte sich etwas aussuchen. Aber irgendwie wollte sie ihm auch etwas Gutes tun. Schließlich war er so nett und begleitete sie. Schließlich kam ihr eine Idee, wie sie ihm dann doch noch eine Freude machen konnte. Es würde sicher ein wenig Stoff über bleiben und diesen würde sie ihm dann geben.


    „Ich verstehe…“, sagte sie und lächelte dann nur geheimnisvoll. „Wollen wir dann weiter gehen? Wir wollten doch zum Theater!“

    Das Gespräch mit Cimon wurde erst einmal unterbrochen, ihre Aufmerksamkeit galt nun erst einmal dem Händler und seinen Ausführungen. Wie sie bereits vermutet hatte, kannte dieser natürlich einen zuverlässigen Schneider. Ihre Hand strich nachdenklich über den Stoff. Es kitzelte sie regelrecht sich daraus ein Kleid machen zu lassen. Sie hatte eh vorgehabt ihre Garderobe noch ein wenig aufzustocken, jetzt wo sie in Rom war. Außerdem brauchte sie ja noch ein Kleid für die Hochzeit von Titus. Ihr Blick blieb dann schließlich auch noch auf einem lavendelfarbenen Stoff hängen. Das würde Narcissa sicherlich gefallen.


    „Ich würde dann gern einmal diesen Stoff haben“, sie strich über den blauen Stoff, „und diesen dort“, sie deutete auf den lavendelfarbenen, „für meine Schwester“, fügte sie hinzu. „Zwei ein halb Ellen von jedem Stoff dürften reichen!“ Es war irgendwie ihre Aufgabe dass Narcissa auch hübsche Kleider in ihrem Schrank hatte, nur trug diese nicht solche auffälligen Farben wie sie, sondern mochte es dezenter. Sie lächelte dann Cimon zu. „Narcissa wird sich sicherlich freuen, wenn wir ihr auch etwas mi bringen!“ sie dachte immer an ihre Schwester und teilte immer mit dieser. Es war für sie Selbstverständlich. Auffordernd sah sie dann den Nubier an.


    „Warum ist es nicht richtig?“ fragte sie ihn dann verwundert. Sie konnte ja seine Gedanken nicht lesen. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Es ist deine Entscheidung!“ meinte sie dann lapidar. Nichts ahnend was sie womöglich mit ihren Worten in Cimon auslösen würde.
    Sie würde ihn nicht zwingen. Der Händler nickte jedenfalls eifrig.

    Marcus wirkte reichlich angespannt. Er sah aus wie ein gefangenes Tier in einem Käfig, nervös, besorgt und unter der Oberfläche schien noch viel mehr zu lauern. Leicht legte sie den Kopf schief und mit einem aufmerksamen Blick betrachtete sie ihren Verwandten. Ehe ihr Blick dann zu Cimon wanderte und sie ihm ein kurzes Lächeln schenkte.
    Erst als sie merkte wie die Blicke der Männer auf ihr spürten, wurde sie sich bewusst, dass sie ziemlich leicht bekleidet mitten im Flur stand. Ihre Mutter hätte sie jetzt wieder als dumme Gans geschalt. Selbst mitten in der Nacht hatte eine römische Dame vorzeigbar zu sein. Es gab nichts, was nicht auf sie warten würde, wenn sie sich herrichtete. Aber sie war ja nicht davon ausgegangen jemandem über den Weg zu laufen, so mitten in der Nacht.
    Wieder drang ein gedämpfter Schrei auf den Flur hinaus. Fröstelnd schlang sie ihre Arme um den Körper. Die Frage von Marcus hing einen Augenblick zwischen ihnen in der Luft, dann zuckte sie einfach mit den Schultern. Anscheinend würde sie erst dann antworten bekommen, wenn sie seine Frage beantwortet hatte.
    „Ich konnte nicht schlafen“, sagte sie schlicht. Was hätte sie auch groß erklären sollen. „Und als ich Stimmen gehört hab, bin ich hier her gekommen!“ fügte sie hinzu.

    So langsam wuchs zwischen ihnen so etwas wie Vertrauen. Sie konnten offen miteinander reden und als Cimon dann meinte, er sei ihr nicht Gram wegen ihrer Frage, zeigte sie ihm wieder ihr strahlendes Lächeln. Erleichterung durch rieselte sie, sie hatte ihm wirklich nicht zu nahe treten wollen, oder schlechte Erinnerungen wecken wollen, nur weil sie ihre Neugierde nicht bezwingen konnte. Manchmal konnte sie ein ganz schöner Trampel sein. Obwohl sie sich alle Mühe gab, es nicht zu sein und auf ihre Worte zu achten.


    „Das ist lieb von dir, das du so etwas sagst!“ sie senkte kurz den Blick, weil sie irgendwie etwas verlegen war. Sie wusste aber nicht warum. Lag es an Cimons Art? Oder an der Situation. Sie konnte es nicht so genau bestimmen. Ein wenig eigenartig war es schon.


    Ihre Hand strich über einen lindgrünen Stoff mit dunkelgrüner Stickerei. Sie hörte ihm zu, wie er erzählte und das er froh war nun ein Mitglied des Haushaltes der Aurelia zu sein. „Stell nur deine Fragen!“ ermunterte sie ihn mit einem Lächeln. Ihr Blick fiel auf den blauen Stoff. Automatisch strich sie mit ihren Fingern über den glatten Stoff. Daraus konnte sie ein wunderschönes Kleid schneidern lassen. „Die Farbe ist wunderbar!“ lächelte sie und hob ihn prüfend um ihn sich einmal an den Körper zu halten. Sie wandte sich an den Händler: „Kennst Du einen Schneider, der mir daraus ein Kleid machen würde?“ fragte sie diesen und war sich ziemlich sicher, dass dieser seine Kontakte hatte und ihr gern weiter half. Kurz sah sie dann zu Cimon. „Möchtest du auch etwas haben?“ fragte sie ihn dann. Titus hatte sicherlich nichts dagegen, wenn sie seinem Sklaven etwas gutes tat.

    Sie strahlte Cimon an. Sie war sich sicher, dass sie jede Menge Spaß mit ihm haben würde, wenn er denn einmal gänzlich in ihrer Nähe aufgetaut war und seine Scheu abgelegt hatte. Eigentlich war es ja gut, dass er erst einmal auf Distanz blieb, trotz allem könnte sie sich ja noch zu einem gemeinen Miststück entwickeln, die nur darauf lauert, dass er Schwäche zeigt. Aber so Eine war sie nun wirklich nicht, eher war sie viel zu naiv. Es wurde Zeit das sie erwachsen wurde, aber noch wehrte sie sich dagegen mit allen Mitteln. Zumal sie bisher alle so mochten, wie sie war. Es gab keinen Grund für sie, sich zu verändern. Sie war eben eine Träumerin.


    Das sie gerade mit einem Kopfsprung in einem Fettnäpfchen gelandet war, bemerkte sie erst nachdem Cimon angefangen hatte zu reden. Vorher war ihre Aufmerksamkeit von einem Jungen mit einem kleinen Äffchen angezogen worden. Das Tier hatte einen kleinen roten Hut auf dem Kopf und führte einige kleine Kunststückchen vor.
    Der angespannte Tonfall des großen Nubiers ließ sie den Kopf wieder zu ihm drehen. Sie biss sich auf die Unterlippe, weil sie einfach so ohne nach zu denken eine Frage gestellt hatte, die ihm unangenehm war. Sie hatte ihn nicht in Verlegenheit bringen wollen. Bedrückt ließ sie den Kopf hängen. So eben hatte ihre heile Welt einen kleinen Kratzer abbekommen. Sie war so wohlbehütet aufgewachsen, dass sie ganz vergaß, dass das Leben für andere Menschen eben nicht so einfach war, wie für sie. Sie kam sich albern vor mit ihren nichtigen Problemen.


    „Ich wollte dir nicht zu nahe treten!“ entschuldige sie sich dann eilig. Heilfroh darüber, dass sie nun bei dem Händler waren, den Cimon angesteuert war. Hier waren die Stoffe schon wesentlich besser verarbeitet und der Händler ein bescheidener Mann, der wusste dass seine Waren eine vortreffliche Qualität hatte. Er brauchte nicht aufdringlich sein, um seine Kunden von sich zu überzeugen. Seine Bewegungen waren sparsam aber angemessen, er hob nicht die Stimme und er lächelte sanft.

    Von der Aufregung im Haus hatte sie bisher recht wenig mitbekommen. Das Zimmer von Siv lag nämlich in einem anderen Teil der Villa, als ihr eigenes. Dennoch war sie mitten in der Nacht plötzlich wach geworden. Ungewöhnlich, denn normalerweise schlief sie wie ein Stein. Eine ganze Weile hatte sie im Dunkeln gelegen und darauf gewartet, dass Hypnos zurück kehrte, doch stattdessen hatte sie eine rastlose Unruhe in sich gespürt. Leise seufzte sie und schlüpfte dann aus den warmen Decken. Unentschlossen stand sie einen Moment lang in ihrem Zimmer. Sie könnte Lysandra wecken, doch eine kleine Stimme, die sich Gewissen nannte, sagte ihr, dass es nicht sonderlich nett wäre die Sklavin aus ihrem Schlaf zu reißen, nur weil sie selbst so unruhig war. Kurz entschlossen und nur mit einem Nachthemd bekleidet schlich sie aus ihrem Zimmer. Sie rechnete nicht damit, dass sie zu so später Stunde jemandem begegnete. Mit Sicherheit würden alle schlafen. Um so überraschte war sie, als sie dann aufgeregte Stimmen hörte. Die Neugierde meldete sich und vertrieb nun auch die letzte Müdigkeit aus ihrem Körper. Angelockt von Licht und den Stimmen tapste sie noch leicht schlaftrunken den Gang entlang. Sie spitzte die Ohren und blieb dann verschreckt stehen, als sie einen leicht unterdrückten Schrei hörte. Was war denn los? So mitten in der Nacht? Es wäre wohl besser, wenn sie zurück ins Bett ging, aber eine vertraute Stimme ließ sie inne halten. War das nicht Cimon und noch jemand…. Marcus! Neugierde kämpfte ihren Fluchtinstinkt, aber wann war sie schon mal zurück geschreckt. Sie vergaß sogar, dass sie gerade erst aus dem Bett gefallen war und nichts weiter, als ein Nachthemd trug und ihre wilden Locken ihr wirr das Gesicht umrahmten. Normalerweise legte sie ja sonst viel wert, auf eine akzeptable Erscheinung. Aber Angesichts der Aufregung mitten in der Nacht, war das einfach vergessen. Kurz entschlossen schaute sie um die Ecke.


    „Was ist denn hier los?“ fragte sie und sah von Cimon, der reichlich bedrückt wirkte zu Marcus und wieder zurück.

    Einer der Sklaven reichte ihr einen Becher mit Holundersaft. Der schmeckte wesentlich Besser, als das eklige Gebräu aus Weidenrinde, von dem ihr doch glatt schlecht wurde und es nicht Besser machte. Kurz steckte sie sich ein Stück Pfirsich in den Mund. „Guten Morgen Celerina!“ grüßte sie die Flavia, als diese sich dazu gesellte. Sie sah auch nicht gerade fit aus. Anscheinend hatte sie auch ordentlich mit gefeiert.
    In diesem Moment fing sie einen merkwürdigen Blick von Titus auf. Anscheinend hatte er sie für Narcissa gehalten. Aber sie war es ja gewöhnt, verwechselt zu werden. Das war der Nachteil ein Zwilling zu sein.


    Als Marcus und eine Sklavin die Ereignisse des Abends zusammenfasste musste sie kichern. Sie hatte dabei geholfen das Floß zu bauen. Aber das würde sie nicht erzählen, das würde nur Ärger geben. Sie hatte Nymphe gespielt und die Männer zu dem Unfug angestiftet. Verdammter Wein. Um den Schalk in ihren Augen zu verstecken nippte sie ganz schnell an ihrem Becher. Anschließend verzog sie das Gesicht, dass war der Sud aus Weidenrinde gewesen. „Einer der Soldaten fand es auch recht witzig, als Löwe aufzutreten. Er hat sich aus grünen Palmenwedeln eine Mähne gebastelt und ist dann brüllend durchs Haus spaziert!“ erzählte sie kichernd. Eigentlich hatte er es nur gemacht um ihr und Narcissa zu imponieren. Geschmeichelt hatte sie sich auf jeden Fall gefühlt. Lysandra hatte den Spaß dann irgendwann vehement beendet, weil sie die Tugend der Zwillinge in Gefahr gesehen hatte. Dabei waren es nur harmlose Späße gewesen. Zumindest in ihren Augen. So in Gedanken bemerkte sie nur am Rande wie sich die Flavia wegen des Oleanderbusches echauffierte.


    „Ich hab fünf gezählt. Es können aber mehr gewesen sein!“berichtete sie dann Septima auf ihre Frage, wie viele Gäste nach Hause getragen wurden. „Zwischendurch war ich durch das im Implivium untergehende Floß abgelenkt!“

    Flora schätzte offene Worte und ohne groß zu überlegen legte sie den mangelhaften Stoff beiseite und drehte sich dann um. Ohne den Händler eines Blickes zu würdigen würde sie sich ihren Weg nun durch die Menge suchen. Doch für den Moment war sie überfordert, Rom war eben groß und ziemlich viele Menschen tummelten sich in der engen Straße und suchten Händler auf. Es herrschte Lärm, der Geruch von unzähligen Gewürzen hing in der Luft. Einen Augenblcik stand sie überfordert am Rande der wimmelnden Menge, ehe sie eine federleichte Berührung am Arm spürte. Cimon zeigte ihr einen Weg. Wieder prickelte es an der Stelle, wo er sie berührt hatte. Als er seine Hand wieder zurück zog, berührte sie eher unbewusst die Stelle. So etwas hatte sie nicht erwartet, es verwirrte sie. Kurz betrachtete sie den großen Sklaven nachdenklich und zuckte dann mit den Schultern. Es lag sicher nur daran, dass es für sie eine ungewohnte Situation war.


    Sie lächelte Cimon zu, als er ihr den Weg zu einem Händler wies. „Du kennst dich sehr gut aus!“ lobte sie ihn lächelnd. „Du kannst mir sicher Rom zeigen!“ meinte sie zu ihm. Sie war dankbar dafür, dass er so gut auf sie achtete.
    Ein leichter Druck an ihrem Arm ließ sie einen Schritt nach links machen, so wich sie einem fülligen Mann aus. Dieser hatte ein ziemlich großes Gefolge von Klienten und Sklaven bei sich und bahnte sich rücksichtslos einen Weg durch die Menge.


    Der große Sklave gab sich alle sie unbeschadet durch die Straßen zu führen, doch hin und wieder wurde sie doch angerempelt. Dann drehte sie meist den Kopf um zu sehen, gehen wen sie da gelaufen war. Doch von einem Augenblick auf den nächsten ließ es nach und die Leute machten einen Bogen um sie herum. Verwundert wandte sie sich um und stellte fest, dass Cimon ziemlich finster drein blickte und die Leute so von ihr fern hielt. Sie wusste nicht ob sie lachen sollte oder schimpfen. Aber er tat es ja nur um auf sie auf zupassen. Dann ging ihr auf, dass es ihm Spaß machte. Sie musste Grinsen. „Du bist also noch nicht lange bei Titus. Bei wem warst du vorher?“ fragte sie. Sie wollte mehr über ihn erfahren. Auch weil er scheinbar ein interessantes Leben geführt hatte, während sie auf dem langweiligen Land aufgewachsen war.

    Der Händler zeigte sich nur wenig begeistert über das schwarze Bollwerk, welches hinter seiner potentiellen Kundin stand. Diesen stechenden grauen Augen konnte er kaum entkommen und seine Bewegungen wirkten auf einmal linkisch und auch ein wenig fahrig.
    Trotz allem versuchte er natürlich die junge Frau von der Qualität seiner Ware zu überzeugen, doch auch Flora erkannte auf einen Blick, ob es sich um gute Ware handelte oder minderwertige. Der Stoff an sich war fein verarbeitet, aber die Färbung unregelmäßig. Der Färber hatte nicht darauf geachtet, dass das Gemisch aus Baumwolle und Seide die Farbe anders aufnahm, als wenn es sich nur um Seide gehandelt hätte.


    Als sie Cimon um seine Meinung fragte und er eine Braue dabei anhob, musste sie kichern. Titus machte das auch, wenn er über etwas nachdachte. Unter dem Blick des Nubiers schrumpfte der Händler in sich zusammen.
    Wie sie bereits vermutet hatte, gab Cimon ehrlich seine Meinung zum Besten und kurz folgte sie seinem Fingerzeig zu dem hellblauen Stoff. Mit gerümpfter Nase, hob sie diesen an und betrachtete ungehalten die schlechte Färbung.
    „Du hast Recht!“ stimmte sie ihm zu. „Lass un…“, weiter kam sie nicht, weil Cimon unsanft angerempelt wurde und er automatisch einen Schritt auf sie zu machte und nach ihr Griff. Etwas empört blickte sie dem Mann hinter her, der sich anschließend eilig durch die Menge drängte und nur eine kurze Entschuldigung ihnen zu murmelte.
    Erst als der Nubier seine Hand wieder zurück zog, wurde ihr bewusst, dass seine warme Hand, so eben ihren Arm berührt hatte. Ein leichtes Kribbeln blieb sie zurück, welches sie recht verwirrt war nahm.
    „Ist schon gut!“ lächelte sie ihm zu, als er sich leise entschuldigte. Es war ja nichts passiert und er war seiner Pflicht nur nach gekommen. „Komm lass uns weiter gehen. Wir finden sicherlich einen besseren Händler als diesen!“

    Cimons ehrliche und offene Worte entlockten ihr strahlendes Lächeln. Die Zeit würde zeigen, wie sie sich mit Manius verstand.


    Schade, er hatte Arvinia anscheinend auch noch nicht kennen gelernt. Also musste sie sich eine andere Quelle suchen um mehr über die verlobte ihres Bruders s zu erfahren. Sie war einfach neugierig auf die Frau die ihn anscheinend so leicht hatte um den Finger wickeln können. „Wie sie wohl ist?“ dachte sie laut nach und zuckte dann mit den Schultern. Es brachte ihr nichts ein, wenn sie sich jetzt den Kopf darüber zerbrach.


    Flora dachte im Augenblick so gar nicht an ihre Sicherheit, oder daran dass sie es Cimon unnötig schwer machte auf sie zu achten, wenn sie unvermittelt los lief oder abrupt stehen blieb um etwas zu betrachten. Im Augenblick herrschte eine herrliche leere in dem hübschen Köpfchen und sie hatte nur Augen für die Auslagen. So war es immer, wenn sie in einen Kaufrausch verfiel. Meist milderte Narcissa dies ab, aber da diese ja nicht dabei war, konnte sie hemmungslos und völlig gedankenlos von einem Stand zum nächsten schlendern. Der arme Cimon wusste gar nicht worauf er sich eingelassen hatte. In dieser Hinsicht konnte Flora sehr sprunghaft sein.


    „Wunderschöne Herrin“, lamentierte der Händler und ein gieriges Glitzern trat in seine Augen. „Selbst die Sonne erblasst bei Deinem Anblick“, ging es weiter und sie warf ihm einen äußerst kritischen Blick zu. So viel zu Menschen die sich verstellten, selbst wenn sie eine Hasenscharte gehabt hätte und einen Silberblick, hätte er ihre Schönheit in den Himmel gelobt, in dem Glauben sie würde Wachs in seinen Händen sein und sofort etwas kaufen. „Sieh Dir meine Stoffe. Sie kommen aus dem fernen Orient. Seide und Baumwolle dürften Dich gar wunderbar kleiden!“


    Mit geschultem Blick wanderte ihre Hand prüfend über die Stoffbahnen. Kritisch betrachtete sie auch die Färbung und die Verarbeitung. Kurzerhand hielt sie sich einen schillernden roten Stoff vor den Körper und sah dann Cimon fragend an. „Was meinst du? Wirke ich damit zu blass?“ fragte sie. Der Händler in ihrem Rücken öffnete den Mund um sie weiter mit Komplimenten zu überschütten. „Ach was, Herrin. Der Stoff unterstreicht Deine zarte Haut“, versuchte er natürlich seine Ware an die Frau zu bringen. Viel wert legte sie allerhand auf dessen Meinung nicht. Sie war sich sicher, dass Cimon in dieser Hinsicht ehrlicher war. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er dicht hinter ihr stand und wie dicht doch die Menge um sie herum war.

    In manchen Dingen war es für eine junge patrizische Frau schwerer als für einen jungen Mann ihres Standes. Bei einer Frau setzte man nämlich und zu jeder Zeit voraus, dass sie sich zu benehmen wusste, dass sie artig war, zurückhaltend, wohlerzogen. Während ein junger Mann sich durchaus die Hörner abstoßen durfte und man über den ein oder anderen Fehler einfach hinweg sah.


    Seine Frage ließ sie kurz inne halten und wirklich einmal über ihre Familienverhältnisse nachdenken. „Manius war damals schon zehn, ich glaub sie ging davon aus, dass er alt genug ist dass er auch ohne sie zu Recht kommt. Sie hat ihn bei Vater gelassen, nur haben die Beiden sich dann irgendwie entzweit. Wie genau, wollte mir keiner verraten. Ich glaube aber auch das Manius unserer Mutter immer noch Vorwürfe macht, dass sie ihn einfach zurück gelassen hat. Das Verhältnis kann man als unterkühlt bezeichnen…“, meinte sie nachdenklich. Auch wenn es merkwürdig war, es fiel ihr schwer, sich ihrem Bruder gegenüber zu öffnen, was wohl daran lag, dass ihre Mutter von ihm so geschwärmt hatte, dass er als unerreichtes Vorbild für sie galt. So langsam aber merkte sie schon, dass er durchaus seine Schwächen und kleine Fehler hatte. Diese kleinen Dinge würden sie am Ende zusammen führen, aber bisher machten sie eher zaghafte Schritte aufeinander zu.


    Dann winkte sie schließlich ab und lächelte ihm zu. „Mit der Zeit werden wir sicher einander besser verstehen. Ich bin schon auf seine Verlobte gespannt!“ erklärte sie ihm. Sie freute sich auf Hochzeiten, solange es nicht ihre eigene war. "Hast du sie shcon kennen gelernt? Tiberia Arvinia heißt sie."


    Ihr Weg führte sie zum Forum. Immer wieder blieb sie stehen und betrachtete die Auslagen der Händler. Entzückte laute kamen ihr immer wieder über die Lippen. Ein Traum für sie, denn sie liebte Schmuck und Stoffe und all diese oberflächlichen Dinge. Das sie es Cimon auf diese Weise etwas schwerer machte auf sie zu achten, bemerkte sie in ihrer Begeisterung gar nicht.
    Für den Moment hatte sie auch ihr Ziel erst einmal vergessen. Stattdessen wühlte sie sich mit Elan durch einen Stapel bunter Stoffe.

    Wirklich schwer hatte sie es nicht, nur ließ sie nun ihre unbeschwerte Jugend zurück. Ihre Mutter war der Ansicht, dass ihre Töchter nun endlich einmal erwachsen werden sollten. Mit eine der Gründe, warum sie nach Rom geschickt wurden, nicht nur um die familiären Bande wieder zu festigen. Flora und Narcissa sollten lernen, dass das Leben nicht nur aus Sorglosigkeit und Leichtigkeit bestand. Immer noch war zumindest für Flora Rom ein großes Abenteuer und hatte in ihren Augen nichts mit Erziehung zu tun. Deswegen hegte sie immer noch den Glauben, dass sie tun und lassen wollte, was sie durfte. Dass sie nun mit Einschränkungen zu Leben hatte, nahm sie hin, was blieb ihr auch anderes übrig, wenn sie nicht zurück ins langweilige Terentum wollte. Doch schon bald würde sie wohl die Verpflichtungen ihres Standes heimsuchen und dann würde ihr Rom wie der vergoldete Käfig vorkommen aus dem es kein entkommen gab. Erst dann würde sie merken, wie unbeschwert sie einmal gewesen war. Im Grunde hatte sie die Kindheit endgültig hinter sich gelassen, doch Träumerin die sie nun einmal war, war sie sich dessen nicht bewusst.


    Auf ihre Frage hin, gesellte sich Cimon neben sie und gab den Posten hinter ihrem Rücken auf. Ihr kam es gar nicht in den Sinn, dass ihr jemand etwas antun wollte, solange sie in Begleitung dieses kräftigen und großen Mannes war. Das es aber durchaus finstere Gestalten gab, die sich nicht durch einen Sklaven abschrecken ließ, wollte sie nicht wahrhaben. Wie viele andere Dinge auch.


    „Ich war noch nie Mantua. Ehrlich gesagt hab ich nie viel anderes gesehen, als die Ländereien um Terentum herum!“ sagte sie und beantwortete indirekt seine Frage. „Die Reise nach Rom war meine erste große Reise. Wir sind erst vor ein paar Wochen angekommen. Vorher haben wir bei unserer Mutter in Terentum gelebt. Als wir noch Babys waren, waren wir ziemlich kränklich. Aus diesem Grund hat unsere Mutter dann Rom verlassen und sich aufs Land zurück gezogen. Aber sie hatte Rom noch nie gemocht… Nur Schade das sie Manius nicht mitgenommen hat. Er ist nach wie vor wie ein Fremder für mich.“


    Cimon dirigierte sie geschickt durch die Straßen Roms. Sie hätte sich wohl schon nach wenigen Schritten hoffnungslos verlaufen und nicht einmal mehr zurück gefunden. Rom war für sie verwirrend und groß und beeindruckend und auch ein klein wenig beängstigend.

    Mit Cimon an ihrer Seite fühlte sie sich nicht nur sicher, sondern auch wie eine wichtige Persönlichkeit. Immer wieder wurde das etwas seltsam anmutende Paar aus großen schwarzen Sklaven und zierlicher heller junger Frau neugierige Blicke zu geworfen. Was wohl auch daran lag, dass man an ihrer Kleidung erkennen konnte, dass sie aus einer wohlhabenden Familie stammte. Der Halbmond an ihren Sandallen tat ihr übriges noch dazu, dass man hinter ihrem Rücken wilde Vermutungen anstellte, wer sie denn nun war.
    Eigentlich hatte sie Cimon nicht nur mitnehmen wollen, damit er auf sie acht gab, sondern auch, weil sie sich mit ihm so gut unterhalten hatte und seine scheu ihr gegenüber langsam überwand und ablegte.


    „Wie lange bist du schon bei Titus?“ fragte sie dann neugierig. „Und lebst du schon lange in Rom?“ sprudelten die Fragen aus ihr heraus.

    Selbst wenn Cimon Lysandra erzählen würde, was sie ihm eben anvertraut hatte, würde sie ihm nicht Böse sein. Lysandra wusste dass sie für die Zwillinge unersetzlich war, aus diesem Grund konnte sie sich auch eine Menge erlauben. Ließ es aber nie an Respekt mangeln. Flora lächelte ihm zu, als er versprach, nichts zu sagen. Sie glaubte ihm auf Anhieb.


    Sein Einwand was ihren Wunsch zu reiten anging, entsprach ganz dem was sie normaler weise machen würde. Sie würde einfach rausgehen, ihre Stute satteln und dann los reiten, aber hier in Rom war es komplizierter. Die Pferde wurden gut versorgt und bekamen Bewegung durch fleißige Burschen. Einfach so ausreiten durfte sie nicht, zumindest nicht allein. Sie musste jemanden mitnehmen. Diese Kleinigkeit störte sie am meisten, sie kam sich vor, als stünde sie ständig unter Beobachtung. Zwar weil man fürchtete, ihr könnte etwas passieren, aber ungestört einfach über Wiesen zu reiten war nicht drin.


    „Bewegung bekommt mein Pferd ja, nur darf ich allein nicht einfach so ausreiten. Es muss immer jemand mitkommen, der ein wachsames Auge hat. Wenn nicht auf mich, dann zumindest auf die finsteren gestallten die hinter jeder Ecke lauern. Ich vermisse ein wenig die Freiheit einfach in den Stall zu gehen und dann für den restlichen Tag auszureiten!“ erklärte sie ihm. „In Terentum konnte mir nicht viel passieren, aber Rom ist nun einmal Rom. Wesentlich gefährlicher, als ich gedacht habe“, gab sie schief grinsend zu. Sie hatte eben eine kindlich naive Vorstellung von Rom gehabt.


    „Bis gleich!“ lächelte sie Cimon dann zu um in Richtung ihres Zimmers zu entschwinden. Sie zog sich über ihre bestickte gelbe Tunika eine schwere dunkelrote Wollpala. Mit einem kurzen Blick in den Spiegel, richtete sie auch ihre Frisur schnell, ehe sie dann zur Tür eilte. Cimon wartete bereits. Der rote Stoff seiner Tunika hob sich von seiner dunklen Haut ab und bildete einen herrlichen Kontrast. Ihr Blick war bewundert, als sie ihn musterte. Mit einem Lächeln trat sie schließlich vors Haus und ließ sich dann zum Theater führen.

    So war Flora schon immer gewesen: Offen und sie trug ihr Herz auf der Zunge. Es fiel ihr schwer sich zu verstellen. Cimon war auf dem besten Wege später einmal zu ihrem ausgewählten Freundeskreis zu gehören. Da spielte es in ihren Augen keine Rolle, dass er ein Sklave war. Vertrauen war wichtig, wenn einem jemand so nahe stand. Im Grunde vertraute sie nur sehr wenigen Menschen, Narcissa vorbehaltlos und auch Lysandra wusste mehr über sie, als ihre Mutter.


    „Lysandra ist so was wie eine große Schwester. Auch wenn sie sich manchmal wie meine Mutter aufführt“, gestand sie ihm. „Aber erzähl ihr das ja nicht, sie würde nur in Tränen ausbrechen vor Rührung“, zwinkerte sie ihm zu. Lysandra wusste welche besondere Stellung sie bei den Zwillingen hatte.


    Es fiel ihr gar nicht auf, dass er sie einen Moment anstarrte und kurz davor war, die lose Strähne zurück zu streichen. Sie war nicht wirklich ignorant, sondern einfach nur verträumt. Deswegen entging es ihr auch, dass er versuchte ihr nicht in die Augen zu sehen, es ihm aber ständig misslang, weil sie eben war, wie sie war. Anscheinend hatte sie ihn ebenso schnell in ihren Bann gezogen, wie viele andere Männer. Meist weckte sie in den Männern das Bedürfnis, sie zu beschützen, vor den alltäglichen Gefahren. Sie war eben ein Blümchen.


    „Dann geht’s ins Theater!“ sagte sie begeistert und klatschte wie ein kleines Mädchen in die Hände. „Ich werde mich auch schnell umziehen und dann treffen wir uns an der Haustür!“ schlug sie vor.


    Sie schüttelte den Kopf, als er fragte ob sie sich stärken wollte. „Ich kann den ganzen Tag auf dem Pferderücken verbringen, ohne Hunger zu verspüren!“ erzählte sie ihm. Dann machte sie ein leicht enttäuschtes Gesicht. „Bisher hab ich es noch gar nicht geschafft aus zu reiten. Das Wetter hat uns einen Strich durch dir Rechnung gemacht. Und hier in Rom dürfen wir ja nicht reiten…“

    Die Welt war voller oberflächlicher Menschen, die nur sehen wollten, was sie sahen. Ähnelten sich zwei Menschen bis auf die Nasenspitze, so glaubten viele, sie seien auch charakterlich sich gleich. Zwar hatte sie viel mit Narcissa gemein, aber es gab auch deutliche Unterschiede. Sie war froh darüber dass ihre Mutter sie immer gefördert hatte in ihrer unterschiedlichen Entwicklung, auch wenn sie nicht Perfekt waren. Es waren gerade diese Unterschiede, die sie so liebreizend machten.


    Kurz sah sie Cimon etwas verwirrt an. Für einen Moment wurde ihr ziemlich bewusst, dass sie über ihm stand. Sie einfach mit einem Fingerschnippen über sein leben bestimmen konnte. Sie biss sich auf die Unterlippe. Aus diesem Grunde mochte sie Lysandra so sehr, sie fürchtete sich nicht davor, ihr auch manchmal die Meinung zu sagen und ihr eben nicht immer zu gefallen. Selbst wenn sie wollte, könnte sie der Sklavin kein Haar krümmen. Sie wünschte sich, dass Cimon merkte, dass er keine Angst vor ihr haben brauchte und sie wert auf seine Meinung legte. Aber da sie sich erst kennen gelernt hatten, würde er es wohl nicht wagen, sich offen zu äußern und die meisten seiner Gedanken vor ihr verbergen.


    „Ich mag Lysandra so wie sie ist. Sie ist zwar schroff und hin und wieder auch unsanft. Aber sie würde weder mich noch Narcissa willentlich in Schwierigkeiten bringen. Wenn wir unter uns sind, darf sie ruhig sagen was sie denkt. Ich lege viel wert auf ihre Meinung, weil sie ehrlich ist. Es gibt viele Menschen die es nicht sind, die sich hinter ihren Titeln verbergen. Es ist schwer diese dann einzuschätzen. Ich schätze ein ehrliches Wort mehr, als eine wohlgemeinte Lüge“, Gedanken verloren drehte sie eine Strähne zwischen den Fingern und löste auch sogleich wieder ihre frisch gesteckte Frisur auf. Eher unbeabsichtigt, was ihr einen kecken Ausdruck verlieh.


    Sie lächelte, als er meinte dass es Dumm sein, jemanden zu verurteilen nur weil er Stroh im Haar hatte oder eben ein wenig anders war, als der normale Bürger. Aber meist wurden eben doch erst Urteile gefällt, ehe man einen Menschen kennen gelernt hatte. Deswegen hatte sie es nicht immer leicht mit ihrer offenen, schon fast naiven Art.
    „Die meisten haben bereits eine vorgefertigte Meinung. Wenn sie einen Sklaven sehen, sehen sie nur einen Sklaven, nicht den Menschen dahinter, mit seiner Geschichte und auch seinem Leid. Wenn sie Zwillinge sehen, glauben sie dass diese sich in absolut allem gleichen. Ich bin meiner Mutter dankbar, dass sie dafür gesorgt hat, dass ich mir nicht viel aus der Meinung anderer mache, doch leicht ist es meist nicht.“


    Ein breites Strahlen zeigte sich auf ihren Zügen. Begeisterung funkelte aus ihren Augen, als Cimon sich bereit erklärte sie zu begleiten. Kur überlegte sie, was sie sich gern ansehen wollte.


    „Noch kenne ich Rom kaum…“, sagte sie nachdenklich und zeigte dann ein breites Grinsen. „Lass uns zum Theater gehen. Und einmal nachsehen, welche Stücke aufgeführt werden. Dann können wir einmal alle gemeinsam hingehen!“ sie ging einfach davon aus, dass Titus und Narcissa und Cimon gern mit kommen wollten.

    „Was zählt ist der Versuch uns auseinander zu halten und uns nicht immer in einen Topf zu werfen“, erklärte sie ihm lächelnd. Sie fand es sehr nett von ihm, dass er sich die Mühe machen wollte, Unterschiede zwischen den Zwillingen zu finden. Nicht wirklich einfach, aber es war ja auch Lysandra gelungen die ihre beiden Herrinnen selbst mit geschlossenen Augen auseinander halten konnte. Flora hatte die Sklavin gefragt woran sie die Schwestern unterschied und ihr dann erklärt, dass es Kleinigkeiten waren. Das Lächeln und die Farbe der Augen, die Gestik und die Mimik und wie sie etwas sagten. Außerdem sorgte sie dafür, dass die Mädchen immer unterschiedlichen Schmuck trugen. Über diesen kleinen Trick hatte sie herzlich gelacht und die Sklavin umarmt.
    „Die meisten denken, nur weil wir gleich aussehen, sind wir auch charakterlich gleich!“ fügte sie ihren Ausführungen über das Zwillingdasein hinzu.


    Etwas verlegen wurde sie dann schon, als er meinte, er wisse, was sie mit Spaß meinte. „Also nicht das du jetzt denkst, wir führen die Leute absichtlich an der Nase herum. Aber manche sind unbelehrbar und wollen uns einfach verwechseln. Dann machen wir uns auch einen kleinen Spaß daraus! Irgendwann verraten wir uns dann aber immer“, grinste sie.


    Ein warmes Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen, als Cimon ihr versicherte, das niemand von ihr schlecht denken würde. Es waren liebe Worte, ehrlich ausgesprochen. Doch die Realität sah mitunter anders aus. Nur weil sie hübsch war, glaubten viele junge Männer sie sei auch dumm und wenn sie dann mal etwas kluges Äußerte dann hielt man sie sogleich für eine Besserwisserin oder eine eingebildete Aristokratin. Es war nicht immer leicht den Mittelweg zu finden und als aurelische Tochter hatte sie immer bestem Benehmen zu zeigen. Von daher genoss sie Momente, wo sie einfach sie selbst sein konnte. Gegenüber Cimon zeigte sie ihr wahres Ich, das offene freundliche Mädchen, leicht Tollpatschig, hin und wieder ungelenk, aber immer ehrlich. Ihr stand Hochnäsigkeit nicht so gut zu Gesicht, zumindest fand sie das. Aber wenn es sein musste konnte sie auch ein wahres verzogenes Gör sein.


    Cimon zupfte das Stroh aus ihren Locken, zaghaft, als habe er Angst ihr weh zu tun. Wie so häufig schien sie Beschützerinstinkte zu wecken. Sie merkte es fast gar nicht, dass er an ihren haaren herum zupfte. „Du bist vorsichtiger wie Lysandra! Sie hätte jetzt einen Kamm genommen und einfach durch meine Locken gezogen. Da kennt sie keine Gnade. Und sie hätte mich für meine Dummheit geschalt. Weil man ja nie wissen kann, wem man über den Weg läuft“, plapperte sie munter weiter. „Es ist manchmal ganz schön anstrengend eine Aurelia zu sein…“, sagte sie seufzend.


    Mit einer auffordernden Geste bedeutete sie ihm die letzten Halme zu entfernen. Sie merkte seine Unsicherheit. „Keine Sorge ich bin nicht zerbrechlich. Es ist nicht schlimm wenn es ziept!“ sagte sie. Doch Cimon ging nach wie vor vorsichtig zu Werke. So als würde er ein rohes Ei tragen. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, nach dem er ihre Haare von den lästigen Halmen befreite hatte und nahm eines der Rüstungsteile zur Hand um ihr Spiegelbild zu betrachten. Kurzerhand drückte sie ihren improvisierten Spiegel in seine Hände, wobei sie seine warme weiche Haut kurz berührte.
    „Halt doch mal!“ sagte sie und nahm ihre Haarnadeln. Mit wenigen geschickten Handgriffen hatte sie ihre Locken wieder aufgetürmt. Zwar nicht so kunstvoll wie es ihre Leibsklavin tat, aber zumindest fielen sie ihr nun nicht mehr wirr um die Schultern.


    „Hast du Lust auf einen Spaziergang? Ich kann irgendwie nicht mehr im Haus bleiben und es wäre sehr schön, dich als Begleitung zu haben!“ Sie sah ihn fragend an.

    Die große Frage aller Fragen, wie konnte jemand, der die Zwillinge noch nicht kannte, sie auseinander halten. Selbst nach vielen Jahren, war es einigen Sklaven in Terentum nie gelungen. Besonders dann, wenn man nach den Äußerlichkeiten ausging. Stattdessen hatten sie alle darauf gewartete, dass sie sich durch eine Geste oder etwas anderes zu erkennen gaben. Nur ihre Mutter hatte immer auf Anhieb gewusst, wer wer war. Kurz glitt ihr Blick auf das kleine Kettchen an ihrem Handgelenk. Dor eingraviert war ihr Name und das Wappenzeichen der Aurelia, doch nur bei genauem hinsehen konnte man die leicht verblassten Buchstaben erkennen.
    „Also wenn du nach Äußerlichkeiten schaust, so wirst du mich und Narcissa nicht auseinander halten können“, erklärte sie ihm. „Wir gleichen uns bis auf die Haarspitzen. Zwar ziehen wir uns anders an, aber das fällt den wenigsten auf. Im Grunde warten alle darauf, dass wir uns durch eine Geste oder einen Satz zu erkennen geben. Narcissa ist eher die Stille und ruhige. Sie kannst du oft in der Bibliothek finden“, versuchte sie die Unterschiede zwischen sich und ihrer Schwester aufzuzählen. „Ich bin eher Abenteuerlustiger“, grinste sie schalkhaft. Gar nicht so einfach jemanden zu beschreiben, warum man anders war, als der eigene Zwilling. „Aber wenn du uns näher kennen gelernt hast, wirst du sicher wissen, wer wer ist. Und selbst wenn du uns verwechselt, sind wir dir dann nicht Böse. Wir kennen es schon fast gar nicht anders. Nur Mutter hat uns immer unterscheiden können. Ansonsten kann dir das hier helfen." Sie streckte ihren Arm aus und zeigte ihm das Armband. "Dies tragen wir seit unserer Geburt!“ Nicht gerade auffällig. „Ich hab mir schon überlegt ein Namensschild um den Hals zu hängen um es allen einfacher zu machen… aber wo bliebe dann der Spaß“, grinste sie und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.
    Sie lächelte breit, als er erklärte, er würde sie gern in die Stadt begleiten. „Ich nehm dich gern mit! Aber sag es bitte, wenn ich dich von deiner Arbeit ablenke. Ich will nicht, dass du wegen mir Ärger bekommst.“ Das hatte sei noch nie gemocht, wenn jemand anderes für ihre Streiche zur Verantwortung gezogen wurde. Aus diesem Grunde hatte sie ihre Fehler auch immer schnell eingestanden.


    Gemeinsam räumten sie die Rüstung wieder an ihren Platz. Es ging recht zügig. Leicht winkte sie ab, als er meinte, das aufräumen sei seine Aufgabe. „Meine Mutter hat immer die Meinung vertreten, dass ich selbstständig sein soll. Aber“, sie hob den Finger und ahmte dabei den Tonfall ihrer Mutter nach: „Es gehört sich nicht für eine junge Dame, dass sie etwas selbst macht. Zumindest dann nicht, wenn sie dabei beobachtet wird… Wobei sie nicht von Sklaven ausgeht, sondenr vielmehr von potentiellen Ehemännern,“ sie zwinkerte ihm zu. Sie meinte es nicht Böse. „Meine Mutter ist das was man sich wohl unter der perfekten römischen Frau vorstellt. Ich für meinen Teil mag diese steifen regeln nicht, weiß aber das sie notwendig sind, besonders in Gesellschaft. Ich will ja keinen schlechten Eindruck hinter lassen.“ Offene ehrliche Worte, so wie sie nun einmal auch war.


    „Einfach das Stroh heraus zupfen. Den Rest bekomm ich dann schon wieder hin!“ meinte sie zu ihm, als er sich erbot ihr zu helfen. Mit geschickten Fingern zog sie die Haarnadeln heraus und legte sie bei Seite. Das sich kurz Stille zwischen sie senkte bekam sie dabei nicht mit. Sie konnte solche Momente immer gut mit Worten zu füllen, ohne zu merken, dass ihr Gegenüber verlegen war.
    „Nein, nein! Keine Sorge, es geht schon so. Mach dir nur wegen mir keine Umstände!“ winkte sie ab, als er fragte ob er ihr etwas bringen konnte. „Später vielleicht. Bist du eigentlich mit deiner Arbeit hier fertig?“ fragte sie und sah sich dann um, während er versuchte ihre Locken von den anhänglichen Halmen zu befreien.

    Marcus sah so aus, wie sie sich fühlte. Nicht zum ersten Mal war sie dankbar dafür, dass Lysandra ihr Handwerk so gut verstand und dafür gesorgt hatte, dass sie frischer aussah, wie sie sich fühlte. Seltsamerweise hatte sie nie ihre Mutter täuschen können… Diese musste so etwas wie einen sechsten Sinn dafür haben, was in ihren Töchtern vorging. Auch ihr wurde ein Becher mit dem merkwürdigen Gebräu gereicht. Mit Müh und Not würgte sie einen Schluck herunter und schob dann den Becher weit von sich.
    Zur Ablenkung lächelte sie Septima zu und erlöste dann alle Anwesenden von der bohrenden Frage, welcher der Zwillinge sie nun war.
    „Wir haben uns noch gar nicht richtig kennen lernen könne, Septima. Ich bin Flora und wo meine Schwester steckt, weiß ich leider nicht… Vermutlich noch im Bett“, sie machte eine kleine Grimasse, weil ihre Sklavin sie so unsanft und viel zu früh aus dem Bett geholt hatte. Sie hätte ruhig noch liegen bleiben können.

    Cimon, so hieß der Sklave. So zurückhaltend hatte sie bisher nur sehr wenige Sklaven erlebt. Die meisten wagten es hin und wieder das Wort einfach so an sie zu richten und wenn sie an ihre Lysandra dachte, dann war Cimon nicht mit ihr zu vergleichen. Lysandra war eher so etwas wie eine große umsichtige Schwester, die auch hin und wieder sie zu Recht wies. Ein Grund wohl, warum ihre Mutter wohl ausgerechnet diese Sklavin für die Zwillinge ausgewählt hatte. Sie lächelte ihm zu, als er sich vorstellte.


    „Ahh“, machte sie. „Titus hat mir und meiner Schwester schon von dir erzählt. Er meinte wir dürften dich ausleihen, wenn wir in die Stadt wollen!“ plapperte sie Gedankenlos drauflos. „Hast du Narcissa schon kennen gelernt? Sie sieht, naja, aus wie ich“, kicherte sie. „Wir sind Zwillinge“, fügte sie dann im selben Atemzug hinzu. Wieder wurde sie verlegen, sicherlich hatte er sie Beide schon gesehen. Unter Sklaven sprach es sich immer schnell herum, wenn es neue Hausbewohner gab, besonders dann, wenn sie so ungewöhnlich waren. „Aber das weißt du sicherlich schon. Zwillinge sind ja nicht gerade häufig. Egal wo wir hin kommen, wir sind so etwas wie eine Sensation und das spricht sich schnell herum“, meinte sie. Eine Tatsache die sie mitunter gewaltig störte.
    Der Nubier lächelte ihr zu, es war ein warmes Lächeln und machte ihn sogleich freundlicher. „Du solltest vielmehr Lächeln! Das sieht nett aus,“ sagte sie. Was red ich nur wieder für einen Unsinn! schalte sie sich. Wobei sie ihre unbedachten Worte nicht bereute, er sah wirklich viel netter aus, wenn er lächelte.


    Die Rüstungsteile lagen nun verstreut auf dem Boden und sie versuchte ihre Ungeschicklichkeit wieder gut zu machen. „Es tut mir sooo Leid. Ich bin ja so ein Tollpatsch. Das Passiert mir ständig!“ meinte sie und verstummte. Sie war nun auf einer Augenhöhe mit Cimon. Verdutzt sah sie ihn an und musste dann lachen. Diese Situation hatte sie schon oft erlebt. Sie warf etwas um und fand sich dann meist gemeinsam mit den Sklaven auf Knien wieder um das Missgeschick zu beheben. „Lass mich dir helfen. Ich hab es nicht so gern, wenn mir ständig hinter her geräumt wird“, bat sie ihn. Puh, die Rüstung war ja schwer. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Einzelteile in ihrer Hand. Wer hätte das gedacht. Aber ein Gutes hatte das, die einzelnen Rüstungsteile waren so gut poliert, dass sie sich darin spiegelte und sie kurzerhand eine Strohhalme aus ihren Locken ziehen konnte.
    „Ich war im Stall und hab im Stroh gelegen… Lysandra wird gar nicht begeistert sein, wenn sie mir jetzt schon wieder die Haare machen muss!“ sagte sie und sah dann Cimon aus großen grünen Augen an. „Magst du mir gleich helfen?“ fragte sie und legte einige der Rüstungsteile dort wo ihr Platz zu sein schien.