Beiträge von Iulia Cara

    Mein lieber Bruder,


    Ich muss dir nicht sagen, wie sehr es mich geschmerzt hat, dass du nicht hier in Rom warst, um mich zu begrüßen. Mein Verstand sagt, dass es richtig war, dass du gegangen bist, um deinen Aufgaben nachzukommen. Mein Herz, das Herz einer Schwester, kennt nur die Enttäuschung. Zu gern hätte ich mit dir die Ereignisse der letzten paar Tage geteilt. Der Tag nämlich, an dem ich nach Rom kam, war alles andere als langweilig. Ich fürchte, die nächsten Zeilen werden dich etwas beunruhigen – wahrscheinlich wirst du die Brauen heben, wie du es immer tust, und sie verwundert ein zweites Mal lesen. Aber bitte mach dir keinen Sorgen! Mutter hatte mir ja Sophie mit nach Rom geschickt und gab ihr eine Wegbeschreibung zur Casa Iulia. Leider erwies sich die als nicht ganz so gut, sodass wir auf einem Markt hielten, damit Sophie jemanden nach dem Weg fragen konnte. Sie verschwand und ich wartete. Und wartete. Und wartete. Zwischen durch sagte ich mir, Cara bleibe ruhig! Du bist so ungeduldig! Aber nachdem ich dann wirklich fast eine halbe Ewigkeit dort gestanden hatte, entschloss ich mich nach ihr zu suchen. Ich schritt den ganzen Markt auf der Suche nach ihr ab, aber konnte sie nirgends finden. Um ehrlich zu sein, mein erster Gedanke in dieser Situation war, dass sie wohl getürmt ist. Anders konnte ich mir ihr Verschwinden leider nicht erklären. Noch konnte ich dem Ganzen aber nicht nachgehen, weil ich natürlich erst einmal zur Casa Iulia gelangen musste. Ich fragte also einen Passanten – und du glaubst es nicht, an wen ich geriet! Senator Aurelius Ursus! Ich weiß nicht, ob dir der Name etwas sagt. Aber unser Vater hätte ihn ganz gewiss gekannt. Die beiden trainierten nämlich zusammen, als der Senator sein Tribunat in Germanien ableistete. Er hatte eine sehr hohe Meinung ihm. Dieser Senator nahm sich meiner nun also an – ich bin ihm wirklich dankbar dafür und werde mich bei den Göttern für diese Wohltat bedanken. Und er brachte mich sicher zur Casa. Ich bin mir sicher, dass er dafür sogar extra einen Umweg in Kauf nahm. Lucius war zunächst überrascht, als er mich mit dem Senator in seinem Tablinum stehen sah, und dann wenig angetan davon, dass ich allein in Rom unterwegs war. Aber ich konnte doch wirklich nichts dafür! Ich äußerte auch gegenüber dem Senator, dass ich befürchte, Sophie sei geflüchtet. Er ermahnte mich daraufhin aber, dass ich nicht voreilig Vermutungen anstellen soll. Er hat Recht, auch wenn es mir nach wie vor schwer fällt zu glauben, Sophie habe sich auf dem Markt verirrt. Lucius bot an, bei seinen Sklaven nachzufragen, ob Sophie vielleicht noch nachgekommen ist. Ich hoffe es wirklich! Inzwischen ist auch eine weitere Verwandte hier in Rom eingetroffen. Iulia Corona heißt sie und sie ist in Begleitung ihrer Mutter Lucia. Ich habe Mutter das eine oder andere Mal ihre Namen erwähnen hören, hatte aber einen sehr zwiespältigen Eindruck in das Verhältnis der beiden. Es steht wohl nicht zum besten, andererseits erscheint es mir so, als sei Mutter enttäuscht – weshalb auch immer. Jedenfalls hat sie Lucia einen Brief geschrieben. Das hat Corona mit erzählt, als wir letztens zusammen einkaufen waren (ich weiß schon was du jetzt denkst, Bruder: Hoffentlich verwahrt Lucius seine Goldmünzen gut...Aber keine Sorge! Corona hat sich als eine unglaubliche Händlerin herausgestellt. Wie eine Löwin hat sie gefeilscht und mit großem Erfolg gewonnen...). Lucia zeigte sich davon wohl alles andere als begeistert. Ich frage mich wirklich, was zwischen den beiden wohl vorgefallen ist, dass sie sich nicht mehr ausstehen können... Oh, und rate mal, wer noch seinen Weg in die Ewige Stadt gefunden hat!...Einst gehörte er zu unseren engsten Freunden. Bis zu jenem einen bestimmten Tag...Errätst du es, Bruder? Richtig! Kaeso Iulius Vestinus! Dieser Schurke, der unwürdig ist, den Namen unserer geliebten Familie zu tragen hat sich in der Casa wie ein Parasit eingenistet. Um in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, wie er selbst sagt. Ich dagegen glaube ihm kein Wort! Sein einziges Ansinnen wird sein, Schande über die Familie zu bringen. Etwas anderes kann dieser Familienzweig ja schließlich nicht. Onkel Clemens ist so ein furchtbarer Mann – letztendlich hat ihn seine eigene Boshaftigkeit dahingerafft. Du hast bestimmt schon Nachricht von seinem Tod erhalten. Wenn du mich fragst, dann führt auch sein Sohn nichts gutes im Schilde. Der Kerl scheint mich zu verfolgen – aber ich werde ihm die Stirn bieten! Hier in Rom ist nicht Platz für uns beide! Er wird noch sein blaues Wunder erleben! Im Fall Sophie gibt es im Übrigen auch Neuigkeiten. Letztens habe ich den Maiordomus aufgesucht. Er scheint mir ein fähiger, gewissenhafter Mann zu sein, dennoch konnte er Sophie nicht ausmachen. Der Ägypter zeigte sich ganz geknickt, als er seine Befürchtungen hinsichtlich einer Flucht äußerte. Mir blutete das Herz, wenn ich daran denke. Wie konnte Sophie mich nur so verraten? Ich bin nicht einmal wütend – nur furchtbar enttäuscht! Ich habe ihr schließlich vertraut und meine, dass sie es bei mir nie schlecht gehabt hat. Lucius hat sich nun der Sache angenommen. Ich vertraue ihm. Er ist wirklich ein ganz netter Kerl. Natürlich noch jung und manchmal hat er ehrlich gesagt eine sehr merkwürdige Auffassung von Humor, der es liebt mich an die Decke gehen zu lassen. Das Verhältnis zu ihm ist zeitweise etwas schwierig. Im Allgemeinen habe ich ihn sehr gern. Er versucht es mir hier so einfach wie möglich zu machen und kümmert sich um mich, da du dieser Aufgabe ja entflohen bist. Andererseits, er ist der Hausherr. Ihm – und Marcus natürlich – obliegt das Wohl unserer gens. Das bringt automatisch auch Spannungen mit sich. Zuweilen habe ich den Eindruck, er ist tatsächlich so etwas wie ein guter Freund für mich, aber dann setzt er bereits im nächsten Moment die Maske des herrischen Hausherrn auf, sodass ich ganz verwirrt bin und für einen Atemzug gar nicht mehr weiß wie ich reagieren soll. Auch bin ich mir im Moment nicht so sicher, was er damit bezweckt mich nach drei Monaten Aufenthalt hier in Rom zurück nach Mogontiacum zu schicken. Ich soll eine gute Tochter sein, sagt er. Vermutlich hat er meinen Postausgang kontrolliert und festgestellt, dass ich Cretica noch keinen einzigen Brief geschrieben habe. Ehrlich gesagt reiße ich mich auch nicht gerade darum! Aber jetzt zurück nach Hause?! Ich fürchte der Grund ist, dass es unserer Mutter nicht so gut geht. Sie hat ja nun doch schon einige Winter auf den schmalen Schultern. Obschon es mir widerstrebt zurück zugehen, mache ich mir doch Sorgen. Wir – Corona wird mich begleiten und Lucius´ Maiordomus – werden während der Zeit übrigens bei einem Freund der Familie unterkommen. Marcus Decimus Livianus. Ich habe schon von ihm gehört. Ein wichtiger Senator, der nun einen Posten bei der Legio in Germania inferior angenommen hat. Ich weiß nicht, weshalb uns Lucius zu ihm schickt. Meiner Ansicht nach kann das nur bedeuten, dass es um Creticas Gesundheit nicht sehr gut bestellt ist. Ich bete dafür, dass ich mich irre... Bitte schreib mir bald, mein lieber Bruder! Ich lechze nach jedem kleinsten Wörtchen von dir! Vergiss mich nicht, auch wenn du im Moment so unglaublich fern von mir bist. Ich vermisse dich schrecklich! (Und hoffe, dass dich das schlechte Gewissen dafür verfolgt!). Ich werde dir schreiben, sobald ich kann!


    Ich umarme dich!


    Cara

    So ganz konnte – oder wollte – Catius Faustus der dunkelblonde Frau das nicht abnehmen. 280 für eine Seidentunika...Wo gab es denn so was! Der Ägypterin mussten wohl ein paar Liter Blut fehlen!
    Die Hartnäckigkeit seiner Kundin hatte mittlerweile auch andere Passanten auf seinen kleinen Stand aufmerksam. Besser hätte es eigentlich nicht laufen können, denn so wurde vielleicht noch der eine oder andere neugierig und trat näher, um seine Auslage zu betrachten. Catius hörte schon die Münzen in seinem Kästchen klingen. Aber eben nur eigentlich. Denn der Hinweis auf diese „Ägypterin“ war diffamierend. Und Diffamierung war nun einmal schlecht für das Geschäft. Da blieb nur eines: die beiden so schnell wie möglich los werden!


    Aus Caras Sicht konnte es sich nur noch um Atemzüge handeln, bis sich der Glatzkopf geschlagen geben würde. Dass das Leben auf seinen Zügen zum Stillstand gekommen war und sein Gesicht jetzt eher einer steinernen Maske glich mit Lippen so schmal wie Holzspane, wertete sie als sicheres Zeichen. Als Tsuniro sich einmischte, warf sie der Sklavin einen scharfen Blick zu und wies sie mit einem leisen „Du bist nicht gefragt worden“, in die Schranken. Wo um alles in der Welt hatte Lucius diese Frau nur ausgegraben?!
    Der Sklavin wiederum gefiel es überhaupt nicht, zurecht gewiesen zu werden. Die Iulia wirkte in ihren Augen zunehmend überheblich. Römerinnen! Hielten sich stets für etwas besseres! Dabei hatte sie nur helfen wollen! Ein Schwall des Zornes brach über sie herein wie ein plötzlicher, heftiger Sommerregen. Trotzig funkelte sie Cara an, senkte dann aber rasch den Blick, da sie fürchtete ihre Emotionen allzu deutlich auf ihrem Gesicht zu zeigen und trat einen Schritt zurück.


    Es war Wonga, der nun vortrat und einen Geldbeutel zückte. Wohlweißlich hatte dominus Lucius ihm das Geld anvertraut und nicht Tsuniro. So ganz schien auch der Iulier der Ägypterin nicht über den Weg zu trauen. „Ich machen domina...“, erklärte er und zog eine stolze Miene. In der Tat, er fühlte sich für die Iuliae verantwortlich und das erfüllte den Mann mit Stolz. Mit überraschender Flinkheit zählte er das Geld aus dem Beutel heraus und reichte es dem Händler, dessen Lippen jetzt noch schmaler geworden waren, sodass man sie in seinem Gesicht nur noch an dem Spalt seines Mundes ausmachen konnte. Der hatte den Stoff inzwischen fein säuberlich zusammen gelegt und der widerspenstigen Tsuniro überreicht, die das zarte Gelb in einem über ihrem Handgelenk hängenden Korb verstaute.
    „Richtet ihr meine Grüße aus....Ich danke“, erwiderte Catius Faustus einsilbig. Mochte diese Händlerin nun ominös sein oder existent - hoffentlich würden die beiden nicht mehr sobald hier auftauchen....


    Mit einem „Vale bene...“, verabschiedete sich Cara ernst. Die beiden jungen Frauen gliederten sich wieder in den Strom der Menschen ein und ließen sich einige Meter mit tragen. Erst dann gestattete Cara sich die Verwandte anzustrahlen. „Das war großartig, Corona!“, sagte sie, die Begeisterung in Person. „Wo um alles in der Welt hast du gelernt so zu handeln? Der arme Kerl!“, Lächeln schüttelte sie den Kopf. Fast schon kam ihr die Iulia wie eine große Schwester vor.

    Noch bevor der Mann begonnen hatte zu sprechen, wusste Cara, dass das, was nun gleich zu sagen hatte, ihr nicht gefallen würde. Sie konnte es dem Maiordomus förmlich aus den Zügen ablesen. Das und das es ihm sehr unangenehm war.
    So nahm Cara es erstaunlicherweise sehr gefasst auf, als Phocylides das Wort "weggelaufen" in den Mund nahm. Es war sehr höflich von ihm, diese Beschreibung verwenden. Offensichtlich hatte er doch einen gewissen Stand an Bildung. Und die Tatsache, dass es ihm wirklich unrecht zu sein schien, nur diese Nachricht für sie bereit zu haben, machte ihr den Maiordomus regelrecht sympathisch. Das richtige, ungeschönte Wort wäre gewesen. "Sie ist geflohen"....Geflohen! Ihre Sophie. War sie äußerlich vollkommen ruhig, stürmten hinter ihrer Stirn die Gedanken auf sie ein. GEFLOHEN!
    "Aehm...ja...Danke. Du hast gute Arbeit geleistet...", Ihre Stimme klang mechanisch und sie war auf einmal unnahbar. "Ich muss dann jetzt...", Cara wandte sich haln ab, zögerte einen Moment, ihr Blick glitt über das Gesicht des Sklaven. GEFLOHEN! Sie blinzelte und verließ ohne ein weiteres Wort die SKlavenunterkunft....

    > ...Tau lag noch auf den zarten Pflänzchen, die den hortus über und über bevölkerten. Es war eine Oase, geheimnisvoll in all ihren Grünnuancen, mitten in Rom. Ein Ort, an dem Geheimnisse geboren wurden. Der Kies knirschte leise unter ihren Sandalen, als die junge Sklavin den schmalen Pfad zwischen zwei Beeten entlang ging, ein Tuch eng gegen die morgendliche Kälte um die schmalen, zierlichen Schultern geschlungen. Er war hier. Sie konnte es mit ihrem Körper spüren, noch ehe Roxana dominus Archias sah...<


    Schwere Tropfen klatschen an die Läden. Die Götter hatten die Schleusen des Himmels geöffnet und der Regen prasselte auf die Erde, als wollte er alles was lebte ersäufen. Cara, wenig darauf erpicht ein Opfer der Wassermassen zu werden, hatte für sich beschlossen, den Tag in der Bibliothek zwischen Weisheitsatmenden Regalen zu verbringen. So saß sie eher undamenhaft im Schneidersitz in einem der gepolsterten Weidekörbe mit einer Schriftrolle in der Hand, welche einem Vergil wohl die Schamesröte auf die Wangen getrieben hätte und las, versunken in die Zeilen im flackernden Zwielicht der Kerzen. Bei diesem Wetter, da war sie sich ganz sicher, würde sich bestimmt kein Kunde in Marcus´ Heiligtum verirren. Da konnte man es sich ruhig etwas gemütlich machen.

    Catius Faustus hatte dieses junge Mädchen unterschätzt. Das wurde ihm klar, als sie im Ton eines Militärtribuns, der seinen Soldaten einen Befehl erteilt, erklärte 180 Sesterzen seien viel zu viel, sie dann über laut wie über ein altes Weib über den Stoff herzog, sodass es auch ja alle anderen Passanten um sie herum hören konnten und schließlich den Preis auf 120 bestimmte. Ja, er hatte sie unterschätzt und er erkannte die Gefahr, welche diese junge Frau mit sich brachte. Sie hatte tatsächlich das Potential ihm das Geschäft des Tages gründlich zu versauen.

    „280 für eine Seidentunika?!“,
    Cara hob erstaunt die Brauen. „Nicht schlecht!“ Innerlich jedoch amüsierte sie sich jedoch über den Mann, dessen Emotionen für sie so offensichtlich wie schwarz geschriebene Buchstaben auf einer Schriftrolle über sein unbewegtes Gesicht flackerten, auch wenn er sich die größte Mühe gab diese zu verbergen. Auch sein Körper sprach zu ihr, hatte er die Arme doch abwehrend und schützend vor der Brust gekreuzt. Er fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Kein Wunder. Corona war zur Furie geworden, zu einer knallharten Händlerin. Etwas, das die junge Iulia von ihr niemals erwartet hatte. Es war, als stünde eine ganz andere Person neben ihr, als das Mädchen, das sie am frühen Morgen noch im hortus getroffen hatte und die sich äußerst feinfühlig angesichts ihres Streites mit Iulius Vestinus gezeigt hatte. „Und hier, ist die Farbe ganz ungleichmäßig...“, sprang sie ihr bei und konnte sehen, wie der Mundwinkel des Glatzkopfes fast unmerklich zuckte. In Corona schien sie tatsächlich so etwas wie eine Verbündete gefunden zu haben....


    Wonga verstand gar nichts mehr. Seine zwei Herrinnen stritten mit diesem Mann als hätte er sie beleidigt. Nun, vielleicht hatte der Glatzkopf dies ja getan. Er legte den breiten Schädel schräg und musterte den Mann grimmig. Der Kerl war ihm nicht geheuer. Aber eigentlich war ihm kein Mann geheuer, der seinen Herrinnen zu nahe kam oder ihnen auch nur einen unangemessenen Blick zu warf. Die beiden mochten nicht viel von ihm halten – so dumm war er dann auch nicht, um das nicht zu bemerken -, vor allem die Rothaarige, er hingegen war für die Mädchen jedoch in Feuer und Flamme entbrannt. Es gab nicht viele junge Mädchen in der Casa Iulia, da galt es besonders gut auf die wenigen Schätze der Familie aufzupassen. Und diese beiden hier zählten zu den hübschesten Bewohnerinnen seit langer Zeit.
    Ganz anders als Wonga, verstand Tsuniro sehr wohl, um was es ging. Die junge Frau hatte mit Kennerblick erfasst, dass es sich bei dem Stoff, tatsächlich um ein Gewebe von hoher Qualität ging und dass die Römerinnen, allen voran domina Corona versuchten den Preis zu drücken, um – typisch junge Mädchen – so viel wie möglich für das Taschengeld einkaufen zu können, das dominus Centho ihnen gegeben hatte, um ihre Kleidertruhen aufzufüllen. Es überraschte sie schon, dass domina Corona so sehr dafür in die Presche sprang und sich als eine harte Händlerin erwies, die dem Mann einige Schweißtropfen auf die Stirn trieb. Anerkennend beobachtete sie, wie Corona den Preis weiter hinunter zu drücken versuchte und beschloss ihrer domina zu helfen.
    „domina!“, sprach sie Corona an und trat näher. „Wenn du tatsächlich zu dieser ägyptischen Händlerin gehen möchtest, dann könnte ich dir helfen. Ägypten nenne ich meine Heimat.....“


    Gegen diese Mädchen war seine vorherige Kundin eine Heilige gewesen. Jetzt meldete sich auch noch diese dämliche Sklavin zu Wort. Unter anderen Umständen hätte er sie mit einer Ohrfeige zurecht gewiesen – was fiel ihr ein ungefragt das Wort zu ergreifen! So ein ungezogenes Biest (auch wenn er zugeben musste, dass es ein sehr attraktives Biest war)! Da es sich aber nicht um seine Sklavin (zu seinem Bedauern) handelte, sondern um die Sklavin seiner Kunden, hielt er sich zurück.
    „Hört zu...Ich kann euch den Stoff für 150 verkaufen. Alles andere würde für mich Verlust bedeuten. Die Ware ist erste Klasse, aber falls ihr der Meinung seid, das erste Klasse euren Ansprüchen nicht genügt meine Damen, dann solltet ihr vielleicht doch diese ominöse ägyptische Händlerin aufsuchen...“, erklärte er nüchtern, die Züge unbewegt, als wären sie eingemeißelt.

    Cara erwiderte stumm den Blick, den Corona ihr über Kaesos Schulter zu warf. Sie konnte ihr ansehen, dass sie diese Szenerie nicht nur unangenehm war, sondern sie auch regelrecht verwirrte. Die junge Iulia konnte es ihr nicht verdenken. Wer fühlte sich schon zwischen den Fronten wohl?! Licht, so nahm sie sich vor, würde sie ins Dunkel bringen und der Verwandten erklären, weshalb sie sich gegenüber dem Iulier so aufführte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie das Corona schuldig war.
    Mit etwas Humor versuchte sie der Situation Spannung zu entziehen. Richtig gelingen wollte ihr das aber nicht.


    Kaeso unterdessen holte dazu aus in einem weinerlichen, Mitleids-haschenden Tonfall das tragische Ende des Iulius Clemens vor Coronas Füßen auszubreiten. >Dieser Schleimbeutel!< In diesem Moment war es wirklich ein Glück, dass der unverschämte Kerl ihr den Rücken zuwandte. Sonst hätte er den Schatten gesehen, der über Caras Gesicht hinweg zog, als er vom Verlust seines Vaters berichtete. Ihre Gedanken kehrten zurück zu Tiberius. Erinnerungen huschten durch ihren Kopf wie rasche Schlaglichter. Die Züge ihres Vaters, bleich, matt, abgemagert zwischen weißen Kissen.


    Ihr Bewusstsein kehrte zurück in die Gegenwart, als Kaeso – in ihren Ohren klang es furchtbar jammernd – versuchte Corona vom Gehen abzuhalten, indem er sie mit einer Frage an Ort und Stelle zu fesseln suchte. > Ist es wahr, das die Männer so groß wie kleine Bäume werden?<, äffte sie in Gedanken den Stimmfall des Iuliers nach.
    „Bei allen Göttern! Jetzt weiß ich weshalb du so verkorkst bist. Du kannst gar nichts dafür – es waren deine Lehrer!“, Ein spöttisches Lächeln kräuselte ihre Lippen.
    Nestor war ein großer Mann gewesen. Wenn er sich auf die Fußspitzen gestellt und die Arme ausgestreckt hatte, dann hatte er durchaus die unteren Zweige mancher Bäume erreichen können. >Nestor...<, hallte es hinter ihrer Stirn nach. Gerade noch so konnte sie verhindern, dass ihr ein verräterisches Seufzen über die Lippen brach. Schon im nächsten Moment war jedoch alle Schwermut wie weg gewischt und machte aufschäumender Wut Platz. Wut auf Kaeso, weil er es geschafft hatte all ihre schmerzlichen Erinnerungen in nur wenigen Atemzügen in die Gegenwart zurück zu bringen. Sie funkelte ihn böse an, als er sie neben sich schob, als wäre sie ein kleines Hündchen, das man bei Fuß rufen konnte. Er musste fort, irgendwie. Hier in Rom war kein Platz für sie beide. >Wenn der alte Schlucker immer noch so viel Wein trinkt, wäre das eine Möglichkeit...<, ging es ihr grimmig durch den Kopf. >Mach dich nicht lächerlich...<, hielt eine andere Stimme entgegen. So war es immer schon gewesen. Sie ärgerten sich, trieben sich gegenseitig in den Wahnsinn, aber...Das „aber“ hing wie ein Ausrufezeichen in der aufgeladenen Luft. Aber eigentlich konnten sie auch nicht ohne einander. Als brauchten sie diese Überhäufungen mit Nettigkeiten.


    Obschon sich die Härchen auf ihren Unterarmen aufstellten und Widerwillen ihre Gefühlssensoren eroberte, als er sie so an seine Seite zog, ließ es Cara zu. Schon allein deshalb, weil sie Corona nicht noch weiter verstören wollte. Auch sie wandte sich nun an die Verwandte und tat einfach so, als gäbe es den Iulier zu ihrer linken gar nicht.
    „Ich bin gerade noch hinten im Gewürzgarten beschäftigt, aber wenn du Lust hast, könnten wir nachher ein wenig auf den Markt. Was meinst du?“, Sie lächelte Corona an.

    „Ich bin eine Iulia!“, hielt Cara ihm trotzig entgegen. „Durch und durch! Ich wurde als Iulia geboren und meine Mutter hat mich als solche erzogen!“ Niemand musste ihr erklären, wie sich eine römische Dame zu verhalten hatte – eigentlich. Kochen, Kinder, Tempel. Nicht auffallen. Am besten nicht atmen.
    Innerlich schon damit rechnend, dass er das Argument, ihr Bruder hätte ihr das Reiten selbst beigebracht, nicht gelten lassen würde – Lucius musste diese Gelegenheit ja wohl dazu nutzen, seine Position als Hausherr zu stärken – machte sie sich bereit dazu, ihm alles mögliche an den Kopf zu werfen. Doch es kam anders. Ganz anders.


    Er strich ihr sanft über die erhitzte Wange und seine Züge entspannten sich, wurden weich. Irritiert starrte die junge Iulia ihn an und verstand auf einmal die Welt nicht mehr. Und was sagte er da? „Ich habe nur einen Spaß gemacht...“ Die Wort drangen in Caras Bewusstsein ein und entfalteten dort ihre Bedeutung.
    „Bitte...Wa....WAS?“ Cara fuhr zurück und brachte Abstand zwischen sie beide. Aus dieser Entfernung funkelte sie ihn böse an. Eigentlich war das nur ein Ablenkungsmanöver, denn der gute Lucius hatte sie so sehr verwirrt, dass sie gar nicht wusste, ob sie nun wütend sein, darüber lachen oder einfach nur glücklich sein sollte.
    „Du hast manchmal einen merkwürdigen Sinn für Humor...“, bemerkte sie schließlich ernüchtert. Dann schüttelte sie aber schon wieder lächelnd den Kopf. „Warum hast du mich so herausgefordert, Lucius?“

    Das zarte Gelb war wirklich sehr hübsch. Die leise Vorahnung von Sommer haftete daran. Wie sehr sie sich auf die wärmste Zeit des Jahres freute! Der Winter in Mogontiacum war allzu eisig gewesen und hatte Tier und Mensch auf die Probe gestellt. Hier würde alles anders werden. >Ob ich mit der Hitze zurecht kommen werde?< Merkwürdig, dass sie ausgerechnet jetzt an ihre Heimat dachte.


    Wongas Schritt zwischen den Händler und seine Herrinnen war so resolut, dass der glatzköpfige Kerl tatsächlich einen Moment strauchelte und irritiert blinzelte. Das immer gleich alle Sklaven meinten, er wollte den Herrschaften an die Gurgel springen oder ihnen andersartig ein Härrchen krümmen. Das musste an seiner Glatze liegen oder an seinen scharfen Wangenknochen. Vielleicht waren es auch die Augen, obschon Catius Faustus eigentlich immer der Meinung gewesen war, dass, wenn schon der Rest seiner Gestalt schon nicht als attraktiv zu bezeichnen war, dann doch zumindest seine dunklen Augen das zarte Geschlecht bezirzten. Aber offensichtlich hatte er sich getäuscht. Dabei hatte er sein Kompliment durchaus ernst gemeint. Die beiden Damen waren wirklich bezaubernd.


    Als Corona so mir nichts dir nichts auf einmal auf das Gegenteil des zuvor gesagten umsprang, da war Cara klar, dass die Verwandte gewillt war mit dem Händler zu feilschen und dass es für den Mann wohl hart werden würde.
    „Angesichts der Qualität...sagen wir 200. Das ist wirklich ein angemessener Preis“, Catius Faustus schürzte die Lippen. Seine Worte implizierten, dass der Mann ebenfalls eine harte Verhandlung erwartete. Ihm war der Wandel auf Coronas Gesicht nicht entgangen. Im Stillen bewunderte er die Wandelbarkeit ihrer dunklen Augen, in denen jetzt ein heller Ring um die tiefschwarze Pupille lag, wie bei einer Sonnenfinsternis. Die beiden waren schon ein merkwürdiges Paar. Die eine mit auffallenden Augen, die anderen mit Feuerroten Haaren, mit denen sie aus der Masse der Dunkelhaarigen heraus stach wie ein exotischer Vogel.
    „Also ich weiß ja nicht...“, begann jetzt auch die andere und rieb den Stoff vorsichtig zwischen ihren Fingern, die Lippen kritisch verzogen. „Er ist ja schon ganz hübsch...aber so wie ich das sehe ist er höchstens dazu zu gebrauchen, Vorhänge zu nähen...Und dann noch zu diesem Preis....Für das doppelte bekommen wir auf dem Sklavenmarkt ein Kind“, Sie schüttelte den Kopf. „Vielleicht sollten wir doch lieber zu dieser Ägypterin gehen...“


    Sein Eindruck hatte Catius Faustus nicht getäuscht, bemerkte er grimmig. Sich zum Kampf wappnend verschränkte er die Arme vor der Brust. Offensichtlich glaubten diese Mädchen, dass er es absolut nötig hatte, dass sie ihm etwas abnahmen. Nur nicht wie ein Bettler wirken.
    „Für Vorhänge ist er definitiv zu Schade...“, bemerkte er. „Aber dir steht er wirklich sehr vorzüglich, Herrin“, erklärte er an Corona gewandt.
    „Ich könnte noch zwanzig runtergehen. Also 180...“ Natürlich hatte Catius den Preis höher gesetzt, als er eigentlich beabsichtigte. Das war Gang und Gebe. Unter 150 würde er aber bestimmt nicht gehen. Da konnten sich die beiden krumm stellen....

    Das Gefühl der Verwandten war gar nicht so weit gefehlt. Tatsächlich verhinderte sie jedoch durch ihre bloße Anwesenheit eine Bluttat.


    „Ehrlich gesagt; Ich weiß auch nicht, was Lucius sich dabei gedacht hat...“, erwiderte Cara, nahm den Blick jedoch nicht von Kaeso. Diesem Schurken war alles zuzutrauen. Jetzt fuhr er schon mit der Hand zu seinem Mund. Ganz gewiss plante er die nächste Gemeinheit! Das war eindeutig eine Geste des Verbergens! >Ist er vielleicht nach Rom geschickt worden, um in die Fußstapfen seines Vaters zu treten?< Das konnte bekanntlich in mehreren Hinsichten geschehen. Vermutlich heckte er schon die nächste Gemeinheit aus! Was würde es dieses Mal sein? Cara war so vollkommen mit ihren Gedanken um den Iulier beschäftigt, dass sie sogar Corona vergaß. Als sie sich dessen bewusst wurde, berührte sie ihre Verwandte, die sich ihre Nadel soeben geschickt in die Pala gesteckt hatte, unauffällig kurz am Arm. Sie konnte ja schließlich nichts dafür, kannte nicht den Zwist, der nun schon seit so vielen Jahren zwischen den Familienzweigen wütete.


    Die absurden Gedanken, die Kaeso seinerseits hinter seiner Stirn zusammenbraute, konnte sie noch nicht einmal erahnen. Seine offenkundige Lüge enttarnte die Iulia sofort. Sie konnte es ihm förmlich an der Nasenspitze ablesen. Es war eine der wenigen Dinge, welche die beiden Iulier gemeinsam hatten. Lügen war nicht ihre Stärke. Man sah es Cara für gewöhnlich auf zwanzig Meter Entfernung an. Der Fluch des offenen Gesichtes.


    „Oh, aber natürlich freue ich mich dich zu sehen, Lieblingscousin Kaeso!“, erwiderte sie zuckersüß lächelnd und tat das, was er unterlassen hatte. Cara umarmte ihn – um ihn zu ärgern – und spürte dabei, wie er unter ihrer Berührung stocksteif wurde. „Mein Beileid zum Tod deines Vaters...“, fügte sie hinzu und klopfte ihm dabei tröstend auf den Rücken. >Hat ihn seine Boshaftigkeit also letzten Endes doch dahin gerafft...< Tatsächlich verspürte sie so etwas wie Mitleid. Schließlich hatte auch sie erfahren, was es hieß, einen Vater zu verlieren. Das wünschte sie niemandem. Nicht einmal diesem Schurken. Nur zugeben, diese Blöße würde sie sich von Kaeso niemals geben. >Nur über meine Leiche!< Cara entließ ihn aus ihrem Griff, ehe er die Unverfrorenheit besitzen konnte, sie von sich zu drücken.


    Aber Kaeso wäre nicht Kaeso, würde er die Gelegenheit nicht beim Schopf greifen, sie zu ärgern, sie zu blamieren, zu versuchen sie ins Abseits zu drängen – nur, dass sich das die junge Iulia nicht gefallen ließ.
    „Mit den hübschen Mädchen hast du wohl auch deine guten Manieren in Capua zurückgelassen“, erklärte sie nüchtern (seinem breiten Rücken).
    „Und falls du es für anständig hältst, einer Frau wie ein trotziges Kind den Rücken zu zuwenden, weil du nichts mehr zu erwidern weißt, dann scheint mir, als könne es um die „hübschen Mädchen“ in Capua auch nicht sehr gut bestellt sein...“ Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust, während sich das Lächeln auf ihren Lippen zu einem Grinsen auswuchs. „Im Übrigen, ein Kavalier beginnt eine Vorstellung niemals mit „Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns bereits kennen....““,


    Sim-Off:

    edit: hab nur mal wieder ein paar tippfehler ausgebügelt-.-"

    >Kaeso Iulius Vestinus, Kaeso Iulius Vestinus<, grübelte die „angekommene Person“...>KAESO IULIUS VESTINUS!< Caras blaue Augen weiteten sich, als sie sich die durcheinander gefegten Puzzleteile auf einmal zu einem Ganzen zusammen schoben und sie das Bild vor sich hatte. Die Familienfeier. Flimmernde Erinnerungsstücke rasten durch ihre Gedanken. Marcus Iulius Clemens, der vor der kompletten Gens samt ihrer Klientel denunzierend den Finger gegen ihren Vater erhoben hatte. Was war nochmals der Grund gewesen? Richtig, Marcus´ Frau. Der Mann hatte doch allen Ernstes behauptet, ihr Vater hätte eine Affäre mit Kaesos Mutter gehabt. Als ob Tiberius das nötig gehabt hätte! Schon seit sie denken konnte, hatte ihr Vater mit seinem Bruder im Klinsch gelegen. Die Familienfeier war dabei nur ein trauriger Höhepunkt gewesen. Ein Wendepunkt, der auch das Verhältnis zwischen Kaeso, ihrem Bruder Saturnius und Cara, die als Kinder eigentlich unzertrennlich gewesen und die Köpfe stets zusammen gesteckt hatten, nachhaltig verändert hatte. Eine Art Hassliebe war darauß entwachsen. Die Kinder hatten keine Gelegenheit ausgelassen die Fehde auf ihrer Ebene weiter zu führen und sich gegenseitig zu piesacken. Sie erinnerte sich noch daran, wie Kaeso sie einst in der Vorratskammer eingesperrt hatte. Seither überkam sie manchmal nachts die Angst vor der Dunkelheit. Für einige Jahre hatten die Familienzweige den Kontakt komplett abgebrochen. Und jetzt war er wieder da.
    >Hätte ich doch lieber nicht gerufen<, Ihr Augen verengten sich nun, als sie den Iulier anschaute. Wenn er glaubte sie ließe sich von dem bisschen Süßholzgerasspel einlullen, dann hatte er sich gehörig getäuscht.
    „Eventuell“, entgegnete sie kühl. „solltest du dir das nächste Mal einfach einen anderen Platz zum Schlafen suchen...Überhaupt, was machst du hier in Rom?“
    Diese schönen blauen Augen (das musste selbst Cara zugeben) – wie hatte sie sie nur vergessen können! Tatsächlich war Kaeso zu einem irritierend attraktiven jungen Mann heran gewachsen. Aber das würde Cara ihm gegenüber selbstverständlich nie zugeben. Noch nicht einmal sich selbst gegenüber wollte sie das eingestehen. >Sein Kinn ist viel zu spitz.<


    Bevor er ihr jedoch antworten konnte, gesellte sich Corona zu ihnen und die Situation wurde noch absurder. Die Iulia hielt eine Nadel in der Hand, die ihr geradezu zuzulächeln schien. >Wenn ich die richtigen Stellen treffe, dann könnte ich ihn damit überwältige<, ging es ihr finster – und zugegebenermaßen äußerst kindisch, was sie selbst wusste – durch den Kopf.
    „Er meinte, Centho hätte ihm aufgetragen – ich zitiere – „den Garten etwas heller zu machen“. Das da war sein erstes Opfer“, Sie deutete auf die Eiche hinter der Bank. „Der Ast hätte meinen Cousin fast getroffen“, >Zu Schade, das er es nicht getan hatte<, fügte sie in Gedanken hinzu. Mit Absicht stellte sie Kaeso nicht vor. Sollte er es doch selbst tun!
    „Du hast genäht?“, fragte sie in Richtung ihrer Verwandten und versuchte sich an einem Lächeln.

    „Das ist beste Qualität!“, empörte sich der glatzköpfige Mann. „Direkt aus dem Süden Italias importiert!“
    „Ich gebe dir hundert dafür...“, beharrte die Frau.
    „Hundert!“, In einer theatralischen Bewegung – der Kerl hätte wohl lieber Schauspieler werden sollen – hob er die Arme.
    „Du machst mich arm!“


    „Du hast es selbst genäht?“, Caras Brauen hoben sich in Überraschung und ihr Blick glitt anerkennend über das Gewandt, das ihre Cousine trug. „Wirklich großartig!“, Obschon die Pala schlicht war, so umschmeichelte sie dennoch äußerst elegant Coronas Figur. Das Wörtchen „gut“ erschien ihr jetzt tatsächlich als reine Untertreibung. „Es muss dich Stunden gekostet haben...“ Anerkennung flackerte in ihrer Stimme und verbarg das befremdliche Gefühl, das sie in ihrem Inneren beschlich. Ich bin eine miserable Köchin, sagte sie. >Ob sie das ernst meint oder nur bescheiden ist?< Cara konnte es nicht einschätzen – noch nicht. Was sie selbst betraf, so kam sie sich in Gegenwart der Cousine jetzt ein wenig kleinlich vor. Weben, Nähen, Sticken? All das hatte sie mehr schlecht als recht gelernt, hatte sie doch stets andere Dinge im Kopf gehabt: Den Garten, die Pferde, den Wind, herumtollen, erkunden, erforschen, sehen, fühlen. Wenn sie so zurückdachte, so hatte sie in Mogontiacum mehr Jungen zum Freund gehabt als Mädchen. Mädchen. Sie lebten im Haus. Sie aber brauchte Luft und Raum. Wenn sie jetzt aber Corona betrachtet, wie ihre Finger über den Stoff glitten und sie in ihren Augen lesen konnte, wie sich hinter der hübschen Stirn der bloße Stoff zur Pala, einer Tunika oder was auch immer formte, da fühlte sie sich irgendwie...unperfekt.
    „Ich glaube nicht, dass du das in der Casa brauchen wirst...Lucius´ Koch zaubert einfach göttliche Gerichte!“, winkte sie und gab sich dabei selbstbewusster, als sie sich im Moment fühlte. „Hattest du schon die Ehre etwas von ihm gemachtes zu kosten?“


    Ihre blauen Augen weiteten sich. „Wirklich? Das würdest du tun?“ Mit einem solchen Angebot hatte sie freilich nicht gerechnet. „Sehr gern!“ Strahlend kam sie näher. In der Tat war es mit ihrer Haarfarbe nicht gerade leicht Stoffe zu finden, die zu ihr passten. Was sie auch trug, das kräftige rotblond ihrer Haare stach heraus wie ein schwarzer Fleck auf einer schneeweißen Tunika. Es gab nicht viele Frauen mit solchen Haaren. Und schon oft hatte sie gesehen, wie Menschen um sie herum hinter vorgehaltener Hand tuschelten. Rotblond, das war keine typisch römische Haarfarbe. Das war die Farbe der Barbaren. Cara selbst zeigte sich darüber jedoch erhaben. Sie wusste schließlich aus welchem Haus sie kam. Sie war eine Iulia durch und durch...
    „Sophie verzweifelte immer fast dabei, wenn es darum ging neue Stoffe einzukaufen“, lächelte sie und biss sich auf die Unterlippe, als sie bemerkte, wie sie von ihrer Leibsklavin bereits im Präteritum sprach. Bisher war noch nichts neues bei der Suche nach der Griechin heraus gekommen. Dennoch hatte Cara die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass man sie letztendlich fand. Es war fast schon zur Manie geworden, dass sie, wo sie auch immer war, Ausschau nach der jungen dunkelhaarigen Frau hielt. Auch jetzt glitt ihr Blick immer mal wieder über die Gesichter der Passanten. Aber keines glich dem ihrer Sophie.
    „Der Stoff ist schön...“, meinte sie lächelnd. Er fühlte sich ganz weich an, als sie ihn vorsichtig befühlte.


    „Guten Tag! Welch bezaubernde Wesen haben denn die Götter zu mir geführt?“, Der glatzköpfige Händler trat mit einem Lächeln näher, was Wonga automatisch veranlasste einen Schritt näher zu kommen. Eines musste man ihm lassen – Acht gab er. Der Händler indessen machte einen recht abgekämpften Eindruck. Offensichtlich hatte ihm die Frau tatsächlich den letzten Nerv geraubt.
    „Wie kann ich euch helfen? – Dieser Stoff? – Eine wirklich vortreffliche Wahl!“


    Sim-Off:

    Ach ja, wer Lust hat, der kann sich natürlich gern einposten;)

    Es hatte sich leider nicht vermeiden lassen. So sehr sie sich auch gesträubt hatte, Wonga als Wachhund mit in die Stadt zu nehmen, Lucius hatte darauf bestanden. Und das Wort Lucius war – in gewissen Situationen – das Gesetz. Den beiden jungen Frauen war also gar nichts anderes übrig geblieben, als den Sklaven mitzuschleppen. Und nicht nur das. Man hatte es offensichtlich zu gut mit ihnen gemeint. Neben dem begriffsstutzigen Türsteher der Casa hatte man ihnen auch noch Tsuniro zur Seite gestellt. Was die Ägypterin bei diesem Einkauf sollte, das war Cara immer noch schleierhaft. Vielleicht ihre Einkäufe tragen? Wie dem auch sei, immerhin hatte sich Lucius überaus spendabel gezeigt, als die beiden Mädchen ihm mit vereinten Kräften erklärt hatten, dass es unbedingt nötig war, ihren Bestand an Kleidern, Stoffen, Bändern und Schmuck aufzustocken, sollten sie die gens anständig präsentieren. Natürlich hatte er sie dazu angemahnt doch der römischen Tugend der Bescheidenheit zu folgen – wie so oft mit strengem Gesicht, hinter dem sich jedoch ein Lächeln verbarg – hatte aber dann doch seinen Beutel mit den Sesterzen darin gezückt. Vielleicht hatte er Tsuniro ja deswegen mitgeschickt; Um darauf zu achten, dass sie das Geld nicht so hinaus warfen.
    Zu viert machten sie sich gegen Nachmittag schließlich zum Markt auf. Die zwei Iuliae schritten voran, während ihnen im Schatten Wonga auf watschelnden Sohlen und Tsuniro folgten.
    Schon viel war Cara über die römischen Märkte zu Ohren gekommen. Groß, atemberaubend sollten sie sein und alles bieten, was das Herz auch nur im Entferntesten begehren konnte. Die Gerüchte stimmten. Obschon die junge Iulia nun doch schon einige Zeit in Rom war, die Märkte hatten noch nichts von ihrem Zauber verloren. Immer wieder erfasste ihr Blick Dinge, die sie noch nicht gesehen hatte und ließ sie in reinster Verzückung versinken. Auch heute waren wieder wahre Herden an Menschen auf der Straße. Dickbauchige ältere Herrschaften, die miteinander debattierten, schlicht gekleidete Frauen, denen Weidenkörbe mit Einkäufen am Unterarm baumelten, Geschäftsmänner in feinem Zwirn, ein paar Patrizier, die unschwer an ihrer Aufmachung zu erkennen waren und denen einige Sklaven und Scribae folgten, dazwischen tollten Kinder schreiend und Freude sprühend umher, saßen gebeutelte bemitleidenswerte Gestalten in den Ecken und baten um ein bisschen Kleingeld, während Hunde hin und her huschten, um herunter gefallenes Essen zu erhaschen. Rom lebte und hier auf dem Markt schien sich das Leben in einer Duftwolke aus exotischen Gerüchen, einem atonalen Chor aus Stimmen und Schnittbildern zu konzentrieren. Cara wusste gar nicht recht wohin sie zuerst den Blick schweifen lassen sollte und saugte die Eindrücke ihrer Umgebung wie ein Schwamm Wasser auffängt in sich auf. Dabei musste sie aufpassen, nicht allzu sehr am Arm ihrer Verwandten, deren sie sich einhakend bemächtigt hatte, zu zerren.
    „Sieh Mal Corona!“, rief Cara begeistert und deutete mit der freien Hand auf einen Stand der über und über mit bunten Stoffbahnen behangen war. „Vielleicht finden wir dort schöne Stoffe für ein paar neue Kleider“ Sie lächelte die Iulia aufmunternd an und zog sie, ohne auf eine Antwort zu warten, sanft in die Richtung des Händlers, der gerade mit einer anderen jungen Damen um ein rotes Stück feilschte.
    „Aber meine gute Dame!“, sagte er theatralisch. „Der Preis, den ich dir gerade gemacht habe ist schon ein ganz besonderer Preis. Ich kann da wirklich nicht noch...“
    „Ein besonderer Preis?“ Die Frau hob abschätzend die schmalen Brauen. „Der Stoff ist zwar schön...aber sieh her“ Sie hielt ihm die Bahn entgegen: „Viel zu grobmaschig für das Geld, das du dafür haben willst!“...
    Nur am Rande nahm Cara das Gespräch zwischen Händler und Kundin wahr. Ein zartes Kobaltblau hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Federleicht strichen ihre Finger über den Stoff und befühlten seine Beschaffenheit. „Mutter hat immer gesagt meine Handarbeiten wären schrecklich...“, vertraute sie der Verwandten mit einem schiefen Lächeln an, die nur ein paar Schritte entfernt selbst eine Bahn untersuchte. „Ich habe gehört du kannst gut Nähen?“ Das Wörtchen „gut“ war dabei eigentlich noch eine Untertreibung gewesen.

    Harsche Worte, aber nicht laute waren es gewesen. Mit der Zurechtweisung, die ihm Cara erteilt hatte und die im Grunde nur beinhaltete, dass er seinen Kopf gefälligst gebrauchen sollte, der ihm da reichlich haarig zwischen den Schultern entwuchs, hatte der Sklave sogar Glück gehabt. Andere Herren hätten ihm wohl tatsächlich Mordabsichten unterstellt und ihn dafür hart gestraft. So aber kletterte der Sklave von der Leiter hinunter und huschte unbehelligt davon.


    >Diese blauen Augen!< Es gab nur sehr wenige Menschen, welche die Kombination „Schwarze Haare – blaue Augen“ für sich beanspruchten. Und dieses Paar Augen war so intensiv und pur blau, dass es eigentlich unmöglich war sie zu vergessen, hatte man sie einmal erblickt. Jetzt las sie in ihnen, wie auch er sie zu erkennen suchte.


    "Stell dich mir doch einfach vor", sagte er, wenn er sie auch sehr höflich dazu aufforderte, dem Anstand entsprach es deshalb nicht. An ihm wäre der erste Zug gewesen. Da aber Cara ohnehin nicht viel auf Floskeln gab, sah sie darüber weg. Ohnehin war sie viel zu neugierig!
    „Iulia Cara. Mein Vater war Tiberius Iulius Drusus.“

    „Ist alles in Ordnung?“, Mit geraffter Pala lief Cara zu ihm herüber, das Gesicht eine Grimasse der Sorge. Bevor sie ihn jedoch erreicht hatte, hatte er sich bereits wieder aufgerichtet und warf ihr einen Gruß zu. Das genügte, um Cara davon zu überzeugen, dass es ihm soweit gut ging. Sie konnte ja nicht ahnen, wer da vor ihr stand. Vielleicht hätte sie es dann sogar unterlassen, einen Warnruf in die Luft hinauszuschreien. Das war aber im Moment nicht wichtig.
    „Was um alles in der Welt tust du da? Hm?!“, wandte sie sich resolut an den Sklaven und machte noch ein paar drohende Schritte auf ihn zu. „Du kannst doch nicht einfach an irgendwelchen Bäumen herumsägen, wenn jemand darunter sitzt! Willst du ihn etwa UMBRINGEN?“ Sie blieb neben der altersschwachen Leiter stehen, welche der Mann benutzt hatte, um seine Untat zu begehen und sah zu ihm auf, die Hände in die Hüfte gestemmt, die Brauen wütend zusammengezogen.
    „Ich...ich...äh...ähm – verzeih domina...ich“, stotterte er, drückte die Säge an seine Brust, während sein Kopf die Farbe einer überreifen Tomate annahm.
    „Warum sägst du überhaupt an diesem herrlichen Baum herum?!“ Auch ihre Wangen nahmen in all der iulischen Hitzigkeit, mit der sie sprach, einen rötlichen Stich an.
    „dom...dominus Lucius hat...er hat...“, Er atmete tief durch, um sich zu sammeln: „Er hat mich angewiesen den hortus etwas heller zu machen...“
    Die Logik, welcher dieser Sklave daraufhin gefolgt war – nämlich die Säge zu schnappen und sich am nächst besten Baum zu vergehen – ließ Cara einen Augenblick verdattert dreinschauen.
    „Ja...hm...dann komm erst einmal herunter. SOFORT!“ Der Sklave drückte die Säge noch etwas fester an sich, ordnete seine Beine und nahm dann den Abstieg in Angriff. Die Leiter wippte gefährlich hin und her.
    Cara wartete nicht mehr darauf, bis der Servus den Boden mit den Zehenspitzen berührte, sondern drehte sich schwungvoll dem Opfer dieses Attentats zu. Der schien immer noch ziemlich schlaftrunken. Sie kräuselte die Lippen, aber ihr Lächeln erstarb inmitten der Bewegung. Das Gesicht vor ihr rührte etwas in ihrer Erinnerung. Es kam ihr bekannt vor. Aber woher? „Kennen wir uns?“



    Sim-Off:

    Ich hab den oberen Post nochmals so editiert, dass es keine Verwicklungen mit deinem und Centhos Thread gibt (s. Ende)

    Sim-Off:

    Uuuh, das ist böse!=)


    Hatte Lucius erwartet, dass sie nun eingeschüchtert klein bei geben und sich zurückziehen würde, so hatte sich der Iulier getäuscht. Der Satz „Weder deine Eltern noch dein Bruder würden das gut heißen“ – legte einen Schalter in ihrem Kopf um und siedender Trotz stieg in ihre Wangen. „Was glaubst du denn, was ich mit Pferden mache?!“, erwiderte sie hitzig. „Anschauen und tätscheln?“, Sie beugte sich vor, die Brauen zusammengezogen, die blauen Augen trotzig funkelnd. Unwillige schüttelte Cara den Kopf. "Was sind denn dann deine Vorstellungen?hm?" So wird er es dir nie erlauben, ging es ihr durch den Kopf. Aber der Gedanke vermochte kaum, sie zu besänftigen. Es war so ungerecht! Und sie wollte sich mit dem Verbot, dass sie aus seinen Worten erfasste, nicht zufrieden geben.


    „Mein Bruder höchst persönlich brachte mir das Reiten bei“, versetzte sie, jetzt etwas ruhiger, auch wenn ihre Wangen nach wie vor glühten. „Und ich weiß, dass römische Damen nicht reiten sollten. Aber nur weil sie es nicht sollten, heißt es nicht, dass sie es nicht könnten...Und...und...und ich kann vorsichtig sein! Niemand muss es bemerken!“, redete sie sich um Hals und Kragen. „Lucius!“, Bittend sah sie ihn an.

    „Bona dea!“, Cara stemmte die Hände in die Hüfte und hob kritisch die schmalen Augenbrauen. „Das kann doch nicht sein Ernst sein...“, Sie hatte den Gewürzgarten der Casa Iulia entdeckt: Ein Rechteck etwas abseits des eigentlichen hortus in der Nähe des Kücheneingangs, in dem einfach alles kreuz und quer wuchs. Thymian neben Rosmarin, Basilikum, Löwenzahn, Kümmel neben wild wuchernden Kräutern, die zu allem nützlich waren außer Kochen und Dekoration. „Wie um alles in der Welt kann dieser Mann so herrliche Gerichte hinzaubern, wenn sein Garten aussieht, als wäre eine Horde Schweine hindurchgefegt?“, sprach sie ihre Gedanken vor Empörung und Unglauben laut aus.
    „Nun gut!“, klatschte sie entschlossen in die Hände. „Dann wollen wir mal...Tsuniro!“ Sie wandte sich zu der ägyptischen Sklavin um, die einige Schritte hinter ihr stand. Schon in ihrem Gesicht war zu lesen, dass die junge Frau wenig Sympathie und Elan für das hegte, was die Iulia mit ihr vorhatte. Cara indessen ignorierte das Missfallen der Ägypterin.
    „Hol ein paar Töpfe und rufe noch einen der anderen Sklaven hinzu. Ich glaube wir können ein wenig Unterstützung gut brauchen!“
    „Wie du wünschst, domina!“, sprachs eisig und sie entschwebte, um Caras Anweisung nach zu kommen.
    Die junge Frau sah ihr noch einen Moment nach, wie sie in der Küchentür verschwand. Ein leises Gefühl wisperte ihr zu, dass sie beide wohl keine Freundinnen werden würden. Nicht so wie Sophie und sie. Sophie! Wo steckte sie nur! Die Sklavin fehlte ihr. Nicht nur ihrer Dienste wegen, sondern auch weil die junge Frau ihr stets ihr Ohr geliehen und ihr Rat gegeben hatte. Hier war alles so fremd...“Dummes Mädchen!“, schalt sie sich selbst und strich sich ärgerlich eine vorwitzige Haarsträhne aus der Stirn. Wenn es etwas gab, was sie sich nicht erlauben wollte, dann war es Herumjammern, dann war es Heimweh und die Sehnsucht nach jemandem der ihr persönlich nahe stand. Sie hatte es so gewollt. Sie!
    Tsuniro kam, beladen mit unzähligen kleinen Töpfchen, zurück, im Schlepptau einen hageren, schlaksigen Sklavenjüngling, der mit hängenden Schultern hinter ihr herschlurfte.
    „Ich bin zurück, domina!“ Sie sah wohl Caras kritischen Blick, den diese ihrem Kumpanen zuwarf. „Das ist Iason...“, schob sie erklärend hinzu.
    „Salve...“, sagte Iason nuschelnd, weil er kaum die Lippen auseinander bekam. Großartig, eine widerspenstige Diva und ein Lattenzaun, der den Mund nicht aufbekommt...Caras Blick glitt zu seinen Händen, die feingliedrig und so groß wie Schaufeln waren. Er machte nicht gerade den Eindruck, als wäre er einfühlsam genug, um mit zarten Pflänzchen umzugehen.
    „Das heißt „Salve domina“...“, verbesserte Cara ihn angesichts seiner Respektlosigkeit. Sie hatte es nicht schroff, allenfalls sehr bestimmt gesagt. Aber es reichte aus, dass der Junge den Kopf verlegen senkte und ein...“Verzeiht domina Cara...“, nuschelte, eine Betonung in der Mitte. Sie nickte, etwas befremdet.
    „Dann lasst uns anfangen....“ Cara wies auf das Beet. „Das muss alles rauß. Aber! - Einige der Gewürzpflanzen werden wir in diese Töpfe setzen“, sie deutete auf die Gefäße in Tsuniros Armen, „damit unser Koch auch weiterhin noch Gewürze hat, bis junge Pflanzen nachgewachsen sind. Habt ihr verstanden?“ Die Sklaven nickten.
    Klappernd stellte die Ägypterin die Töpfe auf den Boden zu ihren Füßen und machte sich mit schmalen Lippen an die Arbeit. Iason indessen schien noch etwas unsicher zu sein, wo er denn nun anfangen sollte. Cara beobachtete ihn, wie er mit einem übermäßig großen Schritt seiner lattenlangen Stelzen mitten in das Beet hinein trat, sich hin kniete. Mit seinen grobschlächtigen Pranken griff er nach den armen Pflänzchen und riss daran. Leider erwiesen sich die Wurzeln als überraschend widerspenstig und verweilten im Erdreich, während dem jungen Iason nichts weiteres übrig blieb, als das Blattwerk und die Stängel in seiner Hand anzuglotzen. Sie sah einen Atemzug zu, einen zweiten, ehe sie zu ihm herüber kam und sich ungeachtet der feinen fliederfarbenen Pala, die sie trug, neben ihn hockte. „Warte...!“, sagte sie leise, was ihn dazu veranlasste überrascht den Kopf zu heben und sie anzustarren. Sie hob die Blätter des Basilikums etwas an und grub die Wurzel frei. „So geht es viel einfacher – und du reißt die Pflanze nicht entzwei....“ Mit sanftem Zug trennte sie Pflanze und Erdreich. Cara angelte nach einem Topf, füllte ihn mit Erde und setzte den Basilikum hinein. Zufrieden wischte sie sich die Hände an ihrer Kleidung ab und erhob sich. Iason schaute sie immer noch an, als wäre sie überirdisches Wesen.
    Ein Geräusch, als würden sich zwei Holzfäller in einer anderen Ecke des hortus an einer großen Eiche zu schaffen machen, ließ sie aufhorchen. Cara konnte nicht sagen weshalb, aber es machte sie stutzig. „Macht weiter...ich komme gleich zurück...“, sagte sie abgelenkt, entstieg dem Beet und nahm einen Weg, der um eine Ecke und hinein in den Hauptteil des Gartens führte. Der Winter hatte den hortus sichtlich durchgeschüttelt. Und obschon sich die Sklaven Mühe gegeben hatten, ihn wieder herzurichten, so glich er eher einer alten Frau auf dem Sterbebett, als einer jugendfrischen Schönheit – zumindest in Caras Augen. Die kleinen Bonsaibüsche, die sich um einen Brunnen herum gruppierten etwa, waren absolut farblos und schlaff. Aber nicht das war es, was ihre Aufmerksamkeit erregte, als sie sich nach dem Ursprung des Geräusches umsah, sondern ein junger Mann, der auf einer Bank unter einem Baum saß, an dem sich gerade ein Sklave zu schaffen machte. Es kam, wie es kommen musste: der Ast, an welchem der Sklave gerade herum gesägt hatte – aus welchem Grund auch immer – löste sich krachend von seinem Wirt..."VORSICHT!" gellte Caras Ruf durch den hortus...

    Den Iulier schien es zu amüsieren, dass sie heilfroh war, dem Thema Zukunft zunächst entgangen zu sein. Er ließ es sich dann auch nicht nehmen, sie sogleich diesbezüglich zu necken - zumindest nahm Cara das an. "Willst du den Hund etwa jetzt schon wieder wecken, wo du ihn gerade erst begraben hast?", entgegnete sie und ein verschmitztes Lächeln teilte ihre Lippen. Zeigte sie sich äußerlich spielerisch, vibrierte ihr Inneres jedoch in nervöser Unsicherheit. >Nicht!< Bisher hatte sich Cara noch nicht entschieden, wie sie wohl auf etwaige Pläne seitens Lucius´ reagieren würde. Rebellisch? Einlenkend? Die Stimme ihres Herzens lag mit der ihres kühlen Verstandes im Widerstreit.> Es kommt auf die Erwartung an.<


    Das Lächeln explodierte jedoch in einem regelrechten Strahlen, als er ihr anbot, sich im hortus austoben zu dürfen und ihr von der Pferdezucht erzählte. "Tatsächlich?!", entfuhr es ihr. Mit einem Mal waren alle düsteren Gedanken aus ihrem Kopf hinweggefegt. Cara wusste gar nicht, auf was sie zuerst eingehen sollte. Die Folge war, dass alle Worte auf einmal versuchten an die Luft zu gelangen: "Dann muss ich mir den hortus nachher unbedingt anschauen? Gibt es schon jemanden in der gens, der sich darum kümmert? Oh und den Stall! Den will ich natürlich auch sehen! Gibt es auch eine Möglichkeit, einmal nach Mantua zu reisen? Ich bin doch so neugierig! Interessiert sich deine Verlobte auch für Pferde? Vielleicht könnten wir zusammen ausreiten..." Verdammt, jetzt war es ihr doch so flüchtig leicht über die Lippen gesprungen. Ausreiten. Eine Frau. Die fröhlich sprudelnde Quelle hörte abrupt auf zu glucksen. Auf ihrer Unterlippe kauend suchte Cara in Lucius Gesicht nach einer Reaktion.

    Versunken in Gedanken darüber, ob sie den Sklaven wirklich um Auskunft um Sophie bitten sollte - manchmal war es besser Dinge lieber nicht zu wissen - , schreckte die junge Iulia unvermittelt auf, als der Sklave wie aus dem Nichts so mir nichts dir nichts aus dem Boden wuchs. Sie fuhr zusammen, entspannte sich aber bereits im nächsten Moment wieder, die rechte auf das wild pochende Herz legend.
    "Musst du dich immer so anschleichen?!", fuhr sie den Mann an, was ihr aber sogleich wieder Leid tat. Es war eben seine Art. Vielleicht durch jahrelange Sklavenschaft antrainiert, um die Herrschaften um ihn herum ja nicht zu stören. Sich zu entschuldigen war sie zu stolz - das wäre ja noch schöner - aber sie schlug einen sanfteren Tonfall an.
    "Ich wollte dich etwas fragen, Phocylides...", erklärte sie ihr Anliegen. "Erinnerst du dich noch daran, wie Iulius Centho dich beauftragt hat, nach einer griechischen Sklavin namens Sophie zu suchen?" Forschend blickte Cara ihm ins Gesicht. "Hast du etwas über sie in Erfahrung bringen können?"

    Dunkelheit war wie dunkler Samt zu den Fenstern herein gekrochen und hatte sich über die Truhen, den Tisch mit seinen Brüdern den Weidenkörben, die Kommode, das Bett gelegt und begrub gnädig alle Unebenheiten unter sich. In der Nacht war alles gleich.
    Ein leises Klicken brachte Cara Bewusstsein Stück für Stück an die Schwalle der Wahrnehmung. Zunächst wunderte sie sich noch, weshalb es schon so dunkel war, dann bemerkte sie, dass sich langsam ein flackerndes Licht zum Tisch hinüber schob, bis sie schließlich erkannte, dass dieses Licht eine Kerze war, die von einer Hand getragen wurde, die wiederum zu einem Menschen gehörte. Aus müden Augen heraus beobachtete sie, wie der Fremde den Tisch erreichte.
    „Wer ist da?“, fragte sie verschlafen, viel zu träge, um sich zu sorgen. Ein Ruck ging durch die Gestalt und ein Kopf fuhr erschrocken herum. Im Schein der Kerze erkannte sie das scharf umrissene Profil einer Frau mit dunklen Haaren.
    „Verzeih – domina“, verzögerte sich die Antwort, als hätte sie sich erst wieder sammeln müssen. Eine Sklavin also.
    domina Calliphana schickte mich, dir eine Kleinigkeit ins Zimmer zu stellen, falls du Hunger haben solltest, wenn du aufwachst. Die cena hast du verpasst...“ Es dauerte ein, zwei Augenblicke, bis Caras Verstand erfasste, was gesagt wurde. Er verweilte immer noch in dösendem Halbschlaf. Dann kräuselte ein Lächeln die Lippen der Iulia, welches die Sklavin aufgrund des Lichtmangels natürlich nicht sehen konnte.
    „Das ist nett von ihr....Wie ist dein Name?“
    „Tsuniro“, klang es durch die Dunkelheit des Zimmers zu ihr herüber.
    „Gut, Tsuniro. Dann richte ihr bitte meinen Dank aus...“, Wieder kam die Antwort der Sklavin mit einigem Abstand. „Wie du wünschst, domina!Dieses Mal glaubte Cara jedoch, dass es vielmehr mühsam hinunter geschluckter Unwillen war, der die Frau hatte zögern lassen. Ihr Tonfall war schneidend. Es klackerte und schepperte, als Tsuniro das Tablett mit dem Brotkorb und den Tiegeln mit Aufstrich auf dem Tisch abstellte. Kurz darauf wanderte die Kerze zurück zur Tür und erlosch von einem Atemzug auf den nächsten. Mit leisem Knartzen schloss sich die Tür. Cara indessen schloss mit einem Seufzen die Augen. Vielleicht hätte sie die Sklavin zurecht weisen sollen, aber sie war viel müde. Der Tag in der Stadt war so anstrengend gewesen. Noch immer litt sie unter einer gewissen Schwäche, die sie immer so schnell Erschöpfung empfinden ließ. Sie war sogar zu müde dazu, um auch nur einen Gedanken an Essen zu verschwenden – und glitt stattdessen zurück in einen ruhigen, traumlosen Schlaf.

    Der Bote kam von weit her. Aus dem tiefsten Germanien hatte es ihn über die Alpen bis hierher in die Ewige Stadt getragen. Die Tasche, die er bei sich trug, war bis zum Rand mit Schriftrollen vollgepackt, die es zu verteilen gab. Kurz machte er auch an der Casa Iulia Halt, um zwei epistulas an der Pforte bei einem etwas stumpfsinnig erscheinenden dunkelhäutigen Sklaven abzugeben....



    Ad Pompeia Lucia
    Casa Iulia
    Roma
    Provincia Italia


    Meine liebe Verwandte,


    vermutlich weilst Du und Deine Tochter schon einige Zeit in Roma, wenn Du diesen epistula erhältst. Ich war ehrlich gesagt etwas erschüttert über eine gute Bekannte von mir zu erfahren, dass Du und Corona auf eurem Weg nach Roma hier in Mogontiacum eine Rast eingelegt habt. Es hat mich geschmerzt zu hören, dass ihr beide es vorgezogen habt lieber in einem Gasthaus unterzukommen, anstatt uns die Ehre zu erweisen, euch in der Casa Iulia willkommen zu heißen. Ich weiß, unser Verhältnis zueinander war nicht immer das beste, Lucia. Aber wir sind eine Familie! Ich hätte Euch beide mit Selbstverständlichkeit – freudiger Selbstverständlichkeit! – bei uns aufgenommen und Euch anständig bewirtet. Warum also hast Du mir nicht geschrieben? Ich habe für meinen Fehler damals gebüßt! Trotz allem hoffe ich natürlich, dass Du und Corona wohlbehalten in Roma angekommen seid. Eine Reise zu dieser Jahreszeit ist noch um einiges unangenehmer, als solche Reisen ohnehin schon sind. Es hat mich gefreut zu hören, dass auch ihr beide in der Ewigen Stadt sein werdet. Ich konnte Cara aus gesundheitlichen Gründen nicht begleiten, auch wenn ich es liebend gern getan hätte. Ich lasse sie nur sehr ungern aus den Augen. Es wird ihr gut tun euch beide um sich zu haben. Die stadtrömische Casa wird derzeit ja hauptsächlich von männlichen Verwandten bewohnt und die wissen natürlich nicht was ein junges Mädchen tatsächlich nötig hat. Ich bin mir sicher, dass unsere Mädchen gute Freundinnen werden können und das Cara noch einiges von Corona wird lernen können. Ich habe gehört deine Tochter näht und webt göttinnengleich. Cara scheint diesbezüglich jegliches Talent zu fehlen – um nicht zu sagen, ihre Arbeiten sind schrecklich. Vielleicht kann Corona sie ein wenig beiseite nehmen? Auch Dich möchte ich um etwas bitten. Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, Dich um diesen Gefallen zu bitten. Aber letztendlich habe ich, soweit von meiner Tochter entfernt, keine andere Wahl. Deshalb bitte ich Dich inständig darum: Bitte gib etwas Acht auf Cara. Sie kann sich benehmen wie jedes wohlerzogenes Mädchen. Aber sie ist noch so jung, dass sie noch allerhand Flausen im Kopf hat. Ich bitte Dich Lucia! Sie ist trotz allem eine Iulia. Ich habe sie als solche erzogen! Bitte!


    Ich umarme Dich – auch wenn Du davon vermutlich nicht sehr begeistert bist....


    Cretica


    Ad Lucius Iulius Centho
    Casa Iulia
    Roma
    Provincia Italia


    Mein lieber Lucius,


    Mea epistula – er erreicht Dich etwas spät, wirst Du dir sicherlich denken. Und Du hast wahrlich Recht. Die Dinge hier in Mogontiacum haben mich bisher davon abgehalten, einen anständigen Brief zu verfassen. So wird Cara inzwischen auch schon – wie ich hoffe wohlbehalten - angekommen sein. Dieses unvernünftige Mädchen wollte unbedingt im Frühjahr reisen und das erst so kurz nach diesem schlimmen Fieber! Ich konnte sie einfach nicht davon abbringen. Sie ist eben ganz und gar eine Iulia und hat den Dickschädel und die Impulsivität der Familie geerbt – sie hat doch hoffentlich seither nichts Dummes angestellt? Manchmal frage ich mich, wo dieses Mädchen ihren Kopf hat. Aber ich habe ihr Sophie mitgeschickt und einen unserer Custodes. Die beiden werden schon auf sie aufpassen. Für alles weitere bitte ich Dich alle Angelegenheiten in Abwesenheit Saturnius´ zu übernehmen. Ich weiß, du bist durch Deine Arbeit sehr eingespannt und Deine familiären Pflichten werden durch die Verlobung mit der ehrenwerten Furia – diesbezüglich wünsche ich euch beiden alles Liebe und Gute der Welt und das Wohlwollen der Götter! – auch nicht weniger. Aber Du weißt ja selbst, dass Saturnius stets so selten wie ein Sommergewitter in Roma weilt und die paar Wochen reichen leider nicht dazu aus, Grundsteine für die Zukunft zu legen. Also dieses: Bring meine Tochter auf den richtigen Weg - ich fürchte allein wird sie sich wohl in den vielen, viel zu verlockenden Nebengassen verlieren. Finde eine anständige Partie für sie, vielleicht schickst du sie zum Cultus Deorum in den Dienst unserer ehrenwerten, göttlichen Vorfahrin – damit sie nicht auf dumme Gedanken kommt. Und treibe ihr die Flausen aus dem Kopf, sei streng zu ihr! Sie benötigt eine starke Hand, die sie führt. Ich bin mir sicher, dass es Dir gelingen wird. Lass Dich nur nicht von ihren hübschen blauen Augen einwickeln. Lucius, ich habe Cara nicht gern nach Rom geschickt. Als Mutter blutet mir das Herz. Meine Kinder so weit entfernt. Aber ich weiß, das es so sein muss. Alles konzentriert sich in der Ewigen Stadt und ich möchte, dass meine Tochter für unsere Familie von Wert ist. Ich danke Dir von Herzen, dass Du sie bei dir aufgenommen hast. Es beruhigt mich, sie in Deiner und Marcus´ Obhut zu wissen. Ihr beide ward schon immer sehr um das Wohl der gens bemüht. Mögen die Götter auch weiterhin eure Schritte in uns wohl gesonnene Gefilde führen!


    Ich umarme Dich herzlich!
    Vale bene!


    Cretica


    PS: Bitte schreibt mir ab und zu wie sich Cara macht!