Beiträge von Marcus Germanicus Pius

    Marcus sah wieder etwas auf sich zukommen und konnte gerade noch ausweichen. Vor ihm stand Senator Sedulus, Sabinas Papa, und sah ihn streng an. Auch das noch. Der Junge vernahm seine Worte, reagierte aber wie zu erwarten gewesen war nicht mit Stehenbleiben. Gerade zu einem kaum merklichen Nicken konnte er sich durchringen. Sein Körper dachte nur an die Flucht und so lief er wieder los und hoffte, dass jetzt nicht auch noch der andere Senator seinen Weg kreuzte.


    Hinter ihm sprach Sedulus seinen Bruder an.

    Marcus legte den Kopf in den Nacken und sah Vitale so an. Dazu nickte er. “Alles bestens,“ antwortete er flacksig und überlegte einen Moment, was er über sich erzählen könnte. Da deutete Calvena ihm, dass er sich mal setzen sollte. Das tat er nur zu gerne, denn das Ziehen im Fuß war beim Laufen nicht besser geworden.


    “Das ist nicht schlimm,“ kommentierte er den kleinen Kratzer, den Calvena eingehender begutachtete. Die kleine Wunde hatte der Junge schon wieder vergessen gehabt. So im Sitzen tat der Fuß auch nicht weh, weshalb Marcus Vitale ansah und zu erzählen anfing. “Ich bin schon fast sieben!“ Das war wirklich eine wichtige, wenn nicht sogar DIE wichtigste Tatsache, die es über ihn zu erzählen gab. “Ich habe mal einen echten Löwen gesehen! In Ostia. Er wurde von einem Schiff gebracht, in einem großen Käfig.“

    Marcus Beine hörten erst auf zu laufen, als er mitten in seinem Cubiculum ankam. Dort angekommen schnappte er sich ein Kissen und schlug damit einige Male auf sein Bett ein, um seiner Wut Luft zu verschaffen. Er konnte es nicht verhindern, dass sich seiner Kehle dabei Laute und seinen Augen Tränen des Zorns entwanden, und er bemerkte es zunächst auch gar nicht.


    Aber als ihm recht bald Luft und Kraft ausgingen, bemerkte er das feuchte Gefühl auf seinen Wangen. Hastig und nicht sehr vorsichtig rieb er sich mit dem Kissen die Nässe aus dem Gesicht, denn er wollte nicht weinen. Dann flog das weiche Ding quer durchs Zimmer, ging in einer Zimmerecke zu Boden.


    Nun ging es ihm schon etwas besser. Aber er konnte sich immer noch nicht beruhigen. Mit ein paar schnellen Schritten erreichte er das Kissen wieder und überlegte, was er damit als nächstes anstellen konnte.

    Kaum, dass er ausgesprochen hatte, sah er etwas auf sich zufliegen und fühlte einen zeckenden Schmerz im Gesicht. Die Ohrfeige tat weh und erzielte ihren Erfolg. Der Knabe verstummte fürs Erste, zeigte jedoch nicht im Geringsten Gehorsam, indem er wie befohlen auf sein Zimmer verschwand. Das wäre allerdings auch schwer möglich gewesen, da alle auf ihn einredeten. Auch Paullus forderte indirekt, dass Marcus sich verdrückte. Kaum hatte er ausgeredet, zerschnitt der gellende Ausruf der alten Frau das Atrium und zwang alle zur Ruhe.


    Mit einer dunkelrot verfärbten Wange und schwerem Atem sah Marcus zu ihr. Er fuhr sich mit dem kaum merklich Linderung verschaffenden kühlen Handrücken über das brennende Gesicht, dann versuchte er sich auf ihre Worte zu konzentriere, was angesichts seiner Wut keine leichte Übung war. Als sie Bia den Rücken stärkte und Strenge walten ließ, wollte er schon voller Trotz aufbegehren, aber dann fiel ihm ein, dass sie das Wort Gehorsam benutzt hatte und neben ihm ein Praetorianer stand.
    Das Erlebte kam ihm in den Sinn. Die übenden Soldaten auf dem Exerzierplatz, die Anweisungen, wie er sich trainieren konnte und Valerians Beistand. Er hatte etwas Neues kennen gelernt, Engagement gezeigt und einen Plan für seine Zukunft entwickelt. Doch dies interessierte hier niemanden. Niemand wollte wissen, wie die Welt heute durch seine Augen ausgesehen hatte. Oder wie sie jetzt aussah.


    Alle starrten ihn an. Er kam sich unrecht behandelt und gedemütigt vor, unverstanden und… machtlos. Zu diesem Zeitpunkt konnte er ob seiner Untelegenheit gar keine Einsicht zeigen.


    “Ja!“ antwortete er der Alten verzweifelt und vielleicht etwas zu laut und setzte ihrem strengen Blick seinen grimmigen entgegen. Dann rannte er an denen vorbei, die den Weg zur Treppe verstellten, und flüchtete in sein Cubiculum. Hinter ihm fiel die Tür laut zu.

    Schockiert flog Marcus‘ Blick zu Calvena, die den Praetorianer küsste. Es dauerte einen Moment, bi s die Münze fiel, aber dann klapperte sie dermaßen, dass dem kleinen Germanicus die Kinnlade herunter fiel. Valerian! Das war Calvenas zukünftiger Ehemann! Den, den er so genau unter die Lupe nehmen wollte, weil er ihm so gar nicht sympathisch erschienen war. Und sie küsste ihn! Iiiih!
    Marcus riss sich aus Paullus‘ und Simplex‘ Griff los, blieb aber zwischen all den Anwesenden stehen. In ihm braute sich ein wütendes Unwetter zusammen, was wahrscheinlich daher rührte, da er sich mit dem ganzen Geschehen tatsächlich überfordert fühlte. Dieser Menschenauflauf, der Lärm, der Kuss, sein neuer Freund, der sich als sein Feind entpuppte….


    Seine kleinen Hände ballten sich zu Fäusten, als Bia sich lauthals über ihn beschwerte. Die Worte Pflichtbewusstsein und Menschenverstand waren ihm nicht ganz so vertraut, doch als ihm ein ganzer Monat Hausarrest erteilt wurde, und dann auch noch Calvena seinen freundlichen Feind, der ihm bislang beigestanden hatte wie es wohl unter Kameraden üblich war, rauben wollte, platzte es aus dem Knaben heraus.


    “Ich bin nicht verzogen! Und ich habe doch eine ganze Menge Pflichtverstand!“ entgegnete er wütend und stampfte einmal mit dem linken Fuß auf. “Aber ich habe keine Lust immer nur drinnen zu sitzen und zu lesen und zu schreiben und zu basteln! Das ist doof! So lange Hausarrest zu haben, ist gemein! Dann meckerst du nur noch mehr mit mir! Außerdem magst du mich gar nicht! “ strafte er Bia auf kindische Art.

    Natürlich wanderte auch Marcus‘ Blick sofort zu dem Ding, was Vitale dort gesichtet hatte. Er kniff die Augen zusammen, um es besser erkennen zu können. “Ist das eine Nymphe?“ sprach er seinen ersten Gedanken aus. Er wusste nicht mal richtig, was eine Nymphe war, aber irgendwie sah die Holzfigur wie eine aus… oder er hatte eine vielsagende Fantasie.


    An dem letzte Stück Obst knabbernd, sprang der Junge jedoch nicht gleich auf. Ihm tat nachdem er den Schrecken verdaut hatte ein Fuß etwas weh, doch wollte er sich nichts anmerken lassen. Also rappelte er sich nur auf, blieb aber stehen und jagte nicht gleich zu dem hölzernen Bildnis, das den Park verzierte.

    Nachdem sie den Kindern am Vormittag einiges über die Feierlichkeiten erzählt hatte, die zurzeit statt fanden, um den Ahnen zu gedenken, und Sabina und Pius somit für die Ernsthaftigkeit und Bedeutung sensibilisiert hatte, trat Bia mit ihren beiden Schützlingen ins Lararium. Beides der Kinder ging brav an einer ihrer Hände. In der anderen trugen sie zwei Blumenkränze, die sie mit dem Nachwuchs mühevoll angefertigt hatte.


    Marcus war dieser Tage angenehm ruhig und unkompliziert. Brav hatte er Bia zugehört, sie zwar mit Fragen gelöchert, aber nichts unternommen, um das Thema zu wechseln oder der Bastelei zu entgehen. Wer im Blumenkränzefertigen geschickter war, war nicht zu übersehen. Währens Sabinas Kranz ordentlich geflochten war, sah der des Jungen zerrupft und unfertig aus. Dennoch war es ihm wichtig gewesen, den Kranz selbst im Lararium abzulegen.


    Bia grüßte Calvena und Sedulus und hielt die beiden Kinder an, es ihr gleichzutun. “Salve, Sedulus et Calvena“ grüßte Marcus leise, da das zuckende Licht und die Gesichter ihn etwas ängstigten, ehe Bia ihn aufmunterte an den Altar zu treten und den Kranz abzulegen. Marcus tat wie ihm geheißen und legte ihn behutsam zwischen die anderen Gaben, darauf achtend, dass er dabei keine Kerzen umstieß. “Mutter und Vater und Vormütter und Vorväter, ich ehre euch,“ sprach er, wie Bia es zuvor mit Sabina und ihm eingeübt hatte. Sie hatte ihm erklärt, dass seine Eltern über ihn wachten und es sich deshalb so gehöre, dass man ihnen mindestens einmal im Jahr auch etwas schenken sollte. Er fragte sich, ob sie sich denn über so einen langweiligen Kranz freuen konnten, war er doch schließlich nichts Besonderes.
    Dann huschte er schnell zurück an Bias Seite. Die Stimmung war ganz schön gruselig.

    Marcus fing Calvenas Blick auf, weil er alles in sich aufsaugte, was die Situation gerade hergab. Er musste wissen, was als nächstes kommen würde, um sich gegebenenfalls aus dem Griff des Sklaven loszureißen und Reißaus zu nehmen. Schon wieder. Scheinbar ahnte der Sklave das und lockerte seinen Griff gar nicht erst.


    Bia schien ihn gar nicht gehört zu haben. Sie starrte immer noch düster, sodass er missmutig seinen Mantel und die Händchen fallen ließ, als just sein Bruder das Atrium betrat und ob der Familienversammlung zuerst etwas irritiert aussah, aber recht schnell den Ernst der Lage erkannte. Schließlich heftete sich auch noch der Blick der alten Dame auf ihn.


    “Ich war draußen spielen und spazieren,“ antwortete er Bia, die momentan das schlimmste Übel im Raum war. Er spürte, wie unter ihrem zornigen Blick sein sonst so verlässlich Pläne schmiedender Kopf langsamer arbeitete und mit einer Notlösung auf sich warten ließ. Verunsichert sah der Knabe den Praetorianer an und entschied sich, dass jeder Geschichte ein Deut Wahrheit gut zu Gesicht stand. “Dann habe ich einen Trupp Soldaten gesehen und bin ihnen nachgeschlichen. Sie sind marschiert, weißt du? Sie waren ganz schön schnell, aber ich habe mich nicht abschütteln lassen und bin ihnen immer weiter gefolgt.“ Dem Kind wich die Anspannung aus dem Leib, ohne dass es das wusste, während es erzählte. “Wusstest du, dass es einen Geheimdienst gibt? Ich glaube, die Soldati gehörten zu diesem. Sie sahen sehr wichtig aus.“ Ein schiefes Grinsen zeigte sich auf dem Kindergesicht, das seine eigenen Gesten beobachtet hatte. Doch als es nun den Blick wieder hob, schmolz es wieder dahin.


    Schnell sah Marcus seinen Bruder an und beeilte sich den Kopf zu schütteln. “Nein, es gibt nichts. Ich habe nichts gestohlen!“ beteuerte er rasch. Er war sich sicher, dass die Zeit mehrerer Soldaten, die er gestohlen hatte, nicht zählte. Ergo log er nicht.


    Dann huschte sein Blick zu der Alten. Er kannte sie noch nicht, hatte aber ein paar Dinge über sie erfahren. Dennoch hegte er die Hoffnung, dass sie vielleicht auf seiner Seite stehen würde. Mochten alte Frauen kleine Jungen nicht immer besonders gerne? Die Erfahrngen hatte er zumindest gemacht. Unterwegs hatten ihn alte Damen immer gerne mit Leckereien vollgestopft, wenn er sie nur lieb genug angesehen hatte.
    Das Kind straffte sich und setzte sein höflichstes Lächeln auf. “Ich bin Marcus Germanicus Pius und dem sein Bruder.“ Er deutete auf Aculeo. “Mein Papa war Germanicus Impavida, aber er ist tot und so bin ich jetzt hier zu Hause.“

    Marcus war es ganz schön mulmig zumute, als er mit dem Praetorianer und Simplex das Haus betrat. Die Anwesenheit des Soldaten beruhigte ihn, denn er schien alles sehr locker zu sehen und der Knabe vertraute auf seine Lebenserfahrung. Doch kaum hatten sie das Atrium betreten, legte sich eine von Simplex‘ Pranken auf eine seiner Schultern, um der Ausweglosigkeit dieser Situation Nachdruck zu verleihen. Dann erblickte der Knabe Calvena und Bia, die beinahe sogleich bei seinem Anblick aufsprang und ihn lautstark anfuhr. Marcus konnte nicht anders als bei jedem ihrer zornigen Ausrufe zusammen zu zucken.


    Der Kloß in seinem Hals wollte sich nicht verschlucken lassen. Er versuchte es ein paar Mal, aber bevor er Erfolg hatte, kam eine weitere Frau hinzu. Die Alte. Die, die er neulich schon einmal gesehen hatte. Sie war auch verärgert. Wohl auch seinetwegen. Na toll. Da fehlte jetzt ja nur noch Sabina und die Senatoren.


    Der furchtlose Praetorianer ergriff wieder vor ihm das Wort. Er sah kurz zu ihm und dann Bia an, die Augen angstvoll etwas geweitet. Vor Aufregung vergaß er jeden Gruß. “Ich habe niemanden geärgert, bin nirgends heruntergefallen, habe nichts zerbrochen und bin auch mit niemandem mitgegangen,“ beeilte er sich heiser zu Bedenken zu geben und zeigte ihr dann seinen Mantel. “Ich habe mich nicht einmal schmutzig gemacht, siehst du?“ Es war ein kläglicher Versuch den Anwesenden vorzugaukeln, dass er artig gewesen war.

    Grinsend sah Marcus zu, wie Vitale sich seiner neuen Rolle als Verbrecherkumpane annahm und kicherte vergnügt, als er ihm aus dem Seil half und mit davon lief. “Lauf, Vitale, lauf!“ rief er vergnügt und tat dies ebenso. Calvena heftete sich an Vitales Fersen und Sabina an seine. Aber nicht lange, denn er war schnell und sie verlor das Interesse. Dann setzten die beiden Mädchen Vitale nach und Marcus konnte verschnaufen. Aus sicherer Entfernung beobachtete er, wie sie den Erwachsenen aufgriffen und zu einer Strafe verdonnerten.


    “Lecker!“ rief Marcus, als er sah, wie Vitale die kandierten Früchte kaufte. Da unterlag er wohl dem Herdendrang und vergaß seine Obstphobie. Der honigsüße Mantel zog ihn an. Also setzte er sich brav. “Was ist ein Gendarm?“ fragte er, den Sturz von eben schon längst vergessen.

    Hm. Dieser Name wollte ihm irgendetwas sagen. Valerian. Ja, er hatte ihn bestimmt schon einmal gehört. Hieß nicht einer von Sabinas Freunden so? Darüber nachdenkend, wo er den Namen einmal aufgeschnappt hatte, ließ Marcus sich von den nun zweien Erwachsenen nach Hause führen. Er würde es nie und nimmer zugeben, aber den Weg hätte er allein wohl doch nicht mehr gefunden.


    Er grinste, als Simplex wieder freundlicher war und Neugier zeigte, wie es dem Kind geglückt war ungesehen aus der Casa zu verschwinden. Aber das Grinsen verging ihm schnell wieder, als der Praetorianer seinen Gedanken aussprach und ihm aufmunternd durchs Haar strubbelte. “Die Kinderfrau ist sehr aufmerksam,“ merkte er verärgert an und setzte schnell hinzu: “Und streng.“
    Sein Soldatenfreund wollte sich dann ein Bild von Pius‘ Lage verschaffen. Sein Blick heftete an dem Sklaven, er wollte auch hören, wer alles aufgeschreckt war, um das Maß des Ärgers überschauen zu können. Immerhin hatte es die alte Frau noch nicht mitbekommen, wenngleich der Knabe mit ihr bislang wenig bis gar nichts zu tun gehabt hatte und sie daher auch nicht fürchtete.

    Das konnte er in der Tat verstehen. Man nannte es auch Erpressung. Bislang hatte er sich wirklich nicht großartig Gedanken darum gemacht, dass all die schönen Sachen in der Casa auch von irgendwem gekauft worden waren. Ebenso wie die Kleidung, die er nun an seinem Leib trug. Die waren im Vergleich zu der, die er früher trug, nämlich richtig edel… und umständlich und sie zogen Ärger an. Wegen den Flecken und Rissen und Löchern.
    “Wenn ich so einem gierigen und schlechten Menschen begegne, laufe ich einfach schnell weg.“ Dass das so einfach sicher nicht sein würde, bedachte der Naivling natürlich nicht.


    Er wollte gerade etwas auf des Soldaten Entgegenkommen erwidern, da erkannte er unter den Menschen, die unterwegs waren, einen Bekannten. Es war Calvenas Leibwächter, der immer so grimmig guckte. Oh wie. Ob der nach ihm suchte?
    Die Frage war beantwortet, als Simplex Marcus erspähte und schnurstracks auf ihn zukam. Er baute sich vor ihm auf und brüllte ihn geradewegs an. Damit hatte der Knabe nun nicht wirklich gerechnet und rückte dem netten Soldaten verunsichert etwas näher. Dieser bremste Simplex aus, worüber Marcus sehr dankbar war, denn so konnte er sich in Gedanken einen Plan zurechtlegen.


    Dank Simplex‘ Androhung, dass ihn zu Hause etwas erwarten würde, entschied er sich für den Anfang weiterhin das eingeschüchterte Kind zu spielen. Aus diesem Grund blieb der Kindermund ausnahmsweise verschlossen.

    Mit dem Schrecken davon gekommen. Marcus sah, wie alle erleichtert aufatmeten und wurde wieder auf die Beine gezogen. Calvenas strenge Worte nahm er mit einem Nicken hin, während er sich so gut es ging versuchte vom Schmutz zu befreien. Ein aussichtsloses Unterfangen. Da wollte Vitale die Situation auflockern und schrie plötzlich auf. Marcus sah ihn zuerst verdattert an, musste dann aber kichern, als Vitale seine Hand versteckte und ein Seil hervorholte. In seiner Fantasie erkannte Marcus eine Schlange, die Vitale bestimmt gerade gebissen hatte!


    Dann nahm Calvena das Seil und im nächsten Moment war er an den Baum gefesselt, was fies kitzelte, und wurde von den Dreien in Zaum gehalten wie ein Verbrecher. Er zuckelte Spaßeshalber etwas hin und her, bewies dann jedoch Humor und absolute Unverwüstlichkeit, als er auch schon in das Spiel einstieg. “Ich bin unschuldig! Sagt mir doch mal, was ich verbrochen haben soll, dann beweise ich euch, dass ich es nicht getan habe.“ Er sah Vitale an. "Mein Freund dort drüben wird das bestätigen können."

    “Ach so,“ kommentierte der. So hatte er es also gemeint. Aber trotzdem verstand er es nicht ganz. “Auf was für dumme Ideen denn?“ Das machte für Pius keinen Sinn. Dumme Ideen. Etwa so dumme Ideen, wie er manchmal hatte?


    Er nickte und kickte einen kleinen Stein weg. “Oder wir gehen einfach so zusammen rein. Wenn sie mich nicht gesucht haben, wird es sie bestimmt auch nicht stören, wenn ich einen Besucher mitbringe. Magst du mal mein Cubiculum sehen? Ich habe zwar noch nicht viele Spielsachen, aber es ist trotzdem das beste Cubiculum in ganz Rom!“ Wieder nickte er und sah begeistert den großen Mann an. “Wenn ich sage, du wolltest mit mir spielen, meckern sie bestimmt nicht. Das heißt, wenn du ihnen nicht verrätst, wo ich war.“

    “Nein,“ antwortete er spontan. “Ich bin wirklich noch nicht lange in Rom, weißt du? Ein paar Tage gerade erst. Ich habe viel im Haus gespielt, aber alle fanden es wichtig, dass ich erst einmal viel lerne. Bis jetzt habe ich nur eine Freundin. Zwei sogar. Aber eine davon ist schon Erwachsen.“ Er überlegte. “Du meinst doch nicht ewa, dass ich lügen sollte und sagen, dass ich nur draußen gespielt habe?“ Empört sah er den Soldaten an.

    Marcus stand zwischen Paullus und Paulina und strich mit seinen Händen über jeden der ausgestellten Stoffe, was ihm einen bösen Blick des Händlers einbrachte. Da betatschte der Junge die Stoffe erst richtig doll und streckte dem alten Griesgrahm die Zunge raus, nur um sich gleich danach kichernd hinter seinem Bruder zu verstecken, damit er den Rohrstock nicht abbekam, der nach ihm stichelte.


    Nun stand er mit dem Rücken zu seinem Bruder und blickte direkt in das Gedränge. Immer nur kurz, wenn sich eine Lücke auftat, konnte er den Laden gegenüber sehen. Dort waren viel interessante Dinge ausgelegt, als bei dem Schneider. Es waren Holzspielzeuge. Nicht nur Sielzeuge, auch hölzerne Büsten und Dekogegenstände konnte er sehen, doch die Spielzeuge, die überwiegend bunt eingefärbt waren, waren natürlich viel interessanter.

    Das lustige Kribbeln im Bauch beim Fallen bemerkte Marcus dieses mal nicht, denn er war zu erschrocken, als es plötzlich keinen Halt mehr gab. In der einen Sekunde noch oben im Baum, in der nächsten schon auf dem Boden. Unsanft peitschen ihn die Äste, bis er schließlich Calvena erwischte und der Fall beendet wurde. Der Knabe kam in einer halb sitzenden Position auf und brauchte einen Moment, um wieder ganz zu sich zu kommen. Verdattert sah er Sabina über sich im Baum an und dann von Calvena zu Vitale.


    Mit einem ächzen setzte er sich auf und fuhr sich mit beiden Händen über die Ellenbogen. “Mein Po,“ antwortete er eeeeendlich und grinste die beiden Erwachsenen an.