Beiträge von Marcus Germanicus Pius

    Prudentius Balbus. Den Namen würde er sich merken. Nur zu Sicherheit. Was war das andere gewesen, das er sich merken wollte? Es fing mit P an oder?


    Marcus dachte einen Moment nach. “Es war kurz nach dem Frühstück. Ich bin ein bisschen herumgelaufen, in Richtung Mercati, und dann einem Trupp Soldaten hinterher. Natürlich so, dass es ihnen nicht auffiel.“ Er machte eine Geste, die sagen sollte ‚Ist doch selbstverständlich oder?‘., ging dann einen Moment schweigsam weiter. “Hätte dich auch jemand anderes verhauen? Ich meine… Stell dir vor, dein Vater ist nicht da. Weil er weg ist. Hätte dich denn jemand für ihn verhauen?“

    “Ist er stark?“ fragte Marcus da sogleich nach. Musste man ja schließlich wissen, wenn man zukünftig einmal mit jemandem spielen wollte.


    Da war auch schon Calvena besorgt bei der Pappel angekommen. Marcus grinste zu ihr herunter, hielt sich nur mit einer Hand fest und winkte ihr mit der anderen. “Ja, es ist nichts passiert. Guck!“ Nun zeigte er ihr den Ellenbogen. “Nur ein kleiner Kratzer.“ Bei einem Jungen, dessen Beine ständig bunt gepunktet waren, weil er andauernd irgendwo gegen rannte, runter fiel, stolperte und so weiter, ging so ein kleiner Kratzer wirklich nicht sonderlich ins Gewicht. “Magst du mit uns klettern?“ fragte er gut gelaunt und vielleicht ein bisschen übermütig. “Ist ganz leicht!“ Das wollte er ihr natürlich auch demonstrieren. Also hüpfte er erneut hoch um den übernächsten Ast zu greifen, schaffte das auch. Doch dieser Ast war nicht stark genug und brach unter dem Gewicht des Jungen. Mit einem Krachen ging es wieder abwärts für Marcus…

    Praefectus Praetorio. Marcus konnte diese Bezeichnung nicht mal fehlerfrei denken, wollte sich diese beiden Wörter aber merken. “Und wer ist das?“ hakte er neugierig nach. Bia hatte ihm gesagt, dass tagtäglich sehr wichtige Männer in der Casa Germanica ein- und ausgingen (weshalb sie sich im Hause ruhig verhalten sollten). Vielleicht war dieser Mann ja auch mal dabei. “Wenn ich ihn einmal treffe, werde ich ihm sagen, dass er einen sehr guten Soldaten hat und dich reich belohnen sollte.“ Er grinste, meinte das jedoch durchaus ernst.


    Sie wandten sich zum gehen; Marcus nur sehr widerwillig. Aber nun wusste er, was hier auf dem Exerzierplatz passierte und irgendwie machte es auf Dauer auch nicht sooo viel Spaß nur zuzusehen. Gerne hätte er die Männer etwas aufgemischt, doch wollte er bei seinem ersten Besuch hier niemanden verärgern. Er sah den Fremden mit gerunzelter Stirn an. “Meinst du, sie werden sehr sauer sein?“ Er war noch nicht lange hier. Nicht lang genug, um schon etwas ausgefressen haben zu können. Und diese Situation, in der er sich gerade befand, unterschätzte er eh – es war ihm ja nichts geschehen. Im Gegenteil. “Sie haben es noch nie gemerkt, wenn ich… wenn ich spazieren gegangen bin. Ich bin schon groß und kann auf mich aufpassen. Außerdem ist es in der Casa häufig ganz entsetzlich langweilig; und passiert ist mir auch noch nie etwas.“ Er glaubte ja nicht, dass sie sein fehlen dieses Mal bemerkt hatten. Sie verließen die Castra und gingen nebeneinander her in Richtung Casa Germanica.


    Sim-Off:

    Jawohl! 8)

    Gerade hatten sie das Tor der Castra passiert, wo Marcus den Wachen zum Abschied winkte, da fing er auch schon an zu gestikulieren. “Ich habe eine Idee,“ verkündete er und sah den Fremden an. “Du bringst mich zur Casa, wie abgemacht. Da werden wir ja sehen, ob sie wissen, dass ich weg war. Wenn ja, dann kommst du mit rein und sagst ihnen, dass… naja, irgendetwas, dass das Donnerwetter abschwächen könnte.“ Er runzelte die Stirn. “Was könnten wir ihnen denn sagen?“ Machte der Knabe da vielleicht wieder einmal etwas leicht? Jedenfalls schien ihn die Situation nicht wirklich zu bedrücken – nach wie vor glaubte er nicht, dass irgendwer in der Casa auch nur den Deut einer Ahnung hatte, dass er nicht mit Sabinas Holzsoldaten spielte. Offensichtlich war er von dem, was er heute gesehen hatte, noch ein klein wenig überrumpelt.

    Wieder nickte Pius. "Ich habe jetzt mein eigenes Zimmer!" Darüber konnte der Junge sich immer noch jeden Tag freuen. "Ich werde in Rom bleiben, bis ich groß und stark genug bin, ein Soldat zu werden." Wenn die Zeit doch nur etwas schneller vergehen könnte!


    "Wer ist denn dein Vorgesetzter?" fragte er, nicht direkt darauf abzielend, einen Namen zu erfahren, sondern viel eher in Frage stellend, ob er etwas Vergleichbares hatte. Vielleicht Vitale, der ihn und Sabina ab und an unterrichtete, oder Bia. "Wenn du das täglich machen musst, werde ich auch täglich üben. Ich werde einfach Vitale bitten, mich zu kitzeln, wenn ich faul werde."


    Keine Erwachsenenhand ergriff Marcus' Hand. Er sah sie zweifelnd an und ließ sie dann wieder sinken. So ein Mist, hätte ja klappen können. "Stimmt, hatte ich vergessen," log er verschämt, entschied sich aber prompt gegen die kleines-Kind-erregt-Mitleid-Taktik, die bei dem Soldaten bestimmt ohnehin nicht gezogen hätte. Dennoch war er jetzt etwas unschlüssig, ob er den Heimgang nicht doch besser noch etwas hinaus zögerte.

    Das war er. Nicht der einzige, aber auch er war nicht ungeschlagen. Natürlich nicht. Allein gegen seinen Bruder hatte er unzählige Niederlagen kassieren müssen. "Legio II" wiederholte Marcus andächtig. Dieser Fremde war echt das allerallerallertollste Erlebnis, das Marcus seit laaaaaaangem erlebt hatte!
    Er schüttelte den Kopf. "Ich habe schon in Ostia, Mantua und Misenum gelebt. Erst seit einer Weile bin ich in Rom. Es ist besser, ein festes zu Hause zu haben, und ich kann mehr lernen" erklärte er, seinen Bruder imitierend.


    “Ich schaffe das schon,“ beteuerte er und sah den großen Mann an. “Trainierst du denn auch jeden Tag?“ Marcus hatte einen starken Willen. Er machte keine halben Sachen, allerdings hatte er auch noch nie vor solch einer großen Aufgabe gestanden. Tagtäglich üben. Allein. Vielleicht würde er ja einen der Sklaven erweichen können, mit ihm zu üben. Er hatte es sich jetzt in den Kopf gesetzt, den fremden Praetorianer zu beeindrucken.


    Noch einmal schweifte sein Blick über den Platz, wobei er schnell nachdachte, dann wandte er sich dem Soldaten zu. “Ich glaube, ich habe jetzt genug gesehen. Zu Hause werde ich allen davon erzählen! Ich wette, sie werden mir kein Wort glauben.“ Er grinste und hielt dem Fremden die Hand zum Abschied hin. “Ich finde den Weg allein raus und nach Hause. Du hast bestimmt viel zu tun. Alle Erwachsenen haben immer viel zu tun.“

    Er hörte genau hin, um schon einmal viel über seine zukünftigen Spielkameraden zu erfahren. Offensichtlich waren sie keine Brüder und Schwestern. “Ich freue mich schon darauf, wenn ich mitspielen darf. Nun habe ich ja sogar schon ein Schneckenhaus!“ stellte er froh fest.


    “Nein, gar nicht,“ antwortete er ihr, wollte seine Aufholjagd aber auf keinen Fall unterbrechen. So war ihm auch gar nicht aufgefallen, dass er sich etwas wehgetan hatte. Er blutete aus einer kleinen Schramme an seinem Ellenbogen. Als Sabina das bemerkte, sah er kurz nach. “Ach, das ist nur ein winziger Kratzer. Tut nicht mal weh.“ Damit war für ihn die Sache gegessen. Grinsend sah er Sabina an, mit der er nun auf gleicher Höhe war. “Ich bin gleich ganz oben!

    Marcus verzog das Gesicht kurz etwas verunsichert, ließ sich dann aber nichts mehr anmerken. Das Messer der Köchin würde bestimmt seinen Zweck erfüllen. Als der Fremde ihm über den Kopf strich, sah er bereits wieder sehr zuversichtlich drein.


    Dass selbst ein Soldat sich von seiner kleinen Narbe beeindruckt zeigte, machte den Jungen unsagbar stolz. “Ja, ich habe ihn besiegt. Am Ende hat er geweint wie ein Mädchen und bitte, bitte, lass mich los, ich gebe auf geschluchzt.“ Dem hatte er es wirklich gezeigt!
    “Ein Germane?“ fragte er entgeistert nach. Geschichten, die er erzählt bekommen oder unerlaubt belauscht hatte, hatten die Germanen als furchtbar angsteinflößende, grobe, große und überstarke Bestien dargestellt. “Warst du etwa schon einmal in Germania?“


    Er versuchte sich alles ganz genau zu merken, während er die beiden Soldaten beobachtete. Das sah gar nicht so schwer aus, nur ein bisschen komisch teilweise. “Ja, wir haben einen Garten. Es ist bestimmt nicht so schwer zehnmal drum herum zu laufen und diese Liegestützen zu machen. Ich werde gleich heute damit anfangen.“ Er ahnte ja nicht, dass sich in der Casa Germanica seinetwegen ein Unwetter zusammenbraute. Er konnte sich nur freuen, denn es hörte sich so an, als wären der Soldat und er jetzt Freunde. Er lächelte ihn an. “Au ja. Ich verspreche, ich werde auch nicht schummeln und nicht faul sein.“

    “Super!“ hörte man Pius frohen Ausruf aus dem Baum. Nun würde er auch ihre Freunde einmal kennenlernen und er wusste, dass Sabina wirklich gönnerhaft war und nett. “Wo wohnen sie? Sind das alles Brüder und Schwestern?“


    Harz und kleinste Rindenstücke klebten an Marcus Händen, der mit einem Blick zu Sabina feststellte, dass er zwar ein wenig aufgeholt hatte, aber immer noch um einen Ast zurück lag. Das wollte er sich absolut nicht bieten lassen. “Gar nicht! Du wirst schon sehen, wer zuerst oben ist!“ So biss er sich auf die Lippe und machte einen wagemutigen Satz, um nicht den nächsten, sondern den übernächsten zu erreichen. Er verfehlte ihn um Fingerbreite und es ging abwärts. Gerade noch so bekam er einen Ast zu fassen und hielt sich an dem fest. “Autsch,“ murmelte er für sich, sah kurz zu Sabina und startete gleiches Manöver gleich noch einmal. Dieses Mal schaffte er es und das dreimal hintereinander.

    Geduld? Freude und zugleich Enttäuschung spiegelten sich auf den Gesichtszügen des Kindes wieder. Geduld gehörte wahrlich nicht zu seinen Tugenden, wenngleich es auch schlimmer ging. Nicht selten bekam er aufgetragen, sich darin zu üben, sonst würde nie etwas aus ihm werden. Er entschied, angesichts der Tatsachen, dass er von sich selbst mehr erwarten musste, als er das sonst tat. Also nickte er sehr diplomatisch. “Das schaffe ich schon. Und ein Messer habe ich auch. Ein schönes, scharfes Messer, das sich bestimmt sehr gut für das Schnitzen eignen wird.“ Er grinste scheinheilig und dachte an kein geringeres Messer, als das der Köchin.


    Die Narbe war “Riiiiieeeesig! Das hat bestimmt ganz schön doll wehgetan, oder? Wer hat dich da erwischt?“ . Umständlich raffte Marcus seine Tunika ein wenig und zeigte sein linkes Bein. Da zog sich ebenfalls eine Narbe vom Knöchel bis über das Knie. “Ich habe mit einem Jungen gekämpft. In der Erde steckte eine Tonscherbe. Ich wäre mindestens beinahe verblutet! Aber ich hab trotzdem gewonnen.“


    Marcus ließ seinen Blick wieder schweifen. Die Männer trainierten ausdauernd. “Was muss ich tun, damit ich auch ein Soldat werden kann?“ fragte er schließlich, eine Frage, die ihn schon immer beschäftigt hatte.

    Marcus dachte über das Lob nach und betrachtete ebenfalls das Gladius, ehe der Fremde es wegsteckte. „Ich bin auch sehr stolz, dass ich es in meinen Händen halten durfte. Danke.“ Ein Wort, das äußerst selten über Marcus‘ Lippen kam.


    “Ja. Aber ich bin ihm nicht böse. Er hat viel zu tun, weißt du? Er wohnt nicht hier. Aber er kommt mich häufig besuchen.“ Dann nickte er. “Vielleicht. Ich kann ja mal Sedulus fragen. Er ist ein Senator. Wenn er Politik machen kann, kann er bestimmt auch schnitzen.“ Er dachte kurz nach und schüttelte dann grinsend den Kopf. “Nein, ich glaube, er wird auch keine Zeit haben, mir zu helfen. Kannst du mir nicht helfen?“ Mit dem Fremden würde das bestimmt auch dreifach so viel Spaß machen; Sedulus war so reizbar. Außerdem erschien es ihm taktisch sehr sinnvoll, einen Freund zu haben, der Soldat war. Selbst, wenn er ihn nicht wieder in die Castra mit nahm, wäre er als Freund bestimmt superklasse.



    Dass das Wort für Mord stand, hatte Pius nicht gewusst. Wieder sagte er bewundernd: “Woooow.“ In seiner kindlichen Vorstellung war es natürlich nichts Schlimmes zu töten. So wusste er auch nicht das kurze Zögern des Fremden einzuordnen und bohrte neugierig nach. “Und hat dich mal einer erwischt?“

    Da hatte Sabina aber eine ganze Menge Freunde, fand Marcus. “Darf ich mal mit euch allen spielen?“ fragte er und weiter: “Wo wohnen die denn alle? Und wie alt sind sie?“


    Da zog sie sich auch schon einen Hast höher und machte ihm anschließend eine Kampfansage. Die Herausforderung nahm er gerne und vor allem siegessicher an. Augenblicklich machte er sich an den Aufstieg, indem er halsbrecherisch auf dem Ast, auf dem er stand, hoch hüpfte, um so den nächsten zu erreichen. Mit all seiner Kraft zog er sich hoch. Rasch sah er zu Sabina, um zu sehen, wie weit sie schon war. Sie hatte fast den nächsten Ast schon erklommen. “Du bist eine lahme Schnecke, du bist eine lahme Schnecke!“ zog er das Mädchen auf, was nicht sehr nett war, dem war er sich bewusst. Aber wie er vorhin gesagt hatte: Seit wann musste man immer nett sein?

    Mit einem stolzen Grinsen wandte der kleine Möchtegernsoldat sich wieder dem großen, echten Soldaten zu. Er strahlte über das ganze Gesicht. “Du kannst das bestimmt viel besser,“ übte er sich in Bescheidenheit. Wobei das hier alles andere als bescheiden war und es dem Jungen daher schwer fiel, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. Aber er war kein Dummkopf und wusste, dass er hier nichts riskieren durfte, sonst war er ratzfatz zu Hause. Mit einem seltsamen, seine innere Zerrissenheit zwischen Benehmen und Unfug zeigenden Gesichtsausdruck hielt er den Gladius wieder seinem Besitzer hin.


    “Das ist echt schwer. Ich hab kein Gladius. Mein Bruder hat einmal versprochen mir eins aus Holz zu schnitzen, aber ich glaube, das hat er vergessen. Oder… vielleicht kann er es auch nicht.“ Die Kinderschultern zuckten. “Hast du damit schon mal jemanden abgemurkst?“

    “Das glaube ich erst, wenn du es mir beweist,“ konterte der Knabe nüchtern, während er in die Hocke ging. Kaum später war Sabina ihm auf die Schultern geklettert und hangelte nach dem Ast. Ihre Füße schmerzten ganz schön auf seinen Schultern, besonders, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte. Aber er ertrug es mannhaft mit einigen Ächzern und kassierte dafür noch einen Tritt gegen den Kopf. “Autsch, pass doch auf.“ Ein paar mal über die Stelle gerubbelt, dann war der Schmerz auch schon verflogen. Etwas besorgt beobachtete, wie das Mädchen sich auf den Ast mühte. Hoffentlich fiel sie nicht herunter! Doch alle Sorgen waren unbegründet, schon war Sabina oben und grinste stolz auf ihn herab. “Haha, und wie soll das bitte gehen ganz ohne Hilfe, du Schlaumeierin?!“ rief er auf ihre Ermunterung auch rauf zu kommen. Da erkannte sie, dass er es nicht ohne Hilfe schaffen konnte, und hielt ihm einen Arm hin. Marcus stieg auf eine Wurzel, hüpfte von dort aus etwas hoch und ergriff Sabinas Hand. Wieder raschelte es einen Moment, kleinere Äste und abgestorbene Blätter segelten herab, bis auch Marcus sich auf den Ast gezogen hatte. “Du bist doch ganz schön stark,“ lobte er Sabina und fügte hinzu: “Für ein Mädchen.“

    “Das machen sie ziemlich gut oder?“ fragte er, mit Blick auf die übenden Männer. Doch dann sage der Fremde etwas, das noch besser war als die Soldateneinheit: Ja. Verdattert sah er dem Fremden zu, wie er sein Schwert hervorholte und es ihm tatsächlich hinhielt. Die Kinderaugen wurden groß. “Woooow!“ Ehrfurchtsvoll streckte der Knabe die Hände nach dem verzierten Griff aus, wollte es nehmen, unterschätzte aber dessen Gewicht, sodass es erst beim zweiten Anlauf klappte. Endlich hielt er die kostbare Waffe mit beiden Händen fest und betrachtete sie erneut voller Bewunderung, während er darüber informiert wurde, wo die Preatorianer zurzeit überall unterwegs waren.
    Kurz schenkte er den Armmuskeln des Fremden Aufmerksamkeit. Die waren in der Tat ansehnlich. Nichts gegen die dürren Ärmchen eines 6-jährigen Knaben. “Ich wette, du schlägst jeden beim Armdrücken!“


    Urplötzlich, auf keine Entgegnung des Fremden wartend, grinste er und schwenkte die Waffe etwas grobmotorisch hin und her, einen Kampf simulierend. “Komm her, Feigling, und stell dich mir! Ja, so ist gut! Nimm das, du Memme. Und das! Ha! Ich bin Marcus Germanicus Pius und keiner wagt es, den Kaiser zu bedrohen, wenn ich ihn beschütze! Stirb, Elendiger!“ Mit einem wackeligen Ausfallschritt brachte der Knabe seinen imaginären Gegner zum Fall und sich fast auch.

    Ein Praetorianer! Das war ja unglaublich. Dass er fast nicht glaubte, dass er tatsächlich hier stand, den Soldaten bei ihren Übungen zusah und sich mit einem Praetorianer unterhielt, sah man ihm auch an. Dennoch konnte er brav zuhören, was ihm der Fremde erklärte.


    “Sicher ist sicher,“ kommentierte er und nickte einmal. Dann sah er ihn an und es ging los. “Was machen die Soldaten da drüben? Darf ich mal ein Gladius halten? Musstest du schon mal einen Menschen töten? Wer ist gerade beim Kaiser, wenn alle Soldaten hier doch gerade üben? Darf ich mal deine Armmuskeln sehen? Kann ich ein bisschen mit üben? Und was ist ein Geheimdienst?“

    Sabina erreichte den Baum nur wenig später als er. Der niedrigste Ast war von hier aus gesehen doch noch ganz schön hoch, da musste also eine Räuberleiter her. Kurz musterte er das Mädchen und entschied, gerade als sie es aussprach, dass es wohl das Beste sein würde, wenn er sie hinauf hievte und nicht anders herum. Er stemmte die Arme in die Seiten. “Ich glaube auch kaum, dass das andersherum gehen würde. Du bist bestimmt nicht stark genug“ stellte er etwas überheblich fest, eben weil ihn der gebietende Ton Sabinas störte. Dann ging er jedoch sofort in Stellung. Er kniete sich an den Stamm, sodass Sabina ihm gemütlich auf die Schulter steigen konnte. “Na los, kletter auf meine Schultern und halt dich gut am Stamm fest. Ich werde aufstehen und du musst auf den Ast klettern.“ So lautete zumindest der Plan.

    Auf seinem Gesicht hatte man bloße Faszination lesen können. Seine Blicke hatten jede Kleinigkeit aufgefangen; alles, was man sehen musste, hatte Marcus mit Sicherheit gesehen. Er war mit Gucken so beschäftigt gewesen, dass er nicht mal die Zeit gefunden hatte, eine der schätzungsweise 487.432 Fragen zu stellen, die ihm beim Geschehen in der Castra durch den Kopf gespukt waren.


    Neben dem Fremden stehend, fühlte er sich um ganze 10 Zentimeter mindestens gewachsen, so stolz war er, weil er bestimmt der erste 6-jährige war, der jemals hier an genau dieser Stelle gestanden hatte. Interessiert beobachtete er die verschiedenen Gruppen. Ander, die das Verhalten in einer Angriffssituation simulierte, blieb seine Aufmerksamkeit hängen.


    “Die Praetorianer schützen den Kaiser, die Urbanaer die Stadt,“ antwortete er voller Selbstvertrauen, ohne dabei den Blick von der Soldatengruppe abzuwenden. Dann sah er den Fremden aber doch kurz an. “Zu welchen gehörst du?“

    Der Mann wirkte überrascht, was sicher an seinem großen Namen lag. Neulich hatte schon jemand so reagiert, als er sich vorgestellt hatte. Daran mochten die Senatoren Schuld sein. Er nickte. “Ja, in genau dieser Casa,“ bestätigte er nicht ahnend, dass der vermeintliche Soldat ihm nicht gänzlich unbekannt war. Auch sein Name interessierte ihn jetzt gar nicht mehr, wenngleich er von Vitale beigebracht bekommen hatte, dass man, wenn man sich vorgestellt hatte, darauf bestehen sollte, dass auch das Gegenüber sich vorstellte. Nun gab es erst einmal Wichtigeres!


    So folgte er dem Fremden, der ihn an jedem Wachposten vorbei bekam, ganz egal wie streng die Blicke der Soldaten waren. Nun war er es, der nicht schlecht staunte.

    Marcus wandte sich von dem Fremden ab, um einen Moment nachzudenken. Dazu verschränkte er die Arme vor der Brust und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand übers Kinn. Das konnte er sich nicht entgehen lassen! Wiederum würde er mit Sicherheit Ärger kassieren, wenn er von einem Fremden heimgebracht wurde und nicht, wie geplant, leise wie ein Mäuschen in sein Cubiculum schlich. Gar nicht erst daran zu denken, dass dann wahrscheinlich auch herauskommen würde, wo er sich herumgetrieben hatte. Aber er würde auf den Exerzierplatz kommen! Dahin, wo die echten Soldaten trainierten! Konnte es etwas Verlockenderes geben?


    Wegrennen? Er war flink wie ein Wiesel.


    “Also gut,“ seufzte er schließlich und wandte sich dem Fremden wieder zu. “Soldatenehrenwort, wiederholte er streng. “Ich bin Marcus Germanicus Pius. So. Wo geht es zum Exerzirplatz?“