Der Sklave nahm die Störrung gelassen hin - und brüllte im nächsten Moment mit einem Organ durch die gesamte Sklavenunterkunft, dass es Cara förmlich in den Ohren klingelte. Solch ein Volumen hatte sie dem alten Herrn gar nicht zugetraut. "Äääh...vielen Dank", erwiderte die junge Iulia und verharrte, um auf Phocylides zu warten. Der Ägypter ließ ganz schön lange auf sich warten...
Beiträge von Iulia Cara
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Cara vermisste Sophie. Das Verschwinden der Sklavin hatte eine gewisse Leere zurücklassen. Natürlich gab es auch in der Casa Iulia Sklavinnen, die ihr bei der Toilette, dem Ankleiden und allen anderen möglichen Diensten helfend zur Seite standen. Aber sie waren eben nicht Sophie. Sie konnten Cara nicht gut zureden, wenn sie sich unwohl fühlte, kannten nicht ihr Naturell und ihre Hände fühlten sich kalt und mechanisch an, wenn sie die junge Iulia berührten.
Da sie von Lucius seither keine Informationen über den Verbleib der Sklavin erhalten hatte, entschloss sich Cara, sich selbst bei Phocylides nach Sophie zu erkundigen. Lucius hatte den Ägypter damit beauftragt, nach Sophie zu suchen. Vielleicht war ja etwas dabei heraus gekommen.
Mit Hoffnung im Herzen, machte sie sich also auf zu den Unterkünften der Sklaven des Hauses. Männer und Frauen schliefen getrennt. Einen kurzen Moment zögerte sie, dann klopfte sie an die Tür der Männer. Noch einen zweiten Herzschlag und sie betrat den Raum. Gerade noch so, konnte sich einer der anderen männlichen Sklaven eine Tunika über den Kopf streifen und seine Blöse verbergen. "Oh - Verzeihung", erklärte Cara verlegen lächelnd, wandte sich aber nicht erschrocken um, wie es wohl andere 17-jährige Mädchen angesichts einer solchen Situation getan hätten. Sie war eben nicht schüchtern...
"Phocylides? Ist er hier irgendwo?", erkundigte sie sich. -
SOPHIE
-----------Sophies neues Leben führte sie ganz nach unten; In die dunklen Gassen der Subura. Hier zwischen verwinkelten Häusereingängen, wo Diebe, Strolche, arme gebeutelte, ominöse Gestalten und das Laster ein Zuhause fanden, suchte sie jenen Ort, den sie zusammen mit Barchias einst zu ihrem Treffpunkt auserkoren hatte.
Mal laufend, mal eilenden Schrittes hetzte sie durch die engen, dunklen Gassen.
Sehr wohl fühlte sie sich nicht. Wohl auch deshalb, weil die saubere, cremfarbene Pala, die sie trug, nicht gerade darauf hinwies, dass sie eine entflohene Sklavin, sondern jemand mit zumindest etwas Kleingeld war. Dazu kam diese leise, ungewisse Angst davor, erwischt zu werden. Ihr Herz schlug schnell und laut in ihrer Brust. Sollte sie den ganzen Plan abblasen und in die Casa Iulia zurückkehren? Mit jedem Schritt den sie tat, wurde sie unsicherer. Noch war es nicht zu spät. Noch konnte sie sich damit heraus reden, sich verlaufen zu haben. Es würde nicht einmal auffallen, dass sie versucht hatte, zu fliehen. Fliehen. Sie war eine Dissidentin. Die Furcht trieb ihre Schritte voran. Ein Mann in Lumpen kam ihr entgegen, zwei Frauen vor einer schief hängenden Tür verstummten abrupt, als sie Sophie kommen sahen und betrachteten sie aus tief liegenden Augen, als sei sie ein Fremdkörper in den Eingeweiden eines kranken Körpers, der nur zum Sterben bestimmt war. Hier lag das Sterben in der Luft. Eine Horde Kinder rannte grölend an ihr vorbei und sie musste sich mit dem Rücken an eine dreckige Hauswand drücken, um nicht umgestoßen zu werden. Normalerweise hätte sie den Bengeln nun hinterher geschrieen, doch aus einem unerfindlichen Grund fehlte ihr dazu die Kraft und sie konnte ihnen nur betäubt hinterher starren. Was war das für ein Ort. Gewiss keiner für Kinder. Keiner für sie. Sie war in die Eingeweide der Stadt hinab gestiegen. Nein, nicht Eingeweide. In den Ausschuss. Mechanisch versuchte Sophie den Dreck, den das Rendez-vous mit der Hauswand auf ihrer Kleidung hinterlassen hatte, von ihrer Pala zu klopfen. Doch er blieb haften wie Stigmata. Als sie aufsah, da beobachteten die Frauen sie immer noch, jetzt mit einem höhnischen Ausdruck in den Augen. Die eine hob die Hand vor den Mund und tuschelte der anderen etwas zu.
>Ja, redet nur!,< ging es der Entflohenen durch den Kopf, >Ich weiß, dass ich nicht hierher gehöre!...< Aber wo gehörte sie schon hin? Sie hatte kein Zuhause mehr. Ihre Heimat hatte man ihr vor langer Zeit geraubt. Der Gedanke gab ihr neue Kraft. Was schuldete sie diesen Römern schon?! Dem Volk, das sie in Ketten gelegt hatte?! Auch Cara, so gut sie zu ihr gewesen war, war Teil dieses Volkes, unterstützte die Idee der Sklaverei schon allein dadurch, dass sie sie, Sophie, als Sklavin angenommen und gehalten hatte. Sie waren doch alle gleich! Es gab keinen Unterschied. Diese Frauen dort waren bestimmt auch Römerinnen. Und obschon sie im größten Elend lebten, die Fetzen, die sie Kleider nannten, nur so vor Dreck und Flicken standen, erhoben sie sich auch jetzt noch über sie. >Ja! Diese Gedanken sind gut!< Sophie spürte die Wut, die sie in ihr weckten.
„Schaut nicht so doof, ihr dummen Weiber!“, fauchte sie ihnen zu und gönnte es sich zu, den Triumph einen kleinen Augenblick lang zu genießen, als die abgehärmten Gesichter zerfielen. Dann erst wandte sie sich ab und strebte, den Kopf nun erhoben, der kleinen Taverne zu.Die Taverne „Ad lupo“ hatte es sich zu eigen gemacht, von außen her, wie jedes andere heruntergekommene Wohnhaus in ihrer Nachbarschaft zu erscheinen. Das aus gutem Grund. Die Gestalten – Menschen konnte man sie fast schon nicht mehr nenne -, die sich hierher verirrten hatten für gewöhnlich ganz anderes im Sinn, als das Recht zu ehren. Dunkle Geschäfte wurden hier abgewickelt und verschwörerische Pläne geschmiedet. Diesen Ort würden ehrbare Römer noch nicht einmal in ihren Alpträumen aufsuchen wollen. Schande haftete einem fortan an den Sohlen, hatte man „Ad lupo“ einmal betreten.
Einen Atemzug lag, verharrte Sophie unschlüssig vor den dunkeln Läden. Es sah ja wirklich nicht sonderlich einladend aus. Etwas anderes übrig blieb ihr allerdings nicht. Hier hatte sie sich mit Barchias verabredet. Sie würde sich ein Zimmer nehmen und dann irgendeinen der Lumpen losschicken, ihren Liebsten zu informieren. Das Geld würde sie dem Boten selbstverständlich erst dann aushändigen, wenn er mit Barchias an seiner Seite zurückkäme. Sophie atmete noch einmal tief durch und bekam dabei einen Schwall fauler Luft in die Nase, dann fasste sie sich ein Herz und betrat die Taverne.
War die Luft draußen schon faul gewesen, so mussten die Luftpartikel hier drin schon tot sein. Im ersten Moment strauchelte sie und war versucht rückwärts den Weg nach draußen anzutreten, ehe sie sich zur Räson rief. Im Wirtsraum herrschte düsteres Zwielicht. An den paar Tischen, die ohne jegliche Ordnung kreuz und quer im Raum standen hockten ein paar Gäste, die so heruntergekommen waren, wie das Etablisment selbst. Sie passten sich sich wie Chamäleons ihrer Umgebung an. Wie ein Mann wandten sie ihre dunklen Augen alle auf einmal auf Sophie, die ihnen in der vergleichsweise sauberen hellen Pala wie eine Göttin aus anderen Gefilden vorkommen musste. Mit einem Mal wurde sie sich wieder schlagartig der Gefahr bewusst, in welche sie sich begeben hatte. >Götter! Steht mir bei!< Am besten beeilte sie sich damit, einen Boten zu suchen, nahm sich dann ein Zimmer und schloss sich dort ein, bis Barchias sie abholen würde. Entschlossen schlug sie die Richtung zum Tresen ein, hinter dem ein griesgrämiger Wirt stand und ihr noch griesgrämiger entgegen blickte. -
Eine Welle der Erleichterung schwappte über Cara, als feststellen musste, dass seine Frage auf eine wesentlich harmlosere Auskunft zählte, als sie zunächst angenommen hatte. Sie entspannte sich sichtlich, auch wenn ihr die bloßen Nennung ihres Bruders einen leisen Stich ins Herz versetzte.
"Ich dachte, du würdest dich nach meinen Zukunftsplänen erkundigen", gestand Cara und lächelte verlegen. Lucius ahnte jedoch nicht, wie recht er damit hatte, was er sagte. In der Regel hatte Cara gewissenhaft darauf geachtet, nicht den ganzen Tag im selben Raum mit Cretica zu sein - um nicht Gefahr zu laufen, dass sie sich die ganze Zeit über fetzten.
"Das klingt sehr abschätzig", hielt sie ihm amüsiert obschon seines lapidaren Tonfalls entgegen. Was wohl Lucius sagen würde, wenn er erführe, dass sie sich heimlich mit weitaus anderen Dingen beschäftigt hatte, als man es von jungen Frauen normalerweise gewohnt war. Etwa mit Nestor Schwertkampf üben oder mit offenen Haaren im Männersattel über die Heide preschen - alles Dinge, die einer jungen Frau nicht zugestanden, ja vielmehr sogar verboten waren. Die Vorstellung eines Lucius, der aus allen Wolken fiel, erheiterte sie und erhellte ihr Gesicht.
"Nun, ich habe ein Faibel für Pflanzen. In Mogontiacum habe ich viel Zeit im Garten verbracht", antwortete sie. "Noch öfter war ich jedoch im Stall. Mutter hat mir erlaubt ein eigenes Pferd zu haben." Lieber nicht erwähnte sie, dass sie die Stute selbst zugeritten hatte. "Ich liebe Pferde - Das muss wohl in der Familie liegen", fügte sie letzteres grinsend hinzu. -
Wieder ein Soldat. Wenn es einen Bereich im öffentlichen Leben gab, in dem sich die gens übermäßig engagierte, dann war es das Militär. Leider war das auch nicht unbedingt die sicherste Tätigkeit, weshalb es nicht selten vorkam, dass Todesbenachrichtigungen ins Haus flatterten.
„Ich kann es dir nachempfinden“, gestand Cara der Verwandten und berührte sie als Zeichen der Solidarität am Arm. „Auch mein Vater ist von uns gegangen – und ich vermisse ihn schrecklich.“ Sie hielt einen Moment inne. „Dann hast du von Mogontiacum noch nicht viel gesehen. Vielleicht können wir einmal gemeinsam dorthin reisen. Ich sollte ohnehin ab und an meine Mutter besuchen.“ Der Gedanke gefiel ihr zwar nicht sonderlich, aber ihre Mutter war schon etwas älter und obschon die beiden nicht das beste Mutter-Tochter-Verhältnis hatten, so fühlte sie sich gegenüber Cretica dennoch verpflichtet. „Und bei der Gelegenheit könntest du mir Agrippinensium zeigen – da war ich nämlich auch noch nicht!“ Sie lächelte verschmitzt.Wonga. Sie wusste nicht genau weshalb, aber irgendwie überkam die junge Iulia eine gewisse Abneigung, wenn sie an den Sklaven dachte. Es gab nichts, woran sie dieses Gefühl hätte festmachen können. Vielleicht lag es einfach daran, dass er ihr Wachhund sein sollte. Zwar war sie auch in Mogontiacum niemals ohne Begleitung außer Haus gegangen, aber da war es stets Sophie gewesen und ein germanischer Custodes namens Nestor. Sie vermisste den Mann – mehr als sie eigentlich sollte. Die Anwesenheit Nestors hatte sie stets in eine gewisse Unruhe versetzt. Ein leises Seufzen glitt über ihre Lippen und sie suchte sich rasch wieder auf Corona zu konzentrieren. Aufmerksam beobachtete Cara das Gesicht ihrer Verwandten, als diese die erste Zeile der Schriftrolle las. Zuerst lag gespannte Neugierde auf ihren Zügen, dann leuchteten ihre braunen Augen in Erkenntnis auf und eine leise Röte überzog ihre Wangen. „Natürlich“, antwortete sie lächelnd und freute sich innerlich, dass sie so etwas wie eine potentielle Verbündete gefundne hatte. Lucius war ja sehr nett und sie mochte auch Calliphana sehr gern, aber vor ihr stand eine weibliche, relativ enge Verwandte! . „Deine Mutter scheint keine einfache Frau zu sein...Versteht ihr euch denn gut?“
Mit der Feinfühligkeit einer Katze erfasste Cara, dass sich die beiden offensichtlich noch nicht begegnet waren. „Marcus Iulius Proximus – Iulia Corona“, stellte sie erst einmal klar, bevor sie näher auf Marcus einging, der erst einmal einen Augenblick gebraucht hatte, um sie wieder zu erkennen. Aber immerhin lag das letzte Treffen auch schon sechs Jahre zurück. Sie hatte sich seitdem verändert, war zu einer hübschen jungen Frau heran gewachsen.
Seine überraschte Reaktion amüsierte sie dann aber doch.
„Wo ich herkommen, lieber Verwandter?“, fragte sie schmunzelnd. „Geradewegs über die Alpen bin ich gekommen. Aus Mogontiacum! Meine Mutter übersendet dir viele Grüße!“ Die alte Cretica hatte ihrer Tochter höchstpersönlich eine Liste mitgegeben, auf dem sie die Grußempfänger in drei Kategorien eingeteilt hatte: Sehr wichtig – wichtig – optional...Nicht nur Coronas Mutter war komisch, auch Cretica hatte zuweilen sehr merkwürdige Anwandlungen. „Noch nicht sehr lange“, antwortete Cara dann auf seine Frage, wie lange sie denn nun schon hier sei. „Eine Woche, etwas länger vielleicht. Ich zähle die Tage nicht.“ Unauffällig schob sie die Schriftrolle, die Corona ihr soeben zurück gegeben hatte, hinter ihren Rücken. Marcus musste ja nun wirklich nicht gleich bei ihrem ersten Zusammentreffen erfahren, für welche Art von Geschichten sie sich interessierte. Literatur konnte man das schwerlich nennen. Aber immerhin las sie überhaupt irgendetwas. Natürlich hatte sie die großen, wichtigen Werke der Zeit wie alle anständigen, wohl erzogenen Römerinnen gelesen, aber es bereitete ihr Mühe sich allzu lang auf die schwere Kost zu konzentrieren. Lesen war daher eher ein Vergnügen, dem sie sich nur dann hingab, wenn sie Muse dazu hatte.
„Die Bibliothek ist wirklich beeindruckend, Marcus! Es muss dich Jahre an Arbeit gekostet haben!“ -
>Vielleicht hätte er sich ja dann die Mühe gemacht und wäre mich besuchen gekommen<, wanderte es finster durch Caras Gedanken. Die junge Frau war aber umsichtig genug, das was hinter ihrer hübschen Stirn vorging nicht laut auszusprechen. Nur der Schatten, der ihre blauen Augen für einen Moment verdunkelte gab einen Hinweis darauf, das etwas finsteres in ihr vorging.
"Wofür ich mich interessiere?!", stolperte es irritiert über ihre Lippen und ihre Züge versanken in Überraschung. Einen Augenblick glaubte Cara, ihre Ohren hätten sich einen Scherz erlaubt. Das konnte Lucius nicht gesagt haben - und wenn doch....dann meinte er es gewiss nicht ernsthaft. >Oder es ist eine Falle...Erst will er hören, was ich mir vorstelle und dann versucht er mich in jene Richtung zu lenken, die ihm vorschwebt< Musternd lag ihr Blick auf dem Verwandten. So wie er da saß und das Essen genoss, da machte er einen absolut harmlosen Eindruck.
"Ehrlich gesagt", setzte Cara an und verharrte dann einen Moment. Ihr Leben lang hatte ihre Mutter Cretica ihr eingebläut, dass es andere waren, die letztlich über ihr Leben entscheiden würden. Ein ehrbarer Mann und Kinder - so hatte sie die Zukunft der Tochter gezeichnet. Obschon sie sich stets rebellisch gegeben hatte, so war da auch ein leiser Teil in ihr, der irgendwann begonnen hatte zu erkennen, dass es kaum eine andere Möglichkeit gab, als diesem Weg zu folgen. Daher hatte sie Gedanken an die Zukunft, an das, was sie interessierte, lange zurück gedrängt. Jetzt horchte sie erstmals wieder in ihr innerstes hinein, dort, wo der Ursprung all ihrer Sehnsüchte lag. Die Welt, wisperte eine leise Stimme. Die Welt. Sie wollte sie erkunden, erforschen, entdecken. Für den Hauch eines Atemzugs schloss Cara die Augen, um den Gedanken zu vertreiben. Es war ein gefährlicher Wunsch. Etwas, das sie gegenüber Lucius nicht erwähnen konnte, auch wenn sie ihn - obschon sie sich erst vor einer Stunde oder etwas mehr getroffen hatten - sehr gern mochte.
"Hat dir Mutter keine Anweisungen übermittelt?", erkundigte sie sich in einem sachlich-ernsten Tonfall, der so gar nicht zu ihr passte. Es war, als spräche eine andere Person aus ihr. -
Lächelnd neigte Cara den Kopf zur Seite. „Das ist nicht zu leugnen...“, stimmte sie zu. Die Vergangenheit dieser gens hatte das schon mehr als einmal bewiesen. Ihre Ahnen waren große Männer gewesen. Die Impulsivität war jedoch oft zu ihrer Schwäche geworden. Zu handeln, ohne vorher die Situation und Folgen abzuwiegen, das war unklug.
„Ich bin dir nicht böse, Lucius“, schob Cara aufmunternd nach und beugte sich vor, um ihn flüchtig am Handgelenk zu berühren. Instinktiv erfasste sie sein Unwohlsein. „Wir sind eine Familie – da sollten wir offen miteinander reden. Auch über unangenehme Dinge...“ Etwa die Erwartungen, die er an sie hatte, die Pläne, ihrer Familie. Sie wollte diese Fragen eigentlich nicht stellen, wollte stattdessen ihre Freiheit in jenem Rahmen genießen, der ihr gegeben war, wollte das Leben erforschen frei von allen Ansprüchen, die man an sie stellte. Aber das was man selbst wollte war selten deckungsgleich mit dem, was die Familie von einem wollte. Für einen Augenblick versank Cara in Gedanken und schreckte dann auf, als Lucius das Wort wieder an sie wandte. „Verzeih...was hast du gerade gesagt?“, -
Anders als von Lucius erwartet bummelte Cara nicht in der Bücherei herum, sondern schlief den Schlaf der Gerechten in ihrem federweichen Bett.
Nach einer sehr anstrengenden Tour über die Märkte Roms, bei dem sie ein paar hübsche neue Gewandungsspangen erstanden hatte, hatte sich wieder einmal gezeigt, dass ihr Körper noch immer etwas geschwächt war von dem hohen Fieber, das sie in Mogontiacum über Wochen und Monate ans Bett gefesselt hatte.Eine junge Sklavin trat nun zu den Herrschaften herein und wandte ergeben den Blick gesenkt das Wort an Lucius: "Verzeiht dominus...Ich habe nach domina Cara gesucht, wie du befohlen hast. Sie ist eingeschlafen. Der Nachmittag war wohl doch etwas anstrengend für sie...Möchtest du, dass ich sie wecke?"
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Nächste Woche wird mir leider die Zeit fürs IR fehlen...
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Germanien! Auch sie kommt dorther? Überrascht hob sie die Brauen. Seltsam, dass sich die Familienzweige dann nicht des öfteren getroffen hatten. Eigentlich musste Cara dieses Gesicht kennen. Angestrengt durchforstete sie ihre Erinnerungen, doch die spuckten kein Ergebnis aus. Vielleicht - hatte Cretica, ihre Mutter, nicht einstmal abfällig über eine Verwandte gesprochen, die ebenfalls in der Provinz lebte? So geschlossen die Iulia nach außen hin wirkte, so gab es natürlich auch in dieser Familie hin und wieder Spannungen und Auseinandersetzungen.
"Mein Beileid zum Tod deines Vaters...", entgegnete Cara und meinte es ehrlich. Für den Hauch eines Atemzugs flackerte ein dunkler Schatten über ihre blauen Augen."Es ist bestimmt nicht einfach. Gut, dass ihr beide nach Rom gekommen seid. Vielleicht lenkt euch das ein wenig ab." Sie wusste, was es bedeutete, wenn man seinen Vater verlor. Einen Vater, den man liebte.
"Ihr kommt aus Germanien, sagts du - das trifft sich gut." Zwar löste das Wort Germania nicht unbedingt Freudestaumel in ihr aus, immerhin war sie von dort gerade erst sozusagen über die Alpen geflüchtet, aber sie fühlte sich sofort auf eine geheimnisvolle Weise mit der jungen Iulia verbunden. Sie hatten denselben Ursprung, kannten das raue Leben in der Provinz, die wilde Natur, die Germanen. "Ich bin in Mogontiacum geboren", erklärte sie lächelnd. Mit der Hauptstadt Germaniae hatte sie es nicht einmal so schlecht getroffen. Dort war der Fortschritt und die erwachende Zivilisation noch eher zu spüren, als auf dem Land in irgendeinem kleinen Dorf aus dem letzten Zeitalter.Dann musste Cara doch schmunzeln. "Hat er das...", Es war keine Frage, sondern eine amüsierte Feststellung. Sie selbst hatte ja erst vor vielleicht sieben Tagen das erste Mal vor der Tür der Casa gestanden, um von diesem etwas unterbelichteten Wonga begrüßt zu werden. Seither hatte Lucius sie schon zu einem Wagenrennen und dann auf eine Doppelhochzeit im Hause Iunia/Germanica/Quintillia geschleppt. Daher hatte sie auch noch nicht so viel Zeit gehabt, sich die Stadt näher anzuschauen. Sie war dem Verwandten deshalb aber nicht böse. Er kam sich unglaublich viel Mühe, dass sie sich hier schnell einlebte. Und Rom lief ihr schließlich auch nicht davon.
"Also, ich kenne mich selbst hier auch noch nicht so gut aus...", gestand Cara ihrer Verwandten.
"Aber wenn du möchtest, dann können wir gern gemeinsam los ziehen!" Gegen einen Einkaufsbummel hatte die junge Iulia absolut nichts einzuwenden.Etwas nervös wippte Cara auf den Zehen, als sie sich der Schriftrolle gewahr wurde, die sie ja immer noch hinter ihrem Rücken in der Hand hielt. "Ähm..Nun ja...es kommt darauf an, was dich interessiert...", erwiderte sie etwas ausweichend. Dass das Mädchen genug hatte von ollen Philosophen, dass konnte Cara nur zu gut verstehen. Sie hatte regelmäßig Schläge auf die Handflächen von dem alten Lehrer Theo bekommen, weil sie regelmäßig über den Schriften eingeschlafen war. Nur ungern erinnerte sie sich an den resoluten Griechen, wie sie sich an alles nicht gern erinnerte, dass sie im Haus gehalten hatte, anstatt draußen im Freien zu tollen. "Also ich habe zum Beispiel das hier gefunden...", Zögerlich streckte sie ihr ihre Schriftrolle entgegen. "Aber ich weiß nicht, ob dich das interessiert", bemerkte Cara und neigte den Kopf etwas zur Seite. Das Mädchen erschien ihr noch recht schüchtern, sehr eingenommen von ihrer Mutter, eine wohlerzogene, tugendhafte Tochter wie sie sich wohl auch ihre Mutter Cretica wohl gewünscht hatte - nur dass sie eben Cara bekommen hatte. Ein solches Mädchen las bestimmt keine leidenschaftlichen Liebesromane über eine Sklavin und deren dominus...
Aus dem Augenwinkel heraus nahm sie einen Mann war, der wohl soeben erst die Bibliothel betreten hatte. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Und dann auf einmal: "Marcus!", rief sie begeistert einmal durch die komplette Bibliothek. Spontan fasste sie Corona bei der Hand und zog sie hinüber. Ohne Vorwarnung umarmte sie den Mann, der sie reichlich verdattert ansah. "Erinnerst du dich nicht an mich?", fragte sie. "Iulia Cara - ich bin Publius Iulius Saturinus Schwester! Es ist schon eine Weile her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben..." Ganze sechs Jahre um genau zu sein. Aber was waren sechs Jahre schon im Vergleich zur Ewigkeit? -
Der jungen Iulia entging der Wandel, der sich in seinen Zügen vollzog nicht. Etwas überrascht hielt sie inne und hielt das Stückchen Brot vor ihrem Mund fest, dass sie gerade im Begriff gewesen war, zu verspeisen. Streng sah er sie nun an. So streng, dass sie sich ernsthaft fragen musste, ob er einen Bund mit ihrer Mutter geschmiedet hatte. Sie hatte ihm und vorallem Publius bestimmt Instruktionen übermittelt - heimlich natürlich. Lasst sie nicht dies und das; Seit vorsichtig, sie braucht eine feste Hand....blablabla...Oder auch nicht, denn anscheinend zog er es in Zweifel, dass sie ihre Mutter informiert hatte. Er unterstellte ihr tatsächlich, fortgelaufen zu sien. Das brachte sie zum Schmunzeln. Einen Moment lang, verspürte sie sogar Bedauern darüber, dass sie diese Idee nicht gehabt hatte und es tatsächlich getan hatte.
"Ich sollte mich eigentlich beleidigt fühlen, dass du mir tatsächlich unterstellst, einfach davon gelaufen zu sein", entgegnete sie vollkommen ruhig. Sie spielte die Rolle der anständigen, wohlerzogenen jungen Römerin - und verschwieg dabei, dass sie es für eine durchaus interessante Idee hielt ihrem Bruder nachzureisen. "Es war unklug zu dieser Jahreszeit über die Alpen zu reisen. Mörderisch. Und dann auch noch ohne männlichen Geleitschutz. Ich kann dir sagen, dass ich mich heftig mit Cretica gestritten habe deswegen...und wenn du möchtest, dann kannst du ihr gern schreiben und fragen - aber bitte" Ihr Gesicht nahm einen beschwörenden Ausdruck an. "Bitte gönne mir erst etwas Abstand. Lade sie nicht hierher ein. Noch nicht..."
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"Auf leisen Sohlen schlich sich Roxana in dominus Evanders cubiculum. Der hoch gewachsene, attraktive Mann lag ausgestreckt auf seinem Lager darnieder. Wie es seine Gewohnheit war trug er nichts am Leib, nur eine rote Samtdecke verhüllte-"
Erschrocken versteckte Cara die Schriftrolle hinter ihrem Rücken und fuhr herum. Im nächsten Moment seufzte sie erleicht und sank etwas zusammen, als die Anspannung von ihr wich. "Bei allen Göttern", entfuhr es ihr, "Hast du mich erschreckt!" Etwas ungelenk, weil ihr die Füße vom auf dem Boden hocken eingeschlafen waren, erhob sie sich und musterte dabei die Iulia vor ihr. Lucius hatte gar nicht erwähnt, dass er noch eine weitere Verwandte erwartete. Ein Lächeln kräuselte ihre Lippen. Das Mädchen, das wohl in ihrem Alter sein musste, machte einen sympathischen Eindruck. "Cara", entgegnete sie freundlich. "Vor Kurzem? Lucius hält es wohl nicht sehr mit Informationen." Es war merkwürdig, dass sie sich nicht an dieses Gesicht erinnern konnte. Eigentlich besaß die junge Cara ein recht gutes Gedächtnis. "Aus welchem Teil des Imperiums kommt ihr denn? Seid ihr lange gereist?" -
Das Essen, dass der Sklave herein brachte roch einfach herrlich. Und es duftete nicht nur so, sondern schmeckte auch. Dennoch hielt sich die junge Iulia zurück. Aber nur scheinbar. Cara gehörte nicht unbedingt zu den größten Essern - dabei war sie nach dem heftigen Fieber, an dem sie gelitten hatte, noch immer erschreckend dünn und konnte daher eigentlich mehr vertragen - wohl aber zu den Genießern und diese gebratenen Fleischstücke zerfielen einem förmlich auf der Zunge. Genießerisch schloss sie einen Moment die Augen, um jede kleinste Nuance zu schmecken. "Hmm, das ist köstlich!"
"Nein, nicht wirklich", antwortete sie ihm. "Wir können uns gar nicht verstehen, weil wir zwei von grundauf unterschiedliche Menschen sind." Mit einem Grinsen fügte Cara hinzu: "Ich komme eher nach Vater", Als würde das schon alle Differenzen zwischen Mutter und Tochter erklären. "Ich schätze sie wünschte sich als Tochter jemanden, der ihr widerstandlos Recht gibt, jemanden den sie bemuttern kann..." Und das war Cara eben nun Mal nicht. Die Iulia war eigensinnig und abenteuerlustig. Mehr als einmal hatte sie sich heimlich aus dem Fenster geschlichen, wenn sie nach einer Untat auf ihrem Zimmer eingesperrt worden war. Wände hielten sie nicht zurück. Und viel lieber spielte sie mit den Jungen in der Nachbarschaft - auch germanischen Jungen - anstatt artig zu Hause das Nähen zu lernen. Mit den Jahren war das schwieriger geworden. Ihr Körper hatte sich entwickelt und sie war zu einer jungen Frau heran gewachsen. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie zornig sie über die eigenen Veränderungen gewesen war. So zornig, dass sie sich sogar die Haare abgeschnitten hatte. Ihre Mutter hatte beinnahe einen Herzinfarkt erlitten, als sie Cara inmitten ihrer roten Haare barfüßig hatte stehen sehen. Kurzum, sie war nicht die Tochter, die sich Cretica gewünscht hatte...
"Ich weiß, was du jetzt denkst, Lucius...Alle Frauen streiten sich in einem gewissen Alter mit ihren Müttern", lächelte sie ihren Verwandten an. "Das will ich gar nicht bestreiten. Unsere Differenzen dauern jetzt aber schon seit Jahren an und ich bin ehrlich gesagt froh, etwas Abstand zu Cretica bekommen zu haben - also komme ja nicht auf die Idee sie so schnell hier nach Rom einzuladen", Sie sagte es zwar im Scherz, aber ihre Augen blickten den Iulier äußerst ernst an.
Sim-Off: Cara streitet es nicht ab...Kluges Mädchen, was?!;)
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Lucius hatte nicht übertrieben, als er gemeint hatte, die Bibliothek der Casa Iulia sei gut ausgestattet. Selbst Cara, die eigentlich kein Bücherwurm war, blieb einen Augenblick erstaunt im Türrahmen stehen und ließ den Blick über die unzähligen Regale gleiten, in denen unzählige Schriftrollen in kleinen, separaten Fächern lagerten. Das war eindrucksvoll. Langsamen Schrittes trat die junge Iulia ein, drehte sich dabei ein ums andere Mal, den Kopf leicht in den Nacken gelegt, um das ganze Ausmaß dieser Räumlichkeiten zu erfassen. Marcus, den sie bisher selbst noch nicht persönlich kennen gelernt hatte, musste ein wahrhaftiger Büchernarr sein – und ein eifriger Sammler dazu. Griechen wie Römer waren hier versammelt. Alte wie Neue. Sie sah Thukydides und Livius, Herodot, Sueton...
Nicht, dass es ihr irgendetwas bedeutete, denn eigentlich war sie nur hierher gekommen, weil sie es Lucius gegenüber „versprochen“ hatte und was sie versprach, das hielt sie auch. Zudem konnte sie auf diese Weise etwas über ihre Verwandten kennen lernen. Marcus musste zum Beispiel ein sehr ordentlicher Mensch sein, denn diese Bibliothek unterlag sichtbar einem System. Aufmerksam schritt sie die Reihe der Regal ab. Klar, dass direkt in Augenhöhe jene Bücher standen, die besonders repräsentativ waren. So bückte sie sich etwas, um auch die unteren Reihen zu besichtigen. Mit einem Mal hielt sie inne. „Huch, was ist denn das?“ fragte sie in die Stille des Raumes hinein. Unvermittelt und ganz undamenhaft ließ sie sich auf die Knie sinken. Zumindest eine gute Sache hatte es, dass Sophie spurlos verschwunden war. Die Leibsklavin hätte sie jetzt gewiss zur Ordnung gerufen und sich darüber beschwert, dass eine junge Dame so etwas nicht macht. Cara dagegen war es herzlich egal, ob die pastellgelbe Pala, die sie heute trug, ein wenig knittrig wurde. Leben, Lust und Leidenschaft – Roxana....las sie den Titel der Schriftrolle. Das klang doch mal interessant. Viel besser als „Die Geschichte des peleponesischen Krieges“...Neugierig las sie die ersten paar Zeilen... -
Ein Brief, den es eigentlich gar nicht geben sollte...
Cara stand in der Mitte des Zimmers, das man ihr zugewiesen hatte. Für plebejische Verhältnisse war der Raum großzügig eingerichtet: Ein ausladend großes mit frischen Laken bezogenes Bett, eine kleine Frisierkommode mit einem Hocker davor, einen Tisch mit zwei Weidenstühlen, darauf ein Willkommensstrauß mit Frühlingsblumen. Ihre Truhen, welche ihr komplettes Gepäck beinhalteten, hatte man in einen kleinen Nebenraum geschafft. So hell und schön möbliert wie es jedoch auch war, Cara empfand es als kalt, denn noch fehlte jeglicher persönliche Anstrich. Das würde erst mit der Zeit kommen, dann wenn sie einige Monate hier zugebracht hätte und Rom allmählich ihr „Zuhause“ nennen konnte. Noch fühlte sie sich wie entwurzelt, wenn sie auch zuversichtlich war. Das hier war ihr Zimmer. Sie würde es zu ihrem Refugium machen.
Ihr Blick glitt hinüber zu dem großen Bett. Da lag er ja. Der Brief, von dem Lucius gesprochen hatte. Wie er da lag, sich beigefarben von der Reinheit der Decke abhob. Ein Schönheitsfehler, etwas das nicht da sein sollte. Cara starrte den Papyrus an. Einen Atemzug, und einen zweiten. Nur langsam setzte sie sich in Bewegung. Nein, es würde ihr nicht gefallen, was sie nun gleich zu lesen bekommen würde und der Gedanke daran ließ sie zögern, machte ihre Schritte schwer. Eigentlich wollte sie Saturinus´ Zeilen nicht lesen, nicht davon, dass er es sehr bedauerte, dass sie sich verpasst hatten. Er würde auf die wichtigen „Pflichten“ verweisen, die ihn fort gerufen hatten, beteuern, dass er sie vermisste und dass er hoffte, sie bald wieder zu sehen. Gefolgt von einem Appell, Lucius und Marcus keinen Ärger zu machen, würde er dann schließen. Nur leider würden all seine so eloquent gewählten Worte ihre Enttäuschung nicht mildern können...
Mit zittrigen Fingern nahm sie den Brief auf und rollte den Papyrus von der Rolle. Ah, die wohlbekannte Schrift. Etwas unruhig und krakelig. Wie so oft würde sie Mühe haben die Worte ihres Bruders zu entziffern.„Meine liebste Schwester! Ich hoffe, dir geht es inzwischen wieder besser? Die Götter scheinen uns dieses Mal leider nicht wohl gesonnen gewesen zu sein. Ich hatte gehofft, dich zur Verlobungsfeier Lucius´ zu treffen und war sehr erschüttert, als ich von deinem hohen Fieber erfuhr. Mutters Worte ließen mich ernsthaft darüber nachdenken, nicht sofort nach Mogontiacum zu kommen“ –
An dieser Stelle lachte Cara kurz auf und murmelte ein bitteres„Zu Schade, dass ich nicht noch länger so krank war“.
Aber sie sagte, dass das ganz und gar unnötig sei. Und mir fiel dann ein Stein vom Herzen, als es hieß, du befändest dich auf dem Weg der Besserung. Eigentlich wollte ich in Rom bleiben, um zu warten, bis du ankämest. Doch leider riefen mich dringende Pflichten zurück nach Misenum. Ich möchte dich an dieser Stelle nicht mit Details langweilen. Stattdessen, ich hoffe, dass deine Reise den Umständen entsprechend dennoch angenehm war und dass dich unser Verwandter Lucius herzlich aufgenommen hat. Er ist vielleicht noch jung, aber du kannst auf ihn vertrauen. Ich habe eine sehr gute Meinung von ihm – Das solltest du auch haben. Versuche ihn – und auch Marcus Iulius Proximus – zu unterstützen, wo du nur kannst, denn sie geben sich große Mühe die Iulia wieder ins Licht zu führen. Ich vermisse dich wirklich sehr, kleine Schwester und ich kann nur noch einmal beteuern, dass es mir schrecklich Leid tut. Wir haben uns schließlich schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen. Ich werde versuchen, dich sobald es geht zu besuchen. Bis dahin, kleine Schwester, bleibe anständig! In Liebe, dein Bruder Publius
Worte! Alles nur Worte! Wenn sie ihm wichtig gewesen wäre, dann wäre er geblieben! Aber nein, wieder war es seine Karriere, die ihn fortzog. Es gab Momente, da hasste es sie, dass sie dafür Verständnis aufbringen musste. War die Familie denn nichts wert? Zählte sie denn nichts? Stattdessen reichte er sie weiter wie ein Stück Vieh, das man beliebig hin und her schieben konnte. „Sobald es geht“ dachte er sie zu besuchen. Heuchelei! Cara wusste, dass dieses „sobald“ Monate bedeuten konnte! Monate! Und wie lange hatten sie sich davor nicht mehr gesehen? Waren es sechs Monate oder neun? Saturinus wusste das auch. Aber wieder fertigte er sie mit dieser leisen Hoffnung ab – und besaß dann auch noch die Frechheit an sie zu appelliere. Als machte sie ständig Ärger.
In einem Anflug von Wut zerriss sie den wertvollen Papyrus. Wie betrunken torkelten die Fetzen zu Boden, wo sie bemitleidenswert liegen blieben. Cara bereute es, noch ehe die Überreste die Fliesen berührte. Schließlich war es alles, was ihr Bruder ihr nach sechs Monaten zugestanden hatte. Ein paar Zeilen. Nicht mehr. Und diese Zeilen lagen nun zerrissen und gebrochen zu ihren Füßen. Blind starrte sie sie an, als sich ihre Enttäuschung endlich in Tränen Bahn brach.... -
Auch wenn sich Cara nicht wirklich für Bücher interessierte, manchmal las sie dann doch - Heimlich, denn das was sie als Lektüre bevorzugte zählte wie so vieles in ihrem Wesen nicht unbedingt zu den Eigenschaften, die man sich als Tugend wünschte. Über ihre eigenen Gedanken schmunzelnd, Gefühle konnte sie nur recht schwer verstecken, nickte sie. "Dann werde ich ihr Mal die Tage einen Besuch abstatten." Vielleicht fand sich ja etwas, dass ihr Interesse weckte. Dort, in den etwas düsteren Ecken.
Seine Reaktion entging der jungen Iulia nicht. Aber sie wäre nicht sie gewesen, hätte sie sich davon verschrecken lassen.
"Um ganz ehrlich zu sein...ich hätte es keinen Tag länger Zuhause ausgehalten", begegnete Cara ihm überraschend offenherzig. "Ich hatte nicht das beste Verhältnis zu Mutter." Eigentlich konnte man nicht einmal von Existenz sprechen, denn die junge Frau war ein absolutes Vaterkind gewesen. Reiten, durch die Natur streifen und - was ihr Geheimnis war - mit dem Schwert kämpfen, das hatte sie gern getan. Verständlich, dass ihre Mutter sie lieber webend gesehen hätte. Die fehlende Übung machte sich auch bemerkbar. Ihre Arbeiten waren grässlich und für gewöhnlich musste man sie schon hinter den Webstuhl zwingen.Wie aus dem Nichts heraus erschien der Ägypter und Lucius übermittelte ihn den Auftrag, sich nach Sophie umzusehen. Das war gut. Sie machte sich Sorgen um die Leibsklavin. Wer konnte schon wissen, in weche Gegenden es sie verschlagen hatte. In der Subura geschahen allerlei grässliche Dinge...
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So viele Menschen! Da war sie kaum in Rom angekommen und fand sich schon mitten im gesellschaftlichen Leben wieder. Ihr Verwandter Lucius und dessen Verlobte Calliphana hatten sie mit auf diese Doppelhochzeit im Hause Iunia/Germanica/Quintilia mitgenommen – dieses Mal hatte sie jedoch vehement darauf bestanden sich selbst die Kleidung herauszusuchen und hatte selbst die Hilfe eines Sklaven zurück gewiesen. Nicht, dass Lucius nochmals auf die Idee kam, sie so vorzuführen.
Aufmerksam hatte sie dann Lucius Ausführungen darüber gelauscht, wer denn hier wer war. Leider waren das so viele Namen, dass es ihr reichlich schwer fiel, sich alle zu merken, sodass sie bald sämtliche Vor-, Gens- und Cognamen heillos durcheinander warf. Zu allem Überfluss hatten sie dann auch noch Calliphana verloren.
Eine große Frau tauchte aus der Menge auf. Na ja, eigentlich stach sie weitgehend heraus. Cara hatte bisher selten eine Frau von solcher Größe gesehen. Und dann trug sie auch noch die strahlend weiße Gewandung einer vestalischen Priesterin. Die beiden schien sich recht gut zu kennen. „Mich freut es ebenso, Claudia Romana“, entgegnete sie lächelnd und wiederholte dabei den Namen der Claudia, um sich so den Namen besser merken zu können – nicht dass es sonderlich schwer gewesen wäre. Schon allein ihre Größe und der Umstand, dass sie Vestalin war, waren schließlich sehr einprägsam. Sie betrachtete sie mit einer gewissen Neugierde. Dort wo sie herkam, gab es den Kult um das Ewige Herdfeuer nicht. Ein weiterer Herr trat hinzu, der sich der Claudia als Germanicus Avarus vorstellte.
Pflichtbewusst stellte Lucius auch sie dem Germanica vor. ,
„Salve Senator. Es ist mir eine Ehre.“ Lächelnd neigte sie leicht den Kopf zum Gruß.
Schon im nächsten Moment stellte der Mann Romana genau jene Fragen, die auch ihr auf dem Herzen lagen. Für sie war es schwer vorstellbar, dass sich eine junge Frau freiwillig in den Dienst dieser Göttin stellte, die ihren Dienerinnen doch recht strenge Regeln auferlegte.
„Verzeih, wenn ich unhöflich erscheine, ich bin nur neugierig, wandte sie sich entschuldigend an die hoch gewachsene Frau: „Du sagtest du bist nun schon seit einer Weile im Dienst der Göttin. Es würde mich interessieren, ob es in dieser Zeit jemals etwas gab, dass dich darüber zweifeln ließ, ob du die richtige Entscheidung gefällt hast?“ -
Cara hatte ja einiges von dem Tag erwartet. Immerhin hatten Wagenrennen im Circus Flaminus bis nach Mogontiacum den Ruf eines Spektakels der Extraklasse. Und tatsächlich, all die Menschen, die Fraben, die Spannung in der Luft, wogende Massen und die Wagen unten im Oval, die staubig eine Runde nach der anderen zogen – es war aufregend. Aber mit so etwas, einer Hochzeit zwischen gröllenden Rennfans, in einem Meer aus Blau, damit hatte sie nicht gerechnet. Es kam ihr unwirklich vor, wie sie, nachdem sich Calliphana einer Iunia zugewandt hatte, noch eben auf das Rennen unten mit dem Zieleinlauf blickend, aufsah und den Aelier einen kleinen Lederbeutel zücken sah, den ihm sein Sklave gereicht hatte. Noch entrückter erschien es ihr dann, als genau dieser Aelier die Hand ausstreckte und eine der beiden Iunia, Axilla, »Ich möchte dein Caius sein. Magst du meine Axilla sein?« fragte. Im ersten Moment konnte Cara nicht einschätzen, was in der Frau vor ging. Fahrig schaute sie in die Runde, deren Blicke fast schon unbarmherzig erwartungsvoll auf sie gerichtet waren. Tränen lösten sich aus ihren Augen und kullerten über das angespannte Gesicht. Ein heftiges Nicken löste die Situation und sie umarmte ihren Bräutigam. Nicht nur ihm entwich ein erleichtertes Uff.
Auf Caras Züge schlich sich ein sanftes Lächeln. Diese „Hochzeit” hatte etwas so pures, weil eben jeder Schnickschnack fehlte, dass es schon wieder etwas anrührendes hatte. Der Mann schämte sich nicht für seine Gefühle und ließ ihnen auch in mitten einer gröllender Horde von männlichen Rennfans freien Lauf. Da war sie noch nicht einmal eine ganze Woche in Rom und wurde schon hineingezogen in den verrückten Strudel der Ereignisse. Ihr Blick huschte hinüber zu Lucius und Calliphana. Das bisschen, was sie bisher von den beiden als Paar kennen gelernt hatte war, dass auch die beiden sich nicht zu schade waren, um sich in aller Öffentlichkeit glühende Liebesbekenntnisse zuzuflüstern. Wie würde wohl ihre Hochzeit über die Bühne gehen…Fürs erste jedoch, gesellte aber auch sie sich in die Reihe der Gratulanten. „Alles Gute!”, pflichtete sie Calvena bei. So etwas sah man nicht alle Tage. Was machte es da schon, dass die Veneta verloren hatte… -
Aufmerksam lauschte sie Lucius´ Worten und nahm sich nebenher ein Stück Brot, das sie mit Honig bestrich, um ihren knurrenden Magen zu beruhigen. Das Essen war eine regelrechte Wohltat. Wie um alles in der Welt hatte sie ihren Hunger nur so lange aushalten können? Unglaublich!
In der Tat waren es gar nicht einmal wenige Verwandte, die hier in Rom ihr Lager aufgeschlagen hatten. Da standen die Chancen nicht einmal so schlecht, auch auf einen von ihnen zu treffen. So hoffte sie zumindest. Im Grunde war es ihr da auch egal, ob sie auf einen weiblichen oder männlichen Verwandten stieß.
„Die Familie scheint ja stark beschäftigt zu sein”, kommentierte sie mit einem Lächeln. „Ich habe gehört, Marcus hat in dieser Casa eine Bibliothek eingerichtet?”, Eigentlich interessierten sie Bücher nicht so sehr. Natürlich las sie ab und zu, wie jede wohlerzogene Römerin, aber eigentlich verbrachte sie ihre Zeit lieber draußen in der Natur, an der frischen Luft. Dennoch erkundigte sie sich beinnahe pflichtschuldig. Immerhin hatte sie sich ja für die Geschäfte der Familie zu interessieren. Und im Grunde hegte sie dafür tatsächlich Interesse…„Ich glaube, ich habe Mutter einen ziemlichen Schrecken eingejagt”, gestand sie mit einiger Verlegenheit, nachdem sie ihren nächsten Bissen hinuntergeschluckt hatte. „Das Fieber kam von heute auf Morgen und wurde dann immer stärker…”, erklärte sie schulterzuckend und ließ dabei die Glieder- und Kopfschmerzen aus, die es ihr kaum ermöglicht hatten, auch nur einen Finger zu rühren. Zum Glück hatte sie ab einem gewissen Punkt nicht einmal mehr das wahrgenommen. „An eine gewisse Zeit habe ich gar keine Erinnerungen mehr. Mutter sagte, der Medicus meinte, dass es dieselbe Krankheit gewesen sei, die auch meinen Vater dem Tod entgegen gehen ließ…” Daran glaubte sie zwar nicht, denn warum sollte sie jenes Fieber heil überstehen, dass einen starken, gestandenen Soldaten umgebracht hatte? Das war doch unsinnig. „Jedenfalls habe ich es sehr bedauert, bei deiner Verlobungsfeier nicht dabei gewesen zu sein – dafür bin ich allerdings jetzt umso mehr froh, endlich da zu sein”, Sie lächelte. Die Reise durch Germanien war nicht sehr lustig gewesen. Holprige Straßen, eine mörderische Kälte. Ihre Mutter hatte dazu geraten, erst dann aufzubrechen, wenn die Bäume die ersten Blüten trugen. Selbst dann war es noch kalt genug. Aber Cara hatte nicht hören wollen und das, obwohl sie sich noch so schwach gefühlt hatte. Ihrem Willen konnte sich eben nichts entgegen stellen, noch nicht einmal die eigene Gesundheit – zumindest meistens nicht. „Die Reise hierher verlief ohne große Vorfälle – einmal von Sophies Verschwinden abgesehen. Es war ganz schön kalt, weil Germanien noch immer in einer Art Eisstarre verharrte, als wir aufgebrochen sind. Mutter war nicht sehr angetan davon”, erklärte Cara und fügte dem letzten Satz noch ein verlegenes Lächeln hinzu.
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Bis spätestens Dienstag;)