Beiträge von Aurelia Flora

    „Kann ich… irgendetwas tun? Das es dir leichter macht…“, rang sie sich schließlich dazu durch arglos zu fragen. Gepaart mit einem entzückendem Augenaufschlag. Sie stützte sich auf einen Ellenbogen und sah ihn aus großen Augen an. Eigentlich hätte sie sich ja auf die Zunge beißen können. Da bot er ihr die Gelegenheit diese Nacht vorzeitig zu beenden und sie fragte noch nach, ob es nicht doch eine Möglichkeit gab, diese Ehe zu voll ziehen. Je eher sie das hinter sich brachte, desto besser. Dann hatte sie wenigstens ihre erste Pflicht erfüllt.
    Aber auch weil es sie wurmte, dass er keine Regung zeigte. Da war sie nackt, jung und bildhübsch, nur ihr Ehemann zeigte keinerlei Reaktion auf diesen Anblick. Das war deprimierend, schließlich war sie es gewöhnt, dass die Männer sie für unwiderstehlich hielten.

    Ihr Versuch die unangenehme Stille zwischen ihnen irgendwie zu überbrücken, wurde mit einem netten kleinen Kompliment direkt erstickt. Durus schien nicht in der Stimmung zu sein reden zu wollen. War ja kaum verwunderlich, es tat sich immer noch nichts. Das Wundermittelchen schien seine Wirkung noch nicht zu entfalten. Das frustrierte sicherlich nicht nur sie, sondern auch ihn. Vielleicht sollte sie ihm anbieten, diese Sache zu vertagen. Auf den nächsten Abend oder irgendwann ein anderes Mal. Wobei dieser Vorschlag womöglich nicht gut ankam, wenn sie ihn machte. Er könnte ungehalten reagieren… Flora war hin und her gerissen. Ihr war diese Situation unangenehm. Mit so einem Verlauf ihrer Hochzeitsnacht hatte sie nicht gerechnet. Zwar befürchtet, aber nicht daran geglaubt. Sie hatte bisher ihre Erfahrung gemacht das Männer immer konnten und auch wollten. Das galt wohl nicht für etwas ältere Männer.


    Sanft wurde sie aufs Bett gedrückt, sie folgte dem leichten Druck der Hände und ließ sich dann in die Kissen fallen. Ein kleiner verstohlener Blick verriet ihr, dass die Wirkung des Wundermittelchens noch auf sich warten ließ. Seine Hände strichen über ihren Körper. Ob sie auch irgendwas tun sollte?

    Nun drehte Flora doch neugierig den Kopf in die Richtung ihres Mitbieters. Wie sich heraus stellte war er Soldat und so etwas wie ein Feindbild für den Germanen auf dem Podest. Leider konnte man in den Zügen des Sklaven nicht lesen, was er über diese Eröffnung dachte. Es wäre spannend gewesen, wenn der Hüne nun dem Mann an die Gurgel sprang. Oder es zumindest versuchte und dann von den Sklavenhändlern nieder gerungen wurde.
    Doch der Germane blieb ruhig und beherrschte sich.
    Auf ihr Gebot folgte das nächste. Das war zu erwarten gewesen. Aus ihrem Desinteresse wurde nun so etwas wie Jagdfieber. Es lag nun einmal nicht in der Natur der Aurelia, einfach das Handtuch zu werfen, selbst wenn sie nicht wusste, was sie mit diesem Sklaven anstellen wollte. Im Notfall steckte sie ihn in eine Gladiatorenschule und ließ ihn dann zum Leibwächter ausbilden. Oder aber direkt in der Arena kämpfen. Man konnte sich durchaus einen Namen machen, wenn man einen erfolgreichen Gladiator besaß.


    Eher flüchtig warf sie einen Blick auf den gut gebauten Körper des Germanen. Er war durchaus ein beeindruckendes Bild von einem Mann. „1500 Sesterzen!“ , ließ sie das nächste Gebot dann ausrufen. Wenn man einmal vom schlechten Latein absah, schien der Sklave dann doch nicht so schlecht zu sein, wie es auf den ersten Eindruck gewirkt hatte. Er war gesund und muskulös.

    Der Besuch in der Villa Flavia kam ihr ganz gelegen. Flora hegte die Hoffnung eine Gelegenheit zu bekommen mit Prisca zu sprechen. Es gab da einige Dinge in denen sie den Rat ihrer Cousine brauchte. Vor allem aber brauchte sie einfach ein offenes Ohr und eine starke Schulter. Mit Prisca konnte sie über alles reden.


    Mit einer fließenden Bewegung ließ sie sich von den Sklaven aus der Sänfte helfen, danach half sie dann ihrem Ehemann. Sie waren eingeladen worden zu einer cena. Sicherlich um den Nachwuchs des Flavius Gracchus zu bewundern. Es war ihr erster Auftritt als Ehefrau. Aufgeregt oder nervös war sie nicht. Es war ja nur eine cena, nicht irgendein großer öffentlicher Auftritt. Flora erwiderte das fast väterlich wirkende Lächeln.

    Zitat

    Original von Aulus Tiberius Ahala Tiberianus


    Gut verborgen, aber dennoch irgendwie untergründig, war aus seinem Tonfall durch zu hören, dass ihn die Aufgaben einer matrona eher weniger interessierten. Von daher beließ sie es bei der eher beiläufig erwähnten Handarbeit. Mehr gab es dazu im Grunde auch nicht zu sagen. Mit den Feinheiten würde er sich wohl nie beschäftigen.
    Ganz leicht nickte sie. Das war es tatsächlich schon. Eine Unterschrift und schon waren die Erbschaftsangelegenheiten abgehandelt. „Das ging schneller wie ich erwartet hatte“, gab sie dann zu.
    „Ich hab meine Zimmer bereits einrichten lassen“, erzählte sie dann. Mit einer gewissen Freude hatte sie die Sklaven herum gescheucht und auch ein bisschen gequält, bis die Möbel endlich am richtigen Platz waren. Am Ende war es auch dem Maler gelungen, das Wandbild so zu gestalten wie sie es hatte haben wollen. „Was würdest du davon halten, wenn ich dich zum Essen einlade? Da wir ja bald unter einem Dach wohnen, würde ich dich gern etwas näher kennen lernen. Bisher hatten wir noch keine Gelegenheit dazu.“

    Der Sklave war ganz schön selbstbewusst. Ein bisschen zu selbstbewusst für Floras Geschmack. Der freche Sklave sah ihr direkt in die Augen und starrte sie danach förmlich an. Der Gehilfe des Sklavenhändlers bezeichnete ihn als direkt. Eine höfliche Umschreibung für frech und aufdringlich.
    In der Zwischenzeit wurde das erste Angebot abgegeben und der Interessent horchte den Sklaven direkt aus. Welche Qualitäten der Sklave hatte war eigentlich offensichtlich: kräftig und groß. Vielleicht als Gladiator geeignet, aber anscheinend nicht gerade intelligent. Durch und durch ein Barbar, wie Flora fand. Bereitwillig erzählte der Hüne von sich. Es überraschte sie, dass er Händler gewesen sein soll. So sah er nicht aus. Es wollte in Floras Weltvorstellung einfach nicht passen, dass ein so kräftiger Bursche die Grundlagen der Marktwirtschaft beherrschte.


    Die Blicke ignorierte sie einfach. Mit einer gewissen Genugtuung stellte sie fest, dass man ihr verstohlene blicke zu warf, aber sie tat so, als bekam sie diese nicht mit. Vielleicht sollte sie einfach aus Spaß ein wenig mitbieten… Sie nickte einem ihrer Begleiter zu und dieser ließ dann ein Gebot erklingen: „600 Sesterzen!“ Fast hätte sie gelacht, als der Sklave fragte, ob ihr Mitbieter Sklaven als Dinge betrachtete. Sklaven waren Dinge, nichts weiter wie Haushaltsgegenstände! Der Germane kannte seinen Platz anscheinend noch nicht. Zwar versuchte der Sklavenhändler den Sklaven zu maßregeln, aber die Worte waren schon längst.

    Schlimmer wäre wohl nur, wenn plötzlich ihr Gemahl einfach Tod umkippen würde. Was wohl durchaus passieren könnte, wenn man bedachte der Alraune nicht gerade ungefährlich war. Ansonsten konnte sich Flora gerade nicht ausmalen, welche Situation noch unangenehmer sein konnte, als gerade dieser klägliche Versuch die Ehe zu vollziehen. Ihre ganze Hoffnung lag nun in diesem Wundermittelchen. Sie war Prisca unendlich dankbar dafür, dass diese so weitsichtig gewesen war und eben für diesen Fall vorgesorgt hatte. Das Alter ihres Gemahls war ja auch kaum zu übersehen…
    Es kratzte an ihrem Selbstbewusstsein, dass der Tiberius so gar keine Regung bei ihrem Anblick zeigte. Da hörte sie Tag ein Tag aus, wie hübsch sie doch war und dann entlockten ihre körperlichen Vorzüge ihrem Gemahl nicht einmal ein müdes Lächeln. Natürlich konnte sie diese Unzulänglichkeit auf sein Alter schieben, aber dennoch hatte Flora das Gefühl, es läge an ihr. Sie fühlte sich verdammt hilflos und wollte immer noch am liebsten schreiend hinaus rennen. Zum Glück besaß sie wenigstens genug Selbstbeherrschung. Stattdessen ließ sie sich neben ihm auf dem Bett nieder.


    Und nun? Hände in den Schoß legen und warten? Etwas steif und vor allem angespannt saß sie da und starrte irgendeinen Punkt an der gegenüberliegenden Wand an. Wenn man doch nur die Zeit beschleunigen könnte und diese ganze Nacht, die in einem Desaster drohte zu enden, einfach überspringen könnte. Das würde wohl einiges einfacher machen. Aber der bittere Beigeschmack würde wohl bleiben. Also einfach Augen zu und durch… oder so ähnlich. Vielleicht sollten sie sich unterhalten… über das Wetter? Das wäre wahrscheinlich wenig förderlich.


    Es folgte nun eine zögerliche Annäherung, von der sie nicht wusste, ob sie diese als angenehm empfinden sollte, oder nicht. Schließlich entspannte sie dann doch ein kleines bisschen. „Prisca hat sich viel Mühe gegeben…“, versuchte sie dann mit ein bisschen Konservation.

    Es gab viele Gründe warum eine Frau den Markt unsicher machte: Auf der Suche nach dem letzten Schrei in Sachen Mode, aus praktischen Dingen, weil der Schmuck nicht zu dem neuen Kleid passte, aus Rache – eine betrogene Ehefrau die das Vermögen ihres Mannes ausgab um ihm eines auszuwischen, oder aber aus Frust. Egal welche Gründe eine Frau haben mochte, es endete immer gleich, die Sklaven mussten lauter nutzlosen Krempel nach Hause schleppen. Aber nicht immer fühlte sich das betreffende weibliche Wesen dann besser. Der Erwerb von Kinkerlitzchen sorgte nur für einen kurzen Moment für das Glücksgefühl, nach dem Frau auf der Jagd war. Ein Gefühl höchster Befriedung und Zufriedenheit, man mochte es mit der Ekstase des Liebesspiels vergleichen. Es war ein flüchtiges Gefühl, schwer zu fassen und kaum zu halten.
    Flora war auf der Suche nach Bestätigung. Sie badete regelrecht in der Aufmerksamkeit die die Händler ihr zu Teil ließen, während sie sich in extravaganten Kleidern drehte und mit Komplimenten überschüttet wurde. Es hatte sie frustriert, dass ihr Gemahl ihre Reize nicht zu würdigen wusste. Da war sie jung, bildhübsch und mit den Rundungen an den richtigen Stellen ausgestattet und dann war es anscheinend nicht genug. Da spielte es keine Rolle, dass ihr Ehemann ein alter greiser Sack war. Es kratzte nun einmal am Selbstbewusstsein, wenn ein Mann, ihr Ehemann, nicht auf sie reagierte, wie sie es zu erwarten war.
    Es ging von einem Schneider zum nächsten, vorbei an Schmuckhändlern, die sie umschmeichelten oder an Ständen mit teueren Kosmetika vorbei. „Sieh dir dieses Kleid an, Herrin!“ „Diese Kette lässt dich erstrahlen!“ Und so weiter und so fort, es ging immer weiter in einem rasanten Tempo, auf der Jagd nach der Aufmerksamkeit, die sie ihrer Meinung nach verdiente. Aber sie war wählerisch, fast am Ende eines langen und anstrengenden Einkaufsmarathons hatte sie nicht einen Flakon, oder Gürtel oder Schmuckstück erstanden. Nichts, rein gar nichts! Das Glücksgefühl ließ auf sich warten.
    Die Sklaven, welche sie begleiteten, schnauften bereits und stöhnten demonstrativ theatralisch, in der Hoffnung dass die Aurelia endlich ein Erbarmen kannte und diesen Wahnsinn beendete. Doch Flora achtete gar nicht auf ihren Anhang. Stattdessen steuerte sie, nachdem sie bisher nichts gefunden hatte, was ihr gefiel, den Sklavenmarkt an. Ebenso wählerisch wie zuvor schon, schlenderte sie an den Tribünen und der feilgebotenen Ware vorbei. Zu dick, zu dünn, ein dümmlicher Gesichtsausdruck… an allem hatte sie etwas auszusetzen. Schließlich blieb sie am Podest des Titus Tranquillus stehen. Er bot einen dieser Barbaren aus dem Norden an. Ganz leicht legte sie den Kopf schief und musterte den Sklaven eindringlich. Schließlich schnalzte sie unzufrieden mit der Zunge, sie war nicht zufrieden mit dem was der alte Halsabschneider da anbot. „Tranquillus bietet auch nur noch Ramsch an“, ließ sie sich zu einem abfälligen Kommentar hinreißen.

    „Die Wege der Götter sind unergründlich!“ Man konnte nie genau sagen ob nicht die Götter ab und zu ihre Finger im Spiel hatten, wenn sich zwei Menschen begegneten. So Manches Zusammentreffen hatte schon einen Hauch von Schicksal gehabt. Ob im Guten oder Schlechten, konnte man aber meist er im Nachhinein bestimmen. Flora freute sich jedenfalls zu hören, dass es Flaccus gut ging. Sie hatte ihre Gespräche vermisst. Nur hätte sie wohl kaum vor ihrer Hochzeit Zeit für einen Plausch gefunden. Zum einen hatte ihre Mutter mit Argusaugen alles beobachtet und dann war da noch die Hochzeitsplanung gewesen. Zeit für einen Freundschaftsbesuch hatte sie einfach gar nicht gehabt. Ob Luca für sie eine Botschaft überbringen würde? Die Frage war nur wie treu war er seinem Herrn ergeben war, nicht das am Ende irgendwelche Gerüchte den Umlauf machten. „Kandidatur“, verbesserte sie ihn dann beinahe automatisch. „Er will sich bewerben vor dem Senat um eine Aufgabe im Cursus Honorum“, erklärte sie dann. „Ich bin zuversichtlich, dass er es weit bringt.“ Warum auch nicht, Flaccus war Sprössling einer einflussreichen Gens. Es würde schon merkwürdig sein, wenn es ihm nicht gelang Senator zu werden.


    Lysandra warf Luca einen höchst pikierten Blick zu. Der Kerl hatte ihr zugezwinkert! Sie war doch nicht irgendeine Lupa. Zugezwinkert! Das war nun wirklich nicht zu glauben. Kurz funkelte sie den Mann an. Unansehnlich war er ja nicht, das gestand sich die Sklavin ein, aber sie ließ sich doch nicht so vertraut zuzwinkern!


    „Wir Römer verehren viele Götter, angefangen bei der capitolinischen Trias: Iuppiter, Iuno und Minerva. Der Götterkult ist eine Staatsangelegenheit. Das Wichtigste ist der Frieden mit den Göttern. Wir nennen das pax deorum.“ Als Römer wuchs man mit diesem Wissen auf. Man nahm das alles für selbstverständlich, von daher war es ein wenig befremdlich, das sich jemand anscheinend so gar nicht damit auskannte. Er wollte griechisch mit ihr sprechen? Das war so keine gute Idee, zwar hatte Lysandrsa, welche geborene Griechin war, versucht ihr und Narcissa dies beizubringen, aber sie war zumindest bei Flora kläglich gescheitert. Zumal ihre Mutter dies als unwichtig erachtet hatte. Von daher schüttelte sie den Kopf. „Dein Latein wird besser, je öfter du es sprichst“, wiegelte sie seinen Vorschlag ab, anstatt zuzugeben, dass Griechisch eine Sprache war, die sie nicht beherrschte.

    Groß, kräftig gebaut, eindeutig kein Römer, aber seine genaue Herkunft konnte Flora nicht eruieren. Aus dem hohen Norden schien er nicht zu kommen, dazu war seine Haut zu dunkel. Diese Barbaren aus Germania waren ja alle hellhäutig und blond. Rom war voller exotischer Menschen aus allen Herren Ländern, es war also nicht ungewöhnlich, dass ein Ausländer die Tempel aufsuchte um zu opfern. Solange sie ihren Glauben nicht anderen Leuten aufdrängten, war es ihnen auch gestattet.
    Sein Latein war grauenvoll, die Worte wollten ihm nicht leicht über die Lippen gehen. Jeden Satz schien er sich genau zu überlegen. Von daher stellte er sich zögernd vor. Luca, schlicht und einfach. Aber er sagte ihr nichts über seine Herkunft aus, auch nicht ob Sklave oder Perigrini. Schließlich stellte sich dann aber heraus dass er der Leibwächter eines Mannes war, den sie sehr gut kannte. „Du gehörst zu Flavius Flaccus? Er ist ein sehr guter Freund von mir. Ich hab ihn lange nicht mehr gesehen. Mir ist zu Ohren gekommen das er in Germanien war. Wie geht es ihm? Ich sollte ihm wohl einen Besuch abstatten…“, plauderte sie munter vor sich her.


    Lysandra unterdrückte ein Stöhnen. Das konnte noch heiter werden, wenn ihre Herrin wieder auf den Flavier traf. Sie würde ihre Herrin später einmal eindringlich daran erinnern müssen, dass sie nun verheiratet war und dass Flora sich nicht leichtfertig zu etwas hinreißen lassen sollte. Aber auf der anderen Seite konnte sie es ihrer Herrin kaum verdenken, dass diese sich nach Nähe sehnte. Die Ehe war arrangiert worden. Eine politische Verknüpfung von zwei mächtigen Familien. Wirklich glücklich war sie nicht. Und das wusste niemand besser, wie die Leibsklavin der Aurelia.


    Fast musste man befürchten, dass Luca etwas Unangebrachtes wissen wollte. Er druckste herum, bis er endlich mit der Sprache heraus rückte. Er wollte einfach nur etwas über die römischen Götterkult erfahren. Etwas mit dem jeder Römer aufwuchs und im Grunde für selbstverständlich nahm. „Ich kann etwas Zeit erübrigen.“ Sie freute sich über diese Ablenkung. So musste sie nicht sofort in die Villa Tiberia zurück kehren. „Was genau willst du wissen?“

    Eine seltsame Vertrautheit schien sie miteinander zu verbinden. Keine Spur mehr von Zurückhaltung oder falscher scheu. Da war nur eine entspannte Zweisamkeit. Friede, Ruhe und Stille, nur untermalt von den zarten Geräuschen ihrer Umgebung. In das Plätschern des Wassers, des säuselnden Windes und dem Rauschen der Blätter mischten sich dann die zarten Klänge der Lyra. Mit offenen Augen schien sie zu träumen. Sie stellte sich vor, wie sich Nymphen und Quellgeister aus ihrem Versteck wagten und zu seiner Melodie begannen ausgelassen zu tanzen. In fröhlichen Pirouetten wirbelten sie herum. Ein munterer Reigen untermalt von dem fröhlichen Lachen dieser Geschöpfe. Mal schnell, mal langsam wirbelten sie um sie herum. Erst als die Musik langsam verklang, versteckten sich die Geschöpfe wieder und der Traum war vorbei. Nicht abrupt, sondern sanft. Ein allmähliches Erwachen aus einem Traum in einem Traum. Denn noch immer saßen sie in dieser geheimnisvollen Grotte, vom Rest der Welt getrennt.


    „Es war wunderschön“, hauchte sie ebenso leise zurück. Ihre Stimme klang ein wenig belegt, aber vor allem ihr Gesichtsausdruck drückte aus, wie wundervoll sie es fand, dass er für sie gespielt hatte. Ganz leicht hob sie den Blick. Wie nah sie einander doch waren. Nur eine Handbreit entfernt schwebten ihre Gesichter übereinander, während sie einander tief in die Augen blickten. Zaghaft hob sie ihre Hand und legte sie auf seine Wange. Ganz leicht strich ihr Daumen dabei über seine Haut. Könnte dieser Abend doch ewig währen. Ein Leben im Paradies ohne Kummer und Nöte. Auf ewig jung, verzaubert und den Sorgen der Welt enthoben.
    Es war eine unbewusste Geste, als sie ihren Kopf ganz leicht hob, unerwartet, aber nicht unwillkommen trafen sich ihre Lippen und vereinigten sich zu einem zärtlichen Kuss.

    Dass er seine ganz eigene Meinung zum Thema Launen der Frauen hatte, machte er nonverbal deutlich. Sein Tonfall sprach Bände und sein Blick ebenfalls. Es schien auch fast so, als sei es ihm unangenehm dieses Thema zu erörtern. Dabei war es durchaus einfach eine Frau bei Laune zu halten. Man musste einer Frau einfach nur ihre Wünsche erfüllen. Wobei an manchen Tagen konnte man es den Frauen dann doch nicht recht machen. Das lag nun einmal in der Natur und gewissen Umständen. Von daher zeigte sie nur ein kleines freches Grinsen und blinzelte ihm zu.


    Flora war sich noch nicht ganz sicher, ob ihr das Kleid gefallen sollte, oder nicht. Sie fand den Schnitt etwas ungünstig, nicht wirklich schmeichelhaft, sondern plump. Sein Vorschlag eine Sklavin es anprobieren zu lassen, fand Anklang. Der Händler war es der dann eilig in die Hände klatschte und seine etwas pummelige Sklavin herbei zitierte. Der Mann witterte ein Geschäft. Doch Flora runzelte die Stirn, als sie die Sklavin erblickte. „Nein!“ bestimmte sie und schüttelte den Kopf. „Willst du mir etwa sagen, dass ich so aussehe?“ fragte sie leicht verärgert. „Lysandra, sei so gut und probier das Kleid an“, befahl sie dann ihrer eigenen Sklavin. Diese nickte eifrig, schnappte sich das Kleid und verschwand hinter einem Vorhang. Der Händler stammelte derweil irgendwelche Entschuldigungen.


    „Ich kenne da einen Gallier, Carolus, ein ziemlich exzentrischer Vogel. Die Kleider von ihm sind gewagt und aufreizend. Und er ist amüsant“, grinste sie, während Lysandra sich versuchte in den Stoff zu verhüllen. „Dieser Schneider scheint zu mehr Stoff zu neigen, als zu weniger! Ich glaub nicht, dass ich mich hinter meterlangen Stoffbahnen verstecken muss, oder?“

    Das sie beobachtete wurde, bekam sie gar nicht mit. Zu sehr war sie auf ihr Opfer konzentriert. Von klein auf, hatte man ihr eingeprägt, wie man Opfer richtig vollzog. Jeder junge Römer wurde mit diesen Ritualen vertraut gemacht, denn es gab ja fast nichts Wichtigeres wie den pax deorum – den Frieden mit den Göttern. Noch einen Moment lang betrachtete sie die Statue, welche man zu Ehren der Göttin in diesem Tempel aufgestellt hatte. Schließlich wandte sie sich zum gehen. Lysandra gesellte sich an ihre Seite und lächelte ihr leicht zu. Es war ein eher trauriges Lächeln. Auch die Sklavin vermisste Floras Zwilling sehr. Hatte sie doch den beiden Aurelia ihr Leben lang gedient. Den Tod der einen mit zu erleben, hatte auch sie schwer getroffen. Doch im Gegensatz zu Flora hatte sie nicht lange trauern können, eigentlich gar nicht. Als Sklavin durfte sie ihre Pflichten niemals vernachlässigen. Zumal Flora eine starke Schulter zum zu weinen benötigt hatte. Mit diesem kleinen Opfer hatten sie Beide nun endgültig die Trauerzeit hinter sich gelassen.


    Aus den Schatten der Säulen trat eine Gestalt. Wohl ein weiterer demütiger Römer der ein Opfer dar bringen wollte, doch auf dem zweiten Blick stellte sich heraus, dass es der Ausländer war, der sich eben noch vor den Altar geworfen hatte. Ganz leicht neigte sie grüßend den Kopf. Ein wenig Überraschung zeichnete sich auf ihren Zügen ab, sie hatte nicht erwartet, dass der Mann noch im Tempel geblieben war.
    Kurz zögerte sie, dann nickte sie. „Wie kann ich dir helfen?“ fragte sie und rätselte ob dieser jemand Sklave oder Perigrini war. Auf den ersten Blick war es jedenfalls nicht ersichtlich. Zumal er sich nicht so demütig wie ein Sklave verhielt, sondern respektvoll und auch irgendwie selbstbewusst. „Aber ich würde gern erst einmal wissen wer du bist“, fragte sie nach. „Ich bin Aurelia Flora!“ stellte sie sich vor. Lysandra stellte sie nicht vor. Sie war ja auch nur eine Sklavin und im Augenblick nicht wichtig.

    Manche Dinge sollte man wohl besser schnell hinter sich bringen, das war auch der Grund warum sie sich nicht einfach zurück lehnte und einfach auf das unvermeidliche wartete. Es hätte wohl sonst ewig gedauert, bis ihr Gemahl sich von seinen Kleidern befreit hatte. Das warten hätte sie nur noch nervöser gemacht. Die Anspannung hatte sich ohnehin schon zu einem festen Knoten in ihrem Bauch zusammen geballt.


    Die Kleider ihres Gemahls landeten ebenso achtlos auf dem Boden, wie ihre. Ob und wie die Sklaven sich darum bemühen würden, etwaigen Schmutz von den teuren Stoffen zu befreien, daran verschwendete sie keinen Gedanken. Es gab da ein viel offensichtlicheres Problem. Nämlich dass sich anscheinend so rein gar nichts regte. Ein flüchtiger Blick offenbarte ihr, dass diese Nacht wohl in einem Desaster enden würde. Nichts! Überhaupt nichts! Rein gar nichts tat sich. Nicht die kleinste Regung war zu erkennen.
    Lag es an ihr? Beinahe wäre sie doch glatt in Tränen ausgebrochen. Das war die schlimmste Nacht in ihrem Leben!
    Wie gut das sie ihrem Gemahl kurz den Rücken zu wenden konnte um die Fassung schnell wieder zu erlangen, während sie nach dem gewünschten Fläschchen griff. Flora biss sich auf die Innenseite ihrer Wange und das Bedürfnis laut schreiend und schluchzend das Zimmer zu verlassen, verflog. Vorsichtig zog sie den Stöpsel aus dem Fläschchen und versuchte heraus zu finden, was das für ein Wundermittel war, nachdem er da verlangte.


    Mit einem unsicheren Lächeln drehte sie sich schließlich wieder zu ihm um und reichte ihm das gewünschte.

    Zuerst wurde der Gürtel achtlos auf den Boden geworfen und beinahe wehmütig schaute sie diesem nach. Irgendwie war er so etwas wie ein Schutzschild gewesen. Der Gürtel hatte ihre Tunika zusammen gehalten, welche nun in weichen weiten Falten ihren Körper umhüllte. Ein fester Knoten der Anspannung bildete sich in ihrem Magen. Was nicht daran lag, dass es nicht mehr lange dauerte, bis sie ihrem Gemahl bei wohnte, sondern viel mehr damit, dass dieser Moment weder romantisch, noch irgendwie erregend war. Von feuriger Leidenschaft konnte man nicht reden, eher von unterkühlter Pflichterfüllung. Hoffentlich führte das nicht zu einer flaute…. Das wäre wohl reichlich demütigend, wenn ihr jugendlicher Körper ihrem Gemahl keine Reaktion entlocken würde. Auf den Gürtel folgte das rote flammeum und wenig später dann auch noch ihre tunica. Einzig der Blumenkranz landete nicht auf dem Boden sondern auf dem Bett. Flüchtig betrachtete sie die schlaffen Blüten, nach dem langen Tag ließen die Blumen die Köpfe hängen. Dabei wich sie eher unbewusst seinem Blick aus. Erst als er das Schweigen brach hob sie den Kopf und begegnete seinem Blick. Entdeckte sie da so etwas wie Begierde? Irgendwie überraschte sie diese Tatsache ein wenig. Mit allem hatte sie gerechnet, auch dass diese Nacht ein Desaster werden würde, nur nicht, dass ihr Ehemann ehrliches Interesse an ihr haben könnte und sei es auch nur körperlicher Natur.
    Artig kam sie schließlich seiner Anweisung – oder war es eine Bitte?- nach und setzte sich erst einmal nur auf den Rand des Bettes. Doch irgendwie kam sie sich albern vor, nun einfach sich ins Bett zu legen und abzuwarten. Diese Warterei würde ihre Anspannung auch nicht lösen, sondern nur vergrößern. Nach kurzem innerlichen hin und her, was denn nun das Beste wäre, kam sie zu dem Schluss, ihrem Gatten behilflich zu und aus den Kleidern zu helfen. Mit einem schüchternen und unsicherem Lächeln löste sie erst einmal die Toga.

    Da sie nicht aufdringlich sein wollte, betrachtete sie eingehend den Tempelbau und die Mosaike an den Wänden. Sie wollte nicht stören, wenn jemand im Zwiegespräch mit den Göttern war, also überbrückte sie die Wartezeit in dem sie einfach den Tempelbau studierte. Lysandra, ihre Sklavin, blieb im Hintergrund, in einem Korb trug sie die Opfergaben mit sich. Einen Aedituus entdeckte sie sich nicht, anscheinend wurde die Tempelanlage ein wenig vernachlässigt. Sie würde wohl einmal ihren Ehemann darauf ansprechen. Es war eine Schande, wenn auch nur einer der Tempel der Stadt nicht die Aufmerksamkeit bekam, die ihm zustand. Manchmal konnte man das Gefühl haben, dass die Römer die Götter nicht mehr so oft würdigten, wie sie sollten. Dabei sollte der Frevel im Hain der Diana sie alle ermahnt hatte, die Götter nicht zu vergessen.


    Ganz leicht zuckte sie zusammen, als sie plötzlich angesprochen wurde. Sie hatte den Mann, der sich vor den Altar geworfen hatte, ausgeblendet. Sie wollte nicht so unhöflich sein und ihn belauschen. Ihre Vermutung bestätigte sich, er war kein Römer, sein Latein war nicht besonders gut. „Keine Sorge, wer die Götter ehrt, soll sich ruhig dafür die Zeit nehmen die er braucht. Ich hab es nicht eilig!“ erklärte sie und erwiderte das Lächeln freundlich. „Vale“, verabschiedete sie sich dann noch, als der Fremde Anstalten machte, den Tempel zu verlassen. Dann würde sie nun die Gelegenheit haben der Venus ein bescheidenes Opfer dar zu bringen.


    Flora trat an den foculus heran und ließ sich von ihrer Sklavin erst einmal das kleine Beutelchen mit dem Weihrauch geben. Sie ließ die einzelnen Körner in ihre Handfläche fallen, ehe sie diese dann in die bereit stehende Kohleschale streute. Knisternd verbrannte das Harz und verbreitete einen angenehmen Geruch.


    „Oh große Venus Libitina... diese Opfergaben sollen dir gehören“, sie legte einige Blumen und Honigkuchen auf den Altar. „Ich bitte dich darum, dass du über meine Geschwister wachst. Ihr Tod hat mich getroffen und ich vermisse sie schmerzlich, doch ist es ein Trost zu wissen, dass sie nun ihren Platz in den Reihen meiner Ahnen eingenommen haben. Oh Libitina, deine Aufgabe ist eine schwere, du nimmst uns die Menschen die wir lieben, aber du bist weise und gerecht! Niemals würde ich dein Urteil anzweifeln. Diese Blumen und dieser Kuchen sollen dir gehören!“ Flora legte noch zwei Münzen zu den Opfergaben. Mit einer Körperdrehung nach rechts beendete sie schließlich ihr kleines Opfer.

    Seine Frage überraschte sie ein wenig. Aber anstatt ihm jetzt zu eröffnen, dass sie nicht so unschuldig und unbefleckt war, wie sie tat, log sie. „Nein, hab ich nicht...“, es war wohl überflüssig zu erwähnen, dass von ihr erwartet wurde jungfräulich in die Ehe zu gehen.

    Welcher Mann wollte schon von seiner blutjungen Braut erfahren, dass diese bereits Erfahrungen gesammelt hatte. Zumal wenn sie ehrlich sein würde, es noch unzählige Frage nach sich ziehen würde. Wer denn der Kerl gewesen war, der sie ihrer Jungfräulichkeit beraubt hatte, zum Beispiel. Und ob dieser jemand dann auch den Mund zu halten wusste. Nicht das es zu einem Skandal kam. Alles in allem war es besser, wenn sie an dieser Stelle besser die schüchterne Unschuld mimte. Ihre Nervosität und Anspannung war hingegen nicht gespielt. Besonders als er sich dann an ihrem Gürtel zu schaffen machte. Ein nervöses Kribbeln breitete sich von ihrem Bauch in den ganzen Körper aus. Diese Nacht würde wohl nichts mit einem romantischen Stelldichein zu tun haben. Sondern wohl ein rein formeller Akt werden. Wirklich wohl fühlte sie sich bei diesem Gedanken nicht. Mit jemandem das Bett teilen, für den sie rein gar nichts empfand und der mehr als doppelt so alt wie man selbst war. Da halfen auch die zarten Klänge nicht die durch den Raum schwebten. Vielleicht sollte sie sich einfach einen anderen Mann an Stelle ihres Gemahls sich vorstellen… dann würde es vielleicht einfacher werden...


    Vielleicht sollten sie dieses Ereignis auch einfach verschieben. Sonderlich frisch wirkte ihr Ehemann nicht. Eher erschöpft. Aber auf der anderen Seite wollte sie diese Sache einfach hinter sich bringen. Je eher, desto besser und vielleicht wurde es doch nicht so schlimm, wie sie glaubte. Der Gedanke erübrigte sich dann auch, als der Knoten ihres Gürtels nachgab und sich öffnete.