Ohne großartig etwas auf den Mann zu geben, der ihr aufgeregt hinterher lief, kam Nigrina herein gerauscht. Im Schlepptau hatte sie nicht nur Heini der Gladiatorenschule, der verzweifelt versuchte sie irgendwie aufzuhalten oder wenigstens zu überholen, damit er immerhin noch zuerst den Lanista erreichte, sondern auch ihr übliches Gefolge an Sklaven – zwei Leibwächter, eine Leibsklavin, die ihre Vorlieben kannte. Und der Parther, den ihr Bruder ihr geschenkt hatte. Mit dem hatte sie etwas Besonderes vor. Er eignete sich als Leibwächter, sicher, sie hatte noch keinen eigenen, keinen EIGENEN eigenen, die die sie begleiteten, waren ganz allgemein flavische Sklaven, von denen sie sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hatte sich die Namen zu merken. Gut, den Namen des Parthers wusste sie auch noch nicht, aber wenn sie ihn sich so betrachtete, konnte sich das durchaus ändern. Er hatte etwas. Er hatte einfach etwas! Er war... Nigrina verbot sich selbst, diesen Gedanken weiter zu verflogen. Immerhin war es nur ein Sklave. Aber: er hatte etwas. Und er war Parther. Parther waren nicht mehr ganz so sehr in Mode wie nach der Beendigung des Krieges, aber dafür waren sie nun wieder etwas seltener geworden. Vor einiger Zeit hatte doch JEDER einen Parther gehabt. Jetzt allerdings zeigten sich die echten Liebhaber und Sammler. Und IHR Parther hatte etwas.
Nigrina unterdrückte ein Grinsen, was sich absolut nicht geschickt hätte, weder an diesem Ort, noch in dieser Situation, und erst recht nicht in Anbetracht der Tatsache, dass sie Trauer trug. Ein feines Kleid in tiefstem Schwarz, aus bester Seide gefertigt, maßgeschneidert. Wenn sie schon Schwarz tragen musste, dann sollte es wenigstens gut aussehen, und sogar sie musste gestehen, dass ihr das Kleid einfach stand, sowohl Schnitt als auch Farbe. Dafür, dass es Schwarz war, leuchtete die Farbe fast schon unverschämt. Aber nun gut, es war auch nagelneu, und der Stoff tat natürlich sein übriges. Und, das musste man einfach zu ihrer Verteidigung sagen: es war weder einfach noch billig gewesen, ein derartiges Kleid zu bekommen. Ihr Vater würde der Schlag treffen, wenn er wüsste, wie viel sie für ein Kleid, ein EINZIGES Kleid, ausgegeben hatte, und das noch dazu ohne mit der Wimper zu zucken.
So also stürmte Nigrina in den Raum, in dem der Lanista war, die anderen ihr hinterher, und während sie nun dem Gladiatorenschulenheini endlich den Vortritt überließ – ging ja gar nicht an, dass sie den Lanista nun zuerst begrüßte –, ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen. Am Rande bemerkte sie, wie der GSH – Gladiatorenschulenheini – den Lanista mit leisen Worten darüber aufklärte, was sie wollte – „Sie ist eine Flavia, sie hat etwas davon gesagt, dass sie dich sprechen will, Herr, irgendetwas von wegen dass sie ihren Sklaven ausbilden lassen will, verzeih mir bitte...“ – uninteressant... solange der Lanista sich nicht ihr zuwandte – und gleichzeitig sah sie nun, dass sie nicht die einzige Anwesende war außer dem Lanista. Noch nicht einmal die einzige in Trauerkleidung. Sie ließ ihren Blick über die junge Frau schweifen, die in etwa in ihrem Alter zu sein schien, aber... nun ja... mit Verlaub: anders wirkte. Im Gegensatz zu Nigrina stand ihr Schwarz nicht wirklich. Die Flavia neigte leicht den Kopf zur Begrüßung. „Salve.“ Und dann, ohne sich lang mit weiteren Floskeln aufzuhalten: „Wer war es bei dir?“