Natürlich antwortete Sextus nicht. Was hatte sie auch erwartet? Er tat in solchen Sachen doch nie das, was sie gerne hätte. Nicht so wie ihr Vater, der immer versucht hatte sie irgendwie zufrieden zu stellen, zumindest wenn es möglich war. Nur wenn es sich um Themen gehandelt hatte, die wichtig waren, hatte Aetius sich niemals erweichen lassen – und Nigrina hatte bereits früh gelernt, wann sie es bei ihrem Vater gar nicht erst zu versuchen brauchte. Ihr Mann allerdings setzte da ganz andere Maßstäbe. Und er war schon gar nicht so wie Aulus, der ihr dann immerhin Kontra gab, nicht das eines Erwachsenen, sondern ein ebenso temperamentvolles. Ja, mit Aulus konnte sie sich wunderbar streiten.
Nein, Sextus regte sich nicht auf, und es ging ihm auch nicht darum, ob ein Thema wichtig war oder nicht. Und das wiederum machte es für Nigrina schwer einzuschätzen, wann es bei ihm besser angeraten war, sich zusammenzureißen. Sie hegte ja inzwischen den argen Verdacht, dass es bei ihm einfach immer besser war, sich zusammenzureißen. Was ihr aber elend schwer fiel.
Nigrina presste die Lippen aufeinander, während sie ihm zuhörte. So ruhig, so vernünftig trug er seine Worte vor. So... unmöglich. In Situationen wie diesen fragte sie sich immer, wie um alles in der Welt er das schaffte, so ruhig zu bleiben. Sie schlug ein Bein über das andere und lehnte sich in ihrem Sessel zurück, bemüht, sich gelassen zu geben, aber in ihr brodelte eine bunte Gefühlsmischung – immer noch der Ärger darüber, dass ihr Plan nicht so funktioniert hatte wie sie wollte, immer noch ein wenig Fassungslosigkeit, dass Sextus es herausgefunden hatte, immer noch das unangenehme Gefühl, sich zu kindisch aufgeführt zu haben, und zunehmend das etwas perplexe Staunen, das sie immer erfasste, wenn sie ihren Mann in einer solchen Situation so... so unfassbar gefasst erlebte. Wie MACHTE er das? Sie an seiner Stelle wäre vermutlich schon längst ausgeflippt, sie hätte wohl nicht einmal die erste Frage so ruhig gestellt, und wenn sie das Ganze von seinem Standpunkt aus betrachtete, dann musste sie auch zugeben, dass er Recht damit hätte. Sie war immerhin seine Frau. Und sie war nun schon eine Weile schwanger, ohne es ihm bisher gesagt zu haben.
Und dann fing er auch noch an, ganz allgemein über die Nachwuchs-Frage zu plaudern! Unwillig schüttelte sie den Kopf. „Du glaubst doch nicht, dass ich das Risiko eingehe unfruchtbar zu werden, bevor ich dir einen oder besser mehrere Erben geboren habe?“ Sie zwang sich, ruhig zu sprechen, auch wenn sie nicht vermeiden konnte, dass in ihrer Stimme immer noch ein unwilliger Unterton mitschwang. „Und ja, ich bin schwanger.“ Sie verkniff sich auch das schnippische zufrieden?, das ihr auf den Lippen lag. Einen Augenblick presste sie dann erneut eben jene aufeinander, bevor sie seufzte.
„Ich hätte dir das schon noch gesagt. Ich meine, bevor irgendwer anders etwas hätte merken können. Und auch bevor du etwas hättest merken können, jedenfalls war das der Plan.“ Wirklich zu merken würde die Schwangerschaft doch erst dann sein, wenn sie sich an ihrer Figur zeigte. Und was das betraf war Sextus ohnehin der Kandidat mit den größten Chancen, ihre Schwangerschaft als erstes zu bemerken. Eine Gewichtszunahme, die sich noch dazu auf einige ganze konkrete Bereiche ihres Körpers konzentrierte, war wohl einige Zeit lang zu verschleiern, wenn man bekleidet war, und noch einige Zeit länger, wenn man seine Kleidung geschickt wählte – aber eben nicht nackt. Und Sextus war nicht nur der einzige, der sie nackt zu sehen bekam – Sklaven zählten ja nicht –, sondern dürfte ihren Körper ebenso gut kennen wie sie selbst. Nein, zu warten, bis er oder jemand anderes tatsächlich hätte erkennen können, dass sie schwanger war, war nicht Bestandteil ihres Plans gewesen. Deswegen war sie ja gerade auch so angefressen. Dass er sie darauf ansprach, egal ob nun jetzt oder irgendwann später, hatte sie nicht im Sinn gehabt, als sie beschlossen hatte Sextus noch nicht einzuweihen.
„Weißt du, wie viele Frauen ein Kind verlieren, gerade in der ersten Zeit der Schwangerschaft? Sollte mir das passieren, ist es mir lieber, wenn das keiner mitkriegt. Dann kann's mir auch keiner vorhalten. Oder mit geheucheltem Mitleid ankommen.“ Nigrina verzog das Gesicht bei dem Gedanken daran. „Und so lange von der Schwangerschaft noch nichts zu sehen ist, lässt sich ein solches Szenario wunderbar vermeiden.“