Alte Verletzungen? Schwachsinn in der Familie? Woher sollte sie das bitte wissen? Nigrina ging jedoch davon aus, dass ihr Bruder ihr keine mangelhafte Ware schenkte, so einfach war das. Sie winkte nur ab. „Nicht dass ich wüsste. Dein Medicus kann ihn sich gerne ansehen und selbst mit ihm sprechen.“ Sie warf dem Sklaven einen kurzen Blick zu. „Nein, er soll schon Leibwächter werden, daher möchte ich ihn ja von Beginn an um mich haben. Aber er ist nicht völlig unerfahren, er ist ein Parther, im Krieg gefangen. Sicher kann er auch den ein oder anderen Kampf bestreiten, sofern du es für vorteilhaft hältst“, Nigrina lächelte erneut süß, „das dann aber nur in Absprache mit mir.“ Aber wo der Lanista es ansprach... Nigrina ließ ihren Blick kurz zur Arena gleiten, wo die Gladiatoren trainierten. Einen jüngeren zu kaufen und hier in die Ausbildung zu schicken, um aus ihm einen Champion zu machen, das... nun... das hatte was. Aber ganz sicher. Vorausgesetzt es war einer, der dann auch gewann.
Aber das hatte noch Zeit, und so wandte Nigrina ihre Aufmerksamkeit wieder dem Iuventier zu, der nun zum Preislichen kam. Und so wenig Nigrina vom Handeln verstand, so wenig ihr im Grunde klar war, wovon er da sprach und dass er im Begriff war sie über den Tisch zu ziehen – eines war dann selbst ihr schleierhaft. „Du willst mir doch nicht weismachen, es kostet mehr, wenn der Kerl seltener hier ist?“ Sie schüttelte den Kopf. Das mit dem Zimmer begriff sie. Sie hatte zwar nicht vor, den Parther allzu häufig hier nächtigen zu lassen, aber sie wollte, dass er die Möglichkeit dazu hatte. Wenn sie ihn schon ausbilden ließ, dann richtig, dann sollte er auch das Beste von dem bekommen, was hier möglich war. Allerdings wollte ihr nicht so ganz eingehen, weshalb das – und so manch anderes – Mehrkosten verursachte, wenn der Parther nicht da war. Ob er in dem Zimmer nun schlief oder nicht, war doch gleichgültig. „Nein, sollte er außerhalb dieser Mauern verletzt werden, muss er ohnehin von einem anderen Medicus behandelt werden, oder erwartest du etwa ich lasse ihn verbluten, bis deiner gekommen ist?“ Nigrina überlegte einen Augenblick und zuckte dann die Achseln. „Mehr zu zahlen für ein Zimmer und diverses anderes an den Tagen, an denen er definitiv nicht da ist, scheint mir mit Verlaub auch etwas unschlüssig zu sein. Sofern du bereit bist, dies in deiner Kalkulation zu berücksichtigen, wäre ich dir doch sehr verbunden.“ Nigrina machte keinen Vorschlag. Wie auch. Zu dem eigentlichen Preis hatte sie keinen wirklichen Bezug, konnte sich nicht wirklich etwas darunter vorstellen. Sie wusste natürlich, dass es viel Geld war, aber sie wusste nicht, wie viel Geld tatsächlich wert war, weil sie noch nie in der Situation gewesen war, es sich tatsächlich einteilen zu müssen, abwägen zu müssen, überlegen zu müssen... Nur selten hatte sie von ihrem Vater etwas nicht bekommen, was sie unbedingt gewollt hatte, und es hatte ihr noch nie an Grundlegendem gemangelt. Nigrina hatte im Grunde also keine Ahnung – und im Grunde war es ihr auch egal. Sie wollte, dass der Parther eine erstklassige Ausbildung hier erhielt, oder besser eine Weiterbildung, denn er war ja nicht unerfahren. Sie wollte mit ihm angeben können. Und sie war bereit, sich das einiges kosten zu lassen, zumal es ja auch nicht ihr Geld war, das sie ausgab – das hieß, sie betrachtete es als ihr Geld, aber sie war es nicht, die es hatte verdienen müssen. Aber ein wenig hatte sie dann doch auch in dieser Hinsicht von ihrem Vater mitbekommen, und wenn es nur das war, dass sie nicht für etwas zahlen wollte, was ihr nicht logisch schien. Wie viel der Lanista letztlich hinunter ging, war ihr schon wieder gleichgültig, solange er es tat, solange er ihre Einwände berücksichtigte. Oder ihr etwas anderes geboten wurde, was auch in ihren Augen einen zusätzlichen Aufwand für den Lanista bedeutete. „Oder wir verbleiben so, dass ich spontan entscheiden kann, an welchen Tagen ich ihn hierher schicke und an welchen nicht, sofern es nicht die Gesamtanzahl der vereinbarten Tage überschreitet.“ Ein weiteres Lächeln. Das war etwas, womit sie leben konnte, mehr noch, das war ihr fast lieber. Sie liebte Flexibilität, und wenn sie morgens Lust auf einen Ausflug hatte, wäre es doch zu unpraktisch darauf verzichten zu müssen, weil ihr neuer Custos Corporis zum Training musste. Und dann fiel ihr ein, dass sie vielleicht doch noch erwähnen sollte, worüber sie bereits jetzt sinnierte – womöglich stimmte das den Lanista ein wenig freundlicher gegenüber ihrer Anfrage nach Flexibilität... „Oh, und ich könnte mir durchaus vorstellen, demnächst noch einen zweiten hier ausbilden zu lassen, sofern ich zufrieden bin mit den Leistungen deiner Schule. Einen jüngeren, dann, der das Zeug zu einem Champion hat...“ Wieder schweifte ihr Blick zur Arena, und um ihre Lippen zuckte es kurz selbstzufrieden. Doch, einen siegreichen Gladiator ihr eigen zu nennen, das war ganz sicher etwas, was ihr zusagte.