Beiträge von Flavia Nigrina

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    Und so kam Aetius in der Villa Flavia zu Rom an, wurde ins Tablinum geleitet und dort erst einmal von einem Sklaven mit einem Becher verdünnten Weins versorgt, während ein anderer Sklave in den Tiefen der Villa verschwand, um seine Kinder in Kenntnis zu setzen von seiner Ankunft.


    Kurze Zeit später kam Nigrina ins Tablinum, in anständiger Trauerkleidung, die sie sich in der Zwischenzeit besorgt hatte, für einen Betrag, den ihr Vater besser nicht erfuhr. Sie wäre geflogen, wenn sie gekonnt hätte. Sie wäre gerannt, wenn es sich denn geziemt hätte. So aber ging sie nur schnellen, aber doch gemessenen Schritts – als sie ihren Vater dann aber sah, überbrückte sie die letzte Distanz dann doch mit einem Sprung und fiel ihm um den Hals. „Papá! Ich bin so froh, dass du da bist!“ Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und genoss den vertrauten Duft und die feste Umarmung ihres Vaters. „Na na, ist Rom denn so schlimm?“ Nigrina löste ihr Gesicht und sah kurz auf, mit einem kleinen, verschmitzten Grinsen, das seit Veras Tod selten an ihr zu sehen war – was sie ungeheuer nervte, dass sie sich so zusammenreißen musste. „Nein, mir gefällt es. Aber ich hab dich trotzdem vermisst.“ Kein Wunder, immerhin hatte sie bisher – abgesehen von kleineren Ausflügen und Besuchen bei Freundinnen – nahezu ihr gesamtes Leben bei ihm verbracht. Natürlich fehlte er ihr, sie gab es nur nicht gerne zu, nicht vor anderen jedenfalls, und auch nicht vor sich selbst, wenn er nicht da war.

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    Endlich. Nach dem mehrtätigen, aufreibenden Ritt waren sie endlich angekommen. Da ihm eine standesgemäße Einkehr in die Villa Flavia in Rom wichtiger war als möglichst schnell zu Informationen zu kommen oder seine Tochter zu sehen, war er kurz vor Rom in ein Gasthaus eingekehrt, wo er sich entsprechend hatte herrichten lassen, um dann am nächsten Morgen in einer Sänfte nach Rom gebracht zu werden. So sehr es auch eilte, aber noch würde die Aufbahrung Veras nicht beendet sein, wenn er auch nur einen Tag Spielraum hatte, und es ging nicht an, dass er verdreckt und verschwitzt ankam. Nicht wenn er noch Zeit hatte, sich eben darum zu kümmern.


    Sklaven klopften an die Porta, und ein Sklave war es, der öffnete. Aetius verzichtete darauf, dem Gespräch zu lauschen – solange es nur rasch ging, und es dauerte tatsächlich nicht lange, bis er eingelassen und ins Tablinum gebracht wurde.

    Nigrina blieb an Pisos Seite, hielt weiter seine Hand. Sie hatte das Gefühl, er brauchte das. Sie nickte Celerina noch einmal zu, schweigsam, mit einem Gesicht, das ruhig war, keine Regung verriet. Sie hätte lieber geschrien. Geschrien, gebrüllt, einfach nur um zu zeigen, zu spüren, dass sie noch am Leben war. Sie war unruhig, innerlich, und sie bemerkte auch, wie Veras Anblick zunehmend schwerer zu ertragen war für sie, ebenso wie das laute jammerige Klagen und diese ganze bedrückte Atmosphäre.


    Sie wandte leicht den Kopf, als erneut jemand das Atrium betrat, diesmal jedoch nicht von der Porta kommend, sondern vom Inneren der Villa. „Gracchus.“ Diesmal blitzten ihre Augen leicht auf. Gracchus. Nigrina wusste wohl, wie ihr Vater zu diesem Mann stand. Sie wusste auch warum, denn zumindest ihr gegenüber hatte Aetius keinen Hehl daraus gemacht – aber Aetius machte selten aus irgendetwas einen Hehl. Nigrina in jedem Fall war eindeutig ein Papakind. Sie, nun ja – vergötterte ihren Vater regelrecht. Was sie vom Leben wusste, was sie von Menschen hielt, ihre Einstellung, all das hatte sie letztlich von ihm gelernt. Wenn ihr Vater nicht viel von diesem Mann hielt, tat sie es auch nicht. Andererseits hatte sie auch gelernt, sich in den richtigen Momenten gekonnt in Szene zu setzen, zu spielen, zu tun als sei sie anders – zu verbergen, was sie dachte. Und bei Gracchus war sie sich nicht so ganz sicher, ob es nicht klüger war, nicht allzu offensichtlich zu zeigen, was sie wusste und dachte. Nein, eigentlich war sie sich sicher, auch wenn es ihr ein wenig gegen den Strich ging, aber Gracchus hatte nicht unbeträchtlichen Einfluss, und sie lebte nun mal hier in Rom, in seiner Villa. Und so war sie ihm mehr oder weniger aus dem Weg gegangen, so ihr das möglich war.


    Jetzt allerdings war das nicht mehr möglich, und so nickte sie auch ihm zu, angemessen, wie sie hoffte, ohne ein Lächeln, aber zugelächelt hatte sie heute noch niemandem, das wäre wohl unpassend gewesen. Nur auf Pisos Grimasse vorhin hatte sie auch ganz kurz ihre Mundwinkel verzogen, was allerdings ebenso wenig wie seine Miene wirklich als Lächeln hätte zählen können. „Das ist es. Ich danke dir für dein Kommen.“ Sie musterte ihn, während sie nickte. So klar ihr war, was ihr Vater von Gracchus hielt, so wenig wusste sie zu sagen, was dieser umgekehrt von Aetius dachte. Und sie war tatsächlich gespannt, inwiefern Gracchus reagieren würde auf ihre folgenden Worte – so seine Reaktion denn sichtbar war, aber falls, dann wollte sie sich davon nichts entgehen lassen. „Ich habe gestern früh gleich einen Boten losgeschickt, um ihn in Kenntnis zu setzen von Veras Dahinscheiden und ihn zu bitten, nach Rom zu kommen. Ich glaube nicht, dass er mir meinen Wunsch abschlagen wird.“

    Ein Bote brachte eine – welch Überraschung – Botschaft.


    Titus Duccius Vala
    Basilica Ulpia | Officii Decimv. Lit. Iud. | Roma | Provincia Italia


    Duccius,


    ich danke dir für deine Worte der Anteilnahme. In Zeiten wie diesen tut es gut, derartiges zu lesen.


    Das Erbe meiner Tochter Vera werde ich annehmen. Ich möchte dich jedoch bitten, es direkt und zur Gänze auf meinen Sohn Aulus Flavius Piso zu übertragen.


    Vale,


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    Mit einem Pferd, das beinahe zuschanden geritten worden war, erreichte ein Eil-Bote das Anwesen des Cnaeus Flavius Aetius in Ravenna, einen Brief im Gepäck:


    Cnaeus Flavius Aetius
    Villa Flavia | Ravenna | Provincia Italia


    Liebster Papá,


    leider ist es ein trauriger Anlass, aus dem ich dir diesen Brief schreiben muss. Vera ist gestorben. Verzeih mir, wenn ich nicht lange um den heißen Brei rede, aber du weißt, dass ich darauf gern verzichte, wenn es mir möglich ist. Und ich weiß, dass es dir ebenso geht. Vera also ist ihrem Leiden erlegen, das sie schon seit so langer Zeit geplagt hat und nun, in den vergangenen Monaten, wieder schlimmer geworden ist. Mir fehlen die Worte, um viel weiteres zu schreiben – ihr Tod ist tragisch, gerade in ihrem Alter, und Aulus trauert sehr um sie. Du weißt ja, wie empfindsam er sein kann. Aber er scheint gefasst genug zu sein, dass er sich um alles kümmert, und ich unterstütze ihn, so gut ich kann. Du brauchst dir also keine Sorgen machen, dass alles seinen korrekten Gang geht.


    Und dann gibt es noch einen weiteren Grund, der deine Anwesenheit in Rom erforderlich macht, Papá. Ich halte es nämlich für besser, wenn doch du die Verhandlungen zu meiner Hochzeit zu einem Ende bringst. Aulus [strike]ist ein riesengroßer Vollidiot[/strike] ist verliebt in eine Aurelia, und ich fürchte, er ist nicht unvoreingenommen genug für die Verhandlungen, die mich betreffen. Es gab sogar einen unschönen Vorfall, als wir ein Theaterstück besucht haben – gemeinsam mit seiner Auserkorenen und dem Aurelier, den du für mich ausgesucht hast (was ich aber erst später erfahren habe, dass er es ist). Davon erzähle ich dir am besten, wenn du hier in Rom eintriffst.


    Ich freue mich schon sehr darauf, dich bald in Rom zu begrüßen!


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    Aetius las den Brief, und je weiter er kam, desto deutlicher wurde das Stirnrunzeln auf seinem Gesicht. Es waren keine guten Nachrichten, die er da lesen musste, weder die eine noch die andere. Aber selbst wenn seine Tochter – die einzige, die ihm noch blieb – nicht auf eine Art in Rätseln sprechen würde, die seine Neugier anfachten, was denn nun vorgefallen war... Veras Tod ließ ihm keine Wahl. „PACKT MEINE SACHEN, ABER ZACKIG!“ brüllte er durch das Haus. „WIR BRECHEN NACH ROM AUF!“

    Nigrina merkte nicht, wie die Iunia reagierte auf ihren Kommentar mit den großen Brüdern, dafür war sie viel zu sehr von sich selbst eingenommen. „Ah die Juden gehen noch? Naja ich weiß nicht... wer glaubt denn bitte nur an einen Gott...“ Nigrina zuckte andeutungsweise die Achseln und musterte Axilla dann erneut, diesmal mit echtem Interesse. „Du warst in Alexandria? Wie das? Wie war es?“ warf sie dazwischen, bevor auch sie kichern musste, als Axilla von den Zimmermannspinnern sprach. „Das Ende ist nah? Ernsthaft? Wie kommen die denn auf diesen Gedanken? Die haben sie doch wirklich nicht mehr alle.“ Nigrina schüttelte amüsiert den Kopf.


    „Hm. Hilfreich.“ Ahso. Aha. Nigrina warf einen Blick in die Arena und schürzte leicht die Lippen. Sie war der Auffassung, dass sie die Herrin war. Wenn sie wollte, hatte ihr Sklave auch zu wollen, und es hatte ihm zu gefallen, so einfach war das. „Nun... dem Parther wird es gefallen.“ Nigrina zuckte die Achseln, und ihr Tonfall war in etwas der, als hätte sie gesagt: Er hat keine Wahl. Nun, hatte er ja auch nicht. Etwas merkwürdig mutete ihr allerdings schon an, dass die Iunia es vorzog, nicht bestimmen zu müssen. Aber sie wollte sich nun nicht darüber austauschen, ob Sklaven Gefühle hatten oder irgendein Motivationstraining brauchten, um besser zu funktionieren. Es waren Sklaven, bei allen Göttern. Sie hatten keine Meinung zu haben, sie taten was man ihnen auftrug, fertig. Nigrina hatte nicht das geringste Bedürfnis, über diese Tatsache mit irgendjemandem zu diskutieren. Über Tatsachen gab es einfach nichts zu diskutieren. „Ja, einen Custos Corporis braucht man sicher. Wenn nicht sogar zwei. Nun, ich weiß nicht inwiefern du deinem Sklaven schon trauen kannst... ich werde den Parther erst mal eine Weile im Auge behalten lassen, ob man ihm tatsächlich trauen kann. So vorteilhaft es auch ist, einen eigenen zu haben, bis es so weit ist, werde ich mich wohl nach wie vor auf die allgemein flavischen Leibwächter verlassen müssen.“ Sie machte eine wedelnde Handbewegung hinter sich, wo die anderen Sklaven stumm warteten, ohne sich zu rühren. Sie achtete kaum darauf, dass in diesem Moment der, von dem sie gerade sprachen, wieder die Tribüne betrat, gebracht von einem Angestellten des Ludus, registrierte aus dem Augenwinkel sein Nicken, wedelte aber erneut nur kurz und vage mit der Hand, als ob sie eine Fliege verscheuchte. Er würde schon kapieren, dass sie ihn damit hieß zu warten wie die anderen. „Warum nicht? Ich stelle mir so einen Kampf in der Arena noch spannender vor, wenn man tatsächlich einen der Gladiatoren besitzt.“ Nun glitt doch ein Blick zu dem Parther, und mit einer Mischung aus Zufriedenheit und vager Enttäuschung registrierte sie, dass er gewaschen und sauber war – zufrieden, weil es von Reinlichkeit zeugte, enttäuscht, weil er verschwitzt in der Rüstung doch... lecker... gewirkt hatte. „Was ist mit deinem Sklaven, kann er nun auch gehen? Oder muss er noch bleiben – und wartest du hier bis er fertig ist?“

    Nigrina lächelte gebührend geschmeichelt. Natürlich gehörten sie hier zu den schönsten Frauen, davon war sie ohnehin überzeugt, aber abgesehen davon, dass man auf ein Kompliment nun mal gebührend geschmeichelt zu reagieren hatte, jedenfalls wenn es von einem der mächtigsten Männer Roms kam, gefiel es selbstverständlich auch ihr, wenn ihr so etwas gesagt wurde. „Was für ein bezauberndes Kompliment.“ Das sie absolut verdient hatten. Und, naja, es könnte auch noch bezaubernder werden, fand sie, aber in so einer Position konnte mann sich auch die ein oder andere Nachlässigkeit erlauben, was Komplimente für Frauen anging. Es kam immer auf die Macht an, die die ausgesprochenen Worte begleitete… Zu dumm, dass sie nicht auf Kommando erröten konnte, das würde noch einiges abrunden in ihrer schauspielerischen Leistung. Aber sie konnte so lächeln als ob. „Das tut es“, pflichtete sie ihrer Verwandten dann bei. „Sag, erwartest du denn noch eine Begleitung, oder bist du heute Abend allein hierher gekommen?“

    Zitat

    Original von Iunia Axilla
    Im Krieg? Axilla sah sich den Mann an. Der Parthien-Feldzug war ja schon eine ganze Weile her. Was hatte der Mann in der Zwischenzeit wohl gemacht? Denn nur durch stete Übung erhielt man die nötige Stärke. Hatte zumindest ihr Vater immer gesagt, vor allem dann, wenn ihre Mutter sich beschwert hatte, warum er sie schon wieder verließ und zu seinen Legionen zurück ging. Abgesehen davon, dass er wohl kaum einen Befehl hätte verweigern konnte, hatte er immer gemeint, er brauche die Übung, sonst würde er fett und faul werden.
    Fett und faul sah nun aber der Parther nicht gerade aus. Eigentlich war er gut durchtrainiert und einigermaßen schnuckelig. Gut, sogar überdurchschnittlich schnuckelig. Und die Erklärung kam auch gleich hinterher, dass er von der Grenze kam. War vermutlich bei einem Spähtrupp gewesen und gefangen worden, mutmaßte Axilla. Oder aber, er war wirklich schon mehrere Jahre Sklave und hatte sich einfach gut gehalten.
    “Ah, dann hast du einen sehr großzügigen Bruder“ , meinte Axilla lächelnd zu der Sache mit dem Geschenk. Sie hatte ja keinen Bruder, der ihr etwas hätte schenken können.
    “Malachi kommt ursprünglich aus Iudaea. Aus Caesarea, um genau zu sein.“ So genau hatte sich Axilla noch gar nicht mit ihm unterhalten, über das wie und warum er nun Gladiator war. Vielleicht musste sie das mal nachholen. Das einzige Problem war nur, dass Malachi so ruhig war. Da wusste Axilla gar nicht so recht, wie sie ihn überhaupt fragen sollte. “Und ich hab ihn erst vorigen Monat gekauft, also wirklich noch nicht lange. Ich lass ihn dreimal die Woche hier trainieren. Ich glaube, es gefällt ihm. Und es hält ihn in Form. Sollte er ja als Custos Corporis sein, nicht?“ Wieder ein unschuldiges Lächeln, das so gar nicht zu der Trauerkleidung passen woltle. “Und deiner? Soll er in der Arena kämpfen?“



    „Nun“, Nigrina lächelte fein, „er ist eben ein großer Bruder. Mit den Vor- und Nachteilen, die ein großer Bruder so an sich hat.“ Doch, dieses Geschenk konnte man durchaus als großzügig bezeichnen, da musste sie der Iunia zustimmen. So verwöhnt sie auch sein mochte, einen Sklaven bekam Nigrina dann doch nicht alle Tage geschenkt, schon gar nicht einen solchen. Dann sah sie interessiert auf. „Iudaea, sagst du? Leben da nicht die, die diese abstruse Ein-Gott-Theorie haben?“ Zwischen Christianern und Iudaeern machte Nigrina da keinen großen Unterschied, sie wusste noch nicht einmal so genau, dass es da überhaupt einen gab. „Nein, das ist auch nicht lange“, lächelte sie zurück, und zog dann eine Augenbraue hoch. „Dich interessiert, ob ihm das gefällt? Nun… ich habe vor, den Parther auch als Custos Corporis einzusetzen, wenn er sich als vertrauenswürdig erweist. Und hier ein bisschen was dazu lernt“, fügte sie ein wenig abschätzig an. „Ich denke für die Arena ist er noch nicht bereit, ich will ja nicht, dass er mir gleich wegstirbt… Andererseits: fressen oder gefressen werden, so heißt es doch, nicht wahr?“ Nigrina lächelte nun ein wenig verschmitzt. Dass sie hier gerade über den unvermeidlichen Tod entweder ihres Sklaven oder eines anderen Gladiators sprach, tangierte sie dabei überhaupt nicht. „Jedenfalls, wenn der Lanista ihn in die Arena schicken möchte, werde ich wohl nicht nein sagen, denke ich. Ich möchte schon wissen, wie er sich in einem echten Kampf schlägt. Und da der Iuventier weiter Geld verdienen möchte, kann ich wohl davon ausgehen, dass er ihn erst dann für einen Kampf haben möchte, wenn er tatsächlich tauglich für die Arena ist.“

    Nigrina schenkte dem Lanista ein weiteres Nicken. Würde sie Piso eben in den Hintern treten müssen, so einfach war das. „Vale“, antwortete sie ihm leichthin und wandte sich endgültig der Iunia zu, während der Lanista verschwand. Unten in der Arena waren auch der Parther und der andere verschwunden. „Zwei Jahre?“ Nicht allzu lange. Da fragte sie sich doch, warum ihr Parther, der angeblich schon länger Soldat war und sogar im Krieg gekämpft hatte, so schlecht gewirkt hatte gegen ihn. Warum? Das konnte doch wohl einfach nicht wahr sein! Dass er Bogenschütze war, eigentlich, daran dachte Nigrina überhaupt nicht, obwohl ihr auch das gesagt worden war. „Danke“, erwiderte dann auch sie. „Er hat im Krieg gekämpft, er sollte etwas drauf haben.“ Wenigstens etwas. Eigentlich. „Nein, ich habe ihn noch nicht lange. Mein Bruder hat ihn mir geschenkt, und er hat ihn auch erst vor kurzem gekauft. Kommt angeblich direkt von der Front, dort, wo unsere Leute noch stationiert sind an der Grenze zum Partherreich. Du hast deinen also auch erst seit kurzem? Woher kommt er?“

    Nigrina, auf ihren Getränkewunsch angesprochen, hatte verdünnten Wein gewählt und diesen auch bekommen. Und nun stand sie da und musste zusehen, dass sie ihren Ärger verbarg. Gut, im Grunde war ihr klar gewesen, dass ihr Parther es wohl kaum mit einem Gladiator würde aufnehmen können. Aber... trotzdem! Er war immerhin Soldat gewesen! Und, und überhaupt! Er musste doch nicht so... so versagen! Er hätte wenigstens ein bisschen besser sein können! Nigrina hatte zwar nicht viel Ahnung von Kämpfen und was es da alles gab, was damit zusammenhing, sie sah einfach nur gerne zu, wenn es ein guter, spannender Kampf war – aber sogar ihr war aufgefallen, dass ihr Parther reichlich chancenlos gewesen war. Und das obwohl sich der Sklave der Iunia nicht sonderlich angestrengt zu haben schien. Und das ärgerte sie einfach. Es ärgerte sie maßlos. Aber es wäre wohl zu schön gewesen, wenn dieser Parther ein derartiger Glücksgriff gewesen wäre, dass er gleich einen Gladiator platt machte, obwohl sie sich das durchaus ausgemalt hatte. Sie würde ihm nachher einbläuen müssen, dass er besser schnell zu lernen hatte, und zwar wirklich schnell, denn wenn sie ihm beim nächsten Mal bei einem Schaukampf zusehen würde, wollte sie eine bessere Leistung präsentiert bekommen als das da. Andernfalls konnte sie immer noch beim Ludus Matutinus nachfragen, vielleicht brauchten die noch Löwenfutter. Das sollte sie ihm am besten androhen, gleich heute noch. Mit irgendetwas musste das Sklavenzeug ja angetrieben werden, und so erstaunlich es im Grunde für ein simples Besitzstück war, das nicht frei über sich verfügen konnte und nur dazu da war, den Willen seines Herrn zu erfüllen, die meisten Sklaven hatten durchaus Angst um ihr Leben, und das konnte man sich zunutze machen.


    Hoheitsvoll nickte Nigrina dem Lanista dann zu, als dieser meinte, dass sein Ausbilder den Parther für tauglich hielt. Wäre ja noch schöner gewesen, wenn es nun zu allem Überfluss geheißen hätte: entschuldige, aber deinen Sklaven nehmen wir nicht... Sie lächelte sogar, wenn auch einen Tick weniger strahlend als zuvor. „Ja, lass sie aufsetzen. Was den Termin für die Eide angeht und den Beginn der Ausbildung: mir wäre es lieb, wenn dies so bald wie möglich geschehen könnte.“ Am besten heute noch. Hatte ja jeder gesehen, was für eine Pfeife der Kerl im Moment noch war. Je eher er hier anfangen konnte, desto eher würde er eine vernünftige Leistung abliefern können. „Dein Sklave war gut“, kommentierte Nigrina dann beiläufig in Richtung der Iunia. „Wie lange wird er hier schon ausgebildet?“ Bitte, bitte, bitte, Götter, lasst es nicht erst ein paar Wochen sein, dachte sie insgeheim. Lasst es irgendein Zeitraum sein, der es akzeptabel macht, dass er besser war.

    „Unter einer Decke, natürlich“, höhnte Nigrina. „Wo ich ihn heut das erste Mal gesehen hab! Aber klar, schon haben wir uns verschworen gegen dich!“ In ihr brodelte es immer mehr, so sehr, dass ihr völlig egal war, wer da auf der Straße an ihnen vorbei rumpelte. „Liebe ist lächerlich!“ schnauzte sie zurück. „Einzig und allein da, um aus halbwegs vernünftigen Menschen Idioten zu machen! Sieht man doch an dir! Einen Dolch in die Brust! Ein Flavier würde sich einen Dolch in die Brust rammen aus Liebe! Da ist es doch besser wenn du mich mit irgendwelchen Sklaven oder Sklavinnen vergnügst!“ Für einen winzigen Moment schoss Nigrina der Gedanke durch den Kopf, Piso könnte wissen, was sie so trieb. Aber das war unmöglich. Er war schon lange nicht mehr in Ravenna gewesen, abgesehen von seinem letzten Besuch, und bei dem war sie nicht dort gewesen, sondern hatte sich auf einem ausgedehnten Besuch befunden bei einer Freundin in Baiae. Und Papá hätte ihm niemals von dem erzählt, was er wusste, das glaubte sie einfach nicht. Nein, Piso konnte davon nichts wissen, und auch wenn sie im Grunde nicht wirklich etwas dagegen hätte, war es vielleicht doch besser, wenn es dabei blieb. Oder hatte etwa eine Sklavin getratscht? Für einen Augenblick verdüsterte sich ihre Miene. Sollte DAS der Fall sein, würde sie es herausfinden. Und diese Sklavin würde ihres Lebens nicht mehr froh werden. Besser gesagt, diese Sklavin würde den Tag bereuen, an dem sie geboren worden war, dafür würde Nigrina höchstpersönlich sorgen. Sie hatte sich bisher noch nicht die Zeit genommen, die flavischen Keller zu besichtigen, aber Gerüchten zufolge sollte es dort einige Räumlichkeiten geben, die für die Behandlung derartiger Sklaven wie gemacht waren.


    Genauso wenig wie sie jedoch wollte Piso aufgeben. Dieser ganze Streit drehte sich nicht mehr um Prisca oder Lupus, jedenfalls nicht für Nigrina. Es ging nicht darum, dass sie unbedingt Lupus heiraten wollte – sie kannte ihn ja überhaupt nicht. Es ging darum, dass sie Piso nun unmöglich nachgeben konnte. Um keinen Preis. Um GAR keinen Preis. Erst recht nicht, weil Piso auch nicht daran dachte aufzuhören. „Mich unterdrücken? MICH unterdrücken?!? Das soll er nur versuchen! Ganz davon abgesehen, dass er einen Dreck hat, aber ganz sicher nicht das Recht dazu! Ich heirate den Kerl doch nicht cum manu, das würde Papá doch niemals zulassen, und deswegen wird er einen Dreck können, solange die Patria Potestats nicht auf ihn übergeht! Aber vielen Dank auch, dass du mir gar nichts zutraust, von wegen ich hätte keine Chance gegen ihn“ schimpfte Nigrina zurück. Als ob sie sich gefallen lassen würde, dass sie irgendwer unterdrückte! Sie schnaubte wütend und wollte erneut zurückfauchen, als Piso plötzlich einknickte. Aber wie. Er klang wie der Wachhund? Das war einiges, gemessen daran, wie sehr er über den geschimpft hatte. Nigrina schwieg einen Moment und runzelte misstrauisch die Stirn. „Da muss ich dir ausnahmsweise mal Recht geben“, ließ sie dann in patzigem Tonfall vernehmen. „Du magst auf den Schwingen wahrer, feuriger Liebe durch die Luft eiern, aber ICH hab andere Ansprüche an meinen Ehepartner. Und Lupus macht den Eindruck, als könnte er das erfüllen. UND ich WERDE Papá schreiben, dass er kommen soll!“

    In diesem Augenblick, in dem Piso sie nachäffte, hätte Nigrina ihm am liebsten die Augen ausgekratzt. „Natürlich hat sie das“, fuhr sie ihm einfach dazwischen, ohne nennenswerte Wirkung – ihr Bruder hörte ihr gar nicht mehr wirklich zu, ebenso wenig wie sie ihm, und so zofften sie sich in schönster Geschwistermanier. Ein Glück, dass der Abend schon recht weit fortgeschritten war und niemand auf den Straßen, zumindest niemand, bei dem es eine Rolle gespielt hätte, dass er zwei Flavier so sah. „Du hast dich einfach dumm verhalten da, so einfach ist das, ich meine sogar ICH dachte dass du dich einen Dreck um ihren Wachhund scherst, bei dieser Frage!“ Es ging nicht darum, Lupus zu verteidigen, bei weitem nicht – es ging nur noch darum, Piso nicht Recht zu geben. „Oh ja, keine Dummköpfe, aber MANCHMAL könnte man fast auf die Idee kommen, es gäbe welche!“ Nigrina war sauer auf Piso, und weil Piso nun mal ihr Bruder war, sah sie sich nicht genötigt, sich zusammenzureißen. „Die Schwingungen wahrer und feuriger Liebe“, äffte nun sie ihn nach, „wie lange kennst du das Mädel überhaupt schon? Wenigstens ist sie eine Patrizierin!“ Schuft. Lupus sei ein Schuft. Vielleicht hatte Piso damit Recht, wobei Nigrina im Grunde nichts an ihm gemerkt hatte, was darauf hingedeutet hätte – aber sie hatte auch nicht gehört, was Lupus zu Piso gesagt hatte. Und dennoch: gerade die Möglichkeit, dass Lupus tatsächlich ein Schuft sein könnte, machte ein weiteres Treffen nur noch reizvoller für sie. Sie mochte solche Männer – kein Wunder, war ihr Vater doch auch kein Heiliger. Und ihn liebte sie, nicht etwa weil sie ein falsches Bild von ihm hatte, sondern gerade weil er so war, wie er war – und weil er ihr so viel von sich mitgegeben hatte.


    Pisos Reaktion, wenn sie ihren Vater allerdings ins Spiel brachte, war jedes Mal wieder erlebenswert. Sie fand es regelrecht erheiternd zu sehen, wie er in irgendeiner Form zurück zu zucken schien, auch wenn sie es nicht wirklich verstand. „Ich weiß, dass er dir das aufgetragen hat. Aber doch wohl nicht, weil du weißt was das Beste für mich ist – du bist halt in Rom, und nachdem du nun endlich was Vernünftiges machst, dachte er, er könnte dir das anvertrauen! Aber warum glaubst du wohl hat er mit Lupus' Vater Kontakt aufgenommen? Warum hat er dir nicht gänzlich die Wahl meines Zukünftigen überlassen? Und nach dem, was heute passiert ist, glaube ich einfach nicht, dass du das Ganze zu einem vernünftigen Ende bringen kannst.“ Nun klang ihre Stimme schnippisch – und gleich darauf wieder erbost. „Oooh bitte! Catilina? Wie kommst du auf so einen hirnrissigen Schwachsinn? Du KENNST ihn doch nicht mal, du hast ihn heute das erste Mal gesehen! Ganz ehrlich, er mag kein Flavier sein, noch nicht einmal Mitglied einer der alten patrizischen Gentes, aber er hatte immerhin den Mumm, dir in die Suppe zu spucken! Der Kerl hat Potential, und wenn der immer so drauf ist wie heute, wird er Karriere machen, und DAS ist es, was ich von einem Kerl will, der mein Mann werden soll! Und du glaubst doch selbst nicht, dass er es wagen würde eine Flavia ins Unglück zu stürzen, das soll er mal versuchen bei mir!“ Nigrina schnaubte und warf dann ihre Hände in die Höhe, während sie ein weiteres Mal zurück zickte. „Weil du nicht Recht hast! Du bist nur zu stur, das zuzugeben!“

    Piso war ehrlich. So ehrlich, dass Nigrina am liebsten das Gesicht verzogen hätte, weil sie das dann doch nicht hätte hören wollen. Aber nun gut, sie hatte gefragt, und das hier war wohl eine Situation, in der sie es tolerieren musste – und zwar ohne das Gesicht zu verziehen, wie sie es sonst getan hätte bei ihrem Bruder. Ebenso reglos akzeptierte sie, dass er ihre Hand nahm, und sie erwiderte den leichten Druck sogar. Sie wusste gar nicht so genau, warum sie das tat. Ein Teil von ihr wollte schlicht einen Streit, einen Eklat jedweder Form vermeiden in dieser Situation. Sie kam mit der Trauer nicht klar, mit der Atmosphäre, die der Tod mit sich brachte, aber sie wusste, dass sie das nicht zeigen durfte. Genauso wenig wie sie zeigen konnte, dass sie Veras Tod nicht allzu sehr berührte. Oder besser: dass sie erleichtert war, weniger um Veras als um ihrer selbst willen. Irgendwo in ihr mochte jedoch auch ein Teil sein, dem die Berührung... gut tat. Auch wenn Nigrina das niemals zugegeben hätte, nicht einmal vor sich selbst. Aber ob dies nun so war oder nicht: sie wusste, so oder so, dass sie Piso in dieser Situation nicht alleine lassen konnte. Es gehörte sich für sie als seine Schwester, da zu sein für ihn. Weil sie Veras Tod anders und weit weniger berührte, und weil sie überzeugt war, die Stärkere von ihnen beiden zu sein. „Nein. Hätte sie wohl nicht“, stimmte sie ihm leise zu. Rom hatte durchaus das an sich, was er gerade beschrieben hatte, und für jemanden wie Vera, mit ihrer ohnehin schwächlichen Konstitution, mochte das letztlich den Ausschlag gegeben haben. Andererseits: wenn die Länge des Lebensfadens vorbestimmt war, wäre Vera gestorben. Egal wo sie war. Aber vielleicht hätte sie die letzten Wochen, Monate ihres Lebens nicht derart vergeudet vor sich hin vegetiert.


    Als noch jemand das Atrium betrat, blickte Nigrina – der man keinen Schmerz ansehen konnte, da ihr Gesicht nach wie vor regungslos war, eben um zu verbergen, dass sie einen solchen nicht wirklich empfand – auf. „Celerina“, grüßte sie ihre Verwandte in einem angemessen zurückhaltenden Tonfall. „Ich danke dir für deine Anteilnahme.“

    „Na großartig!“ rief Nigrina aus, als die Frau bestätigte, auch einen Gladiator zu haben. Allerdings zeigte sich der Lanista nicht ganz so begeistert, das hieß, er zeigte sich überhaupt nicht begeistert. Genau genommen zeigte er gar nichts. Er stellte Nigrina und die Fremde erst einmal vor, bevor er irgendetwas zu ihrem Vorschlag sagte. Die Flavia nickte der anderen flüchtig zu – eine Iunia also, so viel merkte Nigrina sich – und sah dann wieder zu dem Lanista, der nun, wie könnte es auch anders sein, Einwände vorbrachte gegen ihren Einfall. Gut, natürlich, dass der Parther etwas anderes anziehen müsste, das sah sie noch ein, aber was sprach denn sonst gegen einen Kampf – einen gegen einen anderen Gladiator? Gegen einen Doctor war es doch langweilig, der würde nur testen wollen, wie gut er war. Mit einem der richtigen Kämpfer sah das schon anders aus. Und wenn ihr Sklave gegen den der Iunia kämpfte, hatten sie beide hier oben noch einmal mehr Unterhaltungspotential. „Davon bin ich überzeugt“, lächelte Nigrina der Iunia zu, als diese versicherte, ihr Sklave würde schon aufpassen. Dabei war ihr das in diesem Moment fast schon egal. Natürlich wollte sie nicht, dass ihr Parher bereits bei seinem ersten Kampf verstümmelt wurde oder ähnliches, aber Nigrina wollte einen Kampf sehen, wollte die Erregung spüren, die sich dabei in ihr breitmachte, und nun, wenn der Parther sich ungeschickt anstellte, dann hatte er es auch nicht anders verdient als verletzt zu werden. Und wenn nicht... noch ein Grund mehr, sich zu freuen.


    Der Lanista hingegen war nicht überzeugt, das wurde deutlich. Ganz im Gegenteil. Nigrina sah, wie sich sein Blick veränderte, kurz unwillig wurde. Zum ersten Mal übrigens, ansonsten hatte der Mann bisher – außer seinem durchaus freundlichen Lächeln – kaum eine Regung gezeigt. Die Iunia indes sah so unschuldig drein, als könne sie keiner Fliege etwas zuleide tun. Nigrina war verblüfft, wie sehr sie dabei irgendeinem kleinen, weichen, knuddeligen Tierchen ähnelte. Nicht dass Nigrina viel für Viecher übrig hatte, solange sie nicht taten was man wollte oder auf ihrem Teller lagen, aber auch sie konnte sich nicht ganz diesem „Götter ist die süß“-Effekt entziehen – und das, obwohl sie ihn selbst gelegentlich einzusetzen pflegte. Als der Lanista sich dann erneut ihr zuwandte, setzte sie eine ähnliche Miene auf. „Ich hätte nicht das Geringste dagegen. Ganz im Gegenteil, ich fände es ebenfalls aufregend!“ Jetzt lächelte auch sie und wedelte mit einer Hand in Richtung ihres Sklaven. „Dann wäre das also geklärt. Sag ihm was er zu tun hat, damit er kämpfen kann.“

    Nigrina selbst war ein Mensch, der weit häufiger ein falsches Lächeln schenkte denn ein echtes. Sie verstand sich darauf, anderen etwas vorzuspielen. Allerdings hieß das nicht notwendigerweise, dass sie sah, wenn andere ihr etwas vorspielten. Sie war eine Flavia. Natürlich war man ihr gegenüber freundlich. Und natürlich meinte man es so. Sie war immerhin eine Flavia!


    Und so, als der Lanista ihr scheinbar freundlich zulächelte und ebenso freundlichem Tonfall ausführlicher darlegte, was er zuvor nicht ganz deutlich gemeint hatte, lächelte Nigrina nur hoheitsvoll zurück. „Dann habe ich dich in der Tat falsch verstanden, Iuventius. Vielleicht solltest du beim nächsten Mal von vornherein klarer formulieren.“ Dieser Vorschlag war noch nicht einmal ironisch gemeint. Wenn man ihr entgegen kam – oder wenn sie meinte dass es so war –, konnte sie, in ihren Augen wenigstens, durchaus ebenfalls freundlich sein. Als der Lanista dann weiter sprach, neigte Nigrina ihren Kopf leicht zur Seite, und nach und nach verzogen sich ihre Lippen in einem leichten Schmunzeln. „Damit kann ich leben“, stimmte sie den Einschränkungen zu. Sogar sie hatte nicht so ganz erwartet, dass ihrem Wunsch nach Flexibilität derart stattgegeben werden würde – aber der Lanista tat es. Und da Nigrina nicht einmal auf die Idee gekommen war, den Parther womöglich zwischendrin spontan herauszuholen, fiel es ihr leicht, dem zuzustimmen. Irgendwann würde wohl der Tag kommen, an dem sie sich in den Kopf setzte, den Parther in diesem Augenblick zu brauchen und zwar GENAU in diesem, und dann würde sie sich wohl ärgern, dieser Regelung zugestimmt zu haben, aber für den Moment befand sie, damit leben zu können, zumal es auch für sie logisch klang, dass der Lanista eine gewisse Planungssicherheit brauchte. „Wunderbar. Schick die Unterlagen an meinen Bruder Aulus Flavius Piso, er kümmert sich um alles weitere.“ Nigrina verzog keine Miene, als sie das sagte. Es war selbstverständlich für sie, dass es so lief, etwas anderes hatte sie gar nicht erwartet. Womöglich würde sogar ihr Vater noch rechtzeitig in Rom eintreffen, um den Vertrag selbst zu unterzeichnen, aber falls nicht, wollte Nigrina nicht unbedingt warten, bis sie den Parther hier anfangen lassen konnte, und Piso konnte das ebenso unterzeichnen, immerhin war er ihr Bruder – und ihr Vater hatte ihm die Verantwortung für sie übertragen. „Was muss denn nun noch getan werden. Kann die Untersuchung gleich stattfinden?“ Sie sah kurz hinüber zu der anderen Frau, die dort in Trauerkleidung sah, und warf ihr ein kurzes, strahlendes Lächeln zu. Nigrina fühlte sich in diesem Moment schlicht lebendig. Zum ersten Mal seit Veras Ableben hatte sie das Gefühl, der Aura des Todes entronnen zu sein – und das ironischerweise in einem Umfeld, in dem Menschen – manche zumindest – den Tod stets präsenter hatten als andere. Aber das hier war etwas völlig anderes als die Krankheit, die Vera dahingerafft hatte. Das hier war Leben! Und genau das wollte Nigrina genießen. „Hast du auch einen Gladiator? Wie wäre es mit einem kleinen Probekampf? So kann dein Doctor meinen Sklaven gleich einschätzen. Und der Medicus erhält sicherlich auch bereits ein ungefähres Bild seiner Tauglichkeit.“ Nigrinas Blick war während ihrer Worte wieder zu dem Lanista gewandert, den sie nun ansah, immer noch mit diesem Lächeln.

    Alte Verletzungen? Schwachsinn in der Familie? Woher sollte sie das bitte wissen? Nigrina ging jedoch davon aus, dass ihr Bruder ihr keine mangelhafte Ware schenkte, so einfach war das. Sie winkte nur ab. „Nicht dass ich wüsste. Dein Medicus kann ihn sich gerne ansehen und selbst mit ihm sprechen.“ Sie warf dem Sklaven einen kurzen Blick zu. „Nein, er soll schon Leibwächter werden, daher möchte ich ihn ja von Beginn an um mich haben. Aber er ist nicht völlig unerfahren, er ist ein Parther, im Krieg gefangen. Sicher kann er auch den ein oder anderen Kampf bestreiten, sofern du es für vorteilhaft hältst“, Nigrina lächelte erneut süß, „das dann aber nur in Absprache mit mir.“ Aber wo der Lanista es ansprach... Nigrina ließ ihren Blick kurz zur Arena gleiten, wo die Gladiatoren trainierten. Einen jüngeren zu kaufen und hier in die Ausbildung zu schicken, um aus ihm einen Champion zu machen, das... nun... das hatte was. Aber ganz sicher. Vorausgesetzt es war einer, der dann auch gewann.


    Aber das hatte noch Zeit, und so wandte Nigrina ihre Aufmerksamkeit wieder dem Iuventier zu, der nun zum Preislichen kam. Und so wenig Nigrina vom Handeln verstand, so wenig ihr im Grunde klar war, wovon er da sprach und dass er im Begriff war sie über den Tisch zu ziehen – eines war dann selbst ihr schleierhaft. „Du willst mir doch nicht weismachen, es kostet mehr, wenn der Kerl seltener hier ist?“ Sie schüttelte den Kopf. Das mit dem Zimmer begriff sie. Sie hatte zwar nicht vor, den Parther allzu häufig hier nächtigen zu lassen, aber sie wollte, dass er die Möglichkeit dazu hatte. Wenn sie ihn schon ausbilden ließ, dann richtig, dann sollte er auch das Beste von dem bekommen, was hier möglich war. Allerdings wollte ihr nicht so ganz eingehen, weshalb das – und so manch anderes – Mehrkosten verursachte, wenn der Parther nicht da war. Ob er in dem Zimmer nun schlief oder nicht, war doch gleichgültig. „Nein, sollte er außerhalb dieser Mauern verletzt werden, muss er ohnehin von einem anderen Medicus behandelt werden, oder erwartest du etwa ich lasse ihn verbluten, bis deiner gekommen ist?“ Nigrina überlegte einen Augenblick und zuckte dann die Achseln. „Mehr zu zahlen für ein Zimmer und diverses anderes an den Tagen, an denen er definitiv nicht da ist, scheint mir mit Verlaub auch etwas unschlüssig zu sein. Sofern du bereit bist, dies in deiner Kalkulation zu berücksichtigen, wäre ich dir doch sehr verbunden.“ Nigrina machte keinen Vorschlag. Wie auch. Zu dem eigentlichen Preis hatte sie keinen wirklichen Bezug, konnte sich nicht wirklich etwas darunter vorstellen. Sie wusste natürlich, dass es viel Geld war, aber sie wusste nicht, wie viel Geld tatsächlich wert war, weil sie noch nie in der Situation gewesen war, es sich tatsächlich einteilen zu müssen, abwägen zu müssen, überlegen zu müssen... Nur selten hatte sie von ihrem Vater etwas nicht bekommen, was sie unbedingt gewollt hatte, und es hatte ihr noch nie an Grundlegendem gemangelt. Nigrina hatte im Grunde also keine Ahnung – und im Grunde war es ihr auch egal. Sie wollte, dass der Parther eine erstklassige Ausbildung hier erhielt, oder besser eine Weiterbildung, denn er war ja nicht unerfahren. Sie wollte mit ihm angeben können. Und sie war bereit, sich das einiges kosten zu lassen, zumal es ja auch nicht ihr Geld war, das sie ausgab – das hieß, sie betrachtete es als ihr Geld, aber sie war es nicht, die es hatte verdienen müssen. Aber ein wenig hatte sie dann doch auch in dieser Hinsicht von ihrem Vater mitbekommen, und wenn es nur das war, dass sie nicht für etwas zahlen wollte, was ihr nicht logisch schien. Wie viel der Lanista letztlich hinunter ging, war ihr schon wieder gleichgültig, solange er es tat, solange er ihre Einwände berücksichtigte. Oder ihr etwas anderes geboten wurde, was auch in ihren Augen einen zusätzlichen Aufwand für den Lanista bedeutete. „Oder wir verbleiben so, dass ich spontan entscheiden kann, an welchen Tagen ich ihn hierher schicke und an welchen nicht, sofern es nicht die Gesamtanzahl der vereinbarten Tage überschreitet.“ Ein weiteres Lächeln. Das war etwas, womit sie leben konnte, mehr noch, das war ihr fast lieber. Sie liebte Flexibilität, und wenn sie morgens Lust auf einen Ausflug hatte, wäre es doch zu unpraktisch darauf verzichten zu müssen, weil ihr neuer Custos Corporis zum Training musste. Und dann fiel ihr ein, dass sie vielleicht doch noch erwähnen sollte, worüber sie bereits jetzt sinnierte – womöglich stimmte das den Lanista ein wenig freundlicher gegenüber ihrer Anfrage nach Flexibilität... „Oh, und ich könnte mir durchaus vorstellen, demnächst noch einen zweiten hier ausbilden zu lassen, sofern ich zufrieden bin mit den Leistungen deiner Schule. Einen jüngeren, dann, der das Zeug zu einem Champion hat...“ Wieder schweifte ihr Blick zur Arena, und um ihre Lippen zuckte es kurz selbstzufrieden. Doch, einen siegreichen Gladiator ihr eigen zu nennen, das war ganz sicher etwas, was ihr zusagte.

    Nigrina schenkte der anderen Frau für den Moment keine Aufmerksamkeit mehr, auch nicht der Tatsache, dass sie für einen Augenblick ihre Sklaven musterte. Nigrina richtete ihren Blick auf den Lanista und auch, wenn sie nach wie vor wenig begeistert war von seiner Art, ließ sie sich davon dennoch nichts anmerken. „Iuventius. Verzeih meinen Ausrutscher, mein Name ist Flavia Nigrina. Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen.“ Sie lächelte erneut, unschuldig, süß – und so falsch wie stets, wenn sie etwas wollte. Natürlich war es kein Ausrutscher gewesen, dass sie ihren Namen nicht als erste genannt hatte. Er hatte sie dazu gebracht zu ihm zu kommen – sie hatte dafür gesorgt, dass er sich zuerst vorstellen musste. Irgendwie musste ja ein gewisses Gleichgewicht gewahrt bleiben, fand sie. „Ich möchte gerne einen meiner Sklaven zu einem Dimachaerus ausbilden lassen.“ Der Typ mit den zwei Schwertern hatte ihr gefallen bei den Gladiatorenwettkämpfen, auch wenn er sozusagen der letzte Nagel zum Sarg ihres Wetterfolgs gewesen war. Und der Parther war keiner von diesen schweren Muskelprotzen, sie konnte ihn sich gut mit zwei Schwertern vorstellen. „Geld spielt dabei keine Rolle, und über die weiteren vertraglichen Anforderungen werden wir uns ebenfalls einig, davon bin ich überzeugt.“ War sie. Auch wenn ihr durchaus bewusst war, was seine Worte bedeuteten – dass es sein konnte, dass sie dadurch den Parther womöglich verlor. Aber nun gut, sie hatte ein paar Erkundigungen eingezogen, als ihr die Idee gekommen war, den Parther in einer Gladiatorenschule ausbilden zu lassen. Immerhin hatte sie die richtige Schule finden wollen, die passende, und sie mochte auch keine Überraschungen. Sie war im Begriff, einiges an Geld auszugeben, mehr als für gewöhnlich. Das wollte vorbereitet sein. Und so nahm sie es ohne ein Wimpernzucken hin, als er davon sprach, dass der Parther ihm gehören würde, solange er hier war. Nicht, dass der Lanista den Eindruck machte, in irgendeiner Form mit sich reden zu lassen darüber, und so passte Nigrina sich eben der Situation an. „Ich möchte ihn nur nicht jeden Tag hier lassen, sofern das im Bereich des Möglichen ist. Natürlich bleibt es dir und deinen Angestellten überlassen einzuschätzen, in welcher Häufigkeit er gerade anfangs trainieren sollte, aber dennoch käme es mir entgegen, wenn er an einigen Tagen mir zu Diensten sein kann.“ Ein weiteres Lächeln. „Tatsächlich würde ich gerne die Gelegenheit nutzen und zunächst ein wenig zusehen, bevor wir den Vertrag abschließen. Möchtest du dich mit dem Sklaven unterhalten?“ Sie hob die Hand und winkte leicht, ohne sich umzudrehen, was dem Parther ein Zeichen sein sollte, vorzutreten.

    Nigrina war froh gewesen, als sie endlich hatte gehen können. Der Einbalsamierung musste sie nun wirklich nicht zusehen, und so hatte sie sich zurückgezogen, als der Libitinarius gekommen war und seine Arbeit aufgenommen hatte. Sie hatte sich zurückgezogen, in ihr Zimmer, obwohl ihr der Sinn mehr danach stand, in die Stadt zu gehen und sich auszutoben. Ihr Leben zu feiern. Aber sie unterdrückte diesen Impuls, weil sie wusste, dass es sich nicht schickte. Sie hatte nicht generell ein Problem damit, Konventionen und Traditionen zu brechen, aber es gab gewisse Grenzen. Die Gefahr durfte nicht zu groß sein, dass es aufflog. Und es durfte nichts sein, was zu empörend war, wenn es herauskam. Und wenn sie an diesem Abend nicht zuhause war, würde es auffallen, so einfach war das.


    Am nächsten Morgen war sie früh auf den Beinen, wie es sich gehörte für die Schwester einer Toten. Wusch sich, wie es sich gehörte, wenn der Tod im Haus war. Kleidete sich, wie es sich gehörte, wenn man trauerte. Sie stellte fest, dass sie ein neues Trauerkleid brauchen würde, und eine entsprechende Bemerkung warf sie den Sklavinnen zu. Dann verließ sie ihre Räume und machte sich auf den Weg ins Atrium, wo Piso schon anwesend war. Schon lange vorher hatte sie das Jaulen der Klageweiber gehört, die auch schon gekommen war, aber sie ignorierte das, so gut es ging. Stattdessen gesellte sie sich schweigend zu ihrem Bruder und stellte sich neben ihn, mit versteinerter Miene, die nichts preisgab von dem, was sie empfand. Mehr weil es sich gehörte denn aus dem wahren Wunsch zu trösten heraus berührte sie sacht seinen Arm. „Wie geht es dir?“ Was für eine Frage. Wie es ihm ging, konnte man ihm deutlich ansehen. Aber ihr fehlten schlicht die passenden Worte.

    Der Mann also. Nigrinas Blick wurde für einen Moment undurchdringlich. Der Mann. Wie alt war die Frau? Wirkte sie jünger als sie war? Oder hatte sie so einen alten Knacker heiraten müssen? War ja nicht unüblich. In ihr regte sich Neugier. Und die Neugier wurde noch stärker, als sie bemerkte, dass die Frau nicht wirklich Trauer zeigte, sondern eher... unbeteiligt schien. Als tangiere sie es nicht wirklich, dass sie Trauer trug, dass ihr Mann gestorben war. Aber auch das musste nicht unbedingt etwas heißen, wenn sie tatsächlich an einen alten Knacker verheiratet worden war, der ihr nichts bedeutet hatte. Interessanter war da schon, dass sie es noch nicht einmal für nötig hielt, Trauer zu heucheln, was dann doch wieder viele taten. Nigrina legte den Kopf leicht auf die Seite. „Meine Schwester“, antwortete sie, ebenso ruhig, mit ebenso wenig Emotion.


    In diesem Moment kehrte Ruhe ein beim Lanista und seinem Heini, und Nigrina sah auf, begegnete dem kühlen Blick des Mannes. Ein wenig unwillig runzelte sie die Stirn, weil sie schlicht etwas anderes erwartete. Er könnte ja die Höflichkeit beweisen, sie zu begrüßen, immerhin hatte sie vor, eine Menge Geld hier zu lassen. Dennoch glitt ein über ihr Gesicht ein höfliches Lächeln – das nichtsdestotrotz so kühl war wie sein Blick – und näherte sich ihm. „Salve, Lanista.“ Ihre Stimme hingegen war so süß, wie sie nur sein konnte. Sie hatte vor, Geld hier zu lassen, aber zunächst war sie es, die etwas von ihm wollte, das wiederum war ihr dann doch klar. Und: es war einfach lächerlich, da zu stehen und zu warten, wenn sie dann doch mit ihm sprach. Dann musste sie es gleich tun. Wenn sie nun wartete und er kam nicht auf sie zu, dann würde sie unverrichteter Dinge wieder gehen, weil sie sich zu so etwas nicht herabließ – dann schon lieber gleich gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn es nicht auffiel, wenn es wirkte, als hätte sie nie etwas anderes vorgehabt als nur zu warten, bis der Heini fertig war mit seinem Palavern und der Lanista ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. „Ist es richtig, dass bei dir auch Sklaven ausgebildet und trainiert werden können?“