Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    “Wein, wenn du hast. Hälfte Wasser.“ Sextus begleitete die Duccia zu den drei Stühlen und setzte sich dann auf denjenigen, der näher zu dem von ihr gewählten stand. Kurz fragte er sich, warum sie überhaupt hatte drei Stühle hierhin stellen lassen, ob sie desöfteren Gäste in ihrem Schlafgemach zu empfangen pflegte und derer mehr als einen zur gleichen Zeit (gepaart mit ein paar wirklich unpassenden Bildern), aber er ließ sich davon nicht ablenken.
    “Und da du es gerade ansprichst: Ja, es geht um deinen Neffen. Genauer gesagt um ein Schreiben, welches er mir aus Ägypten gesandt hat.“ Er ließ ihr einen kurzen Moment, die Neuigkeit aufzunehmen, und beobachtete ihre Reaktion, ehe er fortfuhr. “Ich bin mir nicht sicher, was seine Kommunikation mit seiner Verwandtschaft angeht und inwiefern ich dir also nun Dinge berichte, die du unter Umständen schon weißt. In dieser speziellen Korrespondenz also ging es darum, dass sich seine finanziellen Mittel wohl dem Ende zuneigen und ich einen gemeinsamen Freund, der nach Ägypten versetzt wurde, bei dir vorbeischicken möge, einen Wechsel für ihn zu überbringen. Nur ist die Sache die, dass besagter Freund wohl schon abgereist ist und folglich die Bitte nicht erfüllen kann.“ Er ließ ihr nun erst einmal die Gelegenheit, etwas zu erwidern, er wollte sie ja nicht einfach niederreden.

    Selbstsicher wollte Sextus bereits den Weg ins Atrium einschlagen und blieb dort stehen, als der Sklave, der ihn führen sollte, aber weiter voranschritt. Doch auch das angenommene Tablinum war nicht das Ziel ihrer Reise. Und so war der Aurelier etwas verwundert, als der Sklave schließlich an einem Raum anklopfte, der sich nach dem Betreten als Cubiculum entpuppte.
    “Salve, Duccia Venusia. Danke, dass du mich empfängst.“ Ganz wie selbstverständlich ging Sextus dabei über die Wahl der Räumlichkeiten hinweg, wenngleich diese in seinen Gedanken durchaus eine Rolle spielten. Die Frau, die sich ihm präsentierte, war älter, aber noch gutaussehend. Zu alt für seinen Geschmack eigentlich, und nicht unbedingt sein Beuteschema. Allerdings machte die einfache Tatsache, dass sie ihn in ihr Privatzimmer gebeten hatte, und dass sie Valas Tante war, die Sache doch wieder etwas interessanter. Sextus erinnerte sich noch sehr genau an die Fragen seines Verbündeten bezüglich Sextus' Cousinen. Wer könnte es ihm da also verwehren, wenn er sich nun die Tante Valas etwas näher ansah?

    Eindeutig war die Kleine nicht das hellste Kerzchen im Candelaber. Allerdings machte es sie dadurch nur noch begehrenswerter, wenngleich als Gesprächspartnerin langweiliger. Sextus also beschloss, die Damen ihrem Plausch zu überlassen und nur mit einem halben Ohr zuzuhören, um eventuelle Missgriffe seiner Frau gegen das Mädchen frühzeitig zu ersticken.


    Ohnehin forderte sein Gast gerade seine vollständige Aufmerksamkeit, als dieser völlig unverblümt fragte, was der Anlass dieser Einladung war. Und damit unmissverständlich klarstellte, dass er nicht an rein freundschaftliche Interessen glaubte. Was so keine Überraschung an sich war, hätte der Mann doch wohl kaum über Jahre seine Stellung gehalten und seine Macht ausbauen können, wenn er dumm und naiv wäre.
    Einen kurzen Augenblick lang war Sextus unschlüssig, was das weitere Vorgehen anging. Die polternde Art des Vesculariers ließ vielleicht darauf schließen, dass er für blumige Reden nicht viel übrig hatte. Überhaupt wies das, was Sextus über ihn in Erfahrung bringen konnte, auf eine sehr direkte Art hin. Militär, Befehlshaber, keine nennenswerten politischen Eignungen, bevor Valerianus Kaiser wurde und ihn in den jetzigen Posten gehievt hatte. Und leider nicht dumm.
    Nur hieß das nicht, dass der Mann nun tatsächlich ein 'Ich will Senator werden und wollte mit dir in diesem Rahmen nun die genaue Höhe aushandeln, was diese Gefälligkeit mich kosten wird' hören wollte. Wobei dies sicher eine Überraschung wert wäre.


    “Du meinst abgesehen von der Ehre, den mächtigsten aller momentan in Rom befindlichen Männer unter meinem Dach als Gast begrüßen zu dürfen?“ fragte Sextus weiterhin scherzend und nahm noch einen Schluck Wein, während die germanischen Sklavinnen vor ihnen Platten mit Austern, Mostbrötchen und anderen Köstlichkeiten absetzten. “Nun, ich hatte gehofft, dass dieses Essen eine freundschaftliche Basis zwischen uns beiden schaffen könnte. Die Loyalität und Freundschaft dieses Hauses gilt seit jeher dem Kaiser. Wie könnte ich sie also seinem Stellvertreter nicht zeigen? Noch dazu, wo du als Mann bekannt bist, für den Freundschaft nicht nur eine hohle und leere Phrase ist wie bei so vielen anderen, sondern durchaus durch handfeste Taten Bestätigung findet.“
    Ein bisschen verklausuliert, allerdings nicht zu sehr. Sextus hatte zwar kein Problem damit, vulgär zu sein, wenn es angebracht war. Doch störten die bezeugenden Ohren des Ventidiers und Gallers für derartige Direktheit zu sehr. Das Vögelchen würde wohl auch direkte Worte kaum begreifen oder kommentieren.

    Das Lächeln in Sextus Gesicht wurde eine kleine Spur kälter, ohne jedoch die wirkliche Kälte seiner Gedankengänge preiszugeben. Offensichtlich verwechselte der Iulier sich mit jemandem von altem Namen, der es sich herausnehmen hätte können, Belehrungen zu verlautbaren. Oder jemandem mit großen Verdiensten im Bereich des Militärs oder der Politik. Oder auch nur der Verwandte eines solchen Mannes. Doch wäre Sextus entgangen, dass dies auf die Iulier zutraf, die nur einen Senatoren in ihren Reihen aufweisen konnten, keine hohen Posten in der Kanzlei oder sonstwo im Reich und auch keine Legionen. Kurz, Sextus fand den Tonfall des Mannes vor sich weniger amüsant als unverschämt.
    “Die zuverlässige Quelle ist der offizielle Ausrufer der Stadt Ostia, der die Hafenverordnung nunmal erst an diesem Tag verkündet hat. Ich sage nicht, dass sie nicht zuvor beschlossen wurde. Nur wie bei jedem Gesetz, sei es im Senat oder sonstwo, zählt der Beschluss absolut nichts, sondern wird erst mit Verkündigung wirksam.“ Musste er hier nun wirklich diesem kleinen Magistraten erklären, wie Politik funktionierte? Noch dazu, wo er bei selbigem Beschluss dann auch bei der Passage mit der Gültigkeit der Hafenverordnung anwesend hätte sein müssen.


    “Im übrigen wäre mir nicht bekannt, dass wir beide vertraut genug wären, als dass du mich bitten könntest, oder gar Einfluss nehmen auf meine Ansicht vernünftiger Kosten. Und du hast recht, Schiffe verlassen üblicherweise den Hafen und liegen nicht herum.* Dennoch erhebst du ganz offensichtlich für eben diese Schiffe Gebühren.
    Und natürlich findet sich eine Mehrheit, wenn es darum geht, die eigenen Taschen zu füllen, Iulius. Was soll diese Ordnung sein als eine neue Einnahmequelle eben jener Händler, Seeleute und Kaufmänner, wenn diese noch dazu solche Summen veranschlagen? Ihr verlangt mehr, als ein gebildeter Philologos für seine Schüler bekommt. Und du willst mir jetzt nicht wirklich einreden, dass ein herumliegendes Schiff so viel Tagewerk verursacht wie ein Landarbeiter, der meine Felder bestellt? Noch dazu, wo jedes Schiff eine eigene Mannschaft hat, das sich um es kümmert? Warum also sollte auch nur ein vernünftig denkender Mensch so viel zahlen sollen für... was eigentlich? Den Platz? Nun, jenen werden wir nicht mehr in Anspruch nehmen.“

    Sextus nahm noch einen Schluck Wein. “Was deinen Seitenhieb mit den steuerzahlenden plebejischen Seefahrern angeht, so will ich annehmen, dass du nicht den patrizischen Stand nun beleidigen wolltest mit all seinen Verpflichtungen im verwaltenden, militärischen und religiösen Bereich und all seinen Einschränkungen im Sinne der Mos Maiorum, um eben jene pro populo romano zu ehren und für den gesamten römischen Staat aufrecht zu erhalten. Andernfalls sähe ich mich nämlich sehr gezwungen, dich an deinen Stand zu erinnern, und dies nicht nur in diesem vertraulichen Rahmen.“ Sextus drohte selten, aber manchmal sparte es Unmengen an Arbeit. Natürlich zahlten die Patrizier keine Steuern. Sie hatten sich dieses Privileg durch die Jahrhunderte auch verdient. Sie entstammten den nobelsten Geschlechtern – oder wurden wie die Aurelier zu jenen aufgrund ihrer Taten erhoben. Und da wollte jemand, der vor nicht einmal 200 Jahren noch ein rechtloser Peregriner gewesen wäre, ihm ans Bein pinkeln? Sextus hasste Respektlosigkeit. Von solch rangniederen Kreaturen noch mehr als sonst.


    Sim-Off:

    *Es wäre sehr nett, wenn du nciht davon ausgehen würdest, dass die Schiffe im Hafen vor sich hinrotten. Für das Tagesgeschäft für Handelsfahrten nervt nur kein normaler Spieler die SL, dass die dauernd die Schiffe durch die Gegend schieben, obwohl da keine ID dran beteiligt ist. ;) Nichts desto trotz werden die Schiffe nicht nur dumm rumliegen ;)

    Natürlich wurde Avianus Abwesenheit auch sogleich bemerkt. Sextus wünschte, sein Patron wäre darüber genauso hinweggegangen wie über die vielen Male, als sein Vetter auch ohne ihn hier erschienen war, obwohl er durchaus für Avianus erreichbar gewesen wäre. Es stellte mal wieder für Sextus klar, wen der Tiberier eigentlich hier sehen wollte. Avianus, den Senator. Nicht Sextus, den lästigen Klienten.


    Allerdings ließ sich der Aurelier nichts von seinem Gedankengang anmerken, machte lediglich eine hilflose Geste. “Verzeih, mein Patron, ich weiß es nicht. Deine Einladung kam etwas kurzfristig, mein Vetter war bereits außer Haus und kam nicht zeitig wieder zurück. Ich habe nach ihm suchen lassen, um ihn zu informieren, und ich bin sicher, er wird dann hier erscheinen, sobald er kann.“

    Nach einiger Wartezeit sah sich der Iulier auch wieder dem Aurelier vom Vortag gegenüber. Allerdings erst, nachdem ihm wegen der Wartezeit auch schon ein Platz, etwas zu essen und zu trinken angeboten worden war. Und er doch wirklich etwas warten musste, denn Sextus saß nicht den ganzen Tag nur herum und wartete auf Gäste, erst recht nicht vormittags, wo er auch zur Salutatio seines Patrons zu gehen pflegte – manchmal zumindest.


    “Ah, Iulius, entschuldige die Wartezeit“ begann Sextus dann aber beim Eintreten sofort freundlich, ehe er sich ohne weiteres Federlesen auch gleich selbst setzte und einen Sklaven mit einem Becher herbeischnippte. Erst, nachdem er einen Schluck getrunken hatte, fing er an, sich dem eigentlichen Anliegen des Iuliers zu widmen. Sextus hatte keine Eile damit, sein Gegenüber zurecht zu weisen. So etwas genoss man wie einen gut gereiften Falerner und kippte es nicht hinunter wie einen zusammengepanschten Traubenmost.
    “Nun, bezüglich deines gestrigen Anliegens...“ fing er also freundlich an und beobachtete die Reaktionen des jungen Mannes vor ihm. Es war ja nicht so, dass Sextus gerne andere Leute in die Pfanne haute, aber sie landeten nunmal immer wieder in seiner Pfanne. Er musste dazu nicht einmal viel unternehmen, es war fast, als hechteten sie von selber hinein. Wer war er also, ein offenbar göttliches Naturgesetz abwenden zu wollen?
    “... ich habe mich über die besagten Schiffe erkundigt. Zunächst einmal, lass uns über die Helios sprechen.“ Das war schon beinahe witzig, so dass das Lächeln, das seiner Namensbedeutung zur Ehre gereichte, nicht einmal groß aufgesetzt werden musste. “Ich weiß nicht, welches Schiff die Hafenverwaltung von Ostia in ihren Listen hat, doch sicher nicht die Helios von Aurelius Commodus. Nach dessen Tod hat er es einer gewissen Rediviva Helena vermacht, die sein Erbe wohl auch angenommen hat. Und mit eben jenem Erbe bei ihrer Überfahrt von Hispania nach Ägypten mitsamt dem Schiff wohl untergegangen ist.“ Doch, das hatte wirklich etwas von einer Komödie, war dies doch schon vor etlichen Jahren geschehen. Und offensichtlich hatte die Hafenverwaltung von Ostia erhebliche Probleme, nicht zu merken, wenn ein Schiff unterging und gar nicht besagtes Schiff sein konnte. “Von daher weiß ich nicht, welches Schiff bei euch vor Anker liegen mag, doch ist es sicher nicht in aurelischem Besitz. Ich würde vorschlagen, ihr stellt den Kapitän zur Rede. Was sich im übrigen wohl bei jeglicher Art von Klärung von Besitzverhältnissen anbieten würde.“ Doch, dieses kleine Spiel amüsierte Sextus wirklich. Soviel Unbedarftheit auf politischem Boden gehörte bestraft.


    Und Sextus hätte es damit schon gut sein lassen können, war es dem Iulier doch sicher so schon peinlich genug. Allerdings hatte er hier noch Dinge zu regeln, die im Gegensatz zu der vorherigen Lappalie wirklich seine Familie anging. Und bei dieser hörte Sextus' Sinn für Humor, sofern er überhaupt einen solchen besaß, definitiv auf.
    “Was nun die Nordwind angeht, so hat der zuständige Prätor wohl vergessen, die Besitzverhältnisse korrekt zu übertragen. Was also dazu führt, dass das Schiff im Moment einem Toten gehört und die Verbindlichkeiten erst nach dem Tod entstanden sind. Nun, ich bin kein Rechtsgelehrter, doch bezweifle ich, dass Tote noch Steuerpflichten zu erfüllen haben.
    Doch gesetzt den Fall, dass du tatsächlich Erfolg haben solltest und einen Anspruch trotz fehlendem Eigner auf dessen Erben übertragen könntest, so ist deine Berechnung falsch. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass besagte Hafenverordnung erst am achten Tag vor den Kalenden des November 25.10 verkündigt wurde. Und – was ja freundlicherweise sogar auf eben jener Ordnung mit beschlossen und ausgehängt wurde – erst ab ihrer Verkündigung Gültigkeit erlangt. Also vor gerade einmal sechs Tagen*.“
    Sextus lächelte leicht belustigt, auch wenn er das gar nicht so lustig fand. “Ich weiß ja nicht, was zwischen dem Beschluss und der Verkündigung in Ostia geschehen ist, doch das ist für mich auch nicht weiter relevant. Die Forderung ist schlicht nonexistent, da wir uns noch in der gebührenfreien Zeit befinden. Deshalb werden wir auch Ostia noch vor der angegebenen Zeit verlassen.**“ Und wenn Sextus das Schiff an Land schleppen und auf Karren verladen lassen musste, um es dort fortzubringen. Aber er sah nicht ein, diese horrende Gebühr zu bezahlen.
    “Im übrigen stellt sich mir bei der Höhe der Gebühr ernsthaft die Frage, ob Ostia seine Rolle als Roms Hafen ernsthaft aufgeben will und so unter Misswirtschaft leidet, dass die eingetriebenen Zölle nicht zum Erhalt des Hafens genügen, so dass noch solche Summen eingetrieben werden müssen. Sechshundert Sesterzen im Monat! Ich bitte dich, Iulius! Würdest du bitte die Duumvirn der Stadt in meinem Namen fragen, ob sie noch alle Amphoren im Regal haben? Sollte ein Schiff ernsthaft einmal derartig beschädigt sein, dass es mehrere Monate nicht ausfahren kann, womit es nicht nur Kosten zur Wiederinstandsetzung, Materialerhaltung, Verpflegung der Besatzung und Frachtausfall des Kapitäns kostet, fackelt man es in Ostia künftig besser ab! Ein neues Schiff kostet gerade einmal fünfundzwanzig Aurei. Das heißt, drei Monate in Ostia sind ein komplett nagelneues Schiff, das noch nach frisch gefällten Eichen und Farbe riecht!“ Sextus schüttelte offen den Kopf. Das war so absurd. “Vielleicht sollten die Wächter über Ostias Stadtkasse sich zweimal überlegen, ehe sie den halben Jahressold eines Legionärs als Liegegebühr jährlich pro Schiff einstreichen wollen, ob diese Höhe der Gebühr ernsthaft wohlkalkuliert ist, und darüber hinaus sollten sie überlegen, welche Wichtigkeit sie ihrer Stellung als Hafen zubemessen. Eines kann ich zumindest versprechen: Für die Gens Aurelia lohnen sich so eher die zusätzlichen Transportkosten der paar Waren, die wir über unsere Schiffe direkt beziehen lassen, über Land, ehe wir die Schiffe weiter in Ostia lassen. Und ich würde in nächster Zukunft nicht mit Zuwendungen für Tempelbauten oder ähnlichem rechnen.“


    Sim-Off:

    * Datum der Threaderstellung war 1.11., also ist ein Tag später der 2.11.


    **Wir prüfen noch, ob trotz fehlender Umschreibung des Schiffes (irgendwie werden die gern vergessen, weil die in der WiSim auch nicht auftauchen) das verschoben werden kann. Prisca ist ja derzeit auch nicht da, wollte das aber verschieben lassen

    Eigentlich hatte Sextus zusammen mit seinem Vetter kommen wollen. Allerdings gestaltete sich dieses Vorhaben in seiner Umsetzung als unmöglich, da die Einladung des Tiberiers am selben Tag aber erst eingegangen war. Im Grunde konnte sein Patron von Glück reden, dass Sextus nur derartige Termine hatte, die nicht unter „was besseres“ fielen, so dass er diese Absagen konnte. Bei eingegangenen Verabredungen mit Senatoren oder Amtsträgern hätte sich dergleichen schon deutlich schwieriger gestaltet, und Sextus begann sich zu fragen, welche überwichtigen Neuigkeiten sein Patron wohl zu verkünden hatte, dass diese nicht die Zeitspanne einer gesitteten Einladung überdauern konnten.
    Doch sei es, wie es sei, Sextus hatte Avianus an diesem Tag einfach nicht gesehen. Seine Informationen über den Aufenthaltsort des Vetters waren auch mehr als nur spärlich, im Grunde sagten ihm die Sklaven auch nur, dass er außer Haus war. So blieb ihm also nicht viel übrig, außer, ein paar Sklaven auf die Suche nach ihm zu schicken, damit dieser von der Einladung des Tiberiers überhaupt erfuhr, und die Anweisung zu geben, Avianus in jedem Fall bei seinem Eintreffen zu informieren und ebenfalls zur Villa Tiberia zu schicken. Sein Vetter war immerhin der überzeugte Verschwörer der beiden Aurelier. Sextus war nach wie vor von ihrem Vorhaben nicht ernstlich überzeugt, schon gar nicht aus moralischen Erwägungen heraus.


    So also kam der Aurelier an diesem Abend allein zur Villa seines Patrons und ließ sich auch gleich zum Triclinum weiterführen, wo der alte Tiberius schon mit dem Vetter von Sextus Frau wartete. “Salve, Patron. Salve, Flavius Gracchus“, grüßte Sextus die beiden höhergestellten beim Eintreten schlicht.

    Gut, die Redebegabung ihrer Namensverwandten hatte das Mädchen nicht geerbt. Was die Götter bei Brüsten und Arsch gegeben hatten, hatten sie wohl beim Verstand auf der anderen Seite eingespart. Im Grunde gefiel die Kleine Sextus nur immer besser, und es war wirklich, wirklich ein Jammer, dass es ausgerechnet der Praefectus Urbi war, der sie momentan 'beschützte'. Wäre es ein geringerer Mann, den er nicht zumindest für den Moment brauchte, Sextus wäre ernsthaft in Versuchung gewesen, dem Mann die Geliebte abspenstig zu machen. Wobei vermutlich sein Kleingeld nicht mit dem des Vesculariers mithalten konnte, und schöne Worte bei dieser Art Frau meist weniger zählten als bare Münze und schöne Geschenke. Wenngleich der Verstand dieses Dingelchens da vielleicht sogar gering genug wäre, um es zu seinen Gunsten zu nutzen. Nunja, er konnte es ja im Hinterkopf behalten, sollte sein Patron mit seinen Planungen etwas Brauchbares hervorbringen, mit dem man arbeiten konnte.


    Sextus also legte sich auf den Platz des Gastgebers und versuchte nicht darauf zu sehen, wie sich das Objekt seiner Momentanbegierde neben den Vescularier legte, wo durch die seitliche Bauchlage einige frontal gelegene Körperpartien besonders schön hervorgehoben wurden. Die Sklavinnen eilten sofort herbei und schenkten Wein aus, während andere sich daran machten, das Essen herbeizuholen. Auf das 'Her mit dem Zeug' lachte Sextus einmal mit einem leichten “Ha“ kurz auf, als hätte er es nicht unterdrücken können und behielt ein offenes Grinsen bei. Sicher, eine Maskerade unter vielen, aber sein Gast war eher für seine besondere Lebensfreude bekannt als für strenge Moral, und wenn Sextus sich so den Mann nur etwas gewogener machen konnte, wollte er es tun. Und wenn sein Opfer an Mercurius wirklich die ersehnte Wirkung erbracht haben sollte, war der Weg wohl nicht ganz falsch.
    Also hob Sextus seinen Becher auch wenn Falerner eigentlich viel zu schade war, um ihn neben dem Essen zu trinken. Aber wer Geld verdienen wollte, musste Geld ausgeben.
    “Möge Liber Pater auf dieses Essen herablächeln, den Wein leicht und süß sein lassen, die Gesellschaft lustig und ausgelassen und uns mit der nötigen Trinkfestigkeit segnen. Per Baccho!“ sprach Sextus also den Segen des Bacchus über das Gastmahl und goss einen sehr großzügigen Schluck des guten Weines auf den Boden als Trankopfer aus. Bacchus, Mercur, Sextus würde sogar die Hilfe von Zephyrus in Anspruch nehmen, und das alles, obwohl er nicht einmal wirklich an göttliches Eingreifen glaubte.


    Seine Frau begann auch sogleich, sich mit dem jungen Dingelchen zu unterhalten. Wobei Sextus sich fragte, weshalb sie ihr überhaupt ein derartiges Interesse entgegenbrachte und sich nicht statt dessen eher auf ihren Hauptgast konzentrierte und ihn umschmeichelte. An pure Höflichkeit glaubte Sextus hierbei nicht, vor allem, da die beiden ja auch räumlich getrennt saßen. Er würde das im Auge behalten müssen, um seine Frau notfalls wieder in die Schranken zu weisen, ehe sie aus femininem Rivalitätsgehabe noch etwas verdarb.

    Na, das ging ja einfach! Der Sklave schien durchaus erleichtert zu sein. “Besten Dank. Mein Herr wird dann in zwei Tagen in den Nachmittagsstunden kommen. Vale bene.“


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    Und zwei Tage später, zur beginnenden neunten Stunde, hielt auch wie versprochen eine Sänfte vor der Casa Decima. Während Sextus Aurelius Lupus aus eben jener ausstieg, lief schon ein pflichtschuldiger Sklave – im übrigen derselbe, der vor wenigen Tagen den Termin erfragt hatte – zur Porta und meldete ihn an.
    “Der ehrenwerte Sextus Aurelius Lupus möchte die huldvolle Duccia Venusia zu einem Gespräch besuchen, wie es terminlich vereinbart war“, meldete der Mann rasch dem Ianitor, um seinem Herrn Wartezeiten vor der Porta zu ersparen.

    Die tatsächliche Anzahl der eindringenden Horde fiel dann doch glücklicherweise weit kleiner aus, als der pompöse Auftritt es hätte erwarten lassen. Auch wenn seine Frau einen kurzen Moment verstört aussah, als der Sklavenjunge die Neuigkeit mit flinker Zunge vortrug. Kurz erntete sie dafür einen leicht fragenden Seitenblick, doch hatte sie sich den Göttern sei dank schnell genug wieder unter Kontrolle. Sie wusste, wie wichtig das für ihn und sein Fortkommen war, und Sextus war froh, dass sie wenigstens heute vernunftbegabt genug war, dementsprechend zu handeln. Wobei sie das in der Öffentlichkeit meistens tat.


    Ihr Gast wiederum trat ein wie Apollon persönlich – nunja, die etwas fettere und kahlköpfigere Ausgabe des Sonnengottes. Wo Sextus sich mit zwar edlem, aber schlicht gestaltetem Stoff in puritanischer Bescheidenheit übte, erstrahlte der Vescularier in purem Gold. Daneben verblassten alle weiteren Gäste, die Sextus jetzt begrüßen durfte. Unter anderem auch seine Begleitung, bei deren Anblick er Nigrinas vorherige Aufregung verstehen konnte. Das Mädel sah Nigrina ähnlich. Mehr noch, es war eine viel jüngere Ausgabe mit Hüften, die wohl noch kein Kind geboren hatten. Sextus Blick ruhte einen Augenblick lang durchaus wohlwollend auf eben jenen, doch nicht lang genug, um das Missfallen des Vesculariers zu erregen. Der Ohnehin gerade damit beschäftigt war, die etwas ältere Ausgabe seiner Geliebten mit einem Küsschen zu begrüßen. Sextus ließ es einspruchsfrei geschehen, auch wenn er im Gegenzug sehr wohl den Blick des anderen Mannes bemerkte. Der Mann hatte Geschmack, und wie Sextus schon vor seiner endgültigen Verbindung mit den Flaviern über seine jetzige Frau dachte: Sie war wie ein edles Pferd, und durchaus wert, mehr als einmal geritten zu werden. Solange er der einzige Reiter dabei blieb.


    “Ich hoffe, es war eine freudige Überraschung, Vescularius, war eine Einladung doch schon längst überfällig.“ Ein wenig Schmeichelei zu Beginn konnte nicht schaden, und seine Frau übernahm auch äußerst charmant ihren Teil davon. Sehr schön, sollte der Vescularier sich von ihren schönen Worten nur einlullen lassen.
    Zu den weiteren Gästen gab sich Sextus durchaus generös. “Natürlich sind sie willkommen. Deine Freunde sind auch meine Freunde.“ Ein fast schon warmes Lächeln, ehe sich Sextus den beiden etwas verloren wirkenden gestalten zuwandte. Den einen kannte er dankenswerterweise, wenngleich nur sehr flüchtig. “Ventidius, deine Anwesenheit ehrt mein Haus. Ich hoffe, du hast an deinem Amt ebenso großen gefallen wie ich vor dir, ohne dieselben Probleme dabei bewältigen zu dürfen.“ Sie hatten sich eigentlich nur bei der Amtsübergabe kurz miteinander ausgetauscht, aber immerhin genug, als dass Sextus es als Aufhänger für seine Begrüßung verwenden konnte.
    “Gallus, es ist mir eine Freude, dich kennen zu lernen.“ Leider hatte der Praefectus Urbi kein Amt genannt, das der Mann bekleidete, und ihm sagte der Name auch rein gar nichts. Der Nomenclator des Hauses war auch weit außerhalb der gastgeberischen Reichweite und konnte nicht aushelfen, also musste die kurze Begrüßung wohl genügen.
    Ging es zum zweitwichtigsten Gast: Der Konkubine.
    “Und verzeih mir, werte Thalia, dass ich dich zuletzt begrüße. Aber du weißt ja sicherlich, ein gutes Theaterstück baut sich zu seinem Höhepunkt am Schluss auf, wie könnte ich also das liebreizendste Wesen neben meiner Frau da gleich zu Beginn begrüßen?“ Sextus schenkte ihr sein Tausend-Aurei-Lächeln. Er hätte ihr auch einen galanten Kuss auf die Hand gegeben, aber entschied sich dagegen. Nicht wegen dem Zornesausbruch, der nach diesem Abend seitens seiner Frau sicherlich folgen würde. Den fürchtete er nicht. Sextus versuchte nur den Seiltanz hinzukriegen, dass Salinators Geliebte ihn charmant genug fand, um ihn zu mögen und bestenfalls für ihn Einfluss zu nehmen, und gleichzeitig ihren Gönner nicht zu verärgern, weil der in Sextus eine ernste Konkurrenz sah. “Ich muss sagen, Praefectus Vescularius, dein Geschmack ist wirklich sehr erlesen. Aber setzen wir uns doch. Etwas Falerner?“ Mit einer einladenden Geste öffnete Sextus den Besuchern den Weg zu den Klinen und wies Salinator dabei selbstverständlich den locus consularis an, während er auf der nächsten Kline links von ihm Platz nehmen würde. Den Quästor bat er auch sogleich sich zu ihm zu gesellen auf den lectus imus, so dass er sich mit diesem noch gut unterhalten konnte. Da Sextus sich bei der Konkubine nicht sicher war, ob diese sich gern sittsam auf einen der beiden bereitgestellten Korbsessel begeben wollte oder doch lieber sich zu ihrem Gönner zwar anstandslos, aber sexy auf die Kline legen wollte – etwas, das sich eine gehobene Frau nie erlauben würde – überließ er es seinem Gast, ihr den Platz, welcher auch immer den beiden beliebte, zuzuweisen. Den Gallus bat er dann zu Salinator auf die Kline.

    Ein Sklave aus der Villa Aurelia kam zur decimischen Porta und klopfte höflich an. Als sich die Tür schließlich für ihn öffnete, grüßte er den Ianitor auch gleich mit einem höflichen Nicken und trug seinen Auftrag vor. “Der ehrenwerte Sextus Aurelius Lupus erbittet einen Termin bei Duccia Venusia. Er möchte mit ihr bezüglich ihres Neffen Duccius Vala gerne sprechen und lässt fragen, ob sie ihn in den nächsten Tagen empfangen kann.“

    Nach ein paar Stunden, in denen Sextus sich der übrigen Korrespondenz gewidmet hatte, kehrte Pflanze Nummer eins zurück, um Meldung zu machen. Höflich klopfte er an und wartete darauf, dass Sextus ihn ansprach. Gut trainiertes Pflänzchen.
    “Und?“ fragte er also mit leicht gereiztem Tonfall, obgleich er im Grunde zufrieden mit der Verhaltensweise des Mannes war.
    “Der ehrenwerte Quintilius kam nicht nach Rom. Er ist wohl direkt mit dem Schiff von Gallia aus Richtung Alexandria gefahren und hat an diversten Städten der Küste wohl nur geringfügige Stopps eingelegt. Die quintilischen Sklaven wissen auch nichts genaueres, Dominus.“
    Sextus machte auf die Neuigkeit nur einmal “Hmhm“ und widmete sich einem anderen Schreiben, das er in Ruhe studierte, sich ein paar Notizen dazu auf einer Wachstafel machte und ansonsten nichts sagte. Erst, als er mit seiner tätigkeit fertig war und völlig ohne Vorwarnung, kam ein neuerlicher Befehl.
    “Geh zur Casa Decima und bitte Duccia Venusia um einen Termin für die nächsten Tage bezüglich ihres Neffen Duccius Vala.“ Mehr sagte er nicht, aber mehr war auch nicht nötig. Mit einem neuerlichen “Ja, Dominus“ verschwand der Mann auch schon wieder, um seinen Auftrag zu erfüllen.

    Seitdem der Sklave Bericht erstattet hatte, wann der Praefectus Urbi zum Essen zu kommen gedachte, hatte Sextus keine Frau mehr. Sein Weib war ausgetauscht worden gegen eine planerische Furie, die alles in ihrer Umgebung herumscheuchte und dirigierte und dabei eine Unruhe bisweilen verströmte, die den Aurelier die Stirn runzeln ließ. Daher war es nicht weiter verwunderlich, dass er nicht einmal versuchte, sich in ihre Gestaltungswünsche einzumischen. Man musste kein Haruspex sein (auch wenn er einer war), um diese Zeichen deuten zu können: Einmischung war gänzlich unerwünscht.
    Und bevor seine Frau die ganze Arbeit am Ende ihm auflud oder ihren persönlichen Stress an seiner Person anstatt an den Sklaven auslebte, ließ Sextus sie einfach gewähren. Sie machte ihre Aufgabe im Grunde gut und sie arbeitete auf ihre Art sehr gewissenhaft. Daher beschränkte er seinen Anteil an der Deeskalation auf die letzte Nacht vor dem Eintreffen des Vesculariers. Denn auch, wenn seine Frau zunächst versucht hatte, ihn des Zimmers zu verweisen und an seiner geistigen Gesundheit zu bezweifeln: Er mochte sie entspannt lieber. Und sie war schlichtweg besser, wenn sie wütend war.


    Und so also wartete zumindest er sehr entspannt, nachdem er gebadet und sich frisch rasiert hatte, angetan in eine weiße Toga, und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Viel daran ändern konnte er ohnehin nicht.
    Erst, als der Junge zu ihm und seiner Frau gelaufen kam, dass der Praefectus Urbi nicht nur angekommen war, sondern auch gleich einen halben Hofstaat mitgebracht hatte, breitete sich doch so etwas wie ein leiser Zweifel in Sextus aus. Er hatte eigentlich nur mit Salinator und einer Geliebten, sowie einer nicht näher spezifizierten – oder interessanten – Anzahl an Liktoren und/oder Sklaven gerechnet. Das Triclinum war wie alle Triclina für neun Personen ausgelegt. Plus noch zwei Korbstühle, einen für die Hausherrin und einen gegebenenfalls für die Lebensabschnittsbegleitung des Vesculariers. Alles in allem also elf zu bewirtende Personen. Doch klang das Aufgebot, mit dem der Vescularier wohl einzumarschieren gedachte, eher danach, als sollten sie im Tablinum noch ein paar Bänke aufstellen und von den Nachbarn einige Sklaven leihen, um alle zu bewirten, und unter Umständen noch das ein oder andere Schwein schlachten.
    Die Ankunft seines Gastes also erwartend – bei so einem Mann kam man nicht später in das Zimmer nach und ließ ihn von Sklaven begrüßen, das übernahm man als Hausherr selber – und unsicher über die nun genaue Anzahl der Gäste oder der besten Taktik bezüglich seines Vorhabens, wartete Sextus so stoisch gelassen es eben möglich war.

    Ein Sklave brachte die heutigen Schreiben und Notizen zu den anstehenden Terminen herein. Sextus sah die verschiedenen Tafeln und Papyri durch und fing an, den ein oder anderen davon zu lesen und einen geringen Prozentsatz davon auch sogleich zu beantworten. Ein viel größerer Teil der täglichen Korrespondenz landete auf dem Wiedervorlagehaufen, um den er sich bei akuter Langeweile einmal kümmerte. Dies betraf vor allen Dingen Klientel, die der Gens Aurelia schon seit Jahren Gefolgschaft leistete und die nur ab und an der Aufmerksamkeit irgend eines Aureliers bedurfte, der ihnen gut zuredete und ihre lange Treue lobte und dergleichen. Und dann gab es noch den Teil, der sofort zur Ablage „P“ weitergereicht wurde. Sextus ließ die Sklaven nicht seine Schreiben vorsortieren. Nicht im Moment, wo er mehr Zeit hatte, als ihm lieb war – abgesehen von den ganz gewöhnlichen Bettelgesuchen, die sofort an der Tür verwertet wurden, sobald sie hereinkamen. Aber im Moment konnte er sich so wenigstens noch etwas amüsieren über die geradezu köstlichen Vorstellungen einiger Leute über Patrizier und das Eingeschleime der armen Idioten, die sich einbildeten, er würde ihnen aus einem Gefühl patrizischen Großmuts heraus aus selbstverschuldeten Miseren helfen.


    Und just an diesem Tag beherbergte der Berg an Papyri und Tabulae auch ein etwas abgegriffenes Exemplar, das aus Ägypten seinen weg hierher gefunden hatte, trotz des spätherbstlichen Sturmmeeres. Sextus Blick glitt ruhig über die Zeilen und kurz zuckten seine Mundwinkel zu seinem Äquivalent eines Lächelns, ehe er einen der Sklaven im Raum ansprach. “Ist ein Schreiben von Quintilius Sermo in den letzten Tagen angekommen?“
    Der Mann, der glücklicherweise einer Zimmerpflanze gleich im Raum stand – unauffällig, nutzlos, aber vor allen Dingen stumm – antwortete sogleich. “Nein, dominus. Auch sonst keine Nachricht.“
    Gut. Andernfalls hätte Sextus ihn bestrafen müssen. Oder es seiner Frau überlassen, die war da meistens recht einfallsreich. “Schick jemanden zur Casa Quintilia und erkundige dich, ob Quintilius nach Rom gekommen ist oder wo der Kerl steckt.“
    Mit einem leisen "Ja, dominus“ verschwand der Kerl auch gleich folgsam und machte einer anderen wandelnden Vorzeigezimmerpflanze Platz.

    Und der Sklave wartete vor der verschlossenen Tür. Und wartete. Schickte zwischenzeitlich die Träger nach Hause. Ging ein paar Schritte auf und ab, unterhielt sich ein wenig mit einem anderen Sklaven, den er von diversen Botengängen kannte. Ignorierte sein Hungergefühl. Ignorierte seine volle Blase (er konnte ja schlecht gegen das Haus vom PU pinkeln – oder das seines Nachbarn). Er stand, lehnte an der Hauswand, schaute vorbeikommenden Mädels nach, duckte sich unauffällig bei einem Trupp vorbeikommender Cohortler. Und wartete.


    Irgendwann ging die Tür wieder auf – der Sklave war gerade mit der hirnentleerenden Tätigkeit der genauen Betrachtung eines Gorgoneions auf der gegenüberliegenden Straßenseite beschäftigt und zählte die Schlangen – und der Ianitor verkündete die Entscheidung des Hausherrn.
    “Ich werde es meinem Herrn ausrichten. Er wird sehr erfreut sein, deinen Herrn empfangen zu dürfen. Vale.“ Den Göttern sei dank, der Mann nahm an! Der Sklave hätte seinem Herrn nicht mit einer Ablehnung der Einladung gegenübertreten wollen.
    Und so ging er – vom langen Stehen ein bisschen steif – wieder nach Hause, um die Erfüllung des Auftrages zu vermelden.

    Eigentlich war Sextus so ruhig und charmant – oder uncharmant, je nach Betrachtungsweise – wie die ganze Zeit über. Dennoch war er sehr froh, dass der Iulier endlich mit der Sprache rausrückte. Und er wollte das, was alle wollten: Geld. Auf welcher Grundlage er das Geld dann aber wollte, löste in Sextus beinahe ein Lachen aus. Allerdings wirklich nur beinahe.
    Seine Augenbrauen hoben sich kurz fragend, während er den Wisch mit der neuen Hafenverordnung entgegennahm und überflog. “Iulius, du willst mir jetzt nicht sagen, dass du so ein Geheimnis um eine öffentlich ausgehängte Verkündigung gemacht hast?“ fragte er noch einmal mit einem skeptischen Blick auf den Jungen. Sextus hatte schon angenommen, die Kapitäne der Schiffe hätten heimlich Weihrauch und Opium an den Behörden vorbeischmuggeln wollen und wären erwischt worden, was ja noch ein wenig Diskretion erklärt hätte. Aber hier ging es um einen völlig öffentlichen Beschluss, den man wohl auch ebenso öffentlich nachlesen könnte. Auch wenn Sextus sehr wunderte, dass er davon nicht auch nur das geringste mitbekommen hatte. In der Acta hatte nichts dergleichen gestanden.


    Sextus las also das Schreiben Paragraphen für Paragraphen und ließ durch seine Mimik keinen Blick auf seine Gedanken zu, obwohl er derer viele hatte. Doch jene wollte er dem Iulius nicht unbedingt auf die Nase binden.
    “Du wirst sicher verstehen, wenn ich das alles erst einmal selbst prüfen werde, bevor ich weitere Schritte einleite. Da ich annehme, dass du heute noch mehr Schiffseigner mit deiner Anwesenheit beglücken wirst“, und sein Tonfall ließ keine Rückschlüsse auf Sarkasmus oder Spott des Gesprochenen zu, “...wirst du heute wohl in der Casa deiner Gens nächtigen. Von daher würde ich dich bitten, morgen erneut hier zu erscheinen.*“ Im Grunde war es keine Bitte, vielmehr eine Erwartung. Der Iulier wollte Geld von ihm, dann sollte er nochmal kommen. “Ich denke, dann kann ich genauer hierzu befinden und dir auch sicher mit deinem anderen Problem weiterhelfen.“ Der Maiordomus würde sicher von dem zweiten Schiff wissen, oder ihn den Vilicus auftreiben. So oder so, Der Iulier würde erneut kommen müssen. “Und bis dahin bleibt mir nur, dir einen erfolgreichen Tag zu wünschen.“ Sextus würde sicher nichts bezahlen, nur weil ein Iulius hier hereingeschneit kam mit einem hübschen Papyrus in der Hand.


    Sim-Off:

    Schreib dich einfach hier wieder in den Thread bzw. dass dein Charakter wieder kommt, dann machen wir hier gleich weiter

    Diese Reise hierher war eine einzige Zeitverschwendung. Sextus befahl ruhe, und die Honoratioren quasselten munter weiter, ließen sich nicht einmal annähernd in ihrem Gesprächsfluss stören. Es wurde begrüßt, es wurde leichtherzig palavert.... dass dies eine religiöse Zeremonie war und Mantua wegen Vernachlässigung eben solcher überhaupt erst in diese Misere geraten war, juckte die Ehrengäste nicht. Sofern man also an die Macht der Götter glaubte, blieb nur abzuwarten, wann diese sich mit ähnlicher Wucht Roma selbst widmen würden, um vielleicht ein ganz klein wenig mehr Respekt vor den Jahrhunderte alten Brauchtümern einzufordern. Zumindest wünschte sich Sextus in diesem Moment doch sehr, dass sie genau das tun würden und diese Respektlosigkeit nicht dulden würden. Wobei ihm durchaus klar war, dass die Götter, so man überhaupt an sie glaubte, ihm diesen Gefallen wohl kaum tun würden.
    Dennoch, Sextus konnte Respektlosigkeit – vor allem, wenn er deren Ziel war – nicht ausstehen.


    Und auch das Volk ließ mit Jubel doch sehr auf sich warten. Was zum Orcus war mit diesen Leuten nur los? Da verkündete man ihnen eine rosige Zukunft, und das, nach all dem Tod und Verfall, den Plünderungen durch Diebesbanden, den sich stapelnden Leichen, Sextus hatte auch was von Brandstiftern mauscheln hören! Und was war? NICHTS! Absolut NICHTS! Keine Reaktion, keine Erleichterung, kein nichts. Sextus hatte Begräbnissen beigewohnt, bei denen ausgelassenere Stimmung geherrscht hatte.
    Die Krone aber setzten die Magistraten dem ganzen auf. Während er abtrat und sich fragte, was mit dieser Stadt los war und ob die Götter sich ihr Urteil nicht vielleicht doch nochmal überlegen wollten, und sei es nur ihm zuliebe, trat der Artorier einem Unterhalter gleich wieder auf die Bühne und kündigte die Duumvirn an. Als ob die nicht von selbst vorkommen hätten können! (Ja, Sextus hatte wirklich schlechte Laune.)
    Und was machten die beiden Herren? Zelebrierten seinen Vetter Ursus und kündigten ihn als großen Stadtpatron an! Kein Wort über die Götter, keine ausgesprochene Erleichterung über die Haruspizien, kein garnichts! Diese Reise hier war eine einzige Zeitverschwendung gewesen. Hatte er sich auf der schrecklichen Hinreise noch damit getröstet, dass er hier ein klein wenig Achtung und Macht erfahren würde, was den ganzen Aufwand dann im Endeffekt doch wert wäre. Aber nein, nichts dergleichen. Nicht einmal das Mindestmaß an Respekt.
    Sextus also wusch sich in Seelenruhe die Hände und wartete auf den Auftritt seines Vetters, ruhig und brav im Hintergrund verweilend. In Gedanken war er schon wieder auf der Heimreise, die sicher nicht minder lang, nass und unbequem werden würde wie die Hinreise. Aber immerhin würde sie ihn wieder nach Rom führen, wo er daran dachte, nicht länger zu warten, was sich ereignete. Nein, er würde sich nicht noch einmal zu solchen Auftritten überreden lassen. Jetzt war es an der Zeit, die Fäden des Geschicks in die eigenen Hände zu nehmen und zu einem Punkt aufzusteigen, wo derlei nicht länger nötig sein würde.

    Die aurelischen Sklaven halfen, soweit man sie helfen ließ, und sammelten sich dann gehorsam wieder hinter ihrem Anführer, der mit dem Ianitor palaverte. Und der einen doch recht eindeutigen Auftrag hatte und diesen zu erfüllen gedachte.
    “Oh, ihr müsst keinen Boten bemühen. Ich kann warten. Auch mehrere Stunden. Oder mich morgen erneut erkundigen, falls der Hausherr sich heute nicht um dieses Thema kümmern kann.“
    Ein freundliches Lächeln und ein betont unschuldiger Blick, aber der Sklave blieb stehen. Er sollte dem Vescularius keine Gelegenheit geben, einfach abzusagen, indem er gar nichts sagte. Sein Herr wollte ein definitives Ergebnis, und ein möglichst positives. Keine Antwort war da kein Ergebnis, mit dem der Sklave nach Hause zurückkehren wollte.

    Ein kleiner Teil von Sextus hätte jetzt einer trotzigen Erwiderung von Seiten des Friesen den Vorzug gegeben. Ein trotziges Wort, eine neuerliche Beleidigung, kurz: ein Vorwand, der Sextus die Rechtfertigung gegeben hätte, gegen den Mann tätig zu werden, und sei es nicht persönlich, so doch mittels der Cohortes Urbanae. Sicher gab es dort einige, die nur liebend gern einen Friesen im dunkelsten Loch der Carcer wissen würden, oder noch besser am Kreuz, um sich für die Demütigung zu rächen, die sein Stamm den Römern vor gerade einmal siebzig Jahren zugefügt hatte. Diese Leute hatten Römer gekreuzigt! Wegen ihnen hatten weit mehr als Tausend Legionäre den Tod in einer einzigen Schlacht gefunden – einige durch das eigene Schwert, um eben nicht am Kreuz zu enden. Garantiert gab es in den Hallen der Castra Praetoria mehr als einen Mann, der dabei einen verwandten verloren hatte und sich so für die Schmach, die dem Großvater widerfahren war, nur zu gerne revanchieren wollte.


    Doch der Mann vor ihm hatte scheinbar Verstand genug, einzulenken, und nahm Sextus daher den passenden Vorwand, um dergleichen durchzuführen. Und da Gracchus trotz der Beleidigung seiner eigenen Cousine ruhig geblieben, ja Nigrina sogar zurechtgewiesen hatte – etwas, das Sextus vor einem Senator sicher ebenso mit seinen Cousinen getan hätte, doch sicher nicht vor einem Peregrinen – blieb Sextus nichts anderes übrig, als die Sache vorerst auf sich beruhen zu lassen.
    Während der Peregrinus also Nigrina schneckengleich umschmeichelte, wandte sich Sextus von der Szenerie ab und Gracchus kurz zu. Ihm war klar, dass sein Ausbruch nicht der propagierten stoischen Gelassenheit entsprach, also war wohl ein klein wenig Schadensbegrenzung angebracht.
    “Verzeih, Flavius, dass ich mich zu diesem Schritt in deinem Haus genötigt sah, obwohl derlei Obliegenheiten hier eigentlich deiner Gewalt unterliegen.“ Nicht, dass es ihm wirklich leid tat. Tat es nicht im Mindesten. Im Gegenteil wunderte es ihn nach wie vor, wie der Flavier einen Peregrinus seiner eigenen Verwandten vorziehen und diese hier vor einem Fremden derart bloßstellen konnte, den Standesunterschied der beiden gänzlich aus den Augen lassend. Noch dazu, wo es sich bei dem Mann um einen Fremden handelte, überdies Peregrinen aus einem romfeindlichen Stamm. Irgendwie hatte Sextus Gracchus deutlich anders eingeschätzt, aber nunja, er würde es sich merken.
    “Wenn du mich entschuldigen möchtest, dann würde ich jetzt einmal nach Prisca sehen.“ Die ja immerhin seine Verwandte war, womit ihm als einzigem hier anwesenden verwandten ein gewisses Maß an Besorgnis gut zu Gesicht stand.

    Das klang doch schonmal sehr positiv. “Selbstverständlich. Mein Herr weiß natürlich von den vielen Verpflichtungen deines Herrn, die ihm nicht immer erlauben, solche Einladungen anzunehmen.“ Solange der Präfectus Urbi sich nur rechtzeitig genug ankündigen würde, damit man das Essen entsprechend vorbereiten konnte.